Indogermanische Sprachen und die Entwicklung der okzitanischen Sprache in Spanien und Italien


Dossier / Travail de Séminaire, 2017

23 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1.0 Einleitung

2.0 Definition: Okzitanisch

3.0 Die Entstehung des Okzitanischen

4.0 Die Entwickelung des Okzitanischen
4.1 Die Entwickelung des Okzitanischen in Spanien
4.2 Die Entwickelung des Okzitanischen in Italien

5.0 Der Sprachraum
5.1 Der okzitanische Sprachraum in Spanien
5.2 Der okzitanische Sprachraum in Italien

6.0 Sprachliche Besonderheiten des Okzitanischen
6.1 Sprachliche Besonderheiten im Aranesischen
6.2 Sprachliche Besonderheiten im Vivaro-Alpinischen
6.3 Sprachlicher Einfluss des Okzitanischen auf das Italienische

7.0 Okzitanisch in Spanien und Italien im Vergleich

8.0 Fazit

9.0 Literaturverzeichnis

1.0 Einleitung

Spricht man von romanischen Sprachen, so ist die Rede von einem speziellen Zweig der indogermanischen Sprache. Die Gesamtheit der romanischen Sprachen bildet eine Familie, die denselben Ursprung besitzen, das Lateinische. Diesbezuglich ist nicht die Rede von dem gehobenen klassischen Latein, sondern von dem gesprochenen Vulgarlatein.

Der Zweig der indogermanischen Sprache gliedert sich in 15 romanische Sprachen. Die Bekanntesten unter ihnen sind Spanisch, Italienisch, Franzosisch und Rumanisch.

Neben den weit verbreiteten und viel gesprochenen Sprachen gibt es auch deutlich kleinere Sprachen, wie zum Beispiel das Okzitanische. Die vorliegende Arbeit beschaftigt sich mit dem Phanomen der okzitanischen Sprache und bezieht sich in diesem Bezug besonders auf Spanien und Italien.

Die im Mittelalter hochgeschatzte Literatursprache wurde im Laufe der Jahrzehnte von den groBen Sprachen der Romania, besonders von dem Franzosischen, an den Rand des Sprachbewusstseins gedrangt. Die vielen Versuche die Sprache zu fordern und dadurch eine Erholung der Sprache zu bezwecken scheiterten zum groBten Teil und die Sprache verliert immer mehr an Sprechern.

Im Folgenden wird der Verlauf dieser Arbeit naher dargestellt.

Der erste Teil der Hausarbeit widmet sich der Definition des Okzitanischen. Dabei wird besonderen Wert auf die Bedeutung und die Unterscheidung der Begriffe 'okzitanisch' und 'provenzalisch' gelegt. Einen wichtigen Bestandteil in diesem Kapitel bildet ebenso die Wichtigkeit des Okzitanischen fur die Literatur. Dabei werden in diesem Kapitel Fragen nach dem Verstandnis des Ursprungs und der Namensgebung behandelt und geklart. AbschlieBend wird die Gliederung der verschiedenen Dialektgruppen und deren unterschiedlichen Entwicklungen betrachtet.

Darauf aufbauend ist im zweiten Kapitel die Herkunft der okzitanischen Sprache ein zentraler Punkt, der zur Diskussion gestellt wird.

Folgend wird die Entwicklung von der lateinischen Basis bis hin zu den heute gesprochenen Dialekten des Okzitanischen aufgezeigt. Dabei wird besonders groBen Wert auf das Entstehen der verschiedenen Dialekte, die Grunde fur die vielfaltige Gliederung und die dadurch resultierenden sprachlichen Unterschiede gelegt. In diesem Hinblick wird auf verschiedene Ursachen und Grunde hingewiesen, welche unter anderem zur Ausloschung der Sprache oder zur Erholung der Literatursprache fuhrten.

Ebenso wird ein Augenmerk auf die Troubadoure und auf die literarische Bedeutung des Okzitanischen gelegt.

Die anschlieBenden Unterkapitel der Entwicklung beziehen den Ausbau des Okzitanischen von Frankreich hin zu Italien und Spanien. Desto trotz wird in den weiteren Kapiteln der allgemeine Aspekt des Okzitanischen ebenso auf das Franzosische bezogen und angeschnitten, da Frankreich in der Geschichte der okzitanischen Sprache eine grundlegende Rolle spielt.

