Wie sehr sind Nichtregierungsorganisationen von Finanzierungen aus der Öffentlichkeit abhängig?

Nichtregierungsorganisationen im Europäischem Transparenzregister


Dossier / Travail de Séminaire, 2016

18 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Europäische Transparenzregister

3. Vorgehensweise

4. Erste Aussagen zu deutschen NGOs

5. Europäische NGOs im Transparenzregister

6. Kritische Überprüfung

7. Das öffentliche Verhalten von NGOs

8. Fazit

9. Literaturliste

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1. Einleitung

In den letzten Jahren wurde Lobbying[1] in der Öffentlichkeit immer mehr zum Thema. Zum einen wurde der Ausdruck in den vergangenen Dekaden zunehmend negativ belegt, und zum anderen zeigten tatsächlich diverse Skandale, dass politische Entscheidungsträger offensichtlich nicht immer nur nach ihrem Gewissen und im Sinne der Bürger entscheiden, sondern, so schien es, vielmehr Interessen von großen einflussreichen Organisationen und Wirtschaftsverbänden folgten. Viele Bürger wollten eine Antwort auf die Frage, wer hinter verschlossenen Türen unsere gewählten Volksvertreter beeinflusst und in welche Richtung diese Beeinflussungen gehen (Becker 2015). Um darauf zu reagieren haben das Europäische Parlament und die Europäische Kommission ein Transparenzregister aufgebaut. „Die Einrichtung des Transparenzregisters erfolgte mit dem Ziel, Antworten auf Kernfragen zu geben, wie: Welche Interessen werden verfolgt? Wer verfolgt diese Interessen? Welche Finanzmittel stehen diesen Leuten zur Verfügung?“ (EU-TR 2016a). In diesem Register ist zu lesen, dass sich darin nun alle Organisationen, Gruppen und Personen eintragen sollen, „welche Tätigkeiten zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf die Politikgestaltung und –umsetzung“ durchführen (EU-TR 2016b). Somit ist nun auf EU-Ebene zu sehen, wie viel Unterstützung beispielsweise Nichtregierungsorganisationen[2] von öffentlicher Seite bekommen und wie hoch ihre Ausgaben für Lobbying sind.

Diese Hausarbeit möchte der Frage nachgehen, ob und, wenn ja, wie sehr NGOs von Finanzierungen aus der öffentlichen Hand abhängig sind. Daran anschließend möchte diese Arbeit noch eine Antwort darauf finden, ob sich bei sehr stark abhängigen Gruppen eine solche Finanzierung dann auch auf die Größenordnung ihrer Lobbyarbeit bemerkbar macht. Dabei soll die Arbeitshypothese aufgestellt werden, dass NGOs mit einer hohen Finanzierungsquote aus öffentlicher Hand, weniger intensiv Lobbyarbeit betreiben, um nicht in Gefahr zu geraten bei ihren Geldgebern in Ungnade zu fallen. Um sich dieser Fragestellung zu nähern, soll in einem ersten Schritt, anhand einer Auswertung aus den Daten des Transparenzregisters, gegenübergestellt werden, wie hoch der jeweilige Finanzierungsgrad einer NGO durch öffentliche Gelder tatsächlich ist. In einem zweiten Schritt werden diesen Werten dann die jeweiligen Summen, die diese Organisationen in Lobbyarbeit investieren, gegenübergestellt. Abschließend wird anhand einiger Beispiele versucht, um sich nicht zu sehr auf das Zahlenmaterial zu stützen, aufzuzeigen, wie die Arbeit von sehr stark unterstützten NGOs in der Öffentlichkeit aussieht. Setzen sie sich, der Arbeitshypothese folgend, eher positiv mit Entscheidungen der EU auseinander, oder gibt es beispielsweise etwa stark finanzierte Gruppen, die sogar gegen Verordnungen Beschwerde einlegen.

