Das Lynchsche Universum, das im Folgenden anhand der drei Werke "Lost Highway", "Mullholland Drive" und "Inland Empire" betrachtet wird, stellt innerhalb der jeweiligen filmischen Diegesen "Träume in Träumen" dar; so die zentrale These dieser Arbeit. Dabei wird davon ausgegangen, dass Lynch in seiner Trilogie jeweils mehrere metadiegetische Ebenen eröffnet, die durch Techniken des unzuverlässigen Erzählens Träume in Träumen bedingen.
Die Darstellung des Unbewussten meint die Darstellung von Träumen, die einen definierbaren Anteil des Unbewussten, der ins Bewusstsein gerufen werden kann und somit beschreibbar ist, ausmachen. Hierfür wird primär die Traumdeutung nach Freud beansprucht. Auf der Grundlage seiner Ausführungen wird dargestellt, wie durch Techniken unzuverlässigen Erzählens Träume filmisch kreiert werden.
Bei Betrachtung der narrativen Verfahren des David Lynch ist davon auszugehen, dass eine Analyse dieser nicht mit literaturwissenschaftlichen und filmwissenschaftlichen altbekannten Methoden erfolgen kann, sondern neue stilistische Mittel und Strukturen berücksichtigt werden müssen, die nur David Lynch einsetzt. Unzuverlässiges Erzählen als narratives Mittel in der Filmwissenschaft weist theoretische Forschungslücken auf und ist häufig an die Erkenntnisse aus der Literaturwissenschaft gebunden.
Diese Arbeit fußt primär auf theoretischen Grundlagen von Branigan und Jörg Schweinitz. Dabei steht die doppelte Fokalisierung genauso wie die Kopräsenz unterschiedlicher narrativer Instanzen im Fokus der Betrachtungen. Um narrative Mittel des Lynch zu analysieren, die mit den zuvor beschriebenen Techniken nicht erfassbar sind, bezieht sich diese Arbeit vorrangig auf Georg Seeßlen , der Lynchs stilistische Mittel als "Lynchismen" definiert und somit impliziert, dass die damit bedingten Erzählkonventionen bei keinem anderen Regisseur geläufig sind. Auch die Untersuchungen Fabienne Liptays und Warren Bucklands sind für diese Arbeit ausschlaggebend. Es soll eine Analyse der wichtigsten unzuverlässigen Erzähltechniken geleistet werden, die eine Darstellung des Unbewussten in Form von Träumen (in Träumen) bedingt.
In bisherigen Betrachtungen wurde entweder das unzuverlässige Erzählen bei Lynch untersucht oder seine Darstellungen mithilfe der Psychoanalyse betrachtet. Diese Arbeit führt beide Disziplinen zusammen und will so eine umfassende Betrachtung filmischer Lynchscher Mittel zur Erschaffung von Traumdiegesen leisten.
Inhaltsverzeichnis
- 1. “[…] and now, I'm in this dream place”: The Entrance
- 2. „You'll never have me“: Grundlagen zum filmischen Universum des David Lynch
- 2.1 „We've met before. Haven't we?\": Die Werke David Lynchs
- 2.2 A Neo Noir Mindgame Mystery Puzzle: Eine postmoderne Einordnung
- 2.2.1 Das Autorenkino: Eine qualitative Einordnung
- 2.2.2 Postmoderner Film: Eine filmhistorische Einordnung
- 2.2.3 Ein Mystery-Thriller im Noir-Stil: Eine Einordnung des Genres
- 2.2.4 Mindgame Film und Puzzle Plot: Eine Einordnung der Narratologie
- 2.3 „A Strange World“: Eine Inhaltsüberschau
- 2.3.1 Lost Highway
- 2.3.2 Mulholland Drive
- 2.3.3 Inland Empire
- 3. „I had a dream last night“: Theoretische Grundlagen zur Traumdeutung und dem unzuverlässigen Erzählen
- 3.1 Die Traumdeutung nach Freud
- 3.2 “I like to remember things my own way”: Unzuverlässiges Erzählen im Film
- 4. „In the future, you'll be dreaming“: Traumbilder durch unzuverlässiges Erzählen bei David Lynch
- 4.1 „It is an illusion“: Der Vorhang
- 4.1.1 Eine kleine Traumreise in den Traum hinter Tür Nr. 26
- 4.2 „It looked like you, but it wasn't“: Figuren
- 4.2.1 „Are both of them you?” Sammel- und Mischpersonen in Lost Highway