Im Kapitel „Sprachraum“ werden die jeweiligen Orte und Regionen, in denen heute das Okzitanische in jeglicher Form praktiziert wird, naher erortert. Zusatzlich wird auf den dort herrschenden Status der Sprache und auf die Sprecherzahlen eingegangen. Warum konnte das Okzitanische dort erhalten bleiben? Wieso schwankt die Zahl der Sprecher so extrem? Dies sind unter anderem Fragen, die in dem Kapitel naher erlautert werden. In dem Kapitel „sprachlichen Besonderheiten“ werden zunachst einmal die allgemeinen sprachlichen Charakteristika des Okzitanischen zugrunde gelegt. Hierbei findet eine Analyse der grundlegenden Aspekte der Sprachwissenschaft statt: das Vokalsystem, die Nasalvokale und das Akzentsystem. In den spateren Unterkapiteln wird diesbezuglich auf die speziellen Beeinflussungen in dem aranesischen und italienischen Wortschatz eingegangen.

AbschlieBend wird aus den hier erarbeiteten Ergebnissen ein Resumee gezogen und ein Vergleich zwischen den Entwicklungen des Okzitanischen in Spanien und Italien gezogen.

2.0 Definition: Okzitanisch

Der Begriff Okzitanisch beschreibt die „Gesamtheit der sudlichen galloromanischen Varietaten in der Romantik“ (Pusch 2001: 18)

Die romanische Sprache wird im romanisch gepragten Drittel Frankreichs, im Nordwesten Kataloniens und in verschiedenen Talern des italienischen Piemonts verwendet. Trotz des relativ groBen Sprachgebietes ist Okzitanisch eine Sprache, die aufgrund von Verdrangung immer mehr aus dem Bewusstsein der Menschheit verschwindet. Schatzungsweise sprechen und/oder verstehen heutzutage etwa 10 bis 14 Millionen die galloromanische Sprache, beziehungsweise die sogenannte langue d'oc. Eine weitere Bezeichnung des Okzitanischen ist Provenzalisch. Hierbei handelt es sich um eine traditionelle Bezeichnung, die nicht immer als positiv empfunden wird. Grund dafur ist die Gleichnamigkeit eines okzitanischen Dialekt, welcher in dem Gebiet der Provence gesprochen wird. Diese Diskrepanzen fuhrten dadurch zu einer vermehrten Verwendung der Bezeichnung 'Okzitanisch'.

(Renzi 1980: 95)

Das Okzitanische hat neben dem Galizischen und dem Katalanischen seinen Ursprung in der Troubadour-Lyrik. Die Troubadoure verbreiteten ihre Kunst und dementsprechend das Okzitanisch in viele verschiedene Richtungen. Von Sudfrankreich aus erreichte die Literatur der Minnesanger Deutschland, Nordfrankreich, Italien und die Iberische Halbinsel. Somit wurde die romanische Minderheitssprache vom 11. bis zum 12. Jahrhundert eine der wichtigsten Literatursprachen des Mittelalters.

Die Sprache wird aufgrund ihrer vielseitigen Entwicklung in der heutigen Sprachwissenschaft in verschiedene Dialektgruppe gegliedert. In diesem Bezug unterscheidet man zwischen dem Sudokzitanischem, dem groBten und sprachlich konservativsten Dialekt, dem Nordokzitanischem, dem Auvergnatischen und den Alpenmmundarten, dem Provenzalischen, dem Languedokische und dem Gaskognischen im Sudwesten. Die verschiedenen Dialekte unterscheiden sich sowohl in der Syntax als auch im Wortschatz, in der Morphologie und im Lautlichen.

Besonders im Vergleich des Provenzalischen und Gaskognischen mit den restlichen Dialekten des Okzitanischen lassen sich deutliche Unterschiede in der Ausfuhrung dieser Sprachen feststellen. Sie distanzieren sich deutlich durch bestimmte sprachliche Charakteristika, die die anderen Dialekte nicht aufweisen. (vgl. Bossong 2008: 128, vgl. Kremnitz 1981: 10) Ein Kriterium im Gaskognischen ist beispielsweise, dass das zuvor lateinische F zu einem /h/ im Gaskognischen wird. Dieses wird verstummt sobald es vor einem Konsonanten platziert ist, andernfalls wird es gesprochen. Neben dem Lautlichen, weist das Gaskognische zusatzlich Ungleichheiten bezuglich der Syntax und der Morphologie auf. Aufgrund der weitreichenden Ungleichheiten wurde das Gaskognische oftmals als eine autonome und eigenstandige romanische Sprache interpretiert. (vgl. Kremnitz 1981: 11)

