Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Standortbestimmung der Begriffe Prekäre Beschäftigung, Prekariat und Prekarisierung
III. Atypische Beschäftigungsverhältnisse sowie Folgewirkung und Probleme
a. Teilzeitbeschäftigung
b. Geringfügige Beschäftigung/ Mini- und Midi-Jobs
c. Befristete Beschäftigung
d. Leiharbeit
e. Soloselbstständigkeit
f. Werkvertragsbeschäftigung
IV. Sind atypische Beschäftigungen prekär?
V. Fazit/ Schluss
VI. Literatur- und Quellenverzeichnis
I. Einleitung
In politischen Diskussionen zum Thema Arbeitsmarkt und sozialer Ungleichheit fällt immer wieder der Begriff „Prekarität“. Weit verbreitet besteht dabei der Irrglaube, es würde sich lediglich um unsichere oder schlecht bezahlte Arbeitsplätze handeln. Tatsächlich ist das Themenfeld jedoch in viel größeren Dimensionen angesiedelt, die letztendlich in verschiedenen politischen, aber auch wissenschaftlichen Diskursen münden. Einflussfaktoren für diese Dimensionen sind Globalisierungsprozesse, aber auch die Internationalisierung der Märkte, welche maßgeblich dazu beitragen den Konkurrenzdruck in der Wirtschaft und somit in den Unternehmen zu erhöhen. Dieser Druck führt zu einem vergrößerten Wettbewerb, bei dem atypische Beschäftigungen in Unternehmen eine immer größere Rolle spielen, um Lohnkosten zu sparen und Auftragsspitzen zu bewältigen[1].
Um Anfangs ein Verständnis über das weite Themenfeld der Prekarität zu erlangen, ist es zunächst nötig den Begriff zu erläutern und dazu verschiedene wissenschaftliche Ansätze darzustellen. Durch diese Standortbestimmung der Prekarität ist es dann möglich herauszufinden, welche Formen von prekären Arbeitsverhältnissen bestehen. Zusätzlich werden dabei Probleme, Ursachen und Folgewirkungen erläutert. Diese stehen in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen, so dass einerseits theoretisch, aber auch empirisch gearbeitet wird, um nachweisbare Belege in Form von Daten zu verwenden. Nach der Einordnung der Begrifflichkeiten und der ersten kritischen Betrachtung, wird die Frage gestellt, anhand welcher Faktoren Prekarität messbar gemacht werden kann. Erst nach der Einordnung der Begrifflichkeiten zum Thema Prekarität, der Erläuterung der Formen von atypischer Beschäftigung und dem messbar machen von prekären Indikatoren, wird auf die letztliche Frage der Hausarbeit „Sind atypische Beschäftigungen prekär?“ eingegangen und schlussendlich beantwortet. Abschließend wird ein Fazit aus den Erkenntnissen gezogen und ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen gegeben, der sich an politischen und strukturellen Entwicklungen orientiert.
II. Standortbestimmung der Begriffe Prekäre Beschäftigung, Prekariat und Prekarisierung
Die genaue begriffliche Fixierung der Begriffe Prekarität und Prekarisierung sind bereits seit Jahrzehnten zentrale Themen soziologischer Diskursgedanken. Dabei durchlebt die genaue Analyse dieser Begriffe einen ständigen Perspektivwechsel der von Soziologen, Politikwissenschaftlern bis hin zu Aktivisten reicht. In diesem noch andauernden Diskurs überschneiden sich sozialwissenschaftliche Konzepte, so dass sich theoretische Ansätze zwar alle mit dem Wandel von Arbeit und Gesellschaft unter neoliberalen Vorzeichen auseinandersetzen, aber ansonsten wenig Berührungspunkte zueinander finden[2]. Abgesehen von dieser paradoxen Ausgangslage, besteht der oftmals verwendete Ausgangspunkt von Prekarität oder Prekarisierung darin, dass diese auf ein Phänomen zielen, dass sich mit der Abweichung vom Normalarbeitsverhältnis[3] beschäftigt und somit auf Atypische Beschäftigungsverhältnisse abzielt[4]. Wer als prekäres Subjekt zu gelten hat, sprich sich als Prekariat betiteln kann, ist im wissenschaftlichen Diskurs jedoch genauso umstritten, wie auch die die Standartortbestimmung der Begrifflichkeiten.