Was diese Hausarbeit durch ihren limitierten Umfang leider nicht zu leisten vermag, ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Europäischen Transparenzregister insgesamt. Zahllose Artikel über dieses Register sind seit seinem Bestehen verfasst worden. Dabei geht die Spanne der Meinungen von einer „Fußfessel für die Lobbyisten“ (Helbig 2011) bis hin zum „zahnlosen Tiger“ (Katzemich 2015a) weit auseinander. Auch kann weiterhin nicht auf die sehr spannende Thematik der verschiedenen nationalen Transparenzregister in Europa näher eingegangen werden.[3]

Der aktuelle Forschungsstand zu der Frage des Lobbying kann nur als unüberblickbar dargestellt werden. Egal ob es „nur“ um die (versuchte) Einflussnahme von Interessensgruppen in Deutschland geht oder, dann weiterführend, auf europäischer und internationaler Ebene, unzählbare Veröffentlichungen mit jeder denkbaren These sind zu diesem Thema erschienen. Auch das Europäische Transparenzregister an sich, ist vielfach, gerade von der aktuellen internationalen Forschung, betrachtet worden. Dabei stehen in der Regel zwei Fragen im Fokus. Zum einen die „Freiwilligkeit“ der Eintragung und zum anderen, natürlich direkt im Zusammenhang, konterkariert diese Freiwilligkeit die Transparenz dieses Registers?

2. Das Europäische Transparenzregister

Zur besseren Einordnung soll an dieser Stelle ein kurzer und sehr kursorischer Überblick über das EU-Transparenzregister gegeben werden. Bereits im Jahre 1993 verpflichtete sich die Europäische Gemeinschaft in einem Amtsblatt dazu: „Ein[en] offene[en] und strukturierte[n] Dialog zwischen der Kommission und den Interessensgruppen“ zu führen, bei dem „eine verstärkte Transparenz bei der Arbeit der Kommission“ zu berücksichtigen ist (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1993). Diese erste, eher diffuse, Europäische Transparenzinitiative wurde in der Folge weiter ausgeweitet und im Jahre 2008 rief die Kommission ein Register der Interessensvertreter ins Leben (Europäische Kommission 2011), welches dann seit 2011 weitgehend bis zur heutigen Form weiterentwickelt wurde. Im Januar 2015 gab es eine letzte größere Reform in der speziell die Anreize für eine, noch immer freiwillige, Registrierung nochmals erhöht wurden. So ist zwischenzeitlich die Ausgabe eines Hausausweises an Interessensvertreter direkt mit einer Eintragung ins Register verbunden. Ziel dieses Transparenzregisters ist „dass der Entscheidungsfindungsprozess der EU so transparent und offen wie möglich verläuft“ (EU-TR 2016a) und somit für jeden Bürger nachvollziehbar ist. Dabei wird auf der Website des Registers betont, wie wichtig es sei, unangemessenen Druck auf die Entscheidungsträger zu verhindern. Das Hauptziel der Einrichtung eines Transparenzregisters sei es, Antworten auf Kernfragen zu geben, wie: Welche Interessen werden von wem verfolgt und mit welchen Finanzmitteln wird diese Arbeit finanziert (EU-TR 2016a).

Zum Stichtag dieser Arbeit (01.03.2016) waren 9287 Organisationen registriert. Dabei werden Unterscheidungen in sechs Kategorien vorgenommen. Die mit Abstand größte Gruppe mit 4715 Eintragungen bilden dabei die so genannte In-House-Lobbyisten, Gewerbe-, Wirtschafts- und Berufsverbände, gefolgt von den Nichtregierungsorganisationen mit 2339 eingetragen Organisationen. Auf den Plätzen folgen dann noch die Gruppe der Beratungsfirmen, Anwaltskanzleien und selbständigen Beratern mit 1090 Vermerken, danach die Kategorie der Denkfabriken, Forschungs- und Hochschuleinrichtungen (666 Einträge), sowie mit 437 eingetragenen Organisationen, die lokalen, regionalen und kommunalen Behörden. Ganz am Ende, und mit 40 Einträgen quantitativ völlig abgeschlagen, bilden noch Kirchen und Religionsgemeinschaften eine eigene Kategorie. (EU-TR 2016a)