Die Grenze zwischen den Dialekten des Sudokzitanischem und des Nordokzitanischem wird durch die unterschiedliche Palatalisierung der lateinischen Konsonanten /k/ und /g/ vor /a/ gebildet. Somit wird zum Beispiel aus dem lateinischem cantat > sudokzitanisch canta [kanto]. Es findet also keine Palatalisierung statt. Im Nordokzitanischen wird das lateinische Wort dagegen palatalisiert und entwickelt sich dadurch zu chanta [tjanto]. Auch das Nordokzitanische als okzitanischer Dialekt gliedert sich nochmals in verschiedene Dialekte auf. Dabei handelt es sich um drei deutlich unterscheidbare Dialektgruppen: das Limousinische, das Auvergnatische und das Delfinatische. (vgl. Kremnitz 1981: 10)

3.0 Die Entstehung des Okzitanischen

Bei dem Okzitanischen handelt es sich um eine romanische Sprache, wodurch diese ihren Ursprung im Lateinischen besitzt. Das Okzitanische lost sich durch seine abweichende Entwicklung im Laufe des Sprachwandels von dem zu dieser Zeit gesprochenen Spatlatein ab. Erwahnenswert ist dabei, dass es sich bei dem im Suden Galliens gesprochenen Latein um eine spezielle Variation handelt. Diese unterscheidet sich aufgrund der Beeinflussung durch Gallien deutlich von den Ursprungsformen der anderen romanischen Sprachen. Dementsprechend entwickelte sich das Okzitanische durch die abweichende Basis in eine andere Richtung.

Fest steht, dass die weiteren Teile Galliens, vielen Regionen der iberischen Halbinsel und Oberitalien eine starke Beeinflussung durch das keltische Substrat erfuhren. AuBerdem wurde der provenzalische Raum durch die ligurischen Sprache, das iberische Kustengebiet durch das Languedokische und der pyraneische und atlantische Raum durch Spuren des Altbaskischen beeinflusst und verandert.

Weitergehend lassen sich zahlreiche griechische Kolonien feststellen, die sich seitwarts der Mittelkuste ansiedelten und somit Kontaktsprachen zum Okzitanischen wurden. All diese Kontaktsprachen sind Wegweiser in der Entstehungsgeschichte der okzitanischen Sprache und zeichnen sie und ihre Dialekte in ihrer heutigen Form aus, indem jede dieser Sprachen charakteristische Merkmale und Elemente in der Sprache des Okzitanischen hinterlieB.

Ein weiterer Grund, wieso sich das Okzitanische sich deutlich von den anderen romanischen Sprachen entfernte, waren die unterschiedlich starken germanischen Einflusse. Im geschichtlichen Bezug dieser Einflusse steht dabei an erster Stelle der Zusammenbruch des westromischen Reiches. Zu diesem Zeitpunkt lieBen sich erneut Unterschiede zwischen Norden und Suden erkennen. Wahrend der Norden von den Franken erobert und besiedelt wurde, wurde der Suden, um genauer zu sein das Gebiet zwischen Loire und Mittelmeer, fur eine gewisse Zeit von den Westgoten dominiert. Diese Zeit der Westgoten war aufgrund der Niederlage gegen die Franken zeitlich begrenzt und hat dadurch kaum bis gar keinen Einfluss auf das heutige Okzitanisch genommen. Aus diesem Grund beschrankt sich die Zahl der Germanismen im nordlichen Teil, ganz im Gegensatz zum franzosischen Sprachgebiet, auf die Entlehnungen, die uber das Lateinische in die okzitanische Sprache mit eingefuhrt wurden.

Auch die Epoche der Arabisierung hinterlieB unterschiedlich ausgepragte Spuren in den romanischen Sprachen. Wahrend im Gegensatz zum Franzosischen das Arabische kaum ein Einfluss nahmen, kann man beim Okzitanischen von weitaus starkeren Einflussen, zumindest in einem Gebiet des Mittelmeeres, sprechen. Die Anzahl der arabischen Lehnworter in der okzitanischen Sprache im Vergleich zu den Arabismen im Wortschatz der iberischen Halbinsel ist dagegen nicht vergleichbar. (vgl. Kremnitz 1981: 20-22)

4.0 Die Entwicklung des Okzitanischen

Betrachtet man die Sprachgeschichte, lasst sich der Ursprung des Okzitanischen auf Aquitanien und Limousin, Provinzen im Westen Frankreichs, zuruckfuhren.

