Diese Proseminararbeit beschäftigt sich mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgericht (BVerfG, 2 PBvU 1/11, Beschluss vom 3.7.2012) zum Luftsicherheitsgesetz.
In Anbetracht der Anschläge vom 11. September in den USA, sowie in Zeiten wachsenden Terrors ist die Frage nach einem effektiven Zivilschutz auch vor Angriffen durch gekaperte Passagiermaschinen stärker in den Blickpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. In der Absicht, wirksamen Schutz der Bevölkerung und des Luftverkehrs zu gewährleisten, hat der deutsche Gesetzgeber das am 15. Januar 2005 in Kraft getretene Luftsicherheitsgesetz erlassen.
Dieses sorgte jedoch seit seinem Bestehen für politische, rechtliche und ethische Diskussionen. Mediale und öffentliche Aufmerksamkeit erlangte es vor allem dadurch, dass es die Streitkräfte als äußerste Maßnahme dazu befugen sollte, unmittelbare Waffengewalt gegen durch Terroristen gekaperte Flugzeuge einsetzen, selbst wenn es sich dabei um mit unschuldigen Menschen besetzte Passagiermaschinen handeln sollte. Auch die Tatsache, dass dazu die Streitkräfte im Inneren eingesetzt werden sollten, wurde kontrovers diskutiert. 2006 erklärte der 1. Senat des Bundesverfassungsgericht den betreffenden § 14 Abs. 3 LuftSiG schließlich aus formellen und materiellen für verfassungswidrig und folglich gem. § 95 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG nichtig. Eine Einsatzmöglichkeit der Streitkräfte im Inneren mit spezifisch militärischen Waffen im Katastrophennotstand gem. Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 GG wurde verneint.
Mit seiner Plenarentscheidung im Jahr 2012 relativiert nun das Bundesverfassungsgericht seine Ansicht zum Einsatz der Streitkräfte im Inneren, knüpft diesen jedoch an bestimmte, enge Voraussetzungen. Diese Arbeit will aufzeigen, wie es zu dieser Plenarentscheidung kam, die divergierenden Ansichten des Urteils des 1. Senats und der Entscheidung des Plenums zusammenfassen, vergleichen und bewerten, sowie auf die abweichende Meinung des Verfassungsrichters Prof. Dr. Reinhard Gaier eingehen.
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Entstehungsgeschichte der Plenarentscheidung
C. Das Luftsicherheitsgesetz
I. Gesetzgebungskompetenz
1. Urteil des Ersten Senats
2. Beschluss des Plenums
3. Bewertung
II. Einsatz spezifisch militärischer Waffen
1. Urteil des ersten Senats
2. Beschluss des Plenums
3. Abweichende Meinung des Richters Gaier
4. Bewertung
III. Entscheidungskompetenz für den Streitkräfteeinsatz
1. Urteil des ersten Senats und Beschluss des Plenums
2. Bewertung
D. Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A. Einleitung
In Anbetracht der Anschläge vom 11. September in den USA, sowie in Zeiten wachsenden Terrors ist die Frage nach einem effektiven Zivilschutz auch vor Angriffen durch gekaperte Passagiermaschinen stärker in den Blickpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt.
In der Absicht, wirksamen Schutz der Bevölkerung und des Luftverkehrs zu gewährleisten, hat der deutsche Gesetzgeber das am 15. Januar 2005 in Kraft getretene Luftsicherheitsgesetz erlassen. Dieses sorgte jedoch seit seinem Bestehen für politische, rechtliche und ethische Diskussionen. Mediale und öffentliche Aufmerksamkeit erlangte es vor allem dadurch, dass es die Streitkräfte als äußerste Maßnahme dazu befugen sollte, unmittelbare Waffengewalt gegen durch Terroristen gekaperte Flugzeuge einsetzen, selbst wenn es sich dabei um mit unschuldigen Menschen besetzte Passagiermaschinen handeln sollte. Auch die Tatsache, dass dazu die Streitkräfte im Inneren eingesetzt werden sollten, wurde kontrovers diskutiert.
2006 erklärte der 1. Senat des Bundesverfassungsgericht den betreffenden § 14 Abs. 3 LuftSiG schließlich aus formellen und materiellen für verfassungswidrig und folglich gern. § 95 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG nichtig. Eine Einsatzmöglichkeit der Streitkräfte im Inneren mit spezifisch militärischen Waffen im Katastrophennotstand gern. Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 GG wurde verneint.