Besondere Aufmerksamkeit erhielt der Prekarisierungsdiskurs im Jahre 2006, da in diesem Jahr die Friedrich-Ebert-Stiftung eine Studie zu prekärer Arbeit veröffentlichte. Innerhalb dieser Studie wurde das Prekariat begrifflich als neue soziale Gruppe etabliert, deren Arbeits- und Lebensverhältnisse von Unsicherheit geprägt sind[5]. Da trotz dieser Veröffentlichung eine Homogenität der Definition und Theoriebildung nicht ersichtlich ist, ist es zunächst von Vorteil einige verbreitete Ansätze der Sozialforschung zu erläutern. Dazu formulieren Wissenschaftler aus der europäischen Arbeitssoziologie den Prekarisierungsbegriff als Schlüsselbegriff für Probleme des postfordistischen Kapitalismus[6] der letzten Jahrzehnte. Der französische Soziologe Robert Castel sieht in der Prekarisierung eine Verdichtung der neuen sozialen Frage[7] im 21. Jahrhundert. Die Politikwissenschaftlerin Isabell Lorey spricht von Prekarisierung als gouvernementalem Prozess. Dabei ist prekär sein eine vorausgesetzte Bedingung menschlichen Lebens, bei der Prekarität als gesellschaftliche Positionierung der Unsicherheit betrachtet werden kann[8]. Arbeitssoziologische Forschungen in Deutschland betrachten Prekarisierung als Entwicklung, bei der weite Teile der Gesellschaft mittelbar unter Druck gesetzt werden, wobei ihnen neue Handlungsräume auf Mikroebene eröffnet werden[9]. Bourdieu sieht Prekarität als Ausbeutungsstrategie des Neoliberalismus, in Folge dessen Prekarität dem Wettbewerb dient und der Wettbewerb der Prekarität[10]. Diese fördern die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen und lehnen sich an das Prinzip des Sozialdarwinismus[11] an. Diese Erläuterungen sollen jedoch nur einen kleinen Exkurs verschiedener Perspektiven darstellen. Eine vollständige Begriffserläuterung und Festlegung der Deutungshoheit würde den Rahmen dieser Hausarbeit überspannen. Zusätzlich steht einer abschließenden Definition schon die Tatsache im Wege, dass Prekarität nie absolut, sondern immer nur relational, also im Verhältnis zum jeweiligen Normalitätsstandart von Erwerbsarbeit definiert werden kann[12]. Schließlich beziehe ich mich bei der Einordnung der Begriffe Prekäre Beschäftigung, Prekariat und Prekarisierung insbesondere auf das von Brinkmann, Dörre und Röbenack im Jahre 2006 veröffentlichte Werk „Prekäre Arbeit“. Innerhalb dieses Werkes nehmen die drei Begrifflichkeiten den Standpunkt ein, dass sie mit unsicheren Arbeits- und Lebensverhältnissen kontextualisiert werden. In Folge dessen wird festgestellt, dass eben diese unsicheren Arbeits- und Lebensverhältnisse beträchtlich zunehmen, da Atypische Beschäftigungsverhältnisse sich häufen[13]. Hierdurch entsteht schließlich die Frage welche atypischen Beschäftigungsverhältnisse vorhanden sind und welche Dimensionen der Prekarität bestehen.
III. Atypische Beschäftigungsverhältnisse
Bei der Beschreibung und Erläuterung Atypischer Beschäftigungsverhältnisse ist es zunächst unumgänglich festzustellen, was diese ausmacht. Atypische Beschäftigungsverhältnisse zeichnen sich dadurch aus, dass sie von Normalarbeitsverhältnis abweichen. Dieses Normalarbeitsverhältnis zeichnet sich im normativen Sinne dadurch aus, dass es sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt, es in Vollzeit ausgeübt wird, keine Befristung besteht, ein existenzsicherndes- regelmäßiges Einkommen sichert, den Schutz des Systems der Sozialversicherung garantiert und die Tätigkeit auch in dem Unternehmen stattfindet, in dem das Arbeitsverhältnis besteht[14]. Somit handelt es sich bei Teilzeitbeschäftigung, geringfügiger Beschäftigung, befristeter Beschäftigung, Leiharbeit, Soloselbstständigkeit und Werkvertragsbeschäftigung um atypische Beschäftigungsformen[15].