Von dort aus entwickelten sich die Dialekte des Okzitanischen in verschiedene Richtungen: nach Deutschland, Nordfrankreich, Italien und auf die iberische Halbinsel. (vgl. Bossong 2008: 125)

Eine der Hauptgrunde der Verbreitung waren die Troubadoure. Die Provenzalisch- Okzitanische Sprache wurde im 11. Jahrhundert dazu verwendet, erstmalig literarische Werke zu verfassen, wovon besonders die Troubadoure profitierten und mit ihrer Lyrik beruhmt wurden. Somit vermittelten die Minnesanger das Okzitanisch, neben dem Galizischen und dem Katalanischen mittels ihrer Kunst vom mittelalterlichen Sudfrankreich bis uber ganz Europa. Sie war die erste romanische Sprache, die sich, wie im Kapitel 3.0 erlautert, von dem klassischen Latein lossagen konnte und sich zu einer hoch angesehenen Literatursprache entwickelte. (vgl. Bossong 2008: 125)

Die Ara der Dichter und Sanger in der okzitanischen Sprache neigte sich jedoch im 13. Jahrhundert dem Ende entgegen. Nach dem Aufschwung und dem Hohepunkt wahrend der Renaissance, verschwinden sowohl das Okzitanische, als auch die anderen Sprachen der Minnesanger erstmals aus dem Gedachtnis der Menschen. (vgl. Bossong 2008: 123) Grund dafur ist der politische Verfall des Sudens und die dadurch resultierende Starkung der Zentralpolitik in Paris. Frankreich entwickelte sich zu einem zentralistisch organisiertem Staat, der das Okzitanische als hoch angesehene Sprache nicht duldete. Das Franzosische setzte sich nicht nur als Sprache der Monarchie Frankreichs, sondern auch als offizielle Sprache der Revolution und der Industrialisierung durch. Dadurch war das Schicksal der okzitanischen Sprache besiegelt und wurde dementsprechend etappenweise verdrangt. Die Verdrangung begann in den stadtischen Gebieten, jedoch entfernten sich auch die landlichen Bereiche mit der Zeit vom Okzitanischen. (vgl. Renzi 1980: 96)

Die stetig groBer werdende Dominanz der Nationalsprachen, wie Spanisch, Italienischen, Franzosische und Portugiesisch machte das Uberleben der okzitanischen Sprache fast unmoglich.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts, der Epoche der Romantik lasst sich erneut ein Anstieg bezuglich der Verwendung dieser Sprachen feststellen. Diese Phase der Erholung bezeichnet man in Galicien als Rexurdimiento, in Katalonien als Renaixen9a und in Sudfrankreich als Felibrige. Hierbei handelt es sich um eine romanische Bewegung in der die Wiedergeburt der jeweiligen Sprache, Politik und Kultur eine groBe Rolle spielt. (Rexurdimento/ Galego)

Im Vergleich zum Okzitanischen, entwickeln sich die galizische und katalanische Sprache deutlich schneller weiter. Das Galizisch und Katalanische werden von dem Staat offiziell anerkannt und erfahren dadurch eine starkere Forderung bezuglich ihrer Erhaltung. Das Okzitanische hingegen wird zwar zu dieser Zeit akzeptiert, aber nur in geringem MaBe vom Staat unterstutzt. Insgesamt leiden jedoch alle drei Sprachen bis heute unter einem nicht angemessenen Ansehen bezuglich Literatur, Politik und sozialen Stellung. (vgl. Bossong 2008: 123)

4.1 Die Entwicklung des Okzitanischen in Spanien

Das sogenannte Aranesisch, ein Dialekt des Okzitanischen wird in der Alpenregion Val d'Aran gesprochen. Hierbei handelt es sich um den kleinsten Sprachraum der okzitanischen Sprache. Trotz des kleinen Sprachgebietes, erfahrt die Varietat des Okzitanischen in dieser Talregion die meiste Forderung und kann dementsprechend erhalten werden.

