Trans*Personen in der Sexarbeit. Eine kritische Auseinandersetzung sozialer Arbeit in einem prekären Arbeitsfeld


Hausarbeit, 2017

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Aufbau der Arbeit

2. Grundlagen Begriffsbestimmungen
Trans*gender
Prostitution/Sexarbeit

3. Das Prostitutionsschutzgesetz und die Reform
Zwischenfazit

4. Welche Bezeichnung ist stimmig
4.1 Trans*sexualitat
4.2 Trans*gender
4.3 Trans*sexualitat oder Trans*gender
Zwischenfazit

5. Grunde gegen oder fur Sexarbeit
5.1 Uberleben durch Arbeitsmarktstrategien
5.2 Trans*Sexarbeit als Identitatsbestatigung
5.3 Stigmatisierung von Trans*Sexarbeiter*innen
5.4 Sexualkundeaufklarung soll helfen Stigmatisierung abzubauen
Zwischenfazit

6. Soziale Arbeit mit Trans*Sexarbeiter*innen

8. Fazit

9. Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkurzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Wer sich mit der Thematik der Prostitution beschaftigt wird feststellen, dass es wenig wissenschaftliche Literatur und noch weniger verlassliche Daten zu diesem Thema gibt. Das Bundesministerium fur Familien, Senioren und Jugend (vgl. BMFSFJ) hat im Zuge der Evaluierung des Prostitutionsschutzgesetz (ProstSchG), welches am 01.07.2017 in Kraft treten soll, gleich zu Beginn folgende Umstande angemerkt: Es gibt aufgrund fehlender Erhebung keine statistische Daten zum Prostitutionsgewerbe. Dieses befindet sich zudem im juristischen Graubereich und es spielt sich in einem gesellschaftlich stigmatisierten Milieu ab (vgl. BMFSFJ, o.A., S. 3). In der Studie des Lesben- und Schwulenverbandes von Nordrhein-Westfalen (NRW), wird auf die fehlenden Daten bezuglich der Benachteiligung von Trans*Menschen hingewiesen. Mit Verweis auf eine von der Antidiskriminierungsstelle herausgegebene Studie des Bundes heiftt es, dass es keine systematisch erhobenen Daten zur Benachteiligung von Trans*Personen in Deutschland gibt. Aufter dem medizinischen Diskurs sowie der Beratungsarbeit ist uber die soziale Situation von Trans*Personen nur wenig bekannt (vgl. Fuchs, et.al, 2012, S. 4). Konsequent verfolgt werden sollte jedoch das Ziel einer Entpathologisierung (vgl. Rauchfleisch, 2016, S. 13).

Die Prostitution und die Trans*Personen haben gemeinsam, dass sie als „Themen“ aktuelle Beachtung finden und deutlich wird, dass es Handlungsbedarf gibt. So heiftt es in der neueren Studie aus NRW zu Trans*Personen, dass zwar von einer positiven gesellschaftlichen wie politischen Veranderung hinsichtlich der Akzeptanz von Trans*Personen gesprochen werden kann, es jedoch hinsichtlich der vielfaltigen Diskriminierungserfahrungen von transsexuellen Menschen unverminderte Aufmerksamkeit bedarf (vgl. Fuchs, et.al., 2012, S. 4). Die Prostitution soll mit Hilfe der Gesetzgebung und der Berufsbezeichnung Sexarbeit entpathologisiert, entkriminalisiert und entstigmatisiert werden (vgl. Casagrande, 2016, S. 4-5). Gleichzeitig kann unter dem Begriff der Sexarbeit im Internet nachgelesen werden, dass die Gesellschaft diese Form der Erwerbstatigkeit anstoftig findet, weswegen sie weiterhin im Geheimen stattzufinden hat (vgl. Konig, sexarbeit.de).

Beide Themen scheinen neben ihrer Aktualitat, gesellschaftlich wie politisch ein hohes Potential an Widerstanden und Kontroversen auszulosen. Vor welchen besonderen Herausforderungen Trans*Personen stehen, die als Trans*Person bereits mit Stigmatisierungen belegt sind und dazu in Deutschland in der Sexarbeit tatig sind, soll im Rahmen dieser Hausarbeit gezeigt werden.

Die Motivation zum Thema dieser Hausarbeit besteht im Thema selbst. Mit dem Ziel die Trans*Personengruppe im Arbeitsfeld Sexarbeit in Verbindung mit den Aufgaben der Sozialen Arbeit, in der theoretischen Auseinandersetzung kennenzulernen um diese im Rahmen des Studiums ins Bewusstsein zu holen, um die vorhandenen Spannungsfelder zu erkennen, zu benennen und sie kritisch zu hinterfragen.

