„Guden Doach“, „Servus“, „Gemosche“, „Moin“, „Guatä Morgä“ oder „Griaß God“ – so oder ähnlich dürften die morgendlichen Begrüßungsfloskeln in verschiedenen Teilen des deutschsprachigen Raumes lauten. Würde im DaF-Unterricht allerdings nur die Standardsprache Deutsch vermittelt werden, also als allgemeingültige Begrüßungsformel in der Frühe ein „Guten Morgen“ gelehrt werden, entginge den Lernenden ein wichtiger Aspekt der deutschen Sprache und Kultur, nämlich die Varietätenvielfalt. Zudem dürften Lernende in einem deutschsprachigen Land Schwierigkeiten mit der Kommunikation haben, denn durch das ausschließliche Erlernen der Standardsprache „[...] lernt der Ausländer ein Deutsch, das kein Deutscher im Alltagsgespräch verwendet“ (Durrell 1995). Durrell verweist hiermit auf ein Dilemma, das seit geraumer Zeit für rege Diskussionen im Bereich Deutsch als Fremdsprache sorgt. Der Umgang mit der Vielfalt der Varietäten der deutschen Sprache und besonders das Thematisieren von Dialekten im fremdsprachlichen Unterricht Deutsch stellt für Lehrende und Lernende, sowie die Autorenschaft diverser DaF-Lehrwerke eine große Herausforderung dar. So bringt Studer mit seinem Aufsatz, „Dialekte im DaF-Unterricht, ja aber...“, zum Ausdruck, dass eine generelle Ablehnung gegenüber Dialekten im DaF-Unterricht nicht zu beobachten ist. Eher das Gegenteil ist der Fall: Aus Gründen der Kommunikation und Handlungsorientierung wünschen sich viele Lehrende und Lernende einen möglichst realitätsnahen, authentischen Sprachunterricht. Dieser befähigt Lernende im Land der Zielsprache erfolgreich kommunizieren und interagieren zu können. Gleichzeitig verweist Studer allerdings auch auf das vormals genannte Dilemma, denn trotz des vorhandenen Willens, Dialekte und den Plurizentrismus der deutschen Sprache im DaF-Unterricht zu thematisieren, herrscht weiterhin eine starke Unsicherheit dahingehend, wie dies methodisch zu bewältigen ist.
Ziel dieser Ausarbeitung ist es daher, zu ermitteln, welchen Zugewinn das Thematisieren von Dialekten und das Einbeziehen des Plurizentrismus der deutschen Sprache für den fremdsprachlichen Unterricht Deutsch darstellen. Außerdem soll ermittelt werden, in welcher Form dieser in vorhandenen Lehrwerken bisher repräsentiert ist. Folglich wird in den nachstehenden Kapiteln zunächst definiert, was unter einer Standardsprache, einem Dialekt, einem Regiolekt, einer...
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
2 STANDARDSPRACHE UND DIALEKTE
2.1 Die Standardsprache Deutsch und ihr Plurizentrismus
2.2 Dialekte, Regiolekte und Regionalsprachen
2.3 Dialekte im deutschsprachigen Raum
3 DIALEKTE UND PLURIZENTRISMUS IM DAF-UNTERRICHT
3.1 Kritik am bisherigen Umgang mit Dialekten und Plurizentrismus im DaF-
Unterricht
3.2 Die Rolle der Lehr-/Lernvoraussetzungen für das Thematisieren von
Varietäten im DaF-Unterricht
4 DIALEKTE UND PLURIZENTRISMUS IN DAF-LEHRWERKEN UND
MATERIALIEN
5 SCHLUSS
6 LITERATURVERZEICHNIS
7 ABBILDUNGSVERZEICHNIS
1 Einleitung
„Guden Doach“, „Servus“, „Gemosche“, „Moin“, „Guatä Morgä“ oder „Griaß God“ — so oder ähnlich dürften die morgendlichen Begrüßungsfloskeln in verschiedenen Teilen des deutschsprachigen Raumes lauten. Würde im DaF-Unterricht allerdings nur die Standardsprache Deutsch vermittelt werden, also als allgemeingültige Begrüßungsformel in der Frühe ein „Guten Morgen“ gelehrt werden, entginge den Lernenden ein wichtiger Aspekt der deutschen Sprache und Kultur, nämlich die Varietätenvielfalt. Zudem dürften Lernende in einem deutschsprachigen Land Schwierigkeiten mit der