Des Weiteren besitzt das Aranesische in diesem Sprachgebiet die gleichen Rechte, wie das Spanische und Katalanische. Wodurch es sich um eine kooffzielle Sprache handelt und damit eine ahnliche Forderung erfahrt. Das Tal in den Pyrenaen gilt somit als dreisprachig.

Die groBe Unterstutzung bezuglich der Entwicklung der Sprache wird ebenso in der Sprachverwendung deutlich. Das Aranesische begegnet einem sowohl im Unterricht der Grundschule, als auch im alltaglichen Leben. Durch die Verwendung des Okzitanischen auf Verkehrsschildern, im offentlichen Fernsehen oder im Radio, ist die woanders langst untergegangene Sprache, in Val d'Aran noch prasent. (vgl. Bossong 2008: 130-132)

4.2 Die Entwicklung des Okzitanischen in Italien

In den italienischen Sprachgebieten steht es um das Okzitanische um einiges schlechter. Sowohl die italienische Sprache, als auch das Piemontesische[1] verdrangen das Okzitanische immer mehr aus dem Sprachbewusstsein der Menschen. Hinzu kommt die zunehmende Landflucht aufgrund der Globalisierung und dem anwachsenden Bedurfnis nach einer besseren Lebensqualitat. Immer mehr Menschen ziehen vom Land in die Stadte. Dementsprechend verlassen immer mehr Sprecher des Okzitanischen das okzitanische Sprachgebiet in Italien, wodurch die Sprache nach und nach verloren geht. (vgl. Bossong 2008: 130)

In diesem Zusammenhang sind die ForderungsmaBnahmen in der Region Piemont ein nennenswerter Aspekt. Die Bewegung Movimiento Autonomista Occitano kampft fur die Erholung der okzitanischen Kultur und fur das Okzitanische im Sinne des Monolinguismus in der Region Piemont.

Eine weitere Organisation aus der Provinz Turin nennt sich Unione Degli Aunomista delle Valli Occitaniche. Diese unterstutzt den Erhalt und die Entwicklung der okzitanischen Sprache und hat sich zusatzlich die Forderung und Pflege sowohl der italienische, als auch der franzosischen und okzitanischen Kultur zur Aufgabe gemacht. (Scharrf 1989: 101)

Organisationen wie diese, sind fur den Erhalt und fur die Entwicklung des Okzitanischen in Italien essentiell. Denn trotz der offiziellen Anerkennung durch den Staat bleiben jegliche staatliche Forderungen neben solchen Bewegungen aus. Kulturvereine erhalten lediglich geringe ForderungsmaBnahmen, um den Erhalt der Sprache zu sichern.

Mit dem Ruckgang des Okzitanischen, reduziert sich dementsprechend auch die Anzahl der Sprecher dieser Sprache. Nachdem man vor sechzig Jahren noch eine relativ genaue Angabe uber die Gesamt-Sprecherzahl von etwa zehn Millionen angeben konnte, ist dies heutzutage kaum noch moglich. Zu der jeweiligen Zeit galt das Okzitanische neben dem Spanischen, dem Italienischen und dem Franzosischen als essentielles Mittel der Kommunikation. (vgl. Bossong 2008: S.132)

5.0 Der Sprachraum

Theoretisch betrachtet dehnt sich der okzitanische Sprachraum auf zirka 200.000 km2 aus. Hierbei handelt es sich jedoch um ein „fiktives Sprachgebiet“, wodurch sich das tatsachliche Sprachgebiet deutlich reduziert. (Kremnitz 1981: 8)

Das Okzitanische ruckt mit der Zeit immer weiter in den Hintergrund und wird von den Nationalsprachen deutlich dominiert. Wie viele Menschen wo und wie okzitanisch sprechen, ist daher nur schwer einzuschatzen.

Der heutige Sprachraum des Okzitanischen beschrankt sich fast ausschlieBlich auf landliche Gebiete, die von spanischem bzw. aragonesischem, katalanischem, franzosischem, frankoprovenzalischem und italienischem Sprachgebiet begrenzt werden. (Schlieben-Lange 1971: 92) Versucht man die Sprache geographisch einzuordnen, lasst sich das sudliche Drittel des franzosischen Staatsgebietes als grobes Sprachgebiet betiteln. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass sowohl die Halfte des Departments Pyrenees Atlantiques, bekannt als das Nordbaskenland oder Euskadi-Nord, als auch das Department Pyrenees Orientales nicht zu dem okzitanischen Sprachraum dazu gezahlt werden durfen. Die Ausnahme diesbezuglich stellt Nordkatalonien dar, ein Kanton des Departments Pyrenees Orientales in dem Okzitanisch gesprochen wird. Weitere Sprachgebiete des Okzitanischen entstehen durch Auswanderungskolonien, wie es zum Beispiel bei der Gemeinde Guardia Piemontese in Kalabrien oder Pigue in Argentinien. Auf diese Sprachraume wird in der folgenden Ausarbeitung jedoch nicht weiter eingegangen. Stattdessen wird Bezug auf die Sprachraume in Spanien und Italien genommen. (vgl. Kremnitz 1981: 9)

