Zwei Hagiographien im Vergleich. Die Veränderung der Heiligendarstellung in der russisch-orthodoxen Kirche zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert


Hausarbeit, 2013

13 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Das Leben des Theodosius von Kiew
a. Die Kindheit und Jugend des Theodosius von Kiew
b. Der Eintritt in die Klostergemeinschaft
c. Das Leben im Kloster und sein Wirken während dieser Zeit
d. Der Tod des Theodosius von Kiew

3. Das Leben des St. Sergius von Radonesh
e. Die Kindheit und Jugend des St. Sergius von Radonesh
f. Der Eintritt in die Klostergemeinschaft
g. Das Leben im Kloster und sein Wirken während dieser Zeit
h. Der Tod des St. Sergius von Radonesh

4. Die Gegenüberstellung der beiden Hagiographien

5. Schlusswort

6. Literaturverzeichnis und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

In Zeiten der Krise und Unruhe besinnen wir uns oft auf unsere spirituellen Wurzeln und versuchen im Glauben, die Kraft zu finden, die wir aus unserer Umwelt nicht mehr gewinnen können. Der Glaube und das System der Kirche wurden über die Jahrhunderte hinweg durch Veränderungen und Einflüsse, welche durch mutige und vorbildliche Menschen angeführt wurden und bis heute unser religiöses Weltbild beeinflussen, geprägt.

Die nachfolgende Arbeit wird sich mit zwei Vorbildern der russisch- orthodoxen Kirche beschäftigen und anhand deren Hagiographien herausfiltern, inwiefern sich die Darstellung der Heiligen der russisch-orthodoxen Kirche zwischen dem 11. und 14 Jahrhundert entwickelte und veränderte. Gestützt auf die Biographie des heiligen Theodosius von Kiew aus dem 11. Jahrhundert und die Lebensbeschreibung des heiligen Sergius von Radonesh aus dem 14. Jahrhundert soll durch einen Gegenüberstellung die Veränderung der Darstellung und Beschreibung des jeweiligen Heiligen geschildert und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede aufgedeckt werden.

Trotz der flächendeckenden Literatur zur Geschichte und Entwicklung der russisch- orthodoxen Kirche gab es wenig Material zu dem hier beschriebenen Forschungsgegenstand. Daher wird sich die Bearbeitung vornehmlich auf die vorliegenden Hagiographien [1] der beiden Heiligen stützen.

2. Das Leben des Theodosius von Kiew

Während das Leben des St. Sergius von Radonesh im 14. Jahrhundert niedergeschrieben wurde, stammt die Quelle über das Leben des heiligen Theodosius von Kiew aus der Feder des Mönches Nestor und wurde bereits im Jahr 1080 verfasst. [2] Sie zählt zu den frühen Hagiographien und kann als „vita“ eingeordnet werden. [3]

Da die Biographie des Theodosius von Kiew zu einer Sammlung von Heiligentexten gehört, ist sie weniger umfangreich. Trotz dieser Tatsache gibt sie einen wichtigen Einblick in das frühe russisch-orthodoxe Heiligenleben. Viele Fakten stammen von der Mutter Theodosius selbst und helfen somit einen einzigartigen Einblick in das Leben eines der ersten durch die russische Kirche heiliggesprochenen Mönchs zu gewinnen. Zusammen mit St. Antonius begründete er eines der ältesten russischen Klöster, das Kiewer Höhlenkloster. [4]

a. Die Kindheit und Jugend des Theodosius von Kiew

Der heilige Theodosius von Kiew wird im Jahr 1009 in eine gottesfürchtige und wohlhabende Familie geboren. Am achten Tag nach seiner Geburt erhält er durch einen Presbyter [5] seinen Namen. Dieser ist es auch, der die Besonderheit des Jungen feststellt und ihm eine von Gott geleitete Zukunft voraussagt. Am vierzigsten Tag nach der Geburt wird dann die Taufe vollzogen.

Nach dem Umzug der Familie beginnt der junge Theodosius mit dem Studium der heiligen Schriften. Er distanziert sich von Gleichaltrigen und ergibt sich ganz dem gottesfürchtigen und besitzlosen Leben. [6]

Noch vor Vollendung seines dreizehnten Lebensjahres verstirbt der Vater und hinterlässt Theodosius, seinen jüngeren Bruder und die Mutter. Dieser Schicksalsschlag lässt in Theodosius den Wunsch aufkeimen, die Welt zu sehen und als Mönch sein ganzes Dasein Gott zu widmen. Doch die Mutter lässt den Jungen nicht gewähren, sie hält ihn mit Gewalt von seinem Vorhaben ab. Während diese jedoch Verwandte auf dem Land besucht, nutzt der junge Theodosius die Gelegenheit und flüchtet aus der Heimat nach Kiew. [7]