Mit seiner Plenarentscheidung im Jahr 2012 relativiert nun das Bundesverfassungsgericht seine Ansicht zum Einsatz der Streitkräfte im Inneren, knüpft diesenjedoch an bestimmte, enge Voraussetzungen. Die vorliegende Arbeit wird im Folgenden aufzeigen, wie es zu dieser Plenarentscheidung kam, die divergierenden Ansichten des Urteils des 1. Senats und der Entscheidung des Plenums zusammenfassen, vergleichen und bewerten, sowie auf die abweichende Meinung des Verfassungsrichters Prof. Dr. Reinhard Gaier eingehen.
B. Entstehungsgeschichte der Plenarentscheidung
Am 15. Februar 2006 urteilte der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen einer von sechs Personen eingelegten Verfassungsbeschwerde gegen das Luftsicherheitsgesetz, dass die in § 14 Abs. 3 LuftSiG enthaltene Regelung verfassungswidrig und somit nichtig sei. Des weiteren wurde grundsätzlich ein Einsatz der Bundeswehr mit spezifisch militärischen Waffen für unvereinbar mit den Art. 35 Abs. 2Satz2 und Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes erklärt.
2010 hatte nun der 2. Senat im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle über den Antrag der bayerischen und der hessischen Landesregierung zu entscheiden, ob auch die §§ 13 bis 15 sowie § 16 Abs. 2 LuftSiG mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig sind.
Da er in seiner Entscheidung von der Rechtsauffassung des 1. Senates abweichen wollte, beschloss der 2. Senat am 3. Mai 2011 gern. § 16 BVerfGG das Plenum des Bundesverfassungsgerichtes anzurufen. Dieses fasste letztendlich am 3. Juli 2012 einen Beschluss mit folgenden Leitsätzen:
1. Die Gesetzgebungszuständigkeitfür die §§ 13 bis 15 des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Neuregelung 'von Luftsicherheitsaufgaben 'vom 11. Januar 2005 (BundesgesetzblattlSeite 78) ergibt sich aus Artikel 73 Nummer 6 des Grundgesetzes in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) 'vom 28. August 2006 (BundesgesetzblattlSeite 2034) geltenden Fassung.
2. Artikel 35 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 des Grundgesetzes schließen eine Verwendung spezifisch militärischer Waffen bei einem Einsatz der Streitkräfte nach diesen Vorschriften nicht grundsätzlich aus, lassen sie aber nur unter engen Voraussetzungen zu, die sicherstellen, dass nicht die strikten Begrenzungen unterlaufen werden, die einem bewaffneten Einsatz der Streitkräfte im Inneren durch Artikel 87a Absatz 4 GGgesetzt sind.
3. DerEinsatz der Streitkräfte nach Artikel 35 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes ist, auch in Eilfällen, allein aufgrund eines Beschlusses der Bundesregierung als Kollegialorgan zulässig.[1]
C. Das Luftsicherheitsgesetz
I. Gesetzgebungskompetenz
Fraglich war zunächst die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die §§ 13 bis 15 LuftSiG.
1. Urteil des Ersten Senats
Der erste Senat ging davon aus, dass sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die §§ 13 bis 15 LuftSiG weder aus Art. 73 Nr. 1 oder Nr. 6 GG a.F., sondern unmittelbar aus Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 GG ergibt.
Er begründete dies zunächst mit dem Wortlaut der amtlichen Überschrift zum 3. Abschnitt des LuftSiG, "Unterstützung und Amtshilfe durch die Streitkräfte".[2] Hierdurch werde deutlich, dass es sich bei den betreffenden Regelungen nicht um eine eigenständige Bundesaufgabe, sondern vielmehr um Maßnahmen zur Unterstützung der Länder handle. In § 13 Abs. 1 bis 3 LuftSiG ist festgelegt, dass sich diese Maßnahmen im Rahmen der Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Art. 35 Abs. 3 bewegen müssen.[3] Diese Artikel lassen einen Streitkräfteeinsatz außerhalb der Verteidigung i.S.v. Art. 87aAbs. 2GG ausdrücklich zu.[4] Somit ließe sich eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die §§ 13 bis 15 LuftSiG nicht aus Art. 73 Nr. 1 GG a.F. herleiten, da es bei diesen Regelungen weder um den Kompetenztitel „Verteidigung“, noch um den Schutz der Zivilbevölkerung ginge.[5]
Auch eine Gesetzgebungskompetenz aus Art. 73 Nr. 6 GG a.F. verneinte der erste Senat. Er führt wiederum als Argument an, dass die §§ 13 bis 15 LuftSiG die im Falle von Gefahren durch einen erheblichen Luftzwischenfall die Unterstützung durch den Bund mit Streitkräften bei der Abwehr von Gefahren der Länder regeln.[6] Somit handle es sich nicht um Regelungen den Luftverkehr betreffend, sondern um Ausführungsregelungen zum Streitkräfteeinsatz i.S.v. Art. 35.Abs. 2Satz 2 und Abs. 3GG.[7] Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergebe sich unmittelbar aus Art. 35 Abs. 2Satz2 und Abs. 3 GG.[8]
2. Beschluss des Plenums
Demgegenüber ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Ansicht des Plenums nicht aus Art. 35Abs. 2Satz 2 und Abs.3GG, sondern aus Art. 73 Nr. 6 GG a.F.