5.1 Der okzitanische Sprachraum in Spanien

In Spanien zentriert sich das okzitanische Sprachgebiet auf die im Kapitel 4.2 angesprochene Talregion Val d'Aran in den Pyrenaen. Die Einwohner des Tals sprechen eine Varietat des Gaskognischen, das Aranesische. Hierbei handelt es sich um eine Sprecherzahl, die bei zirka 9000 Menschen liegt. Es ist der kleinste Sprachraum dieser Sprache und gehort zu dem Konigreich Aragon-Katalonien. AuBerdem ist es heute der Verwaltungsbezirk der Provinz Lerida/Lleida und gehort zu der autonomen Region

Katalonien. Es ist das einzige Pyrenaental, welches in Richtung Frankreich geoffnet ist, jedoch zum spanischen Staat gehort. Da es vor dem Bau des bekannten Vielha-Tunnes von Spanien aus sehr schwer war das Tal zu erreichen, gab es nur wenig Sprachkontakt, wodurch die okzitanische Dialekt gut erhalten bleiben konnte. (vgl. Bossong 2008: 130)

Um diese Fakten mit Daten zu belegen, wird sich im Folgenden auf eine Umfrage aus dem Jahr 1983 bezogen. Diese Befragung ergab, dass etwa 93 % der 6000 Bewohner des Val d'Aran Aranesisch verstehen, 79 % sind in der Lage den Dialekt zu sprechen, 24 % konnen ihn lesen. Jedoch fuhlen sich lediglich 9 % in der Lage die okzitanische Varietat zu schreiben. Aus diesen Zahlen wird deutlich, dass das Verstandnis der Sprache zu dieser Zeit noch vorhanden war, das Wissen bzw. die Kompetenz die Sprache jedoch zu sprechen oder sogar schreiben war dagegen nur noch geringfugig vorhanden. Die Vermutung, dass das Okzitanische graduell aus dem Sprachbewusstsein verschwindet, wird somit durch die Befragung unterstutzt. Wie die Werte heute aussehen, ist schwer einzuschatzen. Mit hoher Gewissheit kann jedoch gesagt werden, dass die Zahlen in jeder Kompetenz deutlich gesunken sein mussen. (Winkelmann 1995:64)

5.2 Der okzitanische Sprachraum in Italien

In etwa 15 Talschaften in den Alpen, nahe der franzosischen Grenze, um genauer zu sein in den autonomen Regionen Piemont und Ligurien, wird die okzitanische Sprache heute noch als gelaufiges Kommunikationsmittel verwendet. Man bezeichnet sie dort als valadas accitanas. Aufgrund der Abgeschiedenheit der Dorfer von offentlichen StraBen und die Distanz zum anwachsenden Massentourismus konnten das Okzitanisch in diesen Regionen „konserviert“ werden. (vgl. Bossong 2008: 130)

Ein weiteres Sprechgebiet befindet sich in einem Dorf in Kalabrien, Guardia Piemontese. Die Siedlung in der Provinz Cosenza spricht bis heute einen Dialekt des Okzitanischen. Seinen Ursprung besitzt dieser Sprachraum bei den Waldenser. Diese wurden aufgrund ihrer Religion aus ihrer Heimat verjagt.. Daraufhin fluchteten sie im 13. und 14. Jahrhundert unter anderem nach Suditalien und entwickelten sich dort zu groBeren Siedlungen und dementsprechend zu okzitanischen Sprachraumen. (vgl. Bossong 2008: 130)