Eine Eintragung ins Register nimmt jede Organisation selbst vor. Daten, von Angaben, ob sie ein Büro in Brüssel betreiben, über die Anzahl der Mitarbeiter, die die Organisation für Lobbying beschäftigt, bis hin zu Finanzierung selbst – um nur einige zu nennen - werden dabei eingepflegt. Diese eigenverantwortliche Eintragung ist einer der Hauptpunkte, die bereits in der Öffentlichkeit durchaus für Kritik sorgten. Stellt sich doch die Frage, wie valide diese Angaben dann sind. So musste beispielsweise die Investmentbank Goldman Sachs ihren ersten Eintrag zum Punkt „Ausgaben für Lobbyarbeit im Jahr“ im Transparenzregister, von „weniger als 50.000 Euro“, nach einer Beschwerde von LobbyControl, auf nun mehr 700.000 bis 799.999 Euro korrigieren (Katzemich 2015a). Dabei steht die Frage noch überhaupt nicht zur Diskussion, ob sich eine Organisation überhaupt bereiterklärt, sich im Register einzutragen. Damit eine möglichst breite Beteiligung bei den Lobbygruppen stattfindet, hat die Europäische Kommission – wie oben schon kurz erwähnt - mehrere Anreize geschaffen. Die wichtigsten darunter sind sicher, Treffen von Organisationen oder Einzelpersonen mit Mitgliedern der Kommission und der Kabinette sowie mit Generaldirektoren seien nur möglich wenn diese registriert sind.[4] Registrierte Organisationen und Einzelpersonen erhalten automatische Benachrichtigungen über Konsultationen und bei Zusammentreffen von Expertengruppen sind die betreffenden Generaldirektionen dazu aufgerufen zu überprüfen, ob die Organisation, der ein bestimmter Sachverständiger angehört, registriert ist. (EU-TR 2016b)

Natürlich könnten an dieser Stelle noch viele Punkte aufgeführt werden, die im Zusammenhang mit dem Transparenzregister wichtig sind und für ein noch genaueres Verständnis hilfreich sein dürften. Allerdings soll hier mit einem kurzen Zwischenfazit geendet werden, um im Anschluss die eigentliche Fragestellung dieser Arbeit aufzugreifen.

So bleibt pointiert festzuhalten, dass das Europäische Transparenzregister eingeführt wurde, damit sich die Bürger besser über mögliche Einflussnahmen der verschiedenen Interessensgruppen und deren Finanzierung informieren können. Diese Gruppen haben zwar (bisher) keine Verpflichtung sich einzutragen, aber die europäische Kommission hat ein Anreizsystem geschaffen, dass es für potenzielle Interessensgruppen tatsächlich sinnvoll erscheinen lässt, daran teilzunehmen. Kritik wurde und wird dennoch, gerade wegen der freiwilligen Eintragung und der mangelhaften Kontrolle der eingegeben Daten, laut.

3. Vorgehensweise

Die EU ist einer der wichtigsten öffentlichen Geldgeber auf der Welt. Es ist allgemein anerkannt, dass viele EU-basierte ZGOs[5] stark von der EU unterstützt werden. Praktisch jede von den rund 300 Bürgerinitiativen[6] die auf EU-Ebene organisiert sind, erhält verschiedene EU-Finanzierungen, wobei einige (wie European Social Platform oder Europäisches Netzwerk gegen Rassismus), mehr als 80 Prozent ihrer Finanzierung aus solchen Mitteln erhalten (Greenwood 2007: 343).