Gegen die Annahme des 1. Senats, die §§ 13 bis 15 LuftSiG würden Verfahrens- und Mittelbereitstellungsregelungen für den Fall der Unterstützung von Gefahrenabwehrmaßnahmen der Länder beinhalten, so dass nur Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 GG als Kompetenzgrundlage für den Bund in Frage käme, wendet das Plenum ein, dass die betreffenden Vorschriften des LuftSiG ihrem Wortlaut nach nur materielle und prozedurale Voraussetzungen für einen Einsatz der Streitkräfte regeln.[9]
Gegen Art. 35 Abs. 2 und 3 als Kompetenzgrundlage sprächen also der Wortlaut, sowie systematische Gründe.[10] Zum einen bieten die betreffenden Artikel ihrem Wortlaut nach keine ausdrückliche Kompetenzgrundlage, sondern beinhalten lediglich eine Regelung der Voraussetzungen für einen Streitkräfteeinsatz zur Unterstützung der Länder.[11] Zum anderen widerspricht es der Systematik des Grundgesetzes, Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes außerhalb des VII. Abschnittes des Grundgesetzes herzuleiten. Dies widerspräche zudem auch der föderalen Zuständigkeitsordnung, die nicht durch materielle, sondern davon gesonderte und unabhängige Vorschriften bestimmt sei.[12] Letztlich sei auch unklar, ob Art. 35 Abs. 2 und 3 GG dem Bund eine ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebungskompetenz verleihen.[13]
Die Gesetzgebungskompetenz für die §§ 13 ff. LuftSiG folge vielmehr als Annex der Kompetenz, die Art. 73 Nr. 6 GG a.F. dem Bund für das Sachgebiet "Luftverkehr" zuweise.[14]
Eine Annexkompetenz des Bundes besteht für Regelungen zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung für ein bestimmtes Sachgebiet, für das der Bund die Gesetzgebungszuständigkeit hat.[15] Die Annahme einer Notwendigkeit eines Zusammenhanges zwischen solchen Regelungen und der Regelungskompetenz des Bundes für ein bestimmtes Sachgebiet bedürfe jedoch einer strengen Prüfung.[16] Vorliegend sah das Plenum eine solche Notwendigkeit gegeben, mit der Begründung, eine lediglich auf die einzelnen Länder beschränkte Regelungskompetenz würde zu erheblichen, negativen Folge für die Sicherheit des Luftverkehrs führen, zudem sei im Unglücksfall in der Regel mehr als ein (Bundes-)Land betroffen.[17] Somit bestehe also ein notwendiger Zusammenhang zwischen der Abwehr von Gefahren, die spezifisch aus dem Luftverkehr resultieren und dem Sachgebiet "Luftverkehr" i.S.v. Art. 73 Nr. 6 GG a.F.[18]
Die Frage, ob auch Art. 73 Nr. 1 GG a.F. eine Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die §§ 13 bis 15 LuftSiG kraft Sachzusammenhangs ihres Regelungsgegenstandes mit dem Verteidigungswesen begründet, lässt das Plenum in seinem Beschluss offen.[19]
3. Bewertung
Der 1. Senat sah in Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 GG sowohl eine Gesetzgebungsgrundlage für den Bund, eine Aufgabenzuweisung auf Seiten des Bundes an die Streitkräfte, sowie eine verfassungsunmittelbare Befugnisnorm für einen Streitkräfteeinsatz. Eine solche extensive Interpretation überdehnt jedoch den normativen Gehalt der Verfassungsbestimmung und interpretiert in eine verfassungsrechtliche Supernorm um.[20]
Gegen die Annahme einer Annexkompetenz zum Sachgebiet "Luftverkehr" i.S.v. Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG spricht jedoch, dass es zweifelhaft erscheint, damit auch die Abwehr die Abwehr von Gefahren einzuschließen, die durch die missbräuchliche Nutzung eines Luftfahrzeuges als Angriffswaffe resultieren.[21] Denn gerade diese resultiert nicht, wie vom Plenum angenommen, spezifisch aus dem Luftverkehr. Spezifisch aus dem Luftverkehr rühren vielmehr Gefahren wie Fluglärm und Flugzeugabstürze her.[22] Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG ist grundsätzlich auf die Gefahrenabwehr durch Sicherheitskontrollen und die Flugsicherung ausgelegt.[23] Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Herleitung einer Annexkompetenz für einen Streitkräfteeinsatz bei Luftzwischenfällen fraglich.