- 4.2.2 „Come on, it will be just like in the movies: We pretend to be someone else“: Spiegelungen in Mulholland Drive
- 4.2.3 „You invited me“: Phantastische Wesen und Märchenfiguren
- 4.2.4 „Damn! That sounds like a dialogue from our skript!” SchauspielerInnen als SchauspielerInnen in Inland Empire
- 4.3 „When [s]he opened the door, [s]he caused a reflection“: Raum und Zeit
- 4.3.1 „It's strange to be calling yourself“: Parallelwelten in Lost Highway und Mulholland Drive
- 4.3.2 „So weird!” Seelenlandschaften in Inland Empire
- 4.4 „In dreams you're mine all the time“: Musik und Farben; Geräusche und Nähe
- 4.4.1 „Did I dream you dreamed about me?\" „Helle und dunkle“ Popsongs in Lost Highway
- 4.4.2 „No hay banda, il n'est pas d'orchestre“: Traummusik in Mulholland Drive
- 4.4.3 „Evil was born“: Bedrohung durch Geräusche, Musik und Nähe in Inland Empire
- 4.1 „It is an illusion“: Der Vorhang
- 5. „Time to wake up, pretty girl“: The Exit
- 5.1 Fazit
- 5.2 Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung des Unbewussten in Form von Träumen in den Filmen Lost Highway, Mulholland Drive und Inland Empire von David Lynch. Ziel ist es, Lynchs filmische Techniken des unzuverlässigen Erzählens im Kontext der Freudschen Traumdeutung zu analysieren und deren Funktion bei der Konstruktion von Traumwelten aufzuzeigen.
- Das filmische Universum von David Lynch und seine charakteristischen Merkmale.
- Unzuverlässiges Erzählen als filmische Technik zur Darstellung von Träumen.
- Die Rolle von Raum, Zeit, Figuren und Musik in der Konstruktion der Traumwelten.
- Analyse der drei Filme unter Berücksichtigung der psychoanalytischen Traumdeutung.
- Die Funktion von "Lynchismen" in der Schaffung von Traumdiegesen.
Zusammenfassung der Kapitel
1. “[…] and now, I'm in this dream place”: The Entrance: Dieses einleitende Kapitel legt die zentrale These der Arbeit dar: Die drei ausgewählten Filme von David Lynch (Lost Highway, Mulholland Drive, Inland Empire) stellen "Träume in Träumen" dar, wobei multiple metadiegetische Ebenen durch Techniken des unzuverlässigen Erzählens geschaffen werden. Es wird die Methodik der Arbeit erläutert, die Freudsche Traumdeutung mit filmwissenschaftlichen Ansätzen verbindet, um Lynchs einzigartige stilistische Mittel zu analysieren. Die Arbeit unterstreicht die Notwendigkeit, über konventionelle Methoden der Filmanalyse hinauszugehen, um Lynchs innovative Erzähltechniken zu erfassen.
2. „You'll never have me“: Grundlagen zum filmischen Universum des David Lynch: Dieses Kapitel etabliert den Begriff des "filmischen Universums des David Lynch", charakterisiert durch die Verletzung physikalischer und biologischer Gesetze und paradoxe Raumstrukturen, die eine Traumwelt evozieren. Es wird die Trilogie als kohärentes Ganzes betrachtet, in dem multiple diegetische Ebenen Träume in Träumen repräsentieren. Das Kapitel liefert einen Überblick über Lynchs filmisches Werk und ordnet die Trilogie qualitativ, filmhistorisch, genre- und narratologisch ein, wobei bereits auf Lynchs unzuverlässige Erzählverfahren hingewiesen wird.
3. „I had a dream last night“: Theoretische Grundlagen zur Traumdeutung und dem unzuverlässigen Erzählen: Dieses Kapitel legt die theoretischen Grundlagen für die Analyse der folgenden Kapitel. Es erörtert die Freudschen Theorien zur Traumdeutung und definiert zentrale Begriffe des unzuverlässigen Erzählens in der Filmwissenschaft, unter Bezugnahme auf Branigan und Schweinitz. Die Kapitel dient als Brücke zwischen psychoanalytischer und filmwissenschaftlicher Perspektive, die für die Analyse der Traumbilder in Lynchs Filmen unerlässlich sind.