Kommunikation haben, denn durch das ausschließliche Erlernen der Standardsprache „[...] lernt der Ausländer ein Deutsch, das kein Deutscher im Alltagsgespräch verwendet“ (Durrell 1995: 425). Durrell verweist hiermit auf ein Dilemma, das seit geraumer Zeit für rege Diskussionen im Bereich Deutsch als Fremdsprache sorgt. Der Umgang mit der Vielfalt der Varietäten der deutschen Sprache und besonders das Thematisieren von Dialekten im fremdsprachlichen Unterricht Deutsch stellt für Lehrende und Lernende, sowie die Autorenschaft diverser DaF-Lehrwerke eine große Herausforderung dar (vgl. Studer 2002: 113). So bringt Studer mit seinem Aufsatz, „Dialekte im DaF-Unterricht, ja aber...“, zum Ausdruck, dass eine generelle Ablehnung gegenüber Dialekten im DaF-Unterricht nicht zu beobachten ist. Eher das Gegenteil ist der Fall: Aus Gründen der Kommunikation und Handlungsorientierung wünschen sich viele Lehrende und Lernende einen möglichst realitätsnahen, authentischen Sprachunterricht. Dieser befähigt Lernende im Land der Zielsprache erfolgreich kommunizieren und interagieren zu können. Gleichzeitig verweist Studer allerdings auch auf das vormals genannte Dilemma, denn trotz des vorhandenen Willens, Dialekte und den Plurizentrismus der deutschen Sprache im DaF-Unterricht zu thematisieren, herrscht weiterhin eine starke Unsicherheit dahingehend, wie dies methodisch zu bewältigen ist (vgl. Studer 2002: 113).
Ziel dieser Ausarbeitung ist es daher, zu ermitteln, welchen Zugewinn das Thematisieren von Dialekten und das Einbeziehen des Plurizentrismus der deutschen Sprache für den fremdsprachlichen Unterricht Deutsch darstellen. Außerdem soll ermittelt werden, in welcher Form dieser in vorhandenen Lehrwerken bisher repräsentiert ist. Folglich wird in den nachstehenden Kapiteln zunächst definiert, was unter einer Standardsprache, einem Dialekt, einem Regiolekt, einer Regionalsprache und dem Aspekt des Plurizentrismus zu verstehen ist. Im Anschluss daran widmen sich die folgenden Kapitel der Ermittlung der Vorteile des Behandelns von Dialekten und des plurizentrischen Charakterzugs des Deutschen. Zuletzt werden Lehrwerke unter diesem Stichwort näher betrachtet und im abschließenden Kapitel werden die wichtigsten Erkenntnisse aus diesen Analysen zusammengefasst und ein Ausblick auf weitere Forschungsansätze geboten, der die Arbeit mit Dialekten und Plurizentrismus im DaF-Unterricht noch einmal thematisiert.
2 Standardsprache und Dialekte
Wie in der Einleitung bereits angedeutet wurde, sollen im Folgenden zunächst Begrifflichkeiten aus den Bereichen „Standardsprache“, „Dialekte“, „Regiolekte“ und „Regionalsprachen“ erläutert und voneinander abgegrenzt werden, da diese anschließend in einer Analyse der Situation des deutschen Sprachraums Verwendung finden. Darüber hinaus wird im nachstehenden Kapitel erläutert, inwiefern Deutsch als eine plurizentrische Sprache bezeichnet werden kann und welche Auswirkungen diese Eigenschaft auf das Sprachverständnis hat. Eine entsprechende Definition und Differenzierung der Begriffe voneinander ist also nicht nur notwendig, um diese im deutschsprachigen Raum identifizieren zu können, sondern trägt maßgeblich dazu bei, ihren Einsatz im Unterricht des Faches Deutsch als Fremdsprache untersuchen zu können. Da das Ziel dieser Arbeit ist, aufzuzeigen, dass Dialekte durchaus eine Legitimation haben, im DaF-Unterricht thematisiert zu werden und darüber hinaus deren Behandlung in vorhandenen Lehrwerken zu analysieren, bietet das folgende Kapitel eine theoretische Basis für weitere Überlegungen.