Zudem führt das Plenum mit der Begründung, durch eine dezentrale Regelung der betreffenden Kompetenzen wären erhebliche, negative Folgen für die Sicherheit des Luftverkehrs zu besorgen, bloße Zweckmäßigkeitserwägungen ins Feld, die für die Annahme einer stillschweigend mitgeschriebenen Gesetzgebungskompetenz nicht genügen.[24]
Denkbar wäre es, eine Gesetzgebungszuständigkeit aus Art. 73 Nr. 1 GG herzuleiten. Das Plenum hat diese Möglichkeit offen gelassen. Dagegen spräche zwar zunächst, dass der Begriff der „Verteidigung“ in seiner allgemeinen Bedeutung die Maßnahmen umfasst, die der Abwehr von Angriffen anderer Staaten auf die Bundesrepublik, also Angriffe von außen dienen.[25] Angesichts der durch den internationalen Terrorismus veränderten sicherheitspolitischen Lage, bei der Angriffe der auf die Bundesrepublik eben nicht mehr „von außen“, sondern „von innen“ verübt werden, erscheint jedoch eine teleologische Auslegung des Verteidigungsbegriffes geboten.[26]
II. Einsatz spezifisch militärischer Waffen
Des weiteren ging es um die Frage, ob die Streitkräfte auch in den Fällen des regionalen Katastrophennotstandes gern. Art. 35 Abs. 2 GG, bzw. des überregionalen Katastrophennotstandes gern. Art. 35 Abs. 3 GG mit spezifisch militärischer Bewaffnung eingesetzt werden dürfen, oder auf solche Mittel beschränkt sind, die originär den Polizeikräften zur Verfügung stehen.
1. Urteil des ersten Senats
Der erste Senat geht in seinem Urteil davon aus, dass ein Einsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen mit Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 sowie Abs. 3 GG nicht vereinbar sei. Der Begriff der "Hilfe" in Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG bedeute, dass dem Bund bei der Bewältigung von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen eine lediglich unterstützende Aufgabe zukomme, wenn es darum geht, den Gefahrenabwehrbehörden der Länder Hilfe zu leisten und bestimme somit notwendigerweise auch die Art der Hilfsmittel, die beim Einsatz der Streitkräfte verwendet werden dürfen.[27] Diese könnten daher qualitativ nicht anderer Art sein, als die Mittel, die den Polizeikräften der Länder zur Verfügungen stehen.[28] Somit sei ein Einsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen bei Einsätzen solcher Art ausgeschlossen.[29]
Dafür sprächen Wortlaut und Teleologie.[30] Zudem spräche auch die Gesetzgebungsgeschichte dafür, da der Gesetzgeber ursprünglich den regionalen Katastrophennotstand, von dem in Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG die Rede ist, zusammen mit dem inneren Notstand des Art. 91 GG regeln wollte.[31] Dabei sollten nach Willen des Gesetzgebers die Streitkräfte lediglich "als Polizeikräfte" den Ländern zur Verfügung gestellt werden.[32] Auch wenn diese Formulierung im späteren Verlauf aufgegeben worden sei, sei nicht zu Erkennen, dass eine Erweiterung der Einsatzmittel der Streitkräfte beabsichtigt war.[33]
Auch die Systematik des Grundgesetzes spräche insoweit dafür, da die Bestimmungen über den Einsatz der Streitkräfte im regionalen Katastrophenfall in Abschnitt II des Grundgesetzes und nicht in Abschnitt VIII geregelt sind, der die militärische Verwendung der Streitkräfte regelt.[34]
Des weiteren sei ein Einsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen auch mit Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG nicht vereinbar.[35] Der 1. Senat führt hier wieder den Wortlaut des betreffenden Artikels an, der den Streitkräfteeinsatz nur "zur Unterstützung" der Polizeikräfte erlaubt, also dem jeweiligen Landespolizeirecht unterwerfe und folgert daraus, dass somit ein Einsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen auch in diesem Fall ausgeschlossen ist.[36] Die Ausführungen zu Art. 35 Abs. 2 Satz2 GG träfen im Wesentlichen auch auf Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG, da diese ähnliche Formulierungen verwenden.[37]
2. Beschluss des Plenums
