Das Savant-Syndrom. Schnittpunkt zwischen Neurowissenschaften und Sozialer Arbeit


Travail d'étude, 2017

13 Pages, Note: 1,3

Elena Stegemeyer-Senst (Auteur)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abstract

1 Einleitung

2 Das Savant-Syndrom – theoretischer Hintergrund
2.1 Geschichtliches
2.2 Klassifikation und Prävalenz
2.3 Typische Leistungsbereiche von Savants und Beispiele

3 Das Savant-Syndrom – globale Erklärungstheorien
3.1 Kortikale Hemisphärendominanz und die Theorie der zerebralen Lateralisierung
3.2 Theorie der basalen Informationsverarbeitung
3.3 Heredität

4 Diskussion

5 Literaturverzeichnis

Abstract

Beim Savant-Syndrom, auch Inselbegabung genannt, handelt es sich um ein Phänomen, bei dem die Betroffenen eine Leistungsexzellenz auf einem (seltener mehreren) eng umschriebenen Gebiet mit einer geistigen oder mentalen Retardierung bzw. einer Dysfunktion des zentralen Nervensystems in sich kombinieren (Treffert, 2010).

Das Savant-Syndrom ist seit über hundert Jahren bekannt. Die moderne Savant-Forschung unterscheidet außerordentliche (prodigious) und talentierte (talented) Savants (Treffert, 2010). Talentierte Savants weisen Fähigkeiten auf, die in Anbetracht ihrer Beeinträchtigung bemerkenswert sind. Die Fähigkeiten der außerordentlichen Savants sind auch für neurotypische Menschen erstaunlich und bemerkenswert. Die Prävalenz der talentierten Savants ist bei weitem höher als die der außerordentlichen.

Savant-Fähigkeiten äußern sich in den meisten Fällen auf den Gebieten des anspruchsvollen mathematischen Kalkulierens, des Kalenderrechnens, der Musik, des Faktenwissens, der Sprachen, des Zeichnens und des Gedächtnisses.

Diverse Theorien versuchen, das Savant-Syndrom zu erklären. Es sind unter anderem Theorien der zerebralen Lateralisierung, der basalen Informations­verarbeitung und der hereditären Einflüsse. Alle Theorien leisten einen Beitrag zur Erklärung des Phänomens. Die Genese des Savant-Syndroms ist wegen der Heterogenität der Erscheinungen noch bei weitem ungeklärt.

Die Neurowissenschaften sind zum festen Bezugspunkt der Sozialen Arbeit geworden und die Savant-Forschung trägt zu dieser Entwicklung bei.

Personen mit Inselbegabungen sind wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchti­gungen häufig Adressaten der Sozialen Arbeit. Es ist wichtig, hinter besonderen Fähigkeiten Menschen zu sehen, die sehr oft auf Unterstützung angewiesen sind.

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Savant-Syndrom. Nach einer kurzen Skizze der geschichtlichen Entwicklung der Savant-Forschung folgt die Beschrei­bung der Prävalenz und der modernen Klassifikation des Phänomens. Ferner wird auf Gebiete, auf denen die Savant-Fähigkeiten in den meisten Fällen auftreten, eingegangen und es folgen einige konkrete Beispiele.

Des Weiteren werden einige moderne Erklärungstheorien der Ursachen des Savant-Syndroms dargestellt und reflektiert. Dabei werden folgende Frage­stellungen vordergründig sein: Ist es aktuell möglich, eine klare Genese des Savant-Syndroms festzustellen? Welche Gesetzmäßigkeiten in den vorgestellten Theorien könnten in der Zukunft Aufschlüsse über die Entstehung des Savant-Syndroms geben? Welche Gemeinsamkeiten in den drei Theorien sind zu beobachten?

Ferner wird auf die Frage eingegangen, inwiefern die Soziale Arbeit bei der Diagnostik und weiteren Erforschung des Phänomens Savant-Syndrom hilfreich sein kann. Die Fachleute der Sozialen Arbeit sind diejenigen, die mit prävalent-wichtigen Gruppe im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit tagtäglich zu tun haben. Möglicherweise würde das Wissen über das Savant-Syndrom den Sozialarbeitern helfen, sensibler auf die Anzeichen einer besonderen Begabung bei Menschen mit Demenz oder Patienten nach einem Schlaganfall zu reagieren.