1.1 Aufbau der Arbeit

Zu Beginn werden die Begriffe Trans*gender und Sexarbeit beziehungsweise Prostitution naher bestimmt, um eine Basis zur Thematik Trans*personen in der Sexarbeit zu schaffen. Einen groften Teil werden das Prostitutionsschutzgesetz (ProstSchG) und seine Reform einnehmen, da die Veranderungen aktuelle Bedenken, Verunsicherungen und Kritik bei den Sexarbeiter*innen hervorrufen und somit untrennbar mit dem Thema verbunden ist. Des Weiteren wird es darum gehen, wer welchen Trans*Begriff bevorzugt und welche Feinheiten bei den Unterscheidungen ernst genommen werden sollten und warum. Daran schlieftt sich die Auseinandersetzung mit den Grunden von Gegnern und Befurwortern der Sexarbeit an. Des weiteren geht es um gesellschaftlich stigmatisierendes Verhalten gegenuber Sexarbeiter*innen sowie einem praventiven Gedanken, welcher helfen soll, Stigmatisierung abzubauen. Betrachtet wird danach die Position der Sozialen Arbeit im Kontext der Sexarbeit. Im Fazit gibt es einen kurz zusammengefassten Ruckblick auf das erarbeitete Thema, aus der Perspektive der Sozialen Arbeit und deren Akteuren*innen. Der Ausblick am Schluss weist auf zwei Projekte hin, die thematisch aktuell und bedeutsam sind.

2. Grundlagen Begriffsbestimmungen

Trans*gender

Der Begriff Transgender stammt aus dem Englischen und fungiert als Oberbegriff fur Intersexuelle, Transsexuelle und andere Menschen, welche auf der Suche nach Wegen sind, in anderen Geschlechtskategorien zu leben. Gemeint sind Menschen, welche mit einem biologischen Geschlecht geboren wurden zu welchem sie sich nicht zugehorig fuhlen und mit welchem sie sich nicht identifizieren konnen. In dem Zusammenhang wird haufig davon gesprochen, dass sich die betroffenen Personen im „falschen Korper“ fuhlen. Damit die Selbstwahrnehmung mit der aufteren Erscheinung in Obereinstimmung gebracht werden kann, werden im Transsexuellengesetz von 1980 rechtliche Schritte geregelt, die einen Geschlechterwechsel gesetzlich absichern (vgl. Lahnemann, 2011, S. 909). Unterschieden wird zwischen einer kleinen und einer groften Losung. Bei der kleinen Losung wird das angeborene Geschlecht behalten und nur der Vorname welcher zum empfundenen Geschlecht passt wird geandert und eingetragen. Bei der groften Losung wird nach einer operativ vollzogenen Geschlechtsumwandlung das nach der Operation geltende Geschlecht eingetragen (vgl. ebd., S. 909).

Prostitution/Sexarbeit

Die Prostitution umfasst laut ProstSchG sexuelle Handlungen, welche von mindestens einer Person an mindestens eine andere Person, die unmittelbar anwesend sein muss, gegen Entgelt erbracht wird. Hierzu gehoren auch sexuelle Handlungen an sowie vor der eigenen Person gegen Entgelt. Personen die besagte sexuelle Handlungen anbieten und sie an oder vor sich vollziehen lassen, tragen die Bezeichnung Prostituierte. Mit dem

Prostitutionsgewerbe ist eine gewerbliche Leistungserbringung durch sexuelle Dienstleistungen gemeint, welche durch eine andere Person als die Gewerbeinnehabende, gegen Entgelt erbracht wird. Laut Gesetz kann als Gewerbe eine Vermittlung betrieben werden, eine Veranstaltung organisiert werden, ein Fahrzeug zur Verfugung gestellt werden oder eine Prostitutionsstatte betrieben werden. Jedesmal werden sexuelle Handlungen von mindestens einer Person, an oder vor dieser Person gegen Entgelt fur mindestens eine andere Person gleistet (vgl. BMFSFJ, o.A., S. 7). Sexarbeit wird in Deutschland bisher weder klar definiert, noch ist sie eindeutig als Erwerbsarbeit anzuerkennen, da es auch gelegentliche Dienstleistungsangebote gibt. Die Bezeichnung Sexarbeiter*in hat primar zum Ziel die unter dem Begriff der Prostitution genannten Dienstleistungen als Beruf anzuerkennen (Konig, o.A., sexarbeit.de). Der Wunsch der mit der Berufsbezeichnung Sexarbeiter*in einhergeht, ist die Anerkennung und Akzeptanz fur den Beruf voranzutreiben sowie die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Des Weiteren wird der Begriff als Sammelbegriff von verschiedenen Arbeitsfeldern verwendet. Es gehoren beispielsweise auch das Erotik- und Pornogewerbe dazu (vgl. Casagrande, 2016, S. 4-5).

3. Das Prostitutionsschutzgesetz und die Reform

Das ProsSchG ist fur das Prostitutionsgewerbe und die Prostituierten von erheblicher Bedeutung. Es trat zum ersten Mal im Jahr 2002 in Kraft. Durch das Gesetz erkannte man die Prostitution insofern an, das die Sittenwidrigkeit entfiel. Im Jahr 2007 wurde es erstmalig evaluiert (vgl. Casagrande, 2016, S. 5) und im Jahr 2016 erneut uberarbeitet. In neuer Fassung wird es am 07 Juli 2017 in Kraft treten (vgl. BMFSFJ, o.A., S. 3).