2.1 Die Standardsprache Deutsch und ihr Plurizentrismus
Als Standard-, National- oder Literatursprache werden im Allgemeinen Sprachen bezeichnet, die nicht nur in ihrer mündlichen Form Verbindlichkeit besitzen, sondern auch über eine weitgehend schriftlich festgehaltene Norm verfügen, die sowohl auf orthographischer, lexikalischer, morphologischer, syntaktischer, als auch phonetischer Ebene greift (vgl. Glück/Sauer 1997: 157). Die Verbreitung und Kontrolle der Normierung erfolgt in der Regel durch das Bildungssystem, sowie durch ihr angehörende Institutionen und auch durch öffentliche Medien, wie etwa Printmedien, das Radio, das Fernsehen oder das Internet (vgl. ebd. 2008: 680).
Diese Normierung erlaubt es Sprechenden verschiedener Dialekte über die Grenzen ihrer Region hinaus, miteinander in einem Sprachraum zu kommunizieren und wird daher von den Sprechenden als „öffentliches Verständigungsmittel“ oder „Dachsprache“ betrachtet (vgl. Bußmann 2008: 680 beziehungsweise Kloss 1978: 23).
Synonym verwendet wird in diesem Kontext oftmals der Begriff der „Hochsprache“ (vgl. ebd. 2008: 680). Dieser Begriff verdeutlicht laut Bußmann, dass die Standardsprache eine „deskriptive Bezeichnung für die historisch legitimierte, überregionale, mündliche und schriftliche Sprachform der sozialen Mittel- bzw. Oberschicht“ darstellt (2008: 680). Anhand dieser Definition Bußmanns wird zudem besonders die Verbindung zwischen der Standard- beziehungsweise Hochsprache und der Mittel- beziehungsweise Oberschicht akzentuiert. Als Gegenpol zu dieser Begrenzung auf bestimmte soziale Gruppen nennt Bußmann als vorrangiges „Ziel aller sprachdidaktischen Bemühungen“ die Beherrschung der Standardsprache (ebd. 2008: 680) aller Angehörenden eines Sprachraums. Im Falle der Standardsprache Deutsch bedeutet dies, dass nicht nur alle in Deutschland vertretenen sozialen Gruppen, sondern auch Deutschsprechende in Österreich und der Schweiz, des Deutschen mächtig sein sollten, da die diese Sprache auch dort als Standard-, sowie Amtssprache vorherrscht. Dies bedeutet also, dass das Deutsche die offizielle Sprache ist, die nicht nur für den amtlichen Verkehr zugelassen ist, sondern darüber hinaus auch die Sprache der Gesetzgebung, Verwaltung und Verhandlungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist (Glück 2010: 37). Da Deutsch also eine Sprache mit mehr als nur einem nationalen Bezugspunkt darstellt, die darüber hinaus jeweils ihre eigene Varietät herausbilden, wie etwa das so genannte „Schweizerdeutsch“, spricht man in diesem Zusammenhang auch von einer plurizentrischen Sprache (vgl. Bußmann 2008: 535). Obwohl also deutlich ausgeprägte Unterschiede vorhanden sind, rechtfertigen diese noch keine Bezeichnung des Schweizerdeutschen als eigene Sprache. Viel mehr wird bei diesem Ansatz davon ausgegangen, dass es sich um eine nationale Varietät des Deutschen „mit eigenständigen Merkmalen auf allen linguistischen Beschreibungsebenen“ handelt, da auf Ebene der öffentlichen Verwaltung und Ordnung noch immer das Standarddeutsche vorherrscht, während in Alltagssituationen auf die Umgangssprache oder Mundart zurückgegriffen wird (ebd. 2008: 610). An dieser Stelle sei angemerkt, dass erste Bestrebungen, das Deutsche als plurizentrische Sprache anzuerkennen, vor allem durch Forschungen aus dem Ausland vorangetrieben wurden, die den unizentrischen Ansatz vieler vorhandener Lehrwerke und bisheriger Unterrichtstraditionen im Bereich Deutsch als Fremdsprache in Frage stellen (vgl. Ammon 1997: 143). Diese Kritik entstand vor allem vor dem Hintergrund der Erfahrung vieler Deutschlernender im Bezug auf die Diskrepanzen zwischen der im DaF-Unterricht erlernten Standardsprache und den im Zielsprachenland vorgefundenen tatsächlichen sprachlichen Varietäten des alltäglichen Lebens (vgl. ebd. 1997: 143). Folglich sind Unterschiede auf phonetischer, phonologis cher, morphologischer, syntaktischer, semantischer, lexikalischer und pragmatischer Ebene keine Seltenheit. Eben jene Unterschiede sind allerdings auch bei so genannten „Dialekten“ häufig vorzufinden. Um dennoch zwischen einer Varietät der deutschen Sprache im Sinne des Plurizentrismus und einem herkömmlichen Dialekt differenzieren zu können, wird im nachstehenden Kapitel näher erforscht, welche Eigenschaften den Dialekten inhärent sind und wie sich diese in einem nächsten Schritt von Regiolekten und Regionalsprachen von ihrer Bedeutung her absetzen.