Da das Normalarbeitsverhältnis jedoch durch eine zahlreiche Anreihung von Faktoren bestimmt ist und viele verschiedene Formen der Atypischen Beschäftigung bestehen, bleibt dabei die Frage, welche und ob eine Form der Beschäftigung überhaupt als „normal“ angesehen werden kann[16]. Dadurch erhält man auch aus empirischer Sicht eine neue Betrachtungsweise zu dem Begriff „Normalarbeitsverhältnis“, da die empirisch-historische Forschung zeigt, dass in der Vergangenheit keine Normalität der Arbeitsverhältnisse bestand[17]. Aus dieser empirisch- historischen Perspektive sind Landarbeiter, Tagelöhner, Handwerksgesellen ein Beispiel, wie verschiedene Arbeitsverhältnisse dem Definitionsspektrum des Normalarbeitsverhältnisses entfallen. Gleichwohl bleiben Atypische Beschäftigungsformen weiterhin ein maßgeblicher Teil der Sozialforschung, da diese ein in einem messbaren Zusammenhang mit Prekarität stehen[18]. Aus diesem Grund ist es wichtig einen definitorischen und empirischen Überblick über die genaue Ausgestaltung dieser oben genannten, vom Normalarbeitsverhältnis abweichenden und somit Atypischen Beschäftigungsformen zu geben.
a. Teilzeitbeschäftigung
Teilzeitbeschäftigung definiert sich lt. Teilzeit- und Befristigungsgesetz durch „Arbeitnehmer, deren regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer.“ Diese Wochenarbeitszeit variiert je nach Tarifgebiet und Betrieb, wobei als Teilzeitbeschäftigter auch die beschäftigte Person zählt, die nur eine Stunde unter dieser Norm liegt[19]. Innerhalb der Teilzeitarbeit besteht keinerlei Homogenität, so dass viele verschiedene Formen, wie Altersteilzeit[20] und Kurzarbeit[21] existieren. Zusätzlich zählen Arbeitnehmer, die 450 € oder weniger im Monat verdienen, zu den „geringfügig Beschäftigten“ und somit einer neuen Gruppe an[22].
Aus empirischer Sicht und unter Berücksichtigung aller Formen von Teilzeitbeschäftigung, ist diese in den letzten Jahren und Jahrzehnten beträchtlich gestiegen. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an der Gesamtheit aller abhängig Beschäftigten ist ausgehend vom Jahre 2000 bis zum Jahre 2014 um knapp 10% auf einen Wert von 38,6% gestiegen[23]. Teilzeitbeschäftigung nimmt somit einen großen Teil an der Gesamtheit aller abhängig Beschäftigten ein. Besonderer Aufmerksamkeit bedarf dabei der Anteil der Frauen in Teilzeitbeschäftigung. Der Anteil der weiblichen Erwerbstätigen, die sich in einer Teilzeitbeschäftigung befinden beträgt über 50%. Somit ist aus empirischer Sicht das bereits erwähnte „Normalarbeitsverhältnis“ bei weiblichen Erwerbstätigen die Teilzeitarbeit. Dies unterstützt insbesondere die bereits formulierte These, dass es fraglich ist, ob eine bestimmte Form der Beschäftigung als Normalität angesehen werden kann.