Im Ergebnis fuhrt das neue Gesetz dazu, dass eine Erlaubnispflicht fur Prostitutionsgewerbetreibende eingefuhrt wird. Diese wird an die Zuverlassigkeit der Betreiber gebunden und geht mit gesetzlichen Mindestanforderungen einher. Die Zuverlassigkeit wird gepruft, so dass beispielsweise vorbestrafte Personen kein Prostitutionsgewerbe mehr betreiben konnen. Zudem wird ein Veranstaltungs- und/oder Betriebskonzept gefordert. Sexarbeiter*innen mussen sich kunftig anmelden. Sie mussen Angaben zu ihrer Identitat machen. Hierzu gehoren neben dem Alter und Namen auch die Nationalitat, der Hauptwohnsitz oder eine Zustelladresse bei Wohnungslosigkeit und sie benotigen eine Berechtigung in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) arbeiten zu durfen. Ebenfalls angegeben werden mussen die Orte in denen kunftig gearbeitet werden soll. Verpflichtend wird eine Gesundheitsberatung eingefuhrt (vgl. Casagrande, 2016, S. 7). Haben die Prostituierten alle Kriterien erfullt, bekommen sie eine Anmelde- und Aliasbescheinigung, welche sie im Falle von Kontrollen, bei sich fuhren mussen. Vor der Anmeldung wird in einem Beratungsgesprach gepruft ob sich die Person in einer Not- oder Zwangslage befindet. Ist die Person unter einundzwanzig muss sie alle sechs Monate zur Gesundheitsberatung, ist sie uber einundzwanzig, alle zwolf Monate. Der Prozess geht mit immensen Kosten einher, der vom BMFSFJ veranschlagt wird. Der sogenannte Erfullungsaufwand belauft sich auf einmalige ca. 64,9 Millionen fur die Wirtschaft und auf ca. 71,9 Millionen jahrlich (vgl. ebd., S. 7). Die Betrage entstehen durch die Anmeldungen von Prostitutionsstatten wie Sexarbeiter*innen und werden den Gewerbetreibenden angelastet. Die jahrlichen Verwaltungskosten des uberarbeiteten ProsSchG mit ca. 13,4 Millionen, tragen die Lander und Kommunen. Die Kosten fur den einmal falligen Umstellungsaufwand von ca. 11,3 Millionen, werden verteilt auf Bund, Lander und Kommunen (vgl. ebd., S. 7).

Das Gesetz stoftt bei den Betroffenen als auch bei den zustandigen Vereinen die fur Angebote von Sexarbeiter*innen zustandig sind, auf schwere Kritik. Scheinbar wird das Gesetz dem Ansinnen die Arbeitssituation zu verbessern und zu entstigmatisieren, nicht gerecht. In einem Interview der WeltN24, auftert sich Johanna Weber, die selbst erfolgreiche Sexarbeiterin ist, ausgesprochen enttauscht uber das ProsSchG. Nicht fur sich, doch fur ihre Kollegen*innen. Sie selbst arbeitet erfolgreich als Domina in einem Studio in St. Georg in Hamburg. Sie hat ein selbstbewusstes Auftreten ihren Beruf betreffend und verdient gut. Sie zahlt Steuern, ist Krankenversichert, zahlt in die Rentenkasse freiwillig ein und konstatiert, dass das Gesetzt fur sie gut ist. „Fur die meisten anderen ist es gescheitert“ (vgl. der Haseborg, Mikuteit, 2012, S. 4). Sie kennt die Hurden anderer Sexarbeiterinnen, die sich in ganz anderen Lagen als die ihre befinden. Diese mochten oder mussen beispielsweise ihrer Arbeit anonym nachgehen und sich nicht mit dem Berufstitel Sexarbeiterin bezeichnen. Es werden stattdessen Berufsbezeichnungen wie Tanzerin, Sporttrainerin oder Masseurin gewahlt. Der Grund dafur ist, dass die genannten Berufsbezeichnungen keine Angst erzeugende Stigmatisierungen mit sich bringen. Auch der Arbeitsort soll nicht immer an einen Club, ein Bordell oder andere feste Etablissements gebunden sein, weil dadurch die Moglichkeit entfallt, bei Bedarf schnell und in eigenem Ermessen die Ortlichkeit aufgrund ungebundener Mobilitat wechseln zu konnen. Frau Weber sieht aus Sicht der Bordellbetreiber das fehlende Interesse Sexarbeiterinnen fest einzustellen, da sie diesen nicht mehr nach spontanem Bedarf kundigen konnen und die Sexarbeiterinnen zudem das Recht erhalten, Freier die ihnen missfallen abzulehnen, was aus deren Sicht das Geschaft schadigt (vgl. ebd., 2012, S. 1-4).

Manuela Schwesig spricht hingegen vor dem Deutschen Bundestag davon, dass das neue Gesetz gerade die Frauen und Manner schutzen soll, die weder uber das Selbstbewusstsein, noch uber die Moglichkeiten verfugen, sich freiwillig und selbstbestimmt fur ihre Arbeit zu entscheiden. Geschutzt werden sollen die Sexarbeiter*innen, die zur Prostitution gezwungen werden, die Gewalt erfahren und die keine Kontakte zu Arzten*innen und Beratungsmoglichkeiten haben, da alle Regelungen deren Zuhalter ubernehmen. Bordelle sollen gerade deshalb kunftig als Gewerbe angemeldet werden, da sie wie jeder andere Gewerbetreibende dieselben Pflichten und Auflagen zu erfullen haben. Hierunter fallt auch die Pflicht die Sexarbeiter*innen anzustellen, sie kranken zu versichern und Steuern zu bezahlen. Auch die Sexarbeiter*innen die nicht in einem Bordell arbeiten, mussen sich aus den genannten Grunden anmelden und registrieren lassen, damit sie die Moglichkeit haben, sich bei den kunftig verpflichtenden Gesundheitsberatungen unabhangig von ihren Zuhaltern beraten zu lassen um gegebenenfalls in diesem Vertrauenskontext, Zwangs- und Gewalterfahrungen mitteilen zu konnen (vgl. BMFSFJ, 2017).