2.2 Dialekte, Regiolekte und Regionalsprachen
Neben der in Kapitel 2.1 eingehend beschriebenen Hoch- oder Standardsprache, existieren also in der Regel noch weitere sprachliche Varietäten, wie etwa so genannte „Dialekte“, „Regiolekte“ und „Regionalsprachen“. Um diese im deutschsprachigen Raum entsprechend identifizieren und voneinander abgrenzen zu können, widmet sich dieses Kapitel zunächst der Erläuterung der Begrifflichkeiten. Diese Begrifflichkeiten werden in den darauffolgenden Kapiteln dazu benötigt, um zu verdeutlichen, welche Rolle Dialekte, Regiolekte und Regionalsprachen im fremdsprachlichen Unterricht Deutsch einnehmen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Soziolinguistisches Varietätenmodell (Löffler 2005: 79)
Wie anhand des soziolinguistischen Varietätenmodells nach Löffler in Abbildung 1 ersichtlich wird, können die Varietäten eines Sprachsystems zunächst in zwei Kategorien eingeteilt werden. Löffler unterscheidet hierbei zwischen gesprochenen und geschriebenen Varietäten (2005: 79). Die zu Beginn dieses Kapitels genannten Dialekte, befinden sich in der Kategorie der gesprochenen Sprache. Diese Einordnung erfolgt aufgrund der Tatsache, dass Dialekte vor allem in oraler Form Verwendung finden, oft auch als „Mundart“ bezeichnet werden (vgl. Barbour/Stevens en 1998: 61), in der Regel weder über eine grammatische, noch eine orthographische Normierung beziehungsweise Standardisierung verfügen und zudem eher selten als Schriftsprache verwendet werden. Dies spiegelt sich natürlich auch in dem Begriff „Dialekt“ selbst wider. Er stammt von dem griechischen Wort diá-lektos ab, das übersetzt so viel wie „Redeweise“ bedeutet (vgl. Bußmann 2008: 131). Ein Dialekt stellt — ganz im Gegensatz zur übergreifenden Standardsprache — eine sprachliche Varietät dar, die nur in einem begrenzten geographischen Raum Gültigkeit besitzt (vgl. ebd. 2008: 131). Obwohl ein Dialekt zumeist eine hohe Ähnlichkeit zu anderen Sprachsystemen aufweist, existiert dennoch eine ganze Reihe von Unterschieden im Hinblick auf die sprachlichen Merkmale der einzelnen Dialekte, die diese einmalig machen. So zeichnen sich Dialekte durch unterschiedlich starke Ausprägungen auf phonetischer, phonologischer, morphologischer, syntaktischer, semantischer, lexikalischer und pragmatischer Ebene aus (vgl. ebd. 2008: 131).[1]
In der heutigen Zeit wird jedoch immer wieder diskutiert, ob Dialekte von so genannten „Regiolekten“ abgelöst werden. Der Unterschied besteht hierbei besonders darin, dass Regiolekte aufgrund ihres — im Vergleich zum Dialekt — größeren Einzugsgebiets mehr Sprechende einer Varietät umfassen und dabei nicht jeden Dialekt für sich, sondern eher ein Zusammenfassen mehrerer Dialektgruppen darstellt. Gerade die schwindenden Zahlen Dialektsprechender begünstigen eine solche Entwicklung, da ein gänzliches Aussterben der Varietäten so zumindest weiterhin hinausgezögert