b. Der Eintritt in die Klostergemeinschaft

Der junge und durch seine Erziehung unerfahrene Theodosius erreicht nach drei Wochen die Stadt Kiew. Er erbittet an verschiedenen Klöstern Einlass, doch wird wegen seines Alters abgelehnt. Während seines Aufenthalts in der Stadt erfährt er von St. Antonius und dessen Gemeinschaft der in Höhlen lebenden Mönche. Er erbittet auch hier um Aufnahme in den Konvent und wird nach Zögern angenommen, bekommt eine Höhle und wird durch das Scheren der Tonsur ein Mönch. [8]

c. Das Leben im Kloster und sein Wirken während dieser Zeit

Nachdem er einige Zeit in der Gemeinschaft des heiligen St. Antonius gelebt hat, wird ihm von der Ordensgemeinschaft das Amt des Abtes übertragen. Durch die konsequente Einhaltung aller Regeln kristallisiert er sich als Vorbild für seine Mitbrüder und Außenstehende heraus. Sein Wirken bleibt nicht lange geheim und verschafft dem heiligen Theodosius und der Gemeinschaft bald positive Aufmerksamkeit. [9]

Das Leben im Kiewer Lavrakloster ist eine große Anstrengung. Der Ablauf des Tages wird durch den Mangel an Nahrungsmitteln und dem Leben in den kleinen unterirdischen Höhlen bestimmt. Jedoch ist es den Mönchen möglich das Kloster zu verlassen, auf Märkten einkaufen zu gehen und mit der Bevölkerung zu interagieren. [10]

d. Der Tod des Theodosius von Kiew

Am 3. Mai 1074 stirbt der heilige Theodosius im Beisein seiner engsten Brüder. Noch auf dem Sterbebett ernennt er einen neuen Abt und zieht sich dann mit einem Vertrauten gänzlich zurück. [11]

3. Das Leben des St. Sergius von Radonesh

Die mittelalterliche Hagiographie des heiligen St. Sergius von Radonesh wurde im 14. Jahrhundert von St. Epiphanius niedergeschrieben. Dieser lebte zwölf Jahre in der Gemeinschaft des heiligen Sergius, der bis heute als Gründervater des Dreifaltigkeitsklosters [12] , ein bis heute wichtiges geistliches Zentrum der russisch-orthodoxen Kirche, gilt. [13] Da in der Biographie die Berichte über bewirkte Wunder und gemachte Prophezeiungen vermehrt auftreten, kann man diese als „vita miracula“ einordnen. [14]

Den eigentlichen biographischen Angaben stellt er eine Vorrede voraus, welche den Einfluss und Stellenwert des heiligen St. Sergius für die Nachwelt unterstreicht. Die Hagiographie wurde illustriert und aufgrund des Zusammenlebens des Autors mit dem Heiligen gibt die Arbeit des heiligen Epiphanius einen einzigartigen Einblick in das mittelalterliche Mönchsleben im russisch-orthodoxen Glaubenskreis.

Beginnend mit der Geburt und endend mit dem Tod beschreibt er jede Sequenz des heiligen Lebens des St. Sergius präzise.

e. Die Kindheit und Jugend des St. Sergius von Radonesh

Der heilige St. Sergius von Radonesh wird 1314 in den Schoß „wohlgeborene[r] und rechtgläubiger Eltern“ [15] gegeben [16] . Schon vor seiner eigentlichen Geburt bahnen sich erste Wunder an, die für eine spätere Berufung in die kirchliche Laufbahn sprechen. Während eines Kirchenbesuches seiner Mutter schreit der noch ungeborene Fötus dreimal, so dass er die Anwesenden in Schrecken versetzt und sich bereits als Ausgewählter zeigte. Nach diesem Geschehnis lebt die Mutter besonders reinlich um den Schatz in ihrem Schoß zu wahren. Zusätzlich will sie das Kinder Gott versprechen: „Wenn ein Knabe geboren wird, versprechen wir, ihn[…] dem Wohltäter aller, Gott, zu geben.“ [17]

Kurz nach seiner Geburt beginnt Sergius zu fasten und verweigert phasenhaft die Aufnahme der Muttermilch, ein erneutes Zeichen für seinen besonderen Status. In der sechsten Woche nach der Geburt wird der Knabe getauft und entwickelt sich trotz Enthaltsamkeit zu einem gesunden Jungen. Im Alter von sieben Jahren wünscht er sich das Erlernen der Schrift und besucht die Schule. Jedoch vermag er nicht wie die Anderen zu lernen und beginnt sich flehend an Gott zu wenden. Wie durch ein Wunder begegnet der Knabe wenig später einem Mönch, der ihm die Gabe des Lesens und Schreibens als Zeichen von Gottes Gnade übergibt. Nicht nur ist dieses Ereignis ein wichtiger Wendepunkt im Leben des jungen St. Sergius, auch stellt es den ersten Kontakt zum Mönchtum dar. Neben dem täglichen Studium der heiligen Schrift beginnt der Junge in Askese und Gottesfurcht zu leben. [18]

Nach Umsiedlung der Familie nach Radonesh möchte sich Sergius zum Mönchtum bekehren und die Heimat verlassen. Auf Drängen der Eltern bleibt er jedoch und pflegt diese bis zu ihrem Tod. Er bildet die Tugenden „Ruhe, Sanftmut, Schweigsamkeit, Demut, Zornlosigkeit, ungeschminkte Schlichtheit […]“ [19] aus und beschließt sich in die Wälder zurück zu ziehen um in der Einöde Gott zu suchen. [20]