Folgewirkung und Probleme
Am offensichtlichsten führen die bisherigen Feststellungen insbesondere dazu, dass eine Frauendominanz in der Teilzeitbeschäftigung festzustellen ist. Diese fördert dann insgesamt die Schere zwischen den durchschnittlichen Arbeitszeiten beider Geschlechter[24]. Gleichzeitig ist die Teilzeitbeschäftigung jedoch auch einer der Hauptgründe, wieso die Erwerbsquote von Frauen in den letzten Jahren stetig zunahm. Diese stieg von 2000 bis 2014 durchschnittlich von rund 58% auf 70%[25] in Ost- und West. Die daraus resultierenden Probleme für Teilzeitbeschäftigte, sprich oftmals weibliche Erwerbstätige sind vielfältig. Diese nehmen in dieser Art von Beschäftigungsverhältnis seltener an Weiterbildungsmaßnahmen teil und sind auch von der beruflichen Weiterbildung weitgehend ausgeschlossen[26]. Zusätzlich behindert gerade die Dominanz der Frauen in der Teilzeitbeschäftigung eine Zunahme von Frauen in Führungspositionen, da diese mit Teilzeitarbeit nicht vereinbar sind[27]. Wichtig dabei ist auch das Thema Altersarmut. Verkürzte Arbeitszeiten und schlechtere Einkommenspositionen sowie eine damit häufig verbundene, kurze Versicherungsdauer führen zu geminderten Zahlungen in die Rentenkasse. Dies lässt keine Rente über der Grundsicherung erwarten[28]. Aufgrund dieser Faktoren sind Teilzeitbeschäftigte häufig von verschiedenen Sicherungen abhängig, zu denen einerseits Staatliche Förderungen, aber auch finanzielle Abhängigkeit des Lebenspartners zählen. Insgesamt muss Teilzeitbeschäftigung als atypisches Beschäftigungsverhältnis nicht zwangsläufig prekär sein, wenn die Betroffenen abgesichert sind, diese können aber in akute Prekarität umschlagen, falls eben diese Sicherungen wegfallen[29].
b. Geringfügige Beschäftigung/Mini- und Midi-Jobs
Die geringfügig Beschäftigten unterliegen einer Steuer- und Beitragsrechtlichen Sonderregelung. Diese erlauben dem Beschäftigten bis zu einer Grenze von 5400 € im Jahr, bzw. 450 € im Monat keine Arbeitnehmerbeiträge zur Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten. Resultierend daraus entstehen jedoch auch keine Sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche[30]. Insgesamt nehmen die geringfügig Beschäftigten nach den sozialversicherungspflichtigen Teilzeitarbeitern den größten Teil aller abhängig Erwerbstätigen ein. So liegt die Zahl der geringfügig Beschäftigten im März 2015 bei 7,6 Millionen Erwerbstätigen[31]. Diese Zahl umfasst dabei auch sogenannte Midijobs, die dadurch definiert sind, den Schwellenwert von 450 € zu überschreiten und sich bis zu 850€ monatlich zu erstrecken. Diese Midijobs implizieren jedoch die Beitrags- und Versicherungspflicht, was dazu führt, dass diese Art der Erwerbstätigkeit bei Arbeitnehmern sehr unbeliebt ist, da ein großer Teil des Einkommens in die Sozialkassen fließt[32].
Probleme und Folgewirkung
Ähnliche Folgewirkungen wie bei der Teilzeitbeschäftigung zeigen sich auch bei den geringfügig Beschäftigten. Atypische Beschäftigung in Form von geringfügig Beschäftigten führt nicht zwangsläufig zu Lebensverhältnissen, die als prekär gelten können, sind aber insbesondere vom Faktor der Sicherung, sprich Staat und Lebenspartner abhängig[33]. Hinzu kommt, dass das Minijob-System das geschlechtshierarchische Erwerbsmodell fördert, da eine Beschäftigung über der 450 € Grenze insbesondere für Ehefrauen und Mütter als steuerlich unattraktiv gilt[34]. Für genau diese Erwerbsgruppe nimmt der Ehemann dann die Rolle des Versorgers ein, da die steuerlichen Nachteile, auch wenn diese nachweislich ein Interesse daran haben eine höhere Anzahl von Stunden zu arbeiten[35].
c. Befristete Beschäftigung
Befristete Arbeitsverträge entstehen für einen bestimmten Zeitraum. Danach bedarf es keiner Kündigung. Diese Arbeitsverträge können mit oder ohne festgelegtem Sachgründen entstehen, zu denen z.B. die Vertretung eines Arbeitnehmers gehört, oder auch der kurzweilige Bedarf nach Arbeitskraft aufgrund von betrieblichen Engpässen[36]. Stichwort bei dem Thema befristete Arbeitsverträge ist somit die Flexibilisierung[37] der Arbeitnehmer.
