Der Typus der Frau und der Weiblichkeit traten seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts immer deutlicher ins Blickfeld der SchriftstellerInnen und WissenschaftlerInnen. Die Neue Frau und die Neue Weiblichkeit, die als literarische Repräsentationen der Neuen Sachlichkeit gelten und die hier als Gegenstand meines Interesses fungieren, wurden in der Weimarer Republik sehr gern thematisiert. Die Präsenz der Frau in der Öffentlichkeit und in der Kunst in den 30er Jahren wurde zur Kontroverse. Die literarischen Weiblichkeitsentwürfe und Frauendarstellungen wurden deswegen auch zum heiklen Thema, dessen Präsenz zu Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Debatten in der Weimarer Republik implizierte. Die Kontroverse bestand unter anderem in der Diskrepanz zwischen der mit der „Männlichkeit“ assoziierten Stilrichtung der Neuen Sachlichkeit und den Themen der neusachlichen Literatur und ihrer literarischen Verarbeitung, weil eines von diesen Themen der Typus der Frau war.
Die in der Epoche der Weimarer Republik expandierende Frauenliteratur und die Etablierung der Typologie der Neuen Frau haben zur Entstehung des neuen Genres, d. h. des Romans der Neuen Frau, überwiegend beigetragen. Der Erfolg, den der Roman der Neuen Frau in den 20er und 30er Jahren erzielt hat, war jedoch von kurzer Dauer. Schnell wurde diese Literatur als „Asphaltliteratur“ und wissenschaftsunfähig qualifiziert. Diese Beurteilung implizierte, dass das Genre lange Zeit nicht zum Kanon der modernen deutschen Literatur gehörte und ungerecht mit der Trivialliteratur assoziiert wurde. Die nächste Konsequenz war, dass sie als Forschungsobjekt disqualifiziert wurde. Erst die Arbeiten der linken Literaturkritik in den 60er Jahren und der feministischen Literaturwissenschaft in den 70er und 80er Jahren führten zur erneuten Auseinandersetzung mit der Literatur der Neuen Sachlichkeit und ihrer Revidierung. Die Forschung zur Literatur der Neuen Sachlichkeit repräsentiert heutzutage ein Gebiet, auf dem viel umstritten und unklar bleibt.
An dieser Stelle muss akzentuiert werden, dass die Frauenliteratur der Neuen Sachlichkeit als bisher unterschätzter und erst seit Kurzem untersuchter Forschungsgegenstad viel entdecken lässt. Die Tatsache, nicht entdeckt zu werden, macht diese Literatur wissenschaftlich interessant aus. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Charakteristika der Neuen Sachlichkeit
- Der geschichtliche Hintergrund
- Sozio-kulturelle Aspekte des Lebens in der Weimarer Republik
- Neue Sachlichkeit Begriffsbestimmung, Merkmale der Stilrichtung und die Literaturauffassung mit besonderer Berücksichtigung des Romans
- Die Analyse der literarischen Verwirklichung des Konzepts der Neuen Weiblichkeit bei Irmgard Keun
- Biographie der Schriftstellerin
- „Neue Frau“ — revolutionäre Weiblichkeitsvorstellung
- Gilgi eine von uns – die Persönlichkeitsentwicklung der Titelgestalt
- Protagonistin Gilgi als Personifikation der neusachlichen Weiblichkeitskonzeption
- Identitätskrise der Protagonistin als Verifikation ihrer Lebenshaltung und ihres Weiblichkeitswertekanons
- Aufbruch als Negation der bisherigen Lebens- und Weiblichkeitsauffassung der Titelheldin
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die literarische Darstellung der Frau in der Weimarer Republik, insbesondere im Frühwerk der Schriftstellerin Irmgard Keun, mit dem Fokus auf die Konzeption der „Neuen Frau“. Sie untersucht den historischen Kontext, die sozio-kulturellen Aspekte der Weimarer Republik sowie die Merkmale der Neuen Sachlichkeit als literarische Strömung. Die Arbeit analysiert, wie Irmgard Keun das Konzept der Neuen Weiblichkeit literarisch verwirklicht und wie sie die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Protagonistin Gilgi in ihrem Roman „Gilgi - eine von uns“ darstellt.
- Die Neue Sachlichkeit als literarische Strömung und ihre Bedeutung im Kontext der Weimarer Republik
- Die Darstellung der „Neuen Frau“ in der Literatur der Weimarer Republik
- Die literarische Verarbeitung des Konzepts der Neuen Weiblichkeit bei Irmgard Keun
- Die Herausforderungen und Ambivalenzen der „Neuen Frau“ im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne
- Die Analyse der Persönlichkeitsentwicklung der Protagonistin Gilgi im Roman „Gilgi - eine von uns“
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Relevanz des Themas „Neue Frau“ in der Weimarer Republik dar und beleuchtet die Kontroverse um die literarische Darstellung der Frau in der Neuen Sachlichkeit. Die Arbeit konzentriert sich auf die Analyse des Romans „Gilgi - eine von uns“ von Irmgard Keun, um die Konzeption der „Neuen Frau“ im Werk der Schriftstellerin zu untersuchen.
Das erste Kapitel widmet sich der Charakterisierung der Neuen Sachlichkeit, ihrer historischen Entstehung und den sozio-kulturellen Aspekten der Weimarer Republik.
Im zweiten Kapitel wird die literarische Verwirklichung des Konzepts der Neuen Weiblichkeit bei Irmgard Keun untersucht. Der Fokus liegt auf der Biographie der Schriftstellerin und der Analyse des Romans „Gilgi - eine von uns“. Die Kapitel analysieren die Persönlichkeitsentwicklung der Protagonistin Gilgi, ihre Identitätskrise und ihren Aufbruch als Negation der traditionellen Lebens- und Weiblichkeitsauffassung.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit der „Neuen Frau“, der Neuen Sachlichkeit, Irmgard Keun, „Gilgi - eine von uns“, Weiblichkeitsvorstellungen, Weimarer Republik, Tradition und Moderne, Selbstbestimmung, Authentizität und Lebensentwürfe.
- Quote paper
- Krystyna Grat (Author), 2010, Die Frau der Weimarer Republik als Neue Frau. Literarische Frauendarstellung im Roman "Gilgi - eine von uns" von Irmgard Keun, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/382980