Sprechen wir heute von dem okzitanischen Sprachgebiet muss immer bedacht werden, dass es sich hier bei um eine Sprache handelt, die im standigen Austausch mit anderen benachbarten Sprachen ist. Somit betrachtet man das Okzitanische immer vor dem Hintergrund anderer Sprachen, wie zum Beispiel dem Spanischen, dem Italienischen und besonders dem Franzosischem. Dementsprechend beherrschen die Sprecher des Okzitanischen in der Regel eine zweite Sprache. In welcher Dimension und Qualitat sie diese beherrschen, variiert diesbezuglich von Sprecher zu Sprecher. (vgl. Kremnitz 1981: 8)

Aus diesem Grund kann besonders in den italienischen Sprachgebieten von keinem reinem Okzitanisch gesprochen werden, sondern von Varietaten dieser Sprache, die unter starker Beeinflussung der italienischen Sprache oder eines entsprechenden italienischen Dialekts stehen. (vgl. Muller 1995: 237)

In diesem Sinne erscheint es als sinnvoll, einen Bezug auf die sprachliche Situation in der Val Pellice zu nehmen, da die angesprochene Zweisprachigkeit hier keine Seltenheit ist. Hierbei handelt es sich um ein Waldensertal in den Cottischen Alpen. Es liegt im Westen Italiens und somit an der Grenze zu Frankreich. Entsprechend der Nahe wird der okzitanische Dialekt in diesem Gebiet merklich beeinflusst. (Muller 1995: 237)

Der Gebrauch des Okzitanischen durch die Waldenser, das sogenannte Patois, hangt in diesem Sprachraum stark von dem Standort ab. Dementsprechend wird am Talanfang wesentlich weniger okzitanisch gesprochen, als es am Talende der Fall ist. Begrundet werden kann dies, unter anderem durch den hohen Einfluss der umliegenden GroBstadte, wie z.B. Turin.

Ebenso variiert die Verwendung in Abhangigkeit mit den Generationen. Wahrend die alteren Generationen das Patois neben dem Franzosischen als Zweitsprache sprechen, sieht die Jugend diese Sprache lediglich als Familien Sprache an. Das bedeutet, dass sie die italienische Standardsprache von ihren Eltern gelehrt bekommen, das Okzitanische bestenfalls von den GroBeltern. Dementsprechend muss ein deutlicher Unterschied zwischen tatsachlichen und gelegentlichen Sprechern gezogen werden um die Sprecherzahl ermitteln zu konnen. Das Tal weist dadurch eine Koexistenz mehrerer sprachlicher Varietaten auf. (Muller 1995: 250) Man geht davon aus, dass heute die Zahl in den valadas occitanas der italienischen Alpen ungefahr bei 50.000 Sprechern liegt. Dabei muss bedacht werden, dass es sich hierbei nur um eine zeitlich begrenzte Angabe handelt und die Werte sich im Laufe Zeit, durch Abwanderung und Erlernen anderer Sprachen weiterhin verandern. (vgl. Bossong 2008: 130)

6.0 Sprachliche Besonderheiten des Okzitanischen

Durch die verschiedensten Einflusse wahrend der Entstehung und Entwicklung des Okzitanischen, besitzt es heute besondere sprachliche Charakteristika, die es von anderen Sprachen abgrenzt.

Schon im Vokalsystem des Okzitanischen erkennt man bestimmte Charakteristika. Dieses besteht aus Vorderzungenvokalen mit vier Offnungsgraden und aus Hinterzungenvokale[2], die dagegen nur drei Offnungsgrade ausweisen. Des Weiteren wird der gerundete Vorderzungenvokal[3] /y/ und der Mittelzungenvokal /a/ zum okzitanischen Vokalsystem dazu gezahlt.

Um dies mit Beispielen zu unterstutzen, kann man sich auf folgendes Beispiel beziehen: pel [pel] 'Haar' und pel [pel] 'Haut' oder sec [sec] 'trocken' und sec [sec] 'er folgte'.

Da sich das Okzitanische immer weiter von dem klassischen Latein loste, veranderte sich dementsprechend auch das Vokalsystem: wahrend das lange /u/ noch im Lateinischen ublich war, wird dies im Okzitanischen zum /y/ palatalisiert. Dies ist zum Beispiel bei madur [ma'dy] 'reif und nul [nyl] 'keiner' der Fall.