Stefanie von Berg, Politikerin der Grunen, setzt dem entgegen, dass aufgrund Sperrgebietsverordnungen sowie Kontaktanbahnungsverboten, die Prostitution quasi verboten wurde. Diese Maftnahmen wurden die SexarbeiterInnen gerade in kriminelles Milieu drangen, da es sie von Mannern die Wohnungen beschaffen und Bordelle betreiben abhangig mache, was die Ausbeutung der Frauen durch Manner begunstige (vgl. ter Haseborg, Mikuteit, 2012, S. 6). Sie befurwortet Sexarbeit ohne Auflagen und den Arbeitsrahmen Modellwohnungen und „Verrichtungsboxen“ in der Gemeinschaft anderer Sexarbeiter*innen, versehen mit einem Notfall Alarmknopf System (vgl. ebd., S. 6). Gudrun Greb welche den Verein „Ragazza“ in St. Georg fuhrt, sieht Nachteile im neuen Gesetzentwurf. Der Verein „Ragazza“ ist Anlaufstelle fur drogensuchtige Prostituierte. Der Stadtteil St. Georg soll aufgewertet werden, weswegen fur Prostituierte eine Kontaktaufnahmeverordnung erlassen und St. Georg zum Sperrgebiet erklart wurde. Mit der Folge, dass sich die Betroffenen selbst fur Schwerstkriminelle halten. Denn kommt es doch zur Kontaktaufnahme und sie werden erwischt, werden Buftgelder fur die Beteiligten fallig. Fur die Prostituierten fuhrt dies zu Verschuldung, den Freiern verschafft es hingegen ein Druckmittel. In Folge kommen nur noch die gefurchteten Freier die entsprechend Druck ausuben und die Prostituierten erpressen konnen, weil sie bereit sind fur den Kontakt auch ein Buftgeld in Kauf zu nehmen. (vgl. ebd., S.7- 8).

Eine umfangreiche Stellungnahme zur Reform des ProsSchG bietet die Trans*Sexarbeiterin Emy Fem in ihrem Internet Blog an (emyfem.net). Fem sieht eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart in der ubermaftigen Reglementierung sowie der Erfassungs- und Registrierungspflicht von Sexarbeiter*innen. Sie schreibt von einer Wiederholung der Methoden im Nationalsozialismus. Prostituierte wurden damals registriert und in Folge Opfer von Gewalt und sexueller Zwangsausbeutung, in staatlich geschaffenen Bordellen, mit dem Ziel die Arbeitskraft von Wehrmacht und Haftlingen zu steigern und zu erhalten.[1] Nach dem Krieg wurde im Auftrag der Regierung ein Gesetz erlassen, dass dazu beitragen sollte, Geschlechtskrankheiten (GeschlKrG) zu bekampfen. In Folge mussten sich Prostituierte zwangsuntersuchen lassen. Zur Kontrolle gab es einen Bockschein (abgeleitet vom Gynakologischen Behandlungsstuhl) den die Prostituierten mitzufuhren hatten. Die Zwangsuntersuchungen und der Bockschein wurden in allen Bundeslandern bis zum Jahr 2000 abgeschafft. Mit der Wiedereinfuhrung der Anmeldebescheinigung, die ab Juli 2017 durch die Reform des ProsSchG in Kraft tritt, werden Prostituierte erneut gesetzlich zu gesundheitlicher Beratung gezwungen. Die Bescheinigung muss erneut mit sich gefuhrt werden.

Wie Johanna Weber sieht Emy Fem ein Problem bei der Umsetzung der Arbeitsplatzreglementierungen. Diese konnen wahrscheinlich nur Groftbordellbesitzer umsetzen. Sexarbeiter*innen die an selbstorganisierten Arbeitsplatzen sowie in Wohnungsbordellen arbeiten, werden dazu finanziell nicht in der Lage sein. Mit der Folge, dass diese Sexarbeiter*innen in illegale Segmente gedrangt werden. Das bedeutet arbeiten mit erhohtem Gewaltrisiko und die Gefahr der Ausbeutung, da die Sexarbeiter*innen dadurch rechtlos sind (vgl. Emy Fem, 2017, S. 3).

