Leseprobe
Mein Essay Thema lautet: „Der deutsche Bundesrat: Seine Zusammensetzung und Aufgabenbereiche (mit einem Historischen Einblick).“ Um einen genauen Überblick auf den deutschen Bundesrat zu geben, wurde der Essay folgender Maßen aufgeteilt. Am Anfang wird ein historischer Einblick in die Aufgaben des „Bundesrates“ in der Zeit von 1867-1949 gegeben. Danach folgen, die Zusammensetzung und Aufgaben des heutigen deutschen Bundesrates um die Einzigartigkeit darzustellen.
Die Einmaligkeit des deutschen Bundesrates ist vor allem verfassungshistorisch begründet.[1]Der Norddeutsche Bund von 1867 besaß ebenso wie das 1871 gegründete Deutsche Kaiserreich einen Bundesrat mit Bevollmächtigten der Mitgliedsregierungen.[2]Der Grund hierfür ist, dass beide Staatenbünde waren, die aus einem Zusammenschluss von Monarchien entstanden. Der Bundesrat sollte ein monarchisches Gegengewicht zum demokratischen gewählten Reichstag darstellen.[3]Zu dieser Verfassungslage sagte Bismarck am 19. April 1871 folgendes vor dem Reichstag: „Die Errichtung des Bundesrates mache zum ersten mal den Versuch, ohne Wohltaten der monarchischen Gewalt oder der einheitlichen Obrigkeit dem Einzelstaat zu nehmen, als höchste Spitze ein föderatives Collegium hinzustellen, um die Souveränität des geeigneten Reiches zu üben. Denn die Souveränität des Reichs ruht nicht beim Kaiser, sie ruht bei der Gesamtheit der verbündeten Regierungen.“[4]Den Vorsitz im Bundesrat führte der Reichskanzler, der vom Kaiser ernannt wurde. Die Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 betont das einheitliche, unitarische Element wesentlich stärker als die Verfassung des Kaiserreichs.[5]In der Weimarer Reichsverfassung wurde allerdings festgelegt, dass nur Mitglieder der Landesregierungen dem nach 1919 als Reichsrat bezeichneten föderalen Bundesorganen angehören dürfen.[6]
Die Zusammensetzung des Reichsrates richtet sich nach der Bevölkerungszahl der einzelnen Länder. Jedes Land hat mindestens eine Stimme. Wichtig ist hierbei, dass kein Land mehr als zwei Fünftel aller Stimmen auf sich vereinigen kann.[7]Diese Regelung wurde geschaffen, um Preußen (höchste Anzahl an Sitzen) kein erhebliches Übergewicht im Reichsrat einzuräumen. Denn ohne diese Regelung hätte Preußen gemessen an seiner Einwohnerzahl mehr als die Hälfte aller Reichsratsstimmen gehabt und damit alle anderen Länder überstimmen können.[8]Für Preußen gab es noch eine weitere Besonderheit, um die frühere Vormachtstellung im Reiche zu verringern. Während grundsätzlich nur ordentliche Mitglieder der Landesregierung Mitglieder der des Reichsrats sein können, ist für Preußen vorgesehen, dass die Hälfte der Stimmen von den Preußischen Provinzalverwaltungen bestellt wird, so dass von den zustehenden Stimmen nur die Hälfte von der Preußischen Staatsregierung und die andere Hälfte von Vertretern der preußischen Provinzen geführt werden.[9]Kommen wir von der Zusammensetzung zur Gesetzgebung im Reichsrat. Dem Bundesrat (im Kaiserreich 1871-1918) stand eine unmittelbare Mitwirkung bei der Gesetzgebung zu.[10]Er war der sogenannte gesetzgebende Faktor. Denn zum Zustandekommen von Reichsgesetzen waren die übereinstimmenden Mehrheitsbeschlüsse des Bundesrates und des Reichstages erforderlich, während dem Kaiser nur die Ausfertigung und Verkündung der Gesetze oblag.[11]Eine weitere Aufgabe bestand darin, dass der Bundesrat den Gesetzesbefehl (Sanktion) erteilte.