Grundsätzlich müssen Zahlen und Daten aus dem Transparenzregister mit äußerster Vorsicht verwendet und interpretiert werden. Dennoch soll nun ein erster Überblick über die Finanzierung von NGOs aus dem Register hergeleitet werden. Insgesamt sollen vor allem deutsche NGOs detaillierter untersucht werden. Dabei erscheint eine Aufteilung, die „nur“ nach der einfachen Größenordnung der öffentlichen Zuwendungen erfolgt, zu unpräzise. Die Förderung einer kleinen Organisation, wie beispielsweise die European Vegetarian Union (EVU) mit zum Beispiel 500.000 Euro hätte naturgemäß mehr Einfluss, als die gleiche Summe beim Bischöflichen Hilfswerk MISEREOR e.V., die 2014 einen jährlichen Umsatz von 185.800.000 Euro machte. Daher werden alle öffentlichen Förderungen für die NGOs aus Deutschland ins Verhältnis zu ihrem Umsatz gesetzt, um somit einen möglichst exakten Eindruck über die Bedeutung der jeweiligen Finanzierung zu bekommen. Ein weiteres Problem sind die auch in der Öffentlichkeit kritisierten Spannen bei den Kostenschätzungen der Lobbyarbeit (Katzemich 2015b). Denn es scheint fraglich, ob es sinnvoll ist bei einer Datenerhebung den „mathematischen“ Mittelwert zu nehmen. Aufgrund vieler kleiner „Ungenauigkeiten“ in der Vergangenheit (Jahresbericht TR 2014: 9), scheint die Annahme, dass sich die meisten eingetragen Organisation eher in eine niedrigere Gruppierung eintragen haben, mehr als gerechtfertigt. Um allerdings nicht zu schnell vorzuverurteilen, soll an dieser Stelle ein Kompromiss gefunden und ein Wert von zweidrittel des Maximalwertes angenommen werden. Bei einem Wert, der eine (relativ) kleine Spanne von einer Million zu 1,25 Millionen hatte, wird dann der Mittelwert angenommen. Diese Ergebnisse werden dann auch wieder zu einem prozentualen Anteil des Umsatzes eingerechnet. So sollten nun die jeweiligen prozentualen Größen der öffentlichen Förderungen mit den prozentualen Größen der Lobbyausgaben vergleichbar sein.

[...]


[1] Der Begriff „Lobbying“ geht auf das englische Wort „Lobby“ zurück und bezieht sich auf die Vorhalle, in der die Mitglieder eines Parlaments vor und nach Debatten angesprochen werden können.

[2] Im Folgenden soll für Nichtregierungsorganisationen die englische Abkürzung NGO (Non-Governmental Organization) verwendet werden. Diese werden in Deutschland auch als NROs bezeichnet.

[3] So ist gerade 2013 in Österreich ein solches Register implementiert worden, welches für alle Interessensvertretungen verpflichtend ist, wohingegen Deutschland bei dieser Frage seit Jahrzehnten ein nur äußerst rudimentäres freiwilliges Verzeichnis pflegt, die „Öffentliche Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern“.

[4] Laut LobbyControl gäbe es aber vielfach Hinweise darauf, dass diese Regelung nicht eingehalten wird. (Katzemich 2015b: o.S)

[5] ZGO steht für Zivilgesellschaftliche Organisationen

[6] Zwischenzeitlich sind Greenwoods Angaben überholt. Aktuell sind deutlich mehr registriert, von denen etwa die Hälfte angibt eine EU-Finanzierung zu erhalten.

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Wie sehr sind Nichtregierungsorganisationen von Finanzierungen aus der Öffentlichkeit abhängig?
Sous-titre
Nichtregierungsorganisationen im Europäischem Transparenzregister
Université
Technical University of Darmstadt  (Institut für Politikwissenschaft)
Cours
Seminar: Zivilgesellschaftliche Organisationen in der EU
Note
1,7
Auteur
Année
2016
Pages
18
N° de catalogue
V381417
ISBN (ebook)
9783668578982
ISBN (Livre)
9783668578999
Taille d'un fichier
686 KB
Langue
allemand
Mots clés
Europäisches Transparenzregister, Nichtregierungsorganisationen, NGO, Lobbyarbeit, Lobbying
Citation du texte
Frank Krause (Auteur), 2016, Wie sehr sind Nichtregierungsorganisationen von Finanzierungen aus der Öffentlichkeit abhängig?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/381417

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