werden kann (Radatz 2013: 6). Des Weiteren stellt der Regiolekt eine Art Zwischenstufe von Standardsprache und Dialekt, da hierbei Elemente beider miteinander kombiniert werden. Die Konsultation etablierter sprachwissenschaftlicher Lexika wiederum zeigt, dass der Begriff des Regiolekts bislang scheinbar noch keinen festen Platz in dieser Fachdisziplin erlangt hat. So finden sich weder im Metzler-Lexikon Sprache (Glück 2010), noch im Bußmannschen Lexikon der Sprachwissenschaft (2008) entsprechende Einträge. Auch der Begriff der Regionalsprache wird in genannten Werken nicht thematisiert. Neuere Arbeiten wie die von Radatz (2013: 6ff) verhandeln daher über eine neue Begriffsbestimmung. So argumentiert Radatz beispielsweise:
Im europäischen Rahmen könnte man den Begriff Regionalsprache locker definieren als eine staatenlose autochthone Abstand- oder Ausbausprache, die über ein Mindestmaß an Standardisierung verfügt. Nach dieser Definition wären das Kymrische in Großbritannien, das Baskische in Spanien und Frankreich und das Galicische in Spanien klare Beispiele von Regionalsprachen — die ersten beiden als Abstand- und das Galicische als Ausbausprache. Als Gegenbeispiel fällt das Elsässische dagegen in Ermangelung einer effektiven Standardisierung nicht unter den Begriff Regionalsprache, sondern ist eine dachlose (bzw. französisch fremdüberdachte) Außenmundart des Deutschen. (2013: 6)
Ausgehend von dieser Definition einer Regionalsprache, repräsentieren geographische und politische Grenzen keine Möglichkeit, eine Regionalsprache einzugrenzen. Vielmehr wird hier ein Modell von staatenübergreifenden Sprachen vorgestellt, das sich durch eine gewisse Standardisierung auszeichnet. Das Elsässische fällt in dieser Klassifizierung aus der Kategorie der Regionalsprachen heraus, da es weder über eine schriftliche, noch über eine mündliche Standardisierung verfügt. Das Elsässische als gesprochene Sprache verfügt zudem über viele verschiedene dialektale Prägungen, die je nach geographischer Position variieren und deren Eigenheiten nicht in schriftlicher Form vorliegen. Hingegen kann beispielsweise das Friesische als Regionalsprache klassifiziert werden (vgl. Radatz 2013: 7), da es einen gewissen Konsens in Bezug auf die Standardisierung des Friesischen gibt, dessen Entwicklung über Jahrhunderte, bis zu seinem heutigen Stand, schriftlich festgehalten wurde. Daher kann belegt werden kann, dass es nicht nur die Dialekte des West- und Nordfriesischen abdeckt, sondern gleichzeitig eine Norm darstellt mithilfe derer die Kommunikation und Annäherung Angehörender Dialektgruppen begünstigt wird (vgl. ebd. 2013: 8). Da im deutschsprachigen Raum noch eine ganze Reihe weiterer Dialekte und Regionalsprachen besteht, die — je nach konsultierter Literatur — stark in ihrer Einordnung oszillieren, stellt das nachfolgende Kapitel den Versuch einer entsprechenden Klassifizierung dar.