Betrachtet man den Vergleich zum Reichsrat ergeben sich folgende Unterschiede: Die Machtvollkommenheit des Reichsrates ist dem Bundesrat gegenüber wesentlich vermindert.[12]Er ist nicht gesetzgebender Faktor. Die Reichsgesetze werden alleine vom Reichstag beschlossen, er alleine stellt den Gesetzesinhalt fest und erteilt den Gesetzbefehl (Sanktion). Jedoch obliegt ihm eine nicht zu unterschätzende Mitwirkung bei der Reichsgesetzgebung: „Die Reichsregierung bedarf zur Einbringung von Gesetzesvorlagen in den Reichstag der Zustimmung des Reichsrates“[13]. Die Weimarer Verfassung mit ihrer formalen Vorstellung von Demokratie und Freiheit erwies sich gegenüber den Nationalsozialisten nicht widerstandsfähig genug. So geschah es, dass die Nationalsozialisten Zug um Zug an die Macht gelangen und auf scheinbar gesetzlichem Wege die staatliche Grundordnung komplett verändern konnten.
Das Gesetz über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 1934 hob die Volksvertretung der Länder auf.[14]Es bestimmte die Hoheitsrechte der Länder auf das Reich zu überschreiben und die Unterstellung der Landesregierung der Reichsregierung zu übertragen.[15]Die Reichsregierung erhielt somit das Recht, eine neues Verfassungsrecht zu verabschieden. Der letzte Beschluss des Reichsrates bevor seine kompletten Machtbefugnisse abgegeben werden bestand darin, gegen dieses Gesetz keinen Einspruch zu erheben.[16]Am 14. Februar 1934 wurde der Reichsrat von der Reichsregierung durch das Gesetz aufgehoben. Nach dem totalen Zusammenbruch des Reiches am Ende des zweiten Weltkrieges übernahmen zunächst die Alliierten die gesamte öffentliche Gewalt in Deutschland.[17]Sie ernannten jedoch wieder deutsche Bürgermeister und Landräte, wenig später auch wieder deutsche Regierungspräsidenten und Ministerpräsidenten.[18]Die westlichen Besatzungsmächte kamen bei der Londoner Konferenz im Juni 1948 überein, den Deutschen eine Möglichkeit zu gewähren, die politische und wirtschaftliche Organisation Deutschland in den Westzonen weiter auszubauen. Bei den Beratungen zum Grundgesetz gingen die Meinungen über die Rechte und Pflichten des Bundesrates nicht bei allen überein.[19]Einig war man sich, dass ein Organ geschaffen werden soll, durch das die Länder ihre Rechte gegenüber dem Bund wahren können. Uneinig war man sich, über die Form und die Kompetenzen die der Bundesrat erhalten soll.[20]Besonders die Vertreter der SPD, der FDP und der nordwestdeutschen CDU sprachen sich für ein klassisches Senatsmodell aus. Ein klassisches Senatsmodell sieht vor, ein aus gewählten Mitgliedern der Landesparlamente zusammengesetzten zweiten Kammern bestehen muss.[21]Im Vergleich dazu standen die Vertreter der CSU und der südwestdeutschen CDU ebenso wie die des Zentrums und der Deutschen Partei (rechtsgerichtete politische Partei) für ein Bundesratsmodell.[22]Das sich an den Reichsrat der Weimarer Verfassung anlehnte.[23]
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[1]Leunig in Handbuch Förderale zweite Kammern (2009), S. 95.
[2]Vgl. Ebd.
[3]Ebd.
[4]Ziller (1989), S. 12.
[5]Ebd.
[6]Leunig in Handbuch Förderale zweite Kammern (2009), S. 95.
[7]Vgl. Ziller (1989), S. 13.
[8]Vgl. Lammers in Wilke/Schulte (1990), S. 68.
[9]Vgl. Lammers in Wilke/Schulte (1990), S. 69.
[10]Vgl. Lammers in Wilke/Schulte (1990), S. 71.
[11]Ebd.
[12]Vgl. Ebd.
[13]Ebd.
[14]Vgl. Ziller (1989), S. 14.
[15]Vgl. Ebd.
[16]Vgl. Ziller (1989), S. 14.
[17]Ziller (1989), S. 14.
[18]Vgl. Ebd.
[19]Vgl. Strickrodt in Wilke/Schulte (1990), S. 116.
[20]Vgl. Ebd.
[21]Vgl. Leunig in Handbuch Förderale zweite Kammern (2009), S. 95.
[22]Ebd.
[23]Süsterhenn in Wilke/Schulte (1990), S. 169.