Ein weiteres sprachliches Merkmal ist, dass es sich bei /a/ im okzitanischen Vokalsystem um ein Phonem handelt. Es hat somit eine bedeutungsdifferenzierende Funktion und kommt nur in unbetonter Endsilbe vor. Wie dieses Phonem verwendet und realisiert wird, ist je nach Dialekt jedoch unterschiedlich. Die Mehrheit der Sprecher sprechen dieses Phonem jedoch als [o-a] aus. Nur in Ausnahmefallen, wie zum Beispiel in der Region von Montpellier wird es als [a] ausgesprochen. (vgl. Bossong 2008: 133) Die Nasalvokale im okzitanischen System besitzen dagegen keinen Phonemstatus, desto trotz ist die Nasalierung und die Entnasalierung von groBer Bedeutung fur das Verstandnis der Sprache.

Wie die Nasalvokale heute genau realisiert werden, ist ebenso von Dialekt zu Dialekt unterschiedlich. Sowohl im Limousin, als auch im Languedoc spielt die Nasalitat keine Rolle mehr. In der Provence und der Gascogne, mit Ausnahme des Bearn, ist sie dagegen noch von hoher Bedeutung und ist ein Bestandteil der alltaglichen Kommunikation. In diesem Bezug sollte hinzugefugt werden, dass mit der Nasalierung, die Velarisierung des Auslautes hervorgeht. Diesbezuglich konnen wir auf folgendes Beispiel zuruckgreifen: pan 'Brot' ^ [pag/pa^] im Gaskognischen bzw. Provenzalischen ^ [pa] im Languedocischen und Limousinschen.

Beschaftigt man sich mit dem Akzentsystem des Okzitanischen, wird deutlich, dass es hier zwei Typen an Akzenten gibt. Die Betonung auf der letzten Silbe bezeichnet man als oxyton, die Betonung auf der vorletzten Silbe als paroxyton. Charakteristisch und sich dadurch vom Franzosischen unterscheidend ist der Aspekt, dass der Akzent variabel gesetzt werden kann und dadurch bedeutungsdifferenzierend ist. Deutlich wird dies durch folgendes Beispiel: canton ['kantu] 'sie singen' und canton [kan'tu] 'Ecke'.

6.1 Sprachliche Besonderheiten im Aranesischen

Wie im Kapitel „Die Entwicklung des Okzitanischen in Spanien“ bereits erlautert bezeichnet man die in Spanien gesprochene Varietat des Gaskognischen als Aranesisch. Die aranesische Sprache weist mehrere sprachliche Charakteristika auf, wodurch sich diese von den anderen Dialekten des Okzitanischen abgrenzt.

Eine Besonderheit ist unter anderem die Auslassung des lateinischen, initialem [f] und der darauffolgende Ersatz durch [h]. Dieses wird daraufhin teilweise aspiriert. Diesbezuglich kann man auf folgendes Beispiel hinweisen:

lat. ferrum > aran. her, lat. filiu > aran. hilh.

Ebenso charakteristisch ist das Wegfallen des intervokalischen [n], wie es beim lat. farina > aran. haria, lat. una > aran. ua der Fall ist und die Entwicklung des lateinischen finalen LL zu [th] bzw. des intervokalischen LL zu [r]. Dadurch verandert sich das lat. bellus > aran. beth und das lat. gallina > aran. garia. (Una lengua romanica/ Conselh Generau d'Aran)

Genauso erwahnenswert erscheint die Metathese vor [r]. Der Vorgang der Metathese beschreibt den Austausch von Lauten, dies kann anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden: lat. capra > aran. cabra. (Metathese/Mediensprache)

[...]


[1] Hierbei handelt es sich um eine galloromanische Varietat, die in Piemont gesprochen wird.

[2] Bei den Hinterzungenvokalen bewegt sich die Zunge dementsprechend in den hinteren Teil des Mundes. (Vorderzungenvokal/Duden)

[3] Unter einem Vorderzungenvokal versteht man, dass bei dessen Bildung die Zunge sich moglichst weit im vorderen Abschnitt der Mundhohle befindet. (Vorderzungenvokal/Duden)

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Résumé des informations

Titre
Indogermanische Sprachen und die Entwicklung der okzitanischen Sprache in Spanien und Italien
Université
University of Cologne
Note
1,0
Auteur
Année
2017
Pages
23
N° de catalogue
V382927
ISBN (ebook)
9783668581258
ISBN (Livre)
9783668581265
Taille d'un fichier
515 KB
Langue
allemand
Mots clés
Okzitanisch
Citation du texte
Svenja Boehlke (Auteur), 2017, Indogermanische Sprachen und die Entwicklung der okzitanischen Sprache in Spanien und Italien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/382927

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