Probleme und Folgewirkung
Befristete Arbeitsverträge fallen aufgrund ihrer Materie in das Muster der Prekarität. Somit zeugen diese insbesondere von unsicheren Arbeitsverhältnissen aufgrund von fehlender Klarheit über die letztliche Übernahme in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis. Die Motive von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die letztlich zu einem befristeten Arbeitsvertrag führen sind zusätzlich sehr unterschiedlich. So erhofft sich der Arbeitnehmer einen Übergang in einen unbefristeten Arbeitsvertrag und somit zu sicheren Arbeits- und Lebensverhältnissen[38]. Arbeitgeber hingegen versuchen von der Flexibilisierung der Arbeitnehmer zu profitieren, indem sie insbesondere auf höhere Auftragslagen reagieren können und das international vergleichsweise starke Kündigungsrecht in Deutschland umgehen[39]. Arbeitnehmer, denen befristete Arbeitsverträge als Sprungbrett für eine unbefristete Übernahme oder für eine höherwertige Beschäftigung dient, sind jedoch meist höher Qualifizierte Personen, wie Akademiker und Berufseinsteiger nach ihrer Ausbildung. Verlierer sind somit insbesondere die niedrig Qualifizierten Arbeitnehmer[40]. Diese sehen als Grund ihrer Beschäftigung hauptsächlich Alternativlosigkeit[41].
d. Leiharbeit
Leiharbeit besteht darin, dass ein Arbeitgeber bzw. Verleiher eine Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer einem Dritten zur Arbeitsleistung überlässt[42]. Die Leistung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin werden somit bei einem Dritten Unternehmen erbracht, wobei die Anstellung beim eigentlichen Unternehmen bestehen bleibt[43]. Methodisch zahlt dabei das Dritte Unternehmen eine Vergütung an das Unternehmen des entliehenen Arbeitnehmers und erhält dadurch Weisungsbefugnis, sprich die Befugnis zur Festlegung von Art, Ort und Zeit der Arbeitsleistung[44]. Leiharbeit als solche wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder in Form des Arbeitnehmerüberlassungsgesetztes und weiteren Regulierungsmöglichkeiten reformiert. Dabei bestehen Konflikte zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und der Interessen der Unternehmen. Thema waren insbesondere die Übernahme in eine langfristige Beschäftigung bzw. in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, die gerechte Bezahlung und die Frage nach fairen Arbeitsbedingungen[45]. Der Staat ist die regulierende Einheit. Dieser steht zwischen den Interessen von Unternehmen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Zusätzlich besitzt der Staat eigene Motive, wie dem Interesse an einer niedrigen Arbeitslosenquote und der beschäftigungsbedingten Einzahlung die Sozialkassen. Über Jahrzehnte betrachtet ist die Leiharbeit eine Form der Beschäftigung, die sich stark vergrößert hat. Ende Dezember 2012 standen 822.000 Leiharbeitnehmer unter Vertrag. Dies ist eine 167 prozentige Erhöhung (308.543 Leiharbeiter) im Vergleich zu 2002[46].
Um einen angebrachten Umfang der Hausarbeit zu gewährleisten, wurden Details zu Tarifverträge, Mindestlöhnen und genaue gesetzliche Regelungen ausgelassen, um direkt auf die auftretenden Probleme einzugehen.
[...]
[1] Marchart, Oliver: Die Prekarisierungsgesellschaft : Prekäre Proteste. Politik und Ökonomie im Zeichen der Prekarisierung. Bielefeld: transcript Verlag, 2014, S. 35 ff.
[2] Freudenschuss, Magdalena: Prekär ist wer? : Der Prekarisierungsdiskurs als Arena sozialer Kämpfe. Westfälisches Dampfboot, 2013, S.15-17.
[3] Kriterien eines Normalarbeitsverhältnisses sind eine dauerhafte Vollzeitbeschäftigung, ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis, regelmäßige monatliche subsistenzsichernde Vergütung, die Möglichkeit zur Interessenvertretung durch Betriebsrat und Gewerkschaft, Identität von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis und der vollständigen Integration in soziale Sicherungssysteme. (Vgl.: http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/arbeitsmarktpolitik/178192/normalarbeitsverhaeltnis?p=all; Frank Oschmiansky, Jürgen Kühl, Tim Obermeier: Das Normalarbeitsverhältnis; Stand: 31.08.2017)
[4] Marchart, Oliver: Die Prekarisierungsgesellschaft : Prekäre Proteste. Politik und Ökonomie im Zeichen der Prekarisierung. Bielefeld: transcript Verlag, 2014, S.8 ff.