Schließlich wird die Feststellung reflektiert, dass, ohne das Savant-Syndrom zu verstehen, es nicht möglich ist, das komplexeste Gerät im Universum – das menschliche Gehirn - zu begreifen:

Until we can understand and fully explain the savant we cannot understand and fully explain ourselves since no model of brain function will be complete until it can incorporate and fully account for this dazzling juxtaposition of ability and disability in the same person. (Treffert, 2010, p. 17)

2 Das Savant-Syndrom – theoretischer Hintergrund

Der Begriff des Savant-Syndroms wurde vom amerikanischen Psychiater Darold Treffert geprägt (Treffert, 2010). Das Phänomen selbst ist bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bekannt und beschreibt das Auftreten außergewöhnlicher Fähigkeiten auf einem bestimmten, eng umschriebenen Gebiet bei allgemeiner Intelligenzminderung bzw. anderweitigen Einbußen im zentralen Nervensystem.

2.1 Geschichtliches

Das Savant-Syndrom wurde zum ersten Mal vom englischen Neurologen J. Langdon Down im Jahr 1887 beschrieben (Down, 1887). Während seiner Tätigkeit in einer neurologischen Klinik beobachtete Down Patienten, die einerseits unter zum Teil schwersten neurologischen bzw. psychischen Ausfällen litten, andererseits aber mit außergewöhnlichen Fähigkeiten verblüfften. Down berichtet unter anderem von Personen, die mehrere Bücherbände auswendig rezitieren konnten, allerdings ohne deren Sinn zu verstehen. Down bezeichnete diese Menschen Idiot-Savants, abgeleitet vom französischen Wort savoir für Wissen. Seit Treffert (1988) ist der Begriff des Savant-Syndroms gebräuchlich und die Betroffenen werden Savants, die Wissenden, genannt.

2.2 Klassifikation und Prävalenz

Das Savant-Syndrom ist keine Krankheit, sondern eine neurologische Disposition mit defizitären Begleiterscheinungen. Savant-Fähigkeiten können angeboren oder im Laufe des Lebens erworben sein. Angeborene Fähigkeiten gehen in der Regel mit einer angeborenen Entwicklungsstörung, beispielsweise einer Autismus-Spektrum-Störung, einher. Das erworbene Savant-Syndrom kann aufgrund einer Gehirnverletzung oder infolge einer neurodegenerativen Erkrankung, beispiels­weise einer Altersdemenz, entstehen.

Es wird unterschieden zwischen talentierten und außerordentlichen Savants (Treffert, 2010). Die Fähigkeiten der talentierten Savants sind in Anbetracht ihrer Beeinträchtigung außergewöhnlich, die Fähigkeiten der außerordentlichen Savants sind auch aus der Sicht der neurotypischen Personen erstaunlich und bemerkens­wert.

Es ist nicht einfach, die Prävalenz des Savant-Syndroms eindeutig zu bestimmen, da viele Fälle nicht diagnostiziert und Kriterien für eine Inselbegabung nicht klar festgelegt sind. Treffert (2010) schätzt die Prävalenz des Savant-Syndroms unter Personen mit einer Autismus-Spektrum-Störung auf 10%. Saloviita, Ruusila, and Ruusila (2000) geben die Inzidenz des Savant–Syndroms bei Personen mit geistiger Behinderung mit 1,4% auf 483 an.

50% der Personen mit Savant–Syndrom weisen eine Autismus–Spektrum–Störung auf. Die anderen 50% haben eine andere neurologische Beeinträchtigung, wie beispielsweise Demenz oder Dysfunktionen im Gehirn infolge eines Schlaganfalls.

2.3 Typische Leistungsbereiche von Savants und Beispiele

Savant–Fähigkeiten treten normalerweise auf den Gebieten des anspruchsvollen mathematischen Kalkulierens, des Kalenderberechnens, der Musik und des Zeichnens auf. Außerdem verfügen die meisten der Betroffenen über ein außer­ordentlich gutes Erinnerungsvermögen.

Prominentestes Beispiel eines prodigious-Savants ist Kim Peek, Prototyp des autistischen Protagonisten im preisgekrönten Film „Rain Man“. Kim Peek verfügte über ein enormes Faktenwissen und konnte jede beliebige Stelle aus zwölftausend von ihm gelesenen Büchern auswendig vortragen. Er war sein Leben lang aufgrund eines angeborenen Gehirndefektes auf fremde Hilfe angewiesen.

Stephen Wiltshire ist in der Lage, nach einem kurzen Hubschrauberflug über eine Stadt originalgetreue Panorama-Bilder zu zeichnen, auf denen sogar die Anzahl der Fenster stimmt. Er hat eine Autismus-Spektrum-Störung.

Leslie Lemke konnte im Alter von vierzehn Jahren das Erste Klavierkonzert von P. I. Tschaikowski nach nur einmaligem Hören nachspielen, ohne jemals Klavierunterricht gehabt zu haben. Leslie Lemke ist blind und hat Cerebralparese.