Zwischenfazit

Aus den Beitragen von Emy Fem geht eine Betroffenheit mit Bezugnahme zu den historischen Ereignissen bis heute hervor. Sie bezieht zudem in ihrer Sprachwahl alle im Sexgewerbe arbeitenden Personen mit ein. Anders ist es bei den Beitragen der interviewten Personen von WeltN24. Es ist eine reine Frauendiskussion, die sich keiner geschlechtergerechten Sprache bedient und deren Fokus auf dem Schutz betroffener Frauen liegt. Die Familienpolitikerin Frau Schwesig integriert die Manner in ihrer Rede, weist jedoch ebenfalls daraufhin, dass es sich um ein Frauendominiertes Thema handelt. Von Trans*Personen spricht aufter Fem niemand. Daraus konnte gemutmaftt werden, dass die in der Minderheit befindlichen Manner und Trans*Personen in der Sexarbeit, mit ihren Schutzbedurfnissen und Anliegen noch nicht im Bewusstsein aller Diskutierenden angekommen sind.[2] Warum eine Auseinandersetzung mit Begrifflichkeiten im Kontext von Trans*Personen so wichtig ist, wird nachfolgend erlautert.

4. Welche Bezeichnung ist stimmig

Anders als im Fachlexikon der Sozialen Arbeit in welcher bei der Definition von Transsexualitat auf Transgender verwiesen wird, soll nachfolgend zwischen dem biologischen Geschlechts sex und dem sozialen Geschlecht gender und somit in Folge zwischen Trans*sexualitat und Trans*gender ein Unterschied gemacht werden. Denn mit beiden Begriffen wird ein anderer Kontext und somit eine andere Wirkung auf das Subjekt und dessen Identitat erfasst.

4.1 Trans*sexualitat

Mit dem biologischen Geschlecht sex sind die Genitalien als aufteres Merkmal eines Menschen gemeint, mit welchen er zur Welt kommt. Unterschieden werden mannliche und weibliche Geschlechtsmerkmale. Manche Menschen kommen als Zwitter zur Welt und verfugen sowohl uber mannliche wie weibliche Genitalien (vgl. Mogge-Grotjahn, 2004, S. 81). Dass es eine Zuordnung sowohl bei sex als auch bei gender in zwei Geschlechter Mann und Frau gibt, kann laut Judith Butler auch daran liegen, dass die Begrifflichkeiten eine sprachliche Einschrankung mit sich bringen und damit auch das Denken einschranken (vgl. Butler, 1991, S. 26). Denn es gibt laut ethnologischer Studien Gesellschaften, in welchen diese Dichotomie nicht vorkommt und stattdessen vom „dritten Geschlecht oder Zwischengeschlecht“ (Mogge-Grotjahn, S.81) die Rede ist.

In der deutschen Gesellschaft wird von einer eindeutigen geschlechtlichen Zuordnung in weiblich und mannlich ausgegangen. Wird eine Person nach der Geburt einem biologischen Geschlecht zugeordnet, mit welchem sie sich im spateren Leben nicht identifizieren kann, gilt diese Person als krank. Die Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) welche fur die Gesundheit in Europa zustandig ist, nennt daher in ihrem Diagnosemanual International Classification of Deseas (ICD-10) fur Therapeuten und Arzte, den „Transsexualismus“ als pathogene Storung unter der Kennziffer F64.0 als „Storung der Geschlechtsidentitat“ (Rauchfleisch, 2016, S. 18). In den Kriterien fur die Diagnose steht, dass sich die Betroffenen wunschen, dem Geschlecht anzugehoren, welches ihnen biologisch nicht angehort. Da sie sich mit ihrer biologischen Zugehorigkeit unwohl fuhlen, soll das gewunschte Geschlecht mit hormonellen Behandlungen und chirurgischen Eingriffen angeglichen werden. Dieser Wunsch muss mindestens zwei Jahre bestehen und es mussen differentialdiagnostisch andere psychische Krankheiten ausgeschlossen werden (vgl. ICD-10, 2012, S. 259). Anders als im ICD-10, wird im Diagnostic and Statistical Manual (DSM-5) welches in Amerika von der American Psychiatric Association (APA) ausgearbeitet wird, bereits seit 2013 anstelle der Geschlechtsidentitatsstorung von der Gender- oder Geschlechtsdysphorie gesprochen. Diese Abanderung gilt mit Blick auf das Ziel der Entpathologisierung als ein erster wichtiger Schritt, da mit der Begriffsanderung das „Leiden an der Geschlechtsinkongruenz“ (Rauchfleisch, 2016, S. 18) bezeichnet wird (vgl. ebd., S. 18).

Aufgrund der Pathologisierung, lehnen manche Trans*Personen den Begriff der Transsexualitat ab, da sie als stigmatisierende Zuschreibung empfunden wird. Aufgrund dieser Stigmatisierung soll in der uberarbeiteten Version des ICD-11, welches 2018 herausgegeben werden soll, die Bezeichnung „Storung der Geschlechtsidentitat“ ebenfalls aufgehoben werden (vgl. Casagrande, 2016, S. 72).

4.2 Trans*gender

Die Aneignung des sozialen Geschlechts gender vollzieht sich erst nach der Geburt im Rahmen des jeweiligen sozial-kulturellen Systems. Es ist von einem heteronormativen Geschlechterverstandnis auszugehen. Ein gesellschaftliches Konstrukt, welches unmittelbar nach der Geburt seinen vielfaltigen Ausdruck findet, indem sich die Bezugspersonen des Kindes, vereindeutigend zum biologischen Geschlecht verhalten. Dies betrifft die Sprache in Form von Unterschieden bei nonverbalen wie verbalen Informationen, bei Form und Farben der Kleidung oder der Auswahl der Spielzeuge und den jeweiligen Reaktionen auf die Interaktionen beim Spiel. Mit dem Heranwachsen bildet sich die Ich-Identitat aus, sie verhilft Menschen, ein Bewusstsein daruber zu erlangen, wer sie sind. Dazu gehort auch, daruber Bescheid zu wissen, welche Geschlechtsidentitat ein Mensch hat. Mit diesem Wissen gehen „komplexe Wert- und Deutungsmuster, Selbst- und Fremdwahrnehmungen“ (Mogge- Grotjahn, 2004, S. 82) einher. Sie reichen in alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens hinein und umfassen sowohl politische, wie kulturelle und okonomische Strukturen (vgl. ebd., S. 82).