[5] Freudenschuss, Magdalena: Prekär ist wer? :Der Prekarisierungsdiskurs als Arena sozialer Kämpfe. Westfälisches Dampfboot, 2013, S.14.
[6] Die für Arbeitnehmer resultierenden Probleme des postfordistischen Kapitalismus liegen in der Flexibilisierung der Arbeitsprozesse, der Abstoßung überflüssiger Arbeitskraft, dem Auslagern von Arbeitsprozessen und der Globalisierung der Produktion. (Vgl.: Ulrich Brand, Werner Raza (Hrsg.), Fit für den Postfordismus? Theoretisch-politische Perspektiven des Regulationsansatzes, Westfälisches Dampfboot, Münster 2002, S.10 ff.
[7] Die neue soziale Frage schneidet die ordnungspolitische Problematisierung der staatlichen Umverteilungstätigkeit an. Dabei geht es laut Castel vor allem um die Qualität von Lohnarbeit und um Konflikte zwischen Kapital und Arbeit. (Vgl. Castel, Robert: Die Metamorphosen der sozialen Frage: Eine Chronik der Lohnarbeit. Konstanz: UVK-Verlag-Ges., 2008, S. 6 ff.)
[8] Freudenschuss, Magdalena: Prekär ist wer? : Der Prekarisierungsdiskurs als Arena sozialer Kämpfe. Westfälisches Dampfboot, 2013, S.14 ff.
[9] Vgl. ebd.
[10] Kaiser, Petra: Bourdieus Gegenfeuer: Soziologische Gegenwartsdiagnose im Gewand einer politischen Kampfansage. UTOPIE Kreativ Verlag, Zeitschrift,2008, S.408.423.
[11] Der Sozialdarwinismus ist vom Recht des Stärkeren geprägt. Dadurch werden Schwächere benachteiligt und gesellschaftlich abgehängt. (Vgl.: https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/214188/was-ist-sozialdarwinismus ; Manuela Lenzen: Was ist Sozialdarwinismus?; Stand: 31.08.2017.)
[12] Marchart, Oliver: Die Prekarisierungsgesellschaft : Prekäre Proteste. Politik und Ökonomie im Zeichen der Prekarisierung. Bielefeld: transcript Verlag, 2014, S.12.
[13] Brinkmann, Ulrich: Prekäre Arbeit : Ursachen, Ausmaß, soziale Folgen und subjektive Verarbeitungsformen unsicherer Beschäftigungsverhältnisse. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung, 2006, S.6-7.
[14] Bäcker, Gerhard; Schmitz, Jutta: Atypische Beschäftigung in Deutschland. Hans Böckler Stiftung, 2016, S.8 ff.
[15] Vgl. ebd.
[16] Walwei, Ulrich (2015): Was ist heute normal an Arbeit? In: R. Hoffmann & C. Bogedan (Hrsg.), Arbeit der Zukunft. Möglichkeiten nutzen - Grenzen setzen, Frankfurt am Main: Campus, S. 224-244.
[17] Bäcker, Gerhard; Schmitz, Jutta: Atypische Beschäftigung in Deutschland. Hans Böckler Stiftung, 2016, S.3 ff.
[18] Marchart, Oliver: Die Prekarisierungsgesellschaft : Prekäre Proteste. Politik und Ökonomie im Zeichen der Prekarisierung. Bielefeld: transcript Verlag, 2014, S.15 ff.
[19] Bäcker, Gerhard; Schmitz, Jutta: Atypische Beschäftigung in Deutschland. Hans Böckler Stiftung, 2016, S.8 ff.
[20] Die Altersteilzeit ist eine Möglichkeit der Reduzierung der Arbeitszeit, um einen Übergang in den Ruhestand vorzubereiten. (Vgl. Wolfgang Förster, Heinz-Josef Heger: Altersteilzeit und betriebliche Altersversorgung. DB 1998, S. 141, 143 ff.)
[21] Die Kurzarbeit tritt meistens bei einer schlechten betrieblichen Auftragslage auf, um Kündigungen zu vermeiden. Dabei ermöglicht sie die Minderung oder Einstellung der Arbeit bei teils vollem Nettoeinkommen (Vgl.: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/kug-faq-kurzarbeit-und qualifizierung.pdf?__blob=publicationFile; Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2016, Stand: 31.08.2017)
[22] Bäcker, Gerhard; Schmitz, Jutta: Atypische Beschäftigung in Deutschland. Hans Böckler Stiftung, 2016, S.8 ff.
