Wie weit kann man nun vom Baltikum als einem Spielball der deutschen Besatzungspolitik sprechen? Im Prinzip begann die ganze Misere des Baltikums mit der Zerschlagung Polens, um derentwillen Hitler bereit war, die Balten seinem Erzfeind auszuliefern. Obwohl er das Baltikum als zukünftigen Teil des Reiches sah und es so eine Sonderrolle im GPO einnahm, spielte er es seinem russischen Gegenüber in die Arme, um zunächst freie Hand für Polen zu haben. Dabei mussten nicht nur Deutsche in ''Sicherheit'' gebracht, sondern auch Balten geopfert werden.
Streng genommen können die Umsiedlungen von Deutschbalten vor dem Überfall auf die Sowjetunion nicht zur NS-Besatzungspolitik gerechnet werden, da das Baltikum zu der Zeit noch nicht von Deutschland besetzt war. Dieser theoretische Makel kann dadurch entschuldigt werden, dass die Umsiedlungen der Baltendeutschen und die anschließende Neuansiedlung der Litauendeutschen eine wichtige Ausgangslage für die weitere deutsche Herrschaft im Baltikum bildeten. Unter den Aussiedlern waren auch einige Balten, die später als Kollaborateure der Nazis wieder in ihre Heimat zurückkehrten. Außerdem fügten sich diese ersten Siedlungsaktionen in das NS-Gesamtkonstrukt von der ''Neuordnung Europas'' ein. Die Siedler wurden zum Beispiel zur ''Germanisierung'' des Warthelandes benötigt, oder sollten nach ihrer Neuansiedlung ihre eigene Heimat ''eindeutschen''. Die Deutschbalten waren so zum Spielball, aber auch zum Werkzeug der Nationalsozialisten geworden, die glaubten, ganze Völker je nach politischen Erfordernissen verschieben zu können. Dabei wurden bewusst Identitäten und heimatliche Bindungen zerschlagen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Weg der baltischen Republiken in das Reichskommissariat Ostland
- Das Baltikum in der NS-Weltanschauung und den Besatzungszielen
- Die Umsiedlung der Deutschbalten
- Abschied von Estland und Lettland
- Der litauische Sonderfall
- Der Reichsarbeitsdienst als Eindeutschungsmaßnahme
- Die Mobilisierung der baltischen SS-Legionen
- Der umständliche Weg zu den baltischen SS-Legionen
- "Staatsschutzkorps" und "Verschmelzung" als Rettung der Fernziele?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Rolle des Baltikums in der NS-Besatzungspolitik und beleuchtet exemplarisch die Strategien der Umsiedlung, Eindeutschung und Mobilisierung. Dabei wird der Fokus auf die deutschen Ambitionen im Baltikum, die Ziele der Besatzer und die verwendeten Mittel und Strategien gelegt.
- Die Rolle des Baltikums in der NS-Besatzungspolitik
- Die deutsche Ostpolitik im Baltikum
- Die Bedeutung der Begriffe Umsiedlung, Eindeutschung und Mobilisierung
- Die NS-Terminologie im Kontext der Besatzung
- Die Verwendung der Deutschen Zeitung im Ostland (DZO) als Quelle
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Besonderheit der Erinnerungskultur im Baltikum im Kontext der deutschen Besatzung dar und führt die drei zentralen Begriffe Umsiedlung, Eindeutschung und Mobilisierung ein.
Kapitel 2 beschreibt den Weg der baltischen Republiken in das Reichskommissariat Ostland und zeigt die historischen Hintergründe der sowjetischen Annexion auf.
Kapitel 3 beleuchtet die Rolle des Baltikums in der NS-Weltanschauung und den Besatzungszielen der deutschen Machthaber.
Kapitel 4 befasst sich mit der Umsiedlung der Deutschbalten und beleuchtet die verschiedenen Phasen und Besonderheiten des Prozesses in Estland, Lettland und Litauen.
Kapitel 5 untersucht den Reichsarbeitsdienst als Eindeutschungsmaßnahme und seine Auswirkungen auf die baltische Gesellschaft.
Kapitel 6 betrachtet die Mobilisierung der baltischen SS-Legionen und analysiert die Motivationen und Rekrutierungsprozesse der baltischen Soldaten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen NS-Besatzungspolitik, Baltikum, Umsiedlung, Eindeutschung, Mobilisierung, Reichskommissariat Ostland, Deutsche Zeitung im Ostland, Deutschbalten, SS-Legionen, Reichsarbeitsdienst, sowjetische Besatzung, Russifizierung, NS-Terminologie.
- Citar trabajo
- Christian Schuldes (Autor), 2017, Umsiedlung, Eindeutschung, Mobilisierung. Das Baltikum als Spielball der NS-Besatzungspolitik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/381083