Bei talentierten Savants sind häufig hervorragende rechnerische und numerische Fähigkeiten anzutreffen, wie Multiplizieren und Radizieren mehrstelliger Zahlen oder extrahieren der Primzahlen in einem Bereich bis hunderttausend. Auch musikalische, instrumentale und kompositorische Fähigkeiten bei Patienten mit frontotemporaler Demenz und nach einem Schlaganfall sind bekannt. (B. L. Miller, Boone, Cummings, Read, & Mishkin, 2000)

3 Das Savant-Syndrom – globale Erklärungstheorien

Es gibt diverse Theorien, die ihren Beitrag zur Erklärung des Savant–Syndroms leisten. Dies sind u.a. die Theorie der zerebralen Lateralisierung, die sich mit strukturellen Anomalien des Gehirns beschäftigt, die Theorie der basalen Informationsverarbeitung, die neuronale Besonderheiten als Ursache für das Savant-Syndrom vermutet, und die Theorie der hereditären Einflüsse.

3.1 Kortikale Hemisphärendominanz und die Theorie der zerebralen Lateralisierung

Das menschliche Gehirn besteht aus der linken und der rechten Hemisphäre. Diesen sind bestimmte kognitive Strukturen zugeordnet. In der linken Hemisphäre sind die Sprache, die Logik und das verbale Gedächtnis verortet, in der rechten Kreativität, Emotionen und das non-verbale Gedächtnis (Treffert, 2010). Auch ist die rechte Hirnhälfte für visuelle Fähigkeiten und nicht symbolische, konkrete Fakten zuständig (Podbregar, 2012).

Aufgrund der hohen Prävalenz des Savant–Syndroms unter Personen mit Autismus-Spektrum-Störungen wurde nach Gemeinsamkeiten in der Gehirnstruktur beider Gruppen gesucht. Dabei wurden bei fast allen Probanden Läsionen im linken Temporallappen festgestellt (Treffert, 1999). Den Grund dafür sehen Geschwind and Galaburda (1985) in der schädlichen Wirkung des Hormons Testosteron auf die linke Gehirnhemisphäre bereits im Pränatalstadium der Entwicklung.

Auch bei Savants mit erworbener Inselbegabung wurden Anomalien in der linken Gehirnhemisphäre festgestellt. B. L. Miller et al. (2000) untersuchten 46 Patienten mit frontotemporaler Demenz, die im Laufe ihrer Erkrankung erstaunliche musika­lische und visuelle Fähigkeiten entwickelten. Bei der Mehrzahl von ihnen wurden Durchblutungsstörungen im linken Temporallappen des Gehirns festgestellt.

Einen spektakulären Fall beschreibt Dorman (1991). Bei einem elfjährigen Patienten wurde eine Hemisphärenektomie der linken Gehirnhälfte durchgeführt. Im Alter von 18 Jahren entwickelte der Patient herausragende Fähigkeiten im Kalenderrechnen. Er konnte mit großer Präzision mehrere Jahre in die Zukunft und in die Vergangenheit jedem Datum einen Wochentag zuordnen.

Nach der Theorie der zerebralen Lateralisierung (Geschwind & Galaburda, 1985) kompensiert die rechte Gehirnhälfte Defizite der linken. Dafür spricht die Tatsache, dass die meisten der Savant-Fähigkeiten ‚rechtshemisphärischer‘ Natur sind. Da die rechte Gehirnhemisphäre für die Kreativität und visuelle Wahrnehmung zuständig ist, bekommen solche ‚linkshemisphärische‘ Fähigkeiten, wie das mathematische Kalkulieren, eine völlig andere Qualität. Viele Savants berichten, dass sie nicht im üblichen Sinne rechnen, sondern den Lösungsweg sowie die Lösung selbst als Bilder vor sich sehen (Tammet, 2007).

[...]

Fin de l'extrait de 13 pages

Résumé des informations

Titre
Das Savant-Syndrom. Schnittpunkt zwischen Neurowissenschaften und Sozialer Arbeit
Note
1,3
Auteur
Année
2017
Pages
13
N° de catalogue
V380963
ISBN (ebook)
9783668585980
ISBN (Livre)
9783668585997
Taille d'un fichier
467 KB
Langue
allemand
Mots clés
savant-syndrom, schnittpunkt, neurowissenschaften, sozialer, arbeit
Citation du texte
Elena Stegemeyer-Senst (Auteur), 2017, Das Savant-Syndrom. Schnittpunkt zwischen Neurowissenschaften und Sozialer Arbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/380963

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