2.3 Dialekte im deutschsprachigen Raum
Wie bereits im vorherigen Kapitel erwähnt, sind im deutschsprachigen Raum neben der Standardsprache Deutsch, eine ganze Reihe von Dialekten und Regiolekten, sowie Regionalsprachen vorhanden. Im Allgemeinen nimmt man im Hinblick auf die Verortung der Dialekte in Deutschland selbst eine grobe Zweiteilung vor (vgl. Wagener 2002: 314ff). So unterscheidet man aus historischer Sicht zu allererst zwischen den Dialekten des Hochdeutschen und des Niederdeutschen. Das hochdeutsche Dialektspektrum gilt als Grundlage für die Entwicklung der heutigen Hoch- oder Standardsprache, die in Kapitel 2.1 näher erläutert wurde. Einen etwas anderen Blickwinkel bietet die geographische Perspektive, bei der man von einer Dreiteilung der Dialekte in Deutschland ausgeht. Im Norden ist die Niederdeutsche/Hochdeutsche-Grenze vorzufinden, während der Rheinische Fächer eine Zone der Abgrenzung zur Mitteldeutsch-/Oberdeutsch-Grenze im Süden darstellt (vgl. ebd. 2002: 314ff). Aus linguistischer Perspektive jedoch, ist die — den Forschungen des Instituts der deutschen Sprache — folgende Einteilung der Dialekte Deutschlands in sechzehn Dialektgruppen von besonderem Interesse. Diese Einteilung ist anhand von Erhebungen im Bereich der gesprochenen Sprache erfolgt, bei der sprachliche Merkmale auf phonetischer, phonologischer, morphologischer, syntaktischer, semantischer, lexikalischer und pragmatischer Ebene als Indizes für die Einteilung der Dialekte verwendet wurden (vgl. ebd. 2002: 314ff). Hierbei haben sich die folgenden Dialektgruppen, in einer groben Reihenfolge ihrer geographischen Lokalisation von Norden nach Süden herauskristallisiert: das Holsteinische, das Nordniedersächsisch, das Niederfränkische, das Westfälische, das Ostfälische, das Märkische, das Obersächsische, das Westthüringische, das Rheinfränkische, das Mittelfränkische, das Ostfränkische, das Südfränkische, das Nordbairische, das Mittelbairische, das Schwäbische und das Niederalemannische.[2]
Diese Einteilung von Dialekten deutet bereits an, dass allein in Deutschland eine riesige Anzahl von Dialekten vorhanden ist. In den meisten Betrachtungen finden sich bis zum heutigen Tage nur selten Zeugnisse einer Auseinandersetzung mit den Dialekten des Deutschen in Österreich und der Schweiz. Zwar wird im Zuge des plurizentrischen Ansatzes oftmals die dort vorherrschende Varietät, wie zum Beispiel das Schweizerdeutsche im Falle der Schweiz, zum Gegenstand der Betrachtung gemacht, doch missen diese einer eingehenden Analyse weiterhin vorhandener dialektaler Ausprägungen. Nichtsdestotrotz wurde in diesem Kapitel deutlich, dass das Deutsche im Hinblick auf seine Dialekte mit einer großen Vielfalt aufwarten kann, die nicht nur Teil der deutschen Sprache, sondern auch Teil der deutschen Kultur sind, da sie einen langen historischen Hintergrund haben und als identitätsstiftend von den Dialektsprechenden angesehen werden. Folglich wird in den nachstehenden Kapiteln der Frage nachgegangen, ob eine Thematisierung der Dialekte im DaF-Unterricht didaktisch sinnvoll ist und in welcher Form und in welchem Umfang diese erfolgen könnte.
