Die Globalisierungsbewegung hat in den vergangenen Jahren zu einer stärkeren Internationalisierung der Geschäftstätigkeiten sowie einer engeren Vernetzung der Weltwirtschaft geführt. Grenzüberschreitende Handels- und Wirtschaftsaktivitäten nehmen stetig zu. Das ermöglicht zwar viele neue Geschäftsmodelle, bringt aber zugleich große Herausforderungen für Unternehmen und nationale Steuersysteme mit sich. So stellt sich insbesondere das Problem einer sachgerechten Verteilung des Besteuerungssubstrats auf die beteiligten Staaten. Die meisten Besteuerungsregime knüpfen für die Ermittlung der innerstaatlichen Steuerpflicht an die Ansässigkeit bzw. an das Vorliegen inländischer Einkünfte an. Grenzüberschreitende Dienstleistungen unterliegen damit nur dann einer Besteuerung im Quellenstaat, wenn dort eine Betriebsstätte existiert. Der seit Jahrzehnten grundsätzlich anerkannte Betriebsstättenbegriff ist zuletzt verstärkt in das Zentrum der Diskussion geraten. Insbesondere auf internationaler Ebene hat sich die Auslegung des Betriebsstättentatbestandes in jüngerer Zeit tiefgreifend verändert. So wurden die Anforderungen an die Begründung einer Betriebsstätte kontinuierlich abgesenkt. Die vielleicht wichtigste Stellschraube dieser Aufweichungstendenz ist dabei das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Verfügungsmacht.
Die dargestellte Entwicklung gibt Anlass, sich intensiv mit dem Kriterium der Verfügungsmacht im Betriebsstättentatbestand auseinanderzusetzen. Diese Arbeit beleuchtet sowohl den status quo als auch die bisherige Entwicklung des Kriteriums auf nationaler sowie auf internationaler Ebene. Der erste Teil der Arbeit befasst sich mit den Grundzügen des Betriebsstättenprinzips sowie dessen zentraler Bedeutung für das internationale Steuerrecht. Der zweite Teil der Arbeit erörtert sowohl das nationale als auch das von der OECD geprägte Betriebsstättenverständnis. Zunächst wird jeweils der derzeitige Stand der Auslegung dargelegt. Im Anschluss werden dann die unterschiedlichen Entwicklungsverläufe der beiden Betriebsstättenbegriffe aufgezeigt. Im dritten Teil der Arbeit wird sowohl das deutsche als auch das von der OECD zugrunde gelegte Betriebsstättenverständnis kritisch hinterfragt. Hierzu werden Stärken und Schwächen der jeweiligen Interpretationsansätze systematisch herausgearbeitet. Ziel der Arbeit ist es schlussendlich, eine mögliche zukünftige Entwicklung des Kriteriums der Verfügungsmacht aufzuzeigen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Der Betriebsstättenbegriff
- 1. Das Betriebsstättenprinzip
- 2. Telos der Betriebsstättenbegriffe
- III. Das Kriterium der Verfügungsmacht
- 1. Auslegungsverständnis der nationalen Rechtsprechung
- 1.1 Betriebsstättentatbestand nach § 12 AO
- 1.2 Wesentliche Entscheidungen des BFH zur Auslegung der Verfügungsmacht
- 1.2.1 BFH, Urt. v. 03.02.1993 – I R 80-81/91 („Hotelketten-Urteil“)
- 1.2.2 BFH, Urt. v. 14.07.2004 - IR 106/03 („Armeedienstleister-Urteil“)
- 1.2.3 BFH, Urt. v. 04.06.2008 – I R 30/07 (,,NATO-Reinigungs-Urteil“)
- 1.2.4 BFH, Urt. v. 24.08.2011 - I R 46/10 („Private-Equity-Urteil“)
- 1.2.5 Zwischenfazit
- 2. Auslegungsverständnis der OECD
- 2.1 Betriebsstättentatbestände nach dem OECD-MA
- 2.2 Aktuelle Entwicklungen des Betriebsstättenbegriffs auf OECD-Ebene
- 2.2.1 Ausdehnung des Betriebsstättenverständnisses (Update 2003)
- 2.2.2 Die Dienstleistungsbetriebsstätte als Alternativtatbestand (Update 2008)
- 2.2.3 OECD-Diskussionsentwürfe (Updates 2012 und 2017)
- 2.2.4 Zwischenfazit
- 2.3 Deutsches Auslegungsverständnis
- 3. Fazit
- IV. Gesamtdiskussion
- 1. Kritik am Auslegungsverständnis der OECD
- 1.1 Die „,unechte“ Dienstleistungsbetriebsstätte
- 1.1.1 Wortlaut
- 1.1.2 Bestimmtheit
- 1.2 Die echte Dienstleistungsbetriebsstätte
- 1.2.1 Wortlaut
- 1.2.2 Bestimmtheit
- 1.2.3 Sinn und Zweck
- 1.2.4 Ausgestaltung des Alternativtatbestands
- 1.2.5 Administrierbarkeit
- 1.2.6 Zwischenfazit
- 1.3 Fazit
- 2. Kritik am nationalen Betriebsstättenverständnis
- 2.1 Isolation Deutschlands
- 2.2 Kriterium der Verfügungsmacht
- 2.2.1 Wortlaut
- 2.2.2 Systematik
- 2.2.3 Bestimmtheit
- 2.2.4 Sinn und Zweck
- 2.3 Fazit
- V. Conclusio
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Kriterium der Verfügungsmacht im Betriebsstättentatbestand. Ziel ist es, die Weiterentwicklung dieses Kriteriums auf Ebene der OECD und die Position deutscher und internationaler Rechtsprechung zu analysieren und zu bewerten.
- Entwicklung des Betriebsstättenbegriffs im nationalen und internationalen Steuerrecht
- Analyse der Verfügungsmacht als Kriterium für die Annahme einer Betriebstätte
- Vergleich der Auslegungsansätze der OECD und der deutschen Rechtsprechung
- Kritik an den jeweiligen Auslegungsansätzen
- Bewertung der Auswirkungen auf die Besteuerung von grenzüberschreitenden Geschäftsaktivitäten
Zusammenfassung der Kapitel
- I. Einleitung: Diese Einleitung liefert einen Überblick über die Relevanz des Themas, die Forschungsfragen und die Gliederung der Arbeit.
- II. Der Betriebsstättenbegriff: Dieses Kapitel erläutert den Betriebsstättenbegriff im nationalen und internationalen Steuerrecht, insbesondere das Betriebsstättenprinzip und die Telos der verschiedenen Betriebsstättenbegriffe.
- III. Das Kriterium der Verfügungsmacht: Dieses Kapitel analysiert das Kriterium der Verfügungsmacht im Betriebsstättentatbestand. Es wird sowohl auf die Auslegung in der deutschen Rechtsprechung als auch auf das Verständnis der OECD eingegangen.
- IV. Gesamtdiskussion: In diesem Kapitel werden die Auslegungsansätze der OECD und der deutschen Rechtsprechung kritisch beleuchtet. Es werden Argumente für und gegen die jeweiligen Ansätze diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt zentrale Begriffe wie Betriebsstätte, Verfügungsmacht, OECD-MA, nationales Steuerrecht, internationales Steuerrecht, grenzüberschreitende Geschäftsaktivitäten, Besteuerung, Auslegung, Kritik und vergleichende Analyse.
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- Anna Lena Füllsack (Autor), 2017, Das Kriterium der Verfügungsmacht im Betriebsstättentatbestand, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/381460