[23] Vgl. ebd.
[24] Kümmerling, Angelika; Postels, Dominik; Slomka, Christine: Arbeitszeiten von Frauen und Männer: Alles wie gehabt ?. Universität Duisburg, 2015, S.4.
[25] Bäcker, Gerhard; Schmitz, Jutta: Atypische Beschäftigung in Deutschland. Hans Böckler Stiftung, 2016, S.17 ff.
[26] Marchart, Oliver: Die Prekarisierungsgesellschaft : Prekäre Proteste. Politik und Ökonomie im Zeichen der Prekarisierung. Bielefeld: transcript Verlag, 2014, S.12 ff.
[27] Bäcker, Gerhard; Schmitz, Jutta: Atypische Beschäftigung in Deutschland. Hans Böckler Stiftung, 2016, S.19.
[28] Vgl. ebd.
[29] Nicole, Mayer-Ahuja: Wieder dienen lernen? Vom westdeutschen "Normalarbeitsverhältnis" zu prekärer Beschäftigung seit 1973, Berlin, 2003, S. 54 ff.
[30] Bäcker, Gerhard; Schmitz, Jutta: Atypische Beschäftigung in Deutschland. Hans Böckler Stiftung, 2016, S.21 ff.
[31] Vgl. ebd.
[32] Vgl. ebd.
[33] Vgl. ebd.
[34] Vgl. ebd.
[35] Wagner, Peter; Array, Alexandra: Berichterstattung zur sozioökonomischen Entwicklung in Deutschland, Bertelsman Verlag, 2017, S.6.
[36] Marchart, Oliver: Die Prekarisierungsgesellschaft : Prekäre Proteste. Politik und Ökonomie im Zeichen der Prekarisierung. Bielefeld: transcript Verlag, 2014, S.21 ff.
[37] Die Flexibilisierung zeugt von einer Abweichung vom Normalarbeitsverhältnis, bei der feste Arbeitszeiten, tarifvertraglich geregelte Gehälter, Kranken- und Urlaubsgeld sowie Kündigungsschutz abweichen können oder überhaupt nicht gegeben sind. (Vgl. Szydlik, Marc: Flexibilisierung : Folgen für Arbeit und Familie. Berlin Heidelberg New York: Springer-Verlag, 2008, S. 10 ff.)
[38] Bäcker, Gerhard; Schmitz, Jutta: Atypische Beschäftigung in Deutschland. Hans Böckler Stiftung, 2016, S.41 ff.
[39] Vgl. ebd.
[40] Oschimansky, Frank; Kühl, Jürgen; Obermeier, Tim: Leiharbeit, Arbeitsmarkt und befristete Beschäftigung. Bundesamt für politische Bildung, 2014, gesehen am 31.08.2017 unter: http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/arbeitsmarktpolitik/178184/befristete-beschaeftigung?p=all
[41] Giesecke, Johannes: Arbeitsmarktflexibilisierung und Soziale Ungleichheit : Sozio-ökonomische Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland und Großbritannien. Berlin Heidelberg New York: Springer-Verlag, 2006, S.10.
[42] Bäcker, Gerhard; Schmitz, Jutta: Atypische Beschäftigung in Deutschland. Hans Böckler Stiftung, 2016, S.41 ff.
[43] Burda, Michael; Kvasnicka, Michael: Zeitarbeit in Deutschland: Trends und Perspektiven, Humboldt-Universität Berlin, 2006, S.195.
[44] Bäcker, Gerhard; Schmitz, Jutta: Atypische Beschäftigung in Deutschland. Hans Böckler Stiftung, 2016, S.45.
[45] Oschimansky, Frank; Kühl, Jürgen; Obermeier, Tim: Leiharbeit, Zeitarbeit und Arbeitnehmerüberlassung. Bundesamt für politische Bildung, 2014, gesehen am 31.08.2017 unter: http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/arbeitsmarktpolitik/55357/leiharbeit-zeitarbeit-arbeitnehmerueberlassung?p=all
[46] Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Arbeitnehmerüberlassung, Leiharbeitnehmer und Verleihbetriebe - Zeitreihe ab 1973, Nürnberg, Juli 2013