Hirschauer fasst das gesellschaftlich gultige Alltagswissen wie folgt zusammen:

„Alle Menschen sind in zwei Geschlechter unterschieden. Wir sind, ob wir wollen

oder nicht, und was wir tun oder lassen, zeit unseres Lebens entweder Manner oder

Frauen. Dies ist eine in der Natur begrundete Tatsache.“ (Hirschauer, 1993, S. 9)

Eine Trans*Person erlebt bezogen auf die Geschlechtsidentitat Verunsicherung oder Irritationen. Die biologische Geschlechterzuordnung passt nicht mit der subjektiven (psychischen) Selbstwahrnehmung uberein. Doch bis zu einer Entscheidung, hat das Leben innerhalb der Sozialisation stattgefunden, so dass der immanente Wunsch aufterlich fur jeden anderen Menschen eindeutig als Frau oder Mann erkennbar zu werden, nicht nur mit Hormonbehandlungen und chirurgischen Eingriffen einhergehen kann, sondern auch das der Frau und dem Mann zugeschriebene Verhalten neu gelernt werden muss. Denn „das Verhalten“ hat fur Trans*Personen die Selbstverstandlichkeit verloren (vgl. Cassagrande, 2016, S. 71-72). „Neues Verhalten“ muss erst gelernt werden. Zum Stigma kann die biologische Geschlechtlichkeit fur Trans*Personen an den Orten werden, an welchen die Geschlechtlichkeit offentlich sichtbar wird, wie beispielsweise beim Schwimmen oder anderen Sportarten. Dort konnen sich zwischen dem gelebten „Verhalten“ und dem biologischen Geschlecht, entdeckbare Differenzen zeigen (vgl. Hirschauer, 1993, S. 27). Die Tanssexualitat wie sie im 20 Jh. der westlichen Welt bekannt ist, wurde durch die Medizin innerviert, die den Geschlechtswechsel uberhaupt erst moglich macht (vgl. ebd., S. 9).

4.3 Trans*sexualitat oder Trans*gender

Eindeutig sind die bisherigen Zuordnungsversuche jedoch nach wie vor nicht, denn auch diese zwei verwendeten Begriffe passen weder inhaltlich noch begrifflich zu jeder Trans*Person gleichermaften. So gibt es innerhalb der Auseinandersetzung mit dem biologischen Geschlecht beispielsweise eine Trans*Personengruppe, die zwar bezogen auf ihr Geschlecht eine Inkongruenz erleben, die jedoch keinen Wunsch haben, ihren biologischen Korper verandern zu wollen (vgl. Casagrande, 2016, S. 73).

Einige Trans*Personen mochten weder den Begriff Transgender noch den Begriff Tanssexuell als zutreffend fur sich verwenden, da sie den Begriff transgeschlechtlich bevorzugen. Damit verbunden ist, dass sie zwar ihre Zuordnung zu Mann oder Frau vereindeutigt haben, ihre sexuelle Orientierung jedoch unabhangig von der normativ angenommenen heterogenen Zuschreibung ist (vgl. ebd., S. 71).

Eine andere Trans*Personengruppe kritisiert, dass der Begriff Transgender auch als politischer Begriff benutzt wird, um die heterogenen Geschlechterverhaltnisse in Frage zu stellen, sie selbst als Trans*Person jedoch gerade die eindeutige Zugehorigkeit zu Mann oder Frau anstreben (vgl. Degele, 2008, S. 29). Somit sagt Gender uber das subjektbezogene Verstandnis von Geschlechtsidentitat nichts aus (vgl. Casagrande, 2014, S. 73).

Zwischenfazit

Zum Themengebiet von Trans*gender und Trans*sexualitat gibt es sowohl Literatur als auch Daten und Recherchen. Bei der Durchsicht derselben entsteht der Eindruck, dass es sich um ein Thema handelt welches inhaltlich wie verbal schwer zu erfassen ist, da es sich nach wie vor im Prozess des gesellschaftlichen Wandels und Werdens befindet. Begrifflichkeiten konnen nicht verallgemeinernd verwendet werden, da mit jedem Begriff Verknupfungen einhergehen, die Trans*Personen in ihrer gesamten Diversitat selten gerecht werden. Ein jahrhundertaltes Konstrukt der Heterogenitat von Mann und Frau aufzubrechen, geht mit sehr viel Vorbehalten, Abwehr, Verunsicherung und Irritation einher, auf die es noch wenig Antworten gibt.