Das Plenum hingegen schließt eine Verwendung von Streitkräften mit spezifisch militärischen Waffen im Rahmen der Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG nicht aus.[38] Auch das Plenum führt Wortlautargumente an. So könne nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG ein Land im regionalen Katastrophennotstand "Kräfte und Einheiten [...] der Streitkräfte" anfordern, im überregionalen Fall "Einheiten [...] der Streitkräfte" einsetzen. Eine Beschränkung auf originär polizeiliche Einsatzmittel folge aus diesem Wortlaut nicht zwingend.[39] Nach Ansicht des Plenums sprechen auch systematische Gründe für einen Einsatz mit spezifisch militärischen Mitteln, da auch für den Fall des inneren Notstands gern. Art. 87a Abs. 4 Satz 1 GG die Streitkräfte unter einer ähnlichen Formulierung "Zur Unterstützung der Landes- und Bundespolizei" eingesetzt werden dürfen.[40] Anerkanntermaßen seien die Streitkräfte im Rahmen eines solchen Einsatz nicht auf originär polizeiliche Mittel beschränkt.[41] Die Gesetzgebungsgeschichte lasse des weiteren zwar keine klaren Schlüsse zu, spräche allerdings auch nicht gegen diese Ansicht.[42]
Ein solcher Einsatz der Streitkräfte müsse sich jedoch mit Blick auf den Zweck Art. 84a Abs. 2 GG an die strengen Grenzen des Art. 84a Abs. 4 GG halten, um diese nicht zu umgehen.[43]
Von daher ist das in Art. 35Abs. 2Satz 2GG ausdrücklich genannte und von Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG in Bezug genommene Tatbestandsmerkmal des besonders schweren Unglücksfalls eng auszulegen.[44] Ein Einsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen solle laut Plenumsbeschluss nur bei Ereignissen von katastrophischen
Dimensionen und selbst dann nur als ultima ratio zulässig sein.[45] Zwar stehe der Annahme eines besonders schweren Unglücksfalles nicht entgegen, dass dieser absichtlich herbeigeführt wurde.[46] Zur Abgrenzung von dem in Art. 87aAbs. 4 i.V.m. Art. 91 GG geregelten inneren Notstands dürfen die Streitkräfte jedoch nicht zur Bekämpfung von Gefahren eingesetzt werden, die aus oder von einer demonstrierenden Menschenmenge drohen.[47] Ferner müsse der Schadenseintritt des besonders schweren Unglücksfalles unmittelbar bevorstehen, ein ins Vorfeld verlagerter Einsatz der Streitkräfte sei unzulässig.[48]
3. Abweichende Meinung des Richters Gaier
Während der am Plenumsbeschluss beteiligte Richter Gaier die Entscheidung des Plenums zur ersten und dritten Vorlagefrage des 2. Senats mitträgt, verfasst er ein abweichendes Sondervotum zur zweiten Vorlagefrage den Einsatz der Streitkräfte im Inneren mit spezifisch militärischen Waffen betreffend. Gaier, der als einziger Richter sowohl am Urteil des 1. Senats vom 15. Februar als auch am Beschluss des Plenums beteiligt war, hält an der damaligen Auffassung des 1. Senats fest, wonach ein Einsatz der Streitkräfte mit militärischen Waffen im regionalen bzw. überregionalen Katastrophennotstands gern. Art. 35 Abs. 2 bzw. Art. 35 Abs. 3 GG nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Generell sei das Grundgesetz auch als eine Absage an den deutschen Militarismus zu verstehen.[49] Es dürfe keine Möglichkeit geben, die Streitkräfte jemals als innenpolitisches Machtinstrument zu missbrauchen.[50] Die Aufrechterhaltung der Inneren Sicherheit sei, abgesehen von dem Extremfall des Staatsnotstandes gern. Art. 87a Abs. 4 GG allein Aufgabe der Polizei.[51]
Wolle man daran etwas ändern, müsse man dies auf dem Wege einer Verfassungsänderung tun.[52] Gaier führt an, dass nach dem Urteil des 1. Senats eigentlich eine Grundgesetzänderung beabsichtigt war, um einen Einsatz der Bundeswehr mit militärischen
Waffen auch im Inland zu ermöglichen.[53] Durch seinen Beschluss ermögliche nun das Bundesverfassungsgericht als Organ der Judikative das, was aufgrund der Stimmenverhältnisse in Bundestag und Bundesrat nicht durchsetzbar war.[54] Indem das Bundesverfassungsgericht entgegen seiner Befugnis und seiner Aufgabe dergestalt korrigierend einschreite, setze es sich der Gefahr aus, in Zukunft als "verfassungsändernder Ersatzgesetzgeber" bezeichnet zu werden.[55] Des weiteren wiederholt Gaier die Argumente des 1. Senats, ergänzt und vertieft diese.