Schlüsselwörter
David Lynch, Traum, Unbewusstes, unzuverlässiges Erzählen, Traumdeutung (Freud), Film, Metadiegesis, Parallelwelten, Lost Highway, Mulholland Drive, Inland Empire, Narratologie, Filmgenre, Psychoanalyse, Stilmittel, Lynchismen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Analyse der Traumdarstellung in David Lynchs Filmen
Was ist das zentrale Thema dieser Arbeit?
Die Arbeit analysiert die Darstellung des Unbewussten in Form von Träumen in David Lynchs Filmen "Lost Highway", "Mulholland Drive" und "Inland Empire". Der Fokus liegt auf Lynchs filmischen Techniken des unzuverlässigen Erzählens im Kontext der Freudschen Traumdeutung und deren Funktion bei der Konstruktion von Traumwelten.
Welche Filme werden untersucht?
Die Analyse konzentriert sich auf die drei Filme von David Lynch: "Lost Highway", "Mulholland Drive" und "Inland Empire". Diese werden als ein kohärentes Ganzes betrachtet, das "Träume in Träumen" durch multiple diegetische Ebenen darstellt.
Welche theoretischen Ansätze werden verwendet?
Die Arbeit verbindet die Freudschen Theorien zur Traumdeutung mit filmwissenschaftlichen Ansätzen zum unzuverlässigen Erzählen (Branigan und Schweinitz). Dies ermöglicht eine umfassende Analyse von Lynchs innovativen Erzähltechniken, die über konventionelle Methoden der Filmanalyse hinausgeht.
Wie wird das unzuverlässige Erzählen in der Analyse berücksichtigt?
Das unzuverlässige Erzählen wird als zentrale filmische Technik betrachtet, die die Konstruktion der Traumwelten in Lynchs Filmen ermöglicht. Die Analyse untersucht, wie diese Technik Raum, Zeit, Figuren und Musik manipuliert, um eine traumähnliche Atmosphäre zu schaffen.
Welche Aspekte der Filme werden im Detail analysiert?
Die Analyse untersucht detailliert die Rolle von Raum und Zeit, Figuren (einschließlich Sammel- und Mischpersonen, Spiegelungen und phantastischen Wesen), Musik und Farben sowie Geräusche und Nähe in der Konstruktion der Traumwelten. Die "Lynchismen" spielen dabei eine wichtige Rolle.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: Einleitung (The Entrance), Grundlagen zum filmischen Universum von David Lynch, Theoretische Grundlagen zur Traumdeutung und dem unzuverlässigen Erzählen, Traumbilder durch unzuverlässiges Erzählen bei David Lynch (mit Unterkapiteln zu Vorhang, Figuren, Raum und Zeit, Musik und Farben) und Schluss (The Exit) mit Fazit und Ausblick.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: David Lynch, Traum, Unbewusstes, unzuverlässiges Erzählen, Traumdeutung (Freud), Film, Metadiegesis, Parallelwelten, Lost Highway, Mulholland Drive, Inland Empire, Narratologie, Filmgenre, Psychoanalyse, Stilmittel, Lynchismen.
Was ist das Ziel der Arbeit?
Das Ziel ist es, Lynchs filmische Techniken zu analysieren und deren Funktion bei der Konstruktion von Traumwelten aufzuzeigen. Die Arbeit soll ein tiefergehendes Verständnis für die Darstellung des Unbewussten in Lynchs Filmen liefern.
Wie wird die Methodik der Arbeit beschrieben?
Die Methodik kombiniert die Freudsche Traumdeutung mit filmwissenschaftlichen Ansätzen, um Lynchs einzigartige stilistische Mittel zu analysieren und über konventionelle Methoden der Filmanalyse hinauszugehen.
Was ist die zentrale These der Arbeit?
Die zentrale These ist, dass die drei ausgewählten Filme von David Lynch "Träume in Träumen" darstellen, wobei multiple metadiegetische Ebenen durch Techniken des unzuverlässigen Erzählens geschaffen werden.
- Arbeit zitieren
- Marie-Christin Graener (Autor:in), 2017, "Lost Highway", "Mulholland Drive" und "Inland Empire". Die Darstellung des Unbewussten nach Freud durch unzuverlässiges Erzählen im Lynch'schen Universum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383139