5. Grunde gegen oder fur Sexarbeit

Der Verein „Solidaritat mit Frauen in Not“ (SOLWODI), spricht sich ganz klar dagegen aus, Prostitution als „normale“ Arbeit anzuerkennen (vgl. SOLWODI, 2015, S. 2). Sie begrunden diese Aussage damit, dass Frauen in Deutschland, welche als Prostituierte arbeiten, zwei- bis dreimal haufiger von physischer wie psychischer Gewalt betroffen sind als alle anderen Frauen. Die sexuelle Gewalt ist funf Mal so hoch (vgl. ebd., S. 2). Hinzu kommt das deutlich erhohte Risiko an Geschlechtskrankheiten und HIV zu erkranken, sowie ungewollt schwanger zu werden. Frauen leiden zudem haufig an Posttraumatischen Belastungsstorungen (PTBS), die ansonsten eher bei Menschen vorkommen, die beispielsweise im Krieg waren oder gefoltert wurden (vgl. ebd., S. 2). Aufgrund dieser destruktiven Folgeerscheinungen schlussfolgert SOLWODI, konne Prostitution niemals Arbeit im herkommlich definierten Sinne sein. Die selbstbestimmte Sexarbeiterin widerspreche den Erfahrungen von SOLWODI. Statt selbstbestimmt und freiwillig, gehe es doch nur um das Geschaft und das sei ausgesprochen eintraglich. Mit diesem Geschaft wird jedoch gegen die Grundrechte Art. 1 und 3 GG verstoften. Sowohl gegen die Menschenwurde, denn sich sexuelle Verfugbarkeit uber den Korper eines anderen Menschen zu kaufen ist keine an erkennbare Dienstleistung, als auch gegen das Gleichheitsgebot. Gefordert wird ein Verbot der Prostitution anstelle von Legitimation, wie es aufgrund des ProsSchG von 2002, geschehen ist (vgl. SOLWODI, 2015, S. 3).

Eine Gegenstimme zu diesem Beitrag nimmt Emy Fem ein. Als politisch aktive Trans*Sexarbeiterin aus Berlin, tritt sie 2014 in Melbourne auf der Welt-Aids-Konferenz auf und sagt: „Ich ficke fur Geld, aber ich bin kein Opfer, ich schame mich nicht fur meinen Job“ (Tagesspiegel, 2014a, o.A.). Bei der Konferenz geht es darum, dass Aids nicht gestoppt werden kann, solange die Sexarbeit in vielen Landern illegal ist. In diesen Landern gilt Sexarbeit nicht als Beruf weswegen auch (offiziell) kein Geld dafur entgegen genommen werden darf. Als Folge mussen Prostituierte ihre Dienste versteckt anbieten und haben keinerlei Schutz vor Gewalt, Ausnutzung, Aids und Missbrauch (vgl. Tagesspiegel, 2014a, o.A.). Arbeiten sie trotz Verbot als Sexarbeiter*innen, machen sie sich strafbar und durfen polizeilich verfolgt werden. Der Kongress soll auf diese Umstande aufmerksam machen und dabei helfen, die Arbeitssituation fur die Betroffenen sicherer zu machen und zu verbessern. Gleichzeitig zu diesen Foren fur die Offentlichkeit, tagt die Wissenschaft zum selben Thema an einem anderen Standort. Fem verschafft sich unerlaubt Gehor im wissenschaftlichen Kreis und kritisiert, dass zu wenig Gelder zur Verfugung stunden, damit sich Prostituierte auch an der wissenschaftlichen Konferenz beteiligen konnen. Eine Forderung, die bei den Beteiligten nur verhalten Zuspruch findet (vgl. ebd., o.A.). In ihrem Internet Blog schreibt Fem, dass sie selbstbestimmt arbeitet, Freude an ihrer Arbeit hat und sie die Regeln unter welchen die Arbeit stattfindet, selber festlegt (vgl. Fem, 2017, S. 5).

Nicola Doring belegt mit ihrer Forschungsarbeit, dass das Sexverbot in Schweden den Markt nicht zum Verschwinden gebracht, sondern ihn lediglich verlagert hat. Beispielsweise in Nachbarlander oder ins Internet. Zudem geht die Idee nur die Freier zu bestrafen nicht auf, da auch die Prostituierten nach Gerichtsverhandlungen zuweilen ihren Haupt-Arbeitsplatz, verloren haben. Ihre Forschung befasst sich zudem mit der Erweiterung des Sexarbeitsmarktes und ihren Folgen durch das Internet (vgl. Doring, 2014, S. 109-110).

Neben dem gesetzlichen Einfluss durch welchen Verbote oder Zugestandnisse erlassen werden, ist ein wesentlicher Aspekt die personliche Motivation von Trans*Personen in der Sexarbeit tatig zu werden. Auften vor bleibt bei der Betrachtung der Menschenhandel und die Zwangsprostitution.[3]

5.1 Uberleben durch Arbeitsmarktstrategien

Es gibt mannliche Prostituierte, deren Alter sie fur den Arbeitsmarkt der Sexarbeit entbehrlich macht. Offensichtlich wollen deren Kunden*innen lieber Manner jungeren Alters, wahrend die Kunden*innen weibliche Sexarbeiter*innern auch im Alter attraktiv finden. Ein Grund fur manchen Sexarbeiter die Geschlechtsidentitat zu wechseln und dafur den Beruf zu behalten. Eine weitere Moglichkeit als alterer mannlicher Sexarbeiter im Beruf zu bleiben ist das Angebot zu wechseln. Beispielsweise bleibt die Nachfrage an alteren Sexarbeitern im Bereich des BDMS[4] erhalten. Beide Varianten sind zweckgebunden und dienen der Kompensation von okonomischen Notlagen (vgl. Casagrande, 2016, S. 75).