Das Plenum setze sich mit seinem Beschluss über die von ihm selbst anerkannte Sperrwirkung des Art. 87a Abs. 4 GG hinweg.[56] Zwar fordere es einschränkend für einen Einsatz der Streitkräfte nach Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 GG einen „unmittelbar bevorstehenden Schadenseintritt von katastrophischen Dimensionen“, jedoch handle es sich dabei um unbestimmte und auslegbare Definition, die der Exekutive viel Spielraum bei der Entscheidung lasse.[57] Damit würden die engen Grenzen des Art. 87a Abs. 4 GG umgangen.[58] Wenn selbst im Falle des inneren Notstandes gern. Art. 91 GG ein Einsatz der Streitkräfte nicht vorgesehen ist, und gern. Art. 84a Abs. 4 GG ein Einsatz der Streitkräfte mit militärischen Waffen nur gegen ihrerseits mit militärischen Waffen ausgestattete und über ein System der Einsatzleitung verfügende Aufständische zulässig ist, erscheine es dogmatisch wenig überzeugend, einen solchen bewaffneten Einsatz der Streitkräfte im Rahmen des Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 GG zuzulassen.[59]
Auch spräche die vom Plenum selbst abgelehnte Entscheidungskompetenz eines einzelnen Ministers gegen einen bewaffneten Einsatz.[60] Gerade Fälle, in denen einer Gefahr nur der vernichtenden Wirkung einer militärischen Bewaffnung begegnet werden kann, erforderten eine Entscheidung in kürzester Zeit.[61] Wenn jedoch generell nur die Bundesregierung als ein Kollegialorgan, welches vergleichsweise lange Zeit für eine Entscheidungsfindung benötige, zur Entscheidung befugt ist, könne davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber einen Einsatz spezifisch militärischer Waffen gerade nicht für erforderlich hielt.[62]
Letztendlich kommt Gaier zu dem Schluss, dass mit der Plenarentscheidung wenig bis gar nichts erreicht worden sei. Auch bei einer gesetzlichen Neuregelung des § 14 Luft- SiG bleibe ein Abschuss eines von Terroristen entführtes und mit unschuldigen Passagieren Flugzeuges nicht erlaubt.[63] Zudem würde es selbst bei nur mit Terroristen besetzten Luftfahrzeugen angesichts der geringen Größe des deutschen Luftraumes und der alleinigen Entscheidungsbefugnis der Bundesregierung kaum jemals zu einem rechtzeitigen Abschuss solcher Luftfahrzeuge kommen.[64] Das Plenum gebe mit seiner Entscheidung für einen kaum messbaren Zugewinn an Sicherheit fundamentale Grundsätze auf, indem es die Einsatzmöglichkeit der Streitkräfte mit unbestimmten Rechtsbegriffen erweitere.[65]
4. Bewertung
Für die Ansicht der Plenums spricht ein weiteres Argument. Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG spricht von einem möglichen Einsatz der Streitkräfte „soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist.“ In systematisch-teleologischer Auslegung kann man dieser Formulierung den Grundsatz der effektiven Gefahrenbekämpfung entnehmen, in dem Sinne, dass die Mittel der Streitkräfte der Dimension der Gefahr folgt, insbesondere dann, wenn die Mittel der Polizei nicht ausreichen.[66] Den Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 GG das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal „keine spezifisch militärischen Waffen“ zu entnehmen, folgt aus dem Wortlaut nicht zwingend.[67]