3 Dialekte und Plurizentrismus im DaF-Unterricht
Die Diskussion darüber, ob regionale Varietäten im Deutsch als Fremdsprache-Unterricht thematisiert werden sollen, besteht bereits seit geraumer Zeit. So wurden schon in den 1970ern erste Rufe nach einem Einbeziehen der deutschen Dialekte in den Fremdsprachenunterricht Deutsch laut. Es wird nicht nur argumentiert, dass die gesprochene Alltagssprache im deutschsprachigen Raum stark von der gelehrten Hochsprache in Lehrwerken und Kursen abweicht, sondern auch, dass im Zuge einer interkulturellen Ausbildung der Lernenden eine Sensibilisierung für Sprachvarietäten erfolgen müsse, da diese einen Teil der Kultur ausmachen (vgl. Durrell 1994: 419). Außerdem soll durch das Schaffen eines Bewusstseins für bestehende Unterschiede zwischen Standardsprache und Varietäten verhindert werden, dass Lernende Interferenzfehlern aufsitzen (vgl. ebd. 1994: 421). So kann eine mangelnde Vorkenntnis in Bezug auf beispielsweise Dialekte und deren Einsatz durch verschiedene Akteure in den unterschiedlichsten Situationen dazu führen, dass Lernende Sichtweisen beziehungsweise den Stellenwert einer Varietät wie etwa den des Dialekts, falsch einschätzen. Während zum Beispiel in Deutschland keine soziale Stigmatisierung aufgrund der Tatsache, dass jemand Dialekt spricht, erfolgt, könnten Lernende aus England schnell einen Übertragungsfehler machen, indem sie die in England mit vielen Dialekten verbundene Stigmatisierung auch auf deutsche Dialektsprechende übertragen.[3] Ein ähnliches Phänomen stellt das so genannte „code switching" dar. Beim code switching geht des um den Wechsel der Sprache oder Varietät innerhalb eines Sprechaktes (vgl. Poplack 1980: 581 ff.)[4]. Der Wechsel ist also abhängig von der Kommunikationssituation, den Sprechenden und deren Sprachverhalten. Da Dialekte besonders in Situationen des alltäglichen Lebens und der Freizeit, jedoch weniger im wissenschaftlichen oder beruflichen Umfeld genutzt werden, kann ein unreflektierter Umgang und ein unzureichend geschultes Bewusstsein dazu führen, dass Lernende nicht wissen, in welchen Situationen Dialekte oder aber die Hochsprache zum Einsatz kommen sollten. Dies führt in der Folge zu Missverständnissen und Kommunikationsproblemen, die durch das Thematisieren von Sprachvarietäten im DaF-Unterricht vermieden werden könnten (vgl. ebd. 1994: 124).
Doch der Kontrast zwischen Einheit und Vielfalt der deutschen Sprache (vgl. Hägi 2006: 35) stellt ein komplexes Feld dar, dem Lehrende von Deutsch als Fremdsprache oft ratlos entgegensehen. Auf der einen Seite stellt das Hoch- oder Standarddeutsche eine Norm dar, die bereits seit Jahrzenten in DaF-Lehrwerken und Kursen etabliert ist und die ihre Legitimation zum Beispiel durch das Bildungssystem, den Verwaltungsapparat, Grammatiken und Diktionäre, sowie die öffentlichen Medien aufrecht erhält. Auch die Tatsache, dass die Standardsprache Deutsch nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich genutzt wird und niedergelegt ist, sollte in diese Analyse mit einbezogen werden. So eint das Deutsche in gewisser Weise — aufgrund seines plurizentrischen Wesens — verschiedene geographische Regionen und gesellschaftliche Gruppierungen, wie etwa Deutschland, die Schweiz und Österreich. Dies trägt dazu bei, dass Lehrende und Verfassende von Lehrwerken zumeist auf die Standardsprache vertrauen und daher auch im Unterricht auf sie zurückgriffen wird. Auf der anderen Seite jedoch hat bereits Kapitel 2.3 anschaulich gezeigt, dass die deutsche Sprache sehr reich an sprachlichen Varietäten ist und mit einem großen Facettenreichtum aufwartet. Doch wie sollen DaF-Lehrende mit dieser sprachlichen Vielfalt nun umgehen — „welches Deutsch sollen wir lehren“ (Hensel 2000)?
3.1 Kritik am bisherigen Umgang mit Dialekten und Plurizentrismus im DaF-Unterricht
Auf die im vorherigen Kapitel gestellte Frage „welches Deutsch sollen wir lehren?“ (Hensel 2000) gibt es bis zum heutigen Tage keine eindeutige Antwort. Es herrscht weiterhin kein Konsens darüber, ob zum einen Dialekte und Plurizentrismus verbindlich zum Unterrichtsgegenstand gemacht werden sollten und zum anderen, welche „Norm“ für Dialekte gilt — zeichnen sich diese doch gerade ob ihrer vielfältigen Erscheinungsformen aus. Als Lehrkraft befindet man sich daher inmitten des Spannungsfeldes von Standardsprache und Varietätenvielfalt. Natürlich bietet ein Unterrichtsgeschehen, das rein auf die Vermittlung der Standardsprache ausgerichtet ist, eine gewisse Sicherheit für Lehrende und Lernende (vgl. Baßler/Spiekermann 2002: 33), da sie sich auf die im vorigen Kapitel beschriebene Legitimation der Hochsprache[5] berufen können und durch die schriftliche Normierung der Sprache und ihrer Verwendung in klassischen literarischen Werken eine fundierte Begründung für das Lehren der Standardsprache finden (vgl. König 1997: 246).