5.2 Trans*Sexarbeit als Identitatsbestatigung

Die Prostitution ist ein Beruf der vor allem Trans*Frauen helfen kann, ihre Identitat bestatigt zu bekommen. Es besteht eine grofte Sehnsucht nach Bestatigung und Anerkennung als weibliches Subjekt. Durcheinander geraten konnen Trans*Frauen im hormonellen und medizinischen Prozess des Geschlechtsidentitatswechsels, wenn sie erkennen, wie begehrt ihr Penis ist. Hinter dem Doppelbegehren von Kunden versteckt sich haufig die eigene nicht eingestandene Homosexualitat. Auf diese Weise kann die Fassade eine Frau zu kontaktieren und das Begehren von einem Mann penetriert zu werden, gleichzeitig erfullt werden. Es gibt auch Kunden die das Exotische in der Erfahrung einer Trans*Frau mit doppelten Geschlechtsmerkmalen betonen. Wird der Penis aus diesen Grunden zum okonomischen Kapital der Trans*Frauen, verzichten diese zuweilen auf ihren vollstandigen Geschlechtsidentitatswechsel (vgl. Casagrande, 2016, S. 75-76).

Doch neben einem zweckorientierten altershalben Geschlechtsidentitatswechsel, einem Wechsel zu harteren Sexualpraktiken oder dem Verzicht auf einen vollstandigen Geschlechtsidentiatswechsel zugunsten des Einkommens, steht die Gruppe der Trans*Personen in der Sexarbeit multiplen Stigmatisierungen gegenuber.

5.3 Stigmatisierung von Trans*Sexarbeiter*innen

Emy Fem schreibt in ihrem Blog uber ihre politische Aufgabe, sich fur die Legitimation ihres Berufes einzusetzen. Wie schon Frau Weber im Interview zum ProsSchG gesagt hat, schreibt auch Emy Fem, dass sie zu den Privilegierten gehort. Auch sie hat einen deutschen Pass, ihr Geschlecht ist mit weiblich eingetragen, sie spricht deutsch und kennt die Gesetzeslage einigermaften. Beide Frauen weisen darauf hin, dass diese Privilegien viele andere KollegenInnen nicht haben, weil sie eine andere Hautfarbe haben, nicht deutsch sprechen, Trans* (und nicht privilegiert) sind oder eine Behinderung haben. Sie haben keine Nische gefunden, in der sie mit Freude die Arbeit ausuben konnen, die sie gerne und freiwillig tun wollen, sondern werden im Alltag diskriminiert. Haufig auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig. So haben beispielsweise Trans*Personen mit Transfeindlichkeit zu rechnen und mit erschwerten Bedingungen bei der Wohnungs- wie alternativen Arbeitssuche. Die Diskriminierung aufgrund des beruflichen Hurenstigmas treffen daruber hinaus auch die Familienmitglieder und Freunde von Sexarbeiter*innen. Aufgrund der Stigmatisierung, sehen sich viele Sexarbeiter*innen genotigt, ihre Tatigkeit vor der eigenen Familie, bei der Wohnungssuche und bei Bewerbungen fur andere Jobs zu verheimlichen. Ist die Tatigkeit der Eltern offentlich bekannt, werden deren Kinder als Hurentochter und Hurensohne beschimpft (vgl. Fem, 2017, S. 1-3).

[...]


[1] Ausfuhrlichere wissenschaftliche Details zum Thema finden sich bei Udo Gerheim „Freier in Kriegs- und KZ-Bordellen“ (Gerheim, 2012, S. 94-97)

[2] In der Hausarbeit werden noch haufiger Auszuge aus Beitragen verwendet, welche nur die Frauen in der Prostitution ansprechen. Die Formulierungen werden den jeweiligen Kontexten geschuldet belassen und ubernommen.

[3] “Von freiwilliger Sexarbeit abzugrenzen ist Prostitution aus Zwang (d. h. Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung) sowie aus einer akuten Notlage (z. B. bei Drogen-abhangigkeit)“ (Doring, 2014, S. 100).

[4] BDMS = Bezeichnung fur Praktiken des Masochismus und Sadismus oder „Fetisch orientierte Sexualpraktiken“ (Casagrande, 2016, S. 75).

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

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Titel
Trans*Personen in der Sexarbeit. Eine kritische Auseinandersetzung sozialer Arbeit in einem prekären Arbeitsfeld
Hochschule
Hochschule Esslingen
Veranstaltung
Frauen Männer Trans Inter Queer Geschlecht, Gesellschaft
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
24
Katalognummer
V381323
ISBN (eBook)
9783668584877
ISBN (Buch)
9783668584884
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gender, Trans*person
Arbeit zitieren
Renate Dertinger (Autor:in), 2017, Trans*Personen in der Sexarbeit. Eine kritische Auseinandersetzung sozialer Arbeit in einem prekären Arbeitsfeld, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/381323

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