Mit seinem Bruder Stefan zieht er in die Wälder um Radonesh. Zusammen erbauen sie auf einer Lichtung die Kirche der Dreifaltigkeit und lassen diese weihen. Schon bald stellt Stefan das Leben in der Einöde in Frage und verlässt den Bruder um in die Stadt zu ziehen. Sergius fühlt sich nun berufen und bereit Mönch zu werden.

f. Der Eintritt in die Klostergemeinschaft

„O Vater, tue mir die Liebe und schere mich zum Mönch[…].“ [21] Mit diesen Worten erbittet sich der junge Sergius nach einiger Zeit in der Einöde die Aufnahme in die Riege der Mönche. Ein aus der Stadt [22] angereister Abt erhebt Sergius im Alter von 23 Jahren durch die Schur der Tonsur zum Mönch. Und erneut erfolgt eine Phase des Einsiedlerdaseins für den jungen Mann. Allem weltlichen entsagt und mutterseelenallein stellt er sich nun den harten Prüfungen der Einöde. Neben wilden Tieren ist es auch der Teufel, der den jungen Mönch heimsucht und sein Gottesvertrauen auf die Probe stellt. Sergius bleibt beständig gegen jede Versuchung. Nach zwei Jahren allein in der Einöde sendet Gott dem Jüngling Mönche, mit dem Willen, den Bund der Dreifaltigkeit mit Sergius zu teilen und zusammen mit ihm eine Klostergemeinschaft zu gründen. Nach anfänglicher Skepsis willigt er ein und der Grundstein für das Kloster und seine Gemeinschaft ist gelegt. [23]

[...]


[1] Quelle für das Leben des Theodosius von Kiew ist eine Hagiographie von Nestor zu finden in : Zenkovsky, Serge A. : Medieval Russia‘s Epics, Chronicles and Tales. Revised and enlarged Edition. NY, 1974.; Quelle für das Leben des heiligen Sergius von Radonesh ist eine Hagiographie von St. Epiphanius zu finden in: Benz, Ernst: Russische Heiligenlegenden. Zürich, 1953.

[2] Vgl. Zenkovsky, Serge A. : Medieval Russia‘s Epics, Chronicles and Tales. Revised and enlarged Edition. NY, 1974. S.117.

[3] Vgl. Dihle,1987.S. 56.

[4] Vgl. Fedotov, G.P.: The Way of a Pilgrim: And Other Classics of Russian Spirituality. NY: 2003. S. 7.

[5] In diesem Fall ist ein Kirchenältester gemeint.

[6] Vgl. Shubin, Daniel H.: A History of Russian Christianity – From the earliest year through Tsar Ivan IV. 1. Band. NY, 2004. S. 55f.

[7] Vgl. Zenkovsky, 1974. S.121ff.

[8] Vgl. Shubin, 2004. S.56f.

[9] Vgl. Zenkovsky, 1974. S.129ff.

[10] Vgl. Zenkovsky, 1974. S.130.

[11] Vgl. Ebd. S. 132f.

[12] Befindet sich heute in der Stadt Sergijew Possad nahe Moskau.

[13] Vgl. Kovalevski, Pierre: Saint Sergius and Russian Spirituality. Paris, 1958. S. 62f.

[14] Vgl. Dihle, Albrecht: Die Entstehung der historischen Biographie (= Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse 1986,3). Heidelberg, 1987.S. 56.

[15] Zitat s. Benz, Ernst: Russische Heiligenlegenden. Zürich, 1953. S. 301.

[16] Zernov, Nicholas: The Russians and Their Church.3.Auflage. USA, 1978. S.36.

[17] Zitat s. ebd. S. 303.

[18] Vgl. Benz,1953. S. 308ff.

[19] Zitat s. ebd. S. 314.

[20] Vgl. ebd. S. 315ff.

[21] Zitat s. ebd. S. 219.

[22] Zu der Stadt werden in der Quelle keine genaueren Angaben gemacht.

[23] Vgl. Miller, David B.: Saint Sergius of Radonezh, His Trinity Monastery, and the Formation of the Russian Identity. Illinois, 2010. S. 140ff.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Zwei Hagiographien im Vergleich. Die Veränderung der Heiligendarstellung in der russisch-orthodoxen Kirche zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Mittelalterliche Geschichte)
Veranstaltung
Das mittelalterliche Russland (Medieval Russia)
Note
1
Autor
Jahr
2013
Seiten
13
Katalognummer
V382697
ISBN (eBook)
9783668581777
ISBN (Buch)
9783668581784
Dateigröße
429 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
zwei, hagiographien, vergleich, veränderung, heiligendarstellung, kirche, jahrhundert
Arbeit zitieren
Stefanie Holzmann (Autor:in), 2013, Zwei Hagiographien im Vergleich. Die Veränderung der Heiligendarstellung in der russisch-orthodoxen Kirche zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/382697

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