Wie allerdings bereits in der Einleitung dieser Arbeit erwähnt, wird im Sinne eines kommunikativen und handlungsorientierten Unterrichts vermehrt der Wunsch nach möglichst authentischem Unterricht und folglich auch nach einer realitätsnahen Sprachvermittlung laut. Um diesem Wunsch also entsprechen zu können, muss bereits in der Ausbildung von Lehrkräften „der Grundstein hierfür gesetzt werden“. So ist es unumgänglich, Lehrende für die Vielfalt der deutschen Sprache zu sensibilisieren und ihnen Möglichkeiten vorzustellen, diese didaktisch gewinnbringend in ihrem Unterricht umzusetzen (vgl. Baßler/Spiekermann 2002: 32). Ein
Einbeziehen der Varietäten erfordert allerdings auch eine hohe Expertise der Lehrkräfte in zumindest einer dialektalen oder regionalsprachlichen Ausprägung. Aufgrund der rückläufigen Sprecherzahlen der Dialekte würde sich an dieser Stelle ebenfalls eine entsprechende Wissensvermittlung in der Regionalsprache im Rahmen der Lehrausbildung anbieten. Dies wiederum steht in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zum Ausbildungs- und Einsatzort der Lehrkräfte. So verfügen Lehrkräfte, je nachdem, ob sich der Ausbildungs- beziehungsweise der Unterrichtsort im Inland, also in Deutschland, Österreich oder der Schweiz, oder aber im Ausland befindet, über sehr unterschiedliche Ausbildungssituationen, sowie Lehrmaterialien und Lehr-/Lernvoraussetzungen (vgl. Boss 2005: 546). Die unterschiedlichen Lehrvoraussetzungen im Hinblick auf den Umgang mit sprachlichen Varietäten werden daher im nachfolgenden Kapitel näher betrachtet.
[...]
[1] Eine Reihe von exemplarischen Analysen und Beispielen für die unterschiedlich starken Ausprägungen der Dialekte auf phonetischer, phonologischer, morphologischer, syntaktischer, semantischer, lexikalischer und pragmatischer Ebene, findet sich unter anderem in: Barbour, S./Stevenson, P. (1998): Variation im Deutschen. Sogiolinguistische Perspektiven. Berlin/New York: DeGruyter.
[2] Natürlich existieren weitere Erhebungen, in denen auch den kleinsten Dialekten Beachtung geschenkt wird, doch würde eine Analyse dieser den Rahmen dieser Ausarbeitung sowohl inhaltlich, als auch den Umfang betreffend, überschreiten. Für eine detailliertere Betrachtung empfiehlt sich beispielsweise der Dialektatlas der Deutschen Welle (URL: <http://www.dw.com/de/deutsch-lernen/dialektatlas/s- 8150>).
[3] Eine Reihe von Beispielen, die illustrieren, auf welche Weise Dialektsprechende aufgrund ihres Dialektes negativ von ihren Mitmenschen bewertet werden, findet sich unter anderem in Durrell, M. (1995): "Sprachliche Variation als Kommunikationsbarriere.“ In: Popp, H. (Hrsg.): Deutsch als Fremdsprache: an den Quellen eines Faches. München: Iudicium, S. 417-430.
[4] Für eine eingehende Betrachtung des Phänomens des „code switchings“ sei an dieser Stelle auf Poplack verwiesen: Poplack, Shana (1980): “Sometimes I’ll start a sentence in Spanish y termino en enspañol: Toward a typology of code-switching.“ In: Linguistics 1980, Volume 18, issue 7/8, 581—618.
[5] Ausgehend von der Definition von Standardsprachen in Kapitel 2.1 wird der Begriff „Hochsprache“ in diesem Kontext Synonym zu dem der „Standardsprache“ verwendet.
- Arbeit zitieren
- Ann-Kathrin Stahl (Autor:in), 2016, Der Umgang mit Dialekten und Plurizentrik im "Deutsch als Fremdsprache" (DaF) Unterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/382570
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