Jedoch ist die dogmatische Begründung des Plenums, soweit es historische Argumente heranzieht wenig überzeugend. Es trifft zu, dass die Gesetzgebungsgeschichte zu Art. 35 nur spärliche Hinweise auf einen Willen des Gesetzgebers bezüglich eines Einsatzes der Streitkräfte mit spezifische militärischen Waffen bietet. Allerdings können die wenigen eindeutigen Hinweise, die sich in der Gesetzgebungsgeschichte finden lassen, eher für die Meinung des 1. Senats herangezogen werden.[68]
Zudem spricht auch die Tatsache, dass der verfassungsändemde Gesetzgeber die Regelungen über die Katastrophenhilfe bewusst von denen über den Inneren Notstand gern. Art. 91 GG abgetrennt und an Art. 35 GG angefügt hat, gegen die Ansicht des Plenums.[69] Denn damit sollte der Verdacht ausgeräumt werden, dass mit dem Katastrophennotstand auch ein anderer Fall des Inneren Notstandes bekämpft werden sollte.[70] Zudem zeigt die Trennung auch die unterschiedlichen Schutzzwe die Bevölkerung, und eben kein Vorgehen "gegen" die Bevölkerung, also die Bekämpfung eines Gegners.[71]
Art. 87a Abs. 4 GG stellt wesentlich höhere Anforderungen an einen militärischen Streitkräfteeinsatz als Art. 35 Abs. 2 und 3 GG, so dass er gegenüber diesen eine Sperrwirkung entfaltet.[72] Auch das Plenum geht von dieser Sperrwirkung aus. Es umgeht sie aber, indem es für einen bewaffneten Streitkräfteeinsatz auf Grundlage der Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG eine bestimmte, enge Definition des Unglücksfalls fordert. Mit dieser Umgehung greift das Bundesverfassungsgericht dem verfassungsändernden Gesetzgeber in bedenklicher Weise vor: Denn diese Auslegung hat de facto dieselbe Wirkung wie eine Verfassungsänderung.
Letztlich sprechen also die gewichtigeren Gründe entgegen der Meinung des Plenums für folgende Annahme: Die Streitkräfte werden im Katastrophennotstand nur zur Unterstützung der Länder eingesetzt, unterliegen also folglich Landesrecht und den fachlichen Weisungen der jeweiligen Länder.[73] Da das Landesrecht keinen Einsatz mit spezifisch militärischen Waffen vorsieht, müssen die Streitkräfte im Falle des Katastrophennotstands auf originär polizeiliche Mittel beschränkt sein.[74]
III. Entscheidungskompetenz für den Streitkräfteeinsatz
Letztendlich ging es um die Frage, ob im Falle des überregionalen Katastrophennotstands gern. Art. 35 Abs. 3 Satz 1 zur Anordnung eines Streitkräfteeinsatzes i.S.v. § 13 Abs. 3 LuftSiG auch der Verteidigungsminister oder nur die Bundesregierung als Kollegialorgan befugt ist.
1. Urteil des ersten Senats und Beschluss des Plenums
Zu dieser Frage gehen die Rechtsauffassungen des ersten Senats und des Plenums konform. Im Falle des überregionalen Katastrophennotstandes gern.
Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG müsse stets, auch in besonderen Eilfällen, die Bundesregierung als Kollegialorgan entscheiden.[75] Auch könne die Bundesregierung die Entscheidungskompetenz nicht an einen einzelnen Minister delegieren.[76]
Zunächst spräche der eindeutige Wortlaut des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG für eine ausschließliche Entscheidungskompetenz der Bundesregierung.[77] Auch in Eilfällen könne die Bundesregierung die Entscheidungskompetenz nicht an einen einzelnen Minister delegieren, da staatsorganisationsrechtliche Kompetenzen grundsätzlich nicht zur Disposition ihres Trägers stünden.[78] Auch aus der Systematik des Grundgesetzes ergebe sich nichts anderes, denn auch im Fall des inneren Notstandes gern. Art. 87a Abs. 4 Satz 1 GG sei unstreitig nur die Bundesregierung als Kollegialorgan zur Entscheidung befugt.[79]
Eine abweichende, teleologische Interpretation unter dem Aspekt der wirksamen Gefahrenabwehr in Eilfällen verbiete sich aufgrund des Gebots der strikten Texttreue, das bei Vorschriften, die das Ergebnis eines politisch hoch umstrittenen Diskurses sind immer zu beachten sei.[80]
2. Bewertung
Gegen die Annahme des Bundesverfassungsgerichts, nur die Bundesregierung könne über Einsätze der Streitkräfte gern. Art. 35 Abs. 3 Satz 1 entscheiden, lassen sich zwei Argumente anführen:
Zum einen wird der Begriff „Bundesregierung“ im Grundgesetz nicht durchgängig als Legaldefinition verstanden, sondern kann entweder die Bundesregierung als Ganzes, den Bundeskanzler oder einen einzelnen Minister einschließen.[81] Als Beispiel dafür kann Art. 86 Satz 1 GG verwendet werden, bei dem es trotz des Wortlautes des Artikels, der ebenfalls von „Bundesregierung“ spricht größtenteils anerkannt ist, dass damit auch der zuständige Bundesminister gemeint sein kann.[82] Zum anderen scheint es wenig effizient, selbst in Eilfällen allein der Bundesregierung als Kollegialorgan eine Entscheidungskompetenz zuzubilligen. De constitutione lata erscheint es deshalb im Sinne einer wirksamen Gefahrenabwehr angebracht, zumindest in solchen Fällen eine Eilentschei- dungskompetenz des Verteidigungsministers zuzulassen.[83] Einer solchen Interpretation steht allerdings das vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte „Gebot der strikten Texttreue“ entgegen. Des weiteren sprechen nicht nur die vom Bundesverfassungsgericht angeführten formellen Gründe, sondern auch institutioneile für dessen Meinung: Eine kollegial organisierte Willensentscheidung stärkt die Interessen der betroffenen Länder, die auf die Entscheidung der Bundesregierung stärkeren Einfluss nehmen können, als auf die Entscheidung eines einzelnen Ministers.[84]
D. Schlussbemerkung
Es ist zumindest im Ergebnis begrüßenswert, dass das Bundesverfassungsgericht mit seiner Plenumsentscheidung einigermaßen Klarheit geschaffen hat, was den Einsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen im Inneren angeht. Denn es erschien vor dieser Entscheidung unerträglich, dass der Staat beispielsweise im Falle eines terroristischen Anschlages mit einer (nur von Terroristen besetzten) Düsenstrahlmaschine, die in ein Hochhaus fliegen zu droht, nicht mit den angemessenen Mitteln eingreifen darf. Das Festhalten am Urteil des 1. Senats, dass einen Abschuss einer auch mit unschuldigen Menschen besetzten Passagiermaschine ausschloss, ist einerseits in Anbetracht der Art. 1 Abs. 1 i.V.m Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GGnachvollziehbar.
Andererseits wird damit das Vorhaben potenzieller Terroristen erleichtert, sofern sie den
Sicherheitsbehörden mitteilen, dass sich in ihrer Maschine auch unschuldige Passagiere befänden.[85] In diesem Falle könnte der Staat weiterhin nicht eingreifen.[86] Allerdings wird aufgrund der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG auch der verfassungsändernde Gesetzgeber daran nichts ändern können.[87] Aber auch wenn man sich den Fall vorstellt, dass ein nur mit Terroristen besetztes Flugzeug in ein Gebäude zu fliegen droht: Allein die Bundesregierung wäre befugt, einen Abschuss zu genehmigen.
Aufgrund des langwierigen Prozesses der Entscheidungsfindung eins Kollegialorgans, angesichts der Geschwindigkeit der heutigen Flugzeuge und dem relativ kleinen deutschen Luftraum scheint ein rechtzeitiger, rettender Abschuss kaum denkbar.
So begrüßenswert die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sein mag, wie in dieser Arbeit aufgezeigt, stößt die dogmatische Begründung insbesondere des Streitkräfteeinsatzes auf erhebliche Bedenken. Zwar scheinen die Befürchtungen, die Streitkräfte könne nach dem Plenumsbeschluss nun zu machtpolitischen Zwecken im Inneren eingesetzt und missbraucht werden angesichts einer demokratisch kontrollierten und rechtsstaatlich eingebundenen Bundeswehr übertrieben; um dennoch rechtliche und ethische Zweifel auszuräumen, die auch nach der Plenarentscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestehen, und den Einsatz der Streitkräfte im Inneren mit spezifisch militärischen Waffen auf ein dogmatisch festes Standbein zu stellen, ist eine Änderung des Grundgesetzes durch den verfassungsgebenden Gesetzgebers geