Die Evangelische Kirche im Sozialismus - Ausgewählte Ereignisse und Persönlichkeiten


Hausarbeit, 2005

28 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorbetrachtung

2. Marxistisches und leninistisches Religionsverständnis

3. Verhältnis von Staat und Kirche in der DDR – ein Überblick
3.1 Bekämpfung der Kirchen
3.2 Zurückdrängen der rechtlichen Verankerung in der DDR-Verfassung
3.3 Kirchenpolitik nach der Gründung des Kirchenbundes

4. „Kommuniqué“ vom 21.07.1958 als Ergebnis der Gespräche zwischen Kirche und Staat
4.1 Grotewohl und Mitzenheim als Hauptakteure
4.2 Inhalt der Gespräche

5. Spitzengespräch zwischen Staat und Kirche vom 06.03.1978
5.1 Manfred Stolpe und Albrecht Schönherr
5.2 Einfluss des Gespräches auf die Entwicklung der Kirchen

6. Berliner Appell und die Losung: „Frieden schaffen ohne Waffen“
6.1 Rainer Eppelmann als Initiator des Berliner Appells
6.2 Berliner Appell
6.3 Reaktionen im Staat

7. 20 Thesen Schorlemmers als Forderung der Kirche an den Staat
7.1 Friedrich Schorlemmer als Wortführer der Opposition in der DDR
7.2 Inhalt der 20 Thesen
7.2.1 Was wurde gefordert?
7.2.2 Reaktionen des Staates?

8. Schlussbemerkung

9. Literaturverzeichnis

10. Quellenverzeichnis
Anlagen:
Abbildungsverzeichnis

1. Vorbetrachtung

Die folgende Arbeit ist im Rahmen des Seminars über Religionssoziologie, im vierten Trimester des Pädagogikstudiums entstanden.

Die Thematik ist die Kirche im Sozialismus. Es soll anhand von ausgewählten Ereignissen und Personen das Verhältnis von Kirche und Staat dargelegt und zu einem Gesamtüberblick zusammengefasst werden.

Um den Sachverhalt differenziert zu erläutern, wird zunächst einen kurzen Überblick über die Beziehung der Kirche zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands gegeben. Für diese einleitenden Worte dienen im Schwerpunkt die Werke von Kremser (1993) und von Pollack (1994). Diese Literatur stellt die gesamte Entwicklung der Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik dar, sodass ein kurzer, jedoch zugleich prägnanter Eindruck gewonnen werden kann. Die Wahl dieses Themas begründet sich in der abwechslungsreichen und spannenden Entwicklung des evangelischen Glaubens in der DDR. Das Spannungsfeld der Auseinandersetzung zwischen Kirchenvertretern und der SED-Führung bietet ein breites Diskussionsspektrum.

Mit den ausgewählten Ereignissen soll nicht die komplette Zeitspanne von der Entstehung der DDR bis zur Wiedervereinigung abgedeckt werden. Vielmehr werden bewusst solche Höhepunkte erläutert, deren Auswirkungen in besonderem Maße im gesamten Entwicklungsprozess zur Geltung kommen.

Die Gespräche mehrerer Kirchenvertreter mit dem 1958 amtierenden Ministerpräsidenten Otto Grotewohl waren die ersten, in denen der Schwerpunkt nicht im Streit um die Jugendweihe und den Religionsunterricht lag. Davon unberührt konzentrierte man sich auf eine wesentlich globalere Annäherung und einigte sich beispielsweise auf das Anerkennen des Sozialismus in der Gesellschaft seitens der Kirche.

Ein einziges Mal traf der Vorstand der Konferenz der Kirchenleitungen der DDR mit Erich Honecker, dem Vorsitzenden des Staatsrats der DDR, zusammen.

Die Ergebnisse des Spitzengespräches zwischen der evangelischen Kirche und Honecker im Jahr 1978, brachten auf einigen Feldern kirchlicher Arbeit gewisse Erleichterungen. Doch es gab bereits zu dieser Zeit zahlreiche kritische Stimmen, die eine zu starke Annäherung an die sozialistische Staatsmacht befürchteten.

Die damals zugesicherte Gleichbehandlung und Gleichachtung aller Bürger - nach der DDR-Verfassung eine Selbstverständlichkeit - wurde weiterhin ständig verletzt.

In den 80er Jahren demonstrierte die SED immer wieder ihre Macht, indem sie wiederholt verschiedene kleinere Gruppen, die meist im Kreise der Kirche angesiedelt waren, zerschlug. Diese Schritte reichten jedoch nicht, um die oppositionellen Vereinigungen mundtot zu machen. Ihre besondere Attraktivität, speziell für die junge Generation, lag darin, trotz des Drucks seitens der Regierung, weiterhin Alternativen zu den derzeitig propagierten politischen und ideologischen Auffassungen zu äußern. Dieser Hintergrund war auch der Anlass für den 1982 durch Rainer Eppelmann und Robert Havemann verfassten Berliner Appell, der in dieser Arbeit als ein weiterer wichtiger Aspekt in der Beziehungsentwicklung von Kirche und Staat näher betrachtet werden soll.

Das letzte Ereignis, welches betrachtet werden soll, ist die Begründung der 20 Thesen durch den jetzigen Studienleiter an der Evangelischen Akademie in der Lutherstadt Wittenberg, Friedrich Schorlemmer. Da er einer der wesentlichen Mitbegründer des Demokratischen Aufbruchs der DDR war und für sein politisches Engagement 1989 die Carl-von-Ossiezky-Medaille für Menschenrechte erhielt, soll auch eine seiner herausragenden Leistungen in den Fokus dieser Arbeit gestellt werden.

Hamburg, im März 2005

2. Marxistisches und Leninistisches Religionsverständnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Marx (l) und Lenin

Das Religionsverständnis von Karl H. Marx und Wladimir I. Lenin ist an dieser Stelle von besonderer Bedeutung. Die Ideologie des Marxismus-Leninismus in der DDR stellte den Menschen als Naturwesen in den Mittelpunkt, nicht als Geisteswesen, und befasste sich mit der Frage, wie eine proletarisch-revolutionäre Bewegung in einem Land möglich ist, in dem die sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Marxismus nur unzureichend entwickelt sind. Als wichtigstes Standbein dafür galt die Arbeiterklasse. Einerseits weil sie von Lenin als Elite angesehen wurde und andererseits weil Marx sagte, dass eine Veränderung des Menschen nur durch die von ihm verrichtete Arbeit erfolgen könne. Marx und Lenin teilten eine Grundeinstellung, die explizit gegen die Religion als Institution gerichtet war und postulierten ihre Auflösung. Im Gegensatz dazu zeigten sie jedoch eine Akzeptanz gegenüber der Religion als eine Sache der Armen und Entrechteten und stellten insofern das „schlechte Gewissen des Christentums“ dar.[1]

Nach Marx hatte die Kirche im 19. Jahrhundert versagt. Das Bestreben der Bevölkerung musste es also sein, die religiöse Welt durch eine weltliche Grundlage zu ersetzen.[2] Diese weltliche Grundlage bestand aus zwei Ebenen: der Basis und dem Überbau. Die Basis implizierte die Arbeit, die Produktion und das Auseinandersetzen mit der Natur. Alles, was nicht unmittelbar etwas damit zu tun hatte, wurde dem Überbau zugeordnet, so z.B. Kunst, Religion, Moral, Verwaltung, Gesetze und Staatsformen. Die beiden Ebenen stehen in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis, d.h. der Überbau wird direkt von der Basis beeinflusst. Mit Hilfe der Konzentration auf dieses weltliche Bild sollte die Religion in den Hintergrund rücken und die reale Welt als Gerüst der Bevölkerung angesehen werden.

Sowohl Marx als auch Lenin waren der Auffassung, dass Religion als solches nicht durch die Bekämpfung der Christen beseitigt werden kann, sondern nur, indem man die Ursachen derselben heraus kristallisiert und abschafft. Als eine solche Ursache bezeichnet Marx beispielsweise die ökonomische Ausbeutung der Gesellschaft.

Lenin vertritt die Meinung, dass sich der Mensch einen Gott gegenübersetzt, um ein Pendant zu seinem eigenen, unwissenden und ungebildeten Verstand zu schaffen.

Als Strategie zur Bekämpfung der religiösen Verdummung forderte Lenin die Befreiung der Menschheit aus den Ketten, die ihn an die Religion binden.[3]

3. Verhältnis von Staat und Kirche in der DDR – ein Überblick

Abb. 2: Kugelkreuz der Jungen Gemeinde

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die sowjetische Militäradministration duldete seit Ende der 40er Jahre die Arbeit der Jungen Gemeinde, die sich als Antagonist zur Freien Deutschen Jugend (FDJ) herausgebildet hatte.[4] Zwischen beiden Organisationen bestand eine Konkurrenz. Die Arbeit in der Jungen Gemeinde gestaltete sich im Allgemeinen attraktiver als jene in der FDJ. Genau aus diesem Grund wurde ab 1949 massiv Propaganda auf die Kirche ausgeübt. Die SED sprach sich 1946 für eine Trennung von Staat, Kirche und Schule aus.[5] Die Religionsfreiheit wurde der Bevölkerung zugestanden, allerdings nicht als Menschenrecht betrachtet sondern als „(…) Gestaltungsrecht[e] zur Mitwirkung am Aufbau einer antifaschistischen Gesellschaftsordnung“[6].

3.1 Bekämpfung der Kirchen

Anlass für den Beginn des Kurses gegen die Kirchen war das Tragen des Kugelkreuzes als Bekenntniszeichen zur Jungen Gemeinde. Die Regierung sagte der Organisation einen vereinsartigen Charakter nach und betrachtete sie als nicht registriert. Eine Tatsache, die rechtlich nicht begründet war, da das Bekenntniszeichen allein nicht reicht, um einen Verein darzustellen.

Christen wurden bestraft, weil sie in kircheneigenen Räumen Verkündigungsspiele durchführten. Die Propaganda gegen die Junge Gemeinde hatte zum Ziel, die Jugend vollständig im Sinne des Sozialismus zu erziehen und ausschließlich den offiziell zugelassenen Organisationen die Durchführung von Veranstaltungen anzuvertrauen.

Durch die Einführung der Jugendweihe 1954 erfolgte eine weitere negative Beeinträchtigung des Verhältnisses von Staat und Kirche. Die Jugendweihe entwickelte nach außen das Bild einer atheistischen Veranstaltung, von der sich die evangelischen Kirchen provoziert und herausgefordert fühlten.[7]

In der Phase der Bekämpfung der Kirchen wurde auch die in der Verfassung der DDR festgeschriebene Religionsfreiheit völlig vernachlässigt. Die Regierung verfolgte mit Ehrgeiz die Umsetzung des sozialistischen Weltbildes. Dies zeigte sich z.B. in dem Vorwurf der SED, die Kirchen verletzten das Prinzip der Freiheit von Lehre und Wissenschaft. Dies hätte man verfassungsrechtlich anfechten können, wenn es ein dementsprechendes Verfassungsgericht gegeben hätte.

3.2 Zurückdrängen der rechtlichen Verankerung in der DDR-Verfassung

Die Vertreter der evangelischen Kirchen waren gezwungen sich mit den Verantwortlichen des Staates zu arrangieren, da dies die einzige Möglichkeit war, sich gegen den Machtapparat durchzusetzen. Im Kommuniqué von 1958 einigten sich Kirche und Staat darauf, dass die geistlichen Vertreter die Entwicklung zum Sozialismus respektierten. Die Regierung beschränkte sich lediglich auf die Aussage, dass die Bevölkerung uneingeschränkte Glaubensfreiheit bekäme. Die Entwicklung eines atheistischen Staates, welche mit dem marxistisch-leninistischen Weltbild einherging, würde den Kirchen zweifelsohne schwer fallen. Dennoch mussten sie sich in gewisser Weise jener Instanz fügen, welche alle Macht in den Händen hielt.[8]

SED und Regierung wanden sich immer weiter davon ab, das Verhältnis von Staat und Kirche mit der Verfassung zu begründen, sondern sprachen sich für die Glaubensfreiheit aus, ohne deren Verankerung in der Verfassung auch nur zu erwähnen.

3.3 Kirchenpolitik nach der Gründung des Kirchenbundes

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.3: Plakat zur Selbstverbrennung des Pfarrers Brüsewitz[9]

In der Phase nach der Gründung des Kirchenbundes 1971 kam es hauptsächlich zu einer allmählichen Annäherung von Kirche und Staat. Dies geschah jedoch nicht sofort, sondern beinhaltete einen kontinuierlichen Prozess. Zunächst befreite der Staat nur Veranstaltungen, wie Gottesdienste, Messen, Vespern, Abendmahlsfeiern, Bibelstunden, Andachten, Beichten, Christenlehre, Konfirmationen, Kommunionen, Firmung, Exerzitien, Taufen und Trauungen von der bei Nichteinhalten mit einer Ordnungsstrafe geahndeten Anmeldepflicht.[10] Erst 1973 gab die SED den Forderungen der Kirche nach Chancengleichheit etwas nach, indem sie Diskriminierungen korrigierte, die bis dato, besonders gegen junge christliche Schüler, vorhanden waren. Als Diskriminierung konnte man beispielsweise auch die Tatsache ansehen, dass es niemals eine sozialistische Kirche oder eine sozialistische Theologie geben könne.[11] Es existierte nur der Begriff der Kirche im Sozialismus. Als solche Kirchen wurden diejenigen angesehen, die bestrebt waren den Bürgern zu helfen, ihren Weg in der sozialistischen Gesellschaft, der Freiheit und dem Glauben zu finden.

Ein Beweis dafür, dass die SED doch bereit war die Kirchen innerhalb der sozialistischen Gesellschaft als ein Element anzuerkennen, zeigt sich in der Berufung dreier Vertreter des Bundes der Evangelischen Kirchen in die Delegation für den Moskauer Weltkongress der Friedenskräfte im Oktober 1973. Es ließ sich also erkennen, dass die Annäherung von Staat und Kirche besonders auf dem Gebiet der Friedensfrage Früchte trug. Im gesamtgesellschaftlichen Bezug war das Mitspracherecht jedoch nach wie vor sehr gering. Lediglich Teilerfolge konnten erreicht werden, wie z.B. das Abschaffen der Pflicht von Studenten zur Propagierung der marxistisch-leninistischen Lehre. Das von der Regierung forcierte marxistisch-leninistische Grundstudium, blieb jedoch bestehen. Mit Beginn der Ära Honecker verkündete die SED eine Zusammenarbeit mit den Christen, was aber in der Realität dennoch nicht in vollem Umfang umgesetzt wurde. So wurde Kindern von christlichen Familien des Öfteren der Weg in die Erweiterte Oberschule (EOS) und in weitere Bildungsstufen versagt.

[...]


[1] Vgl. Motschmann, J. (1993): Die Pharisäer. Die evangelische Kirche, der Sozialismus und das SED-Regime. Frankfurt/M., Berlin: Ullstein, S. 53.

[2] Vgl. Kremser, H. (1993): Der Rechtsstaus der evangelischen Kirche in der DDR und die neue Einheit der EKD. Tübingen: Mohr, S. 3.

[3] Vgl. Kremser (1993), S. 3 ff.

[4] Die Junge Gemeinde implizierte alle konfirmierten Glieder der christlichen Kirche im jugendlichen Alter. Zur Arbeit der Jungen Gemeinde vgl. ebd., S. 159.

[5] Aberkennen der Bildungsverantwortung der Kirchen.

[6] Zitiert nach Kremser 1993, S. 157.

[7] Die Jugendweihe wurde als freiwillig und nichtstaatlich deklariert, obwohl der Staat mit ihr ein atheistisches Pendant zur Konfirmation erreichen wollte und auch erreicht hat (1959 bereits 80% der Schulabgänger). Vgl. dazu Kremser 1993, S. 164.

[8] Vgl. Pollack, Detlef (1994): Kirche in der Organisationsgesellschaft. Zum Wandel der gesellschaftlichen Lage der evangelischen Kirchen in der DDR. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer, S. 151.

[9] Seit 1969 bestehender Kirchenbund der drei lutherischen und fünf unierten Kirchen in der DDR. Oberste Organe waren die aus Theologen und Laien zusammengesetzte Synode und die Kirchenkonferenz.

[10] Vgl. Kremser (1993), S. 178.

[11] Beschluss der 5. Synode des Kirchenbundes vom 26. – 29.05.1973.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Die Evangelische Kirche im Sozialismus - Ausgewählte Ereignisse und Persönlichkeiten
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Veranstaltung
Texte zur Religionssoziologie
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
28
Katalognummer
V38183
ISBN (eBook)
9783638373357
Dateigröße
1108 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Evangelische, Kirche, Sozialismus, Ausgewählte, Ereignisse, Persönlichkeiten, Texte, Religionssoziologie
Arbeit zitieren
Marcel Jobst (Autor:in), 2005, Die Evangelische Kirche im Sozialismus - Ausgewählte Ereignisse und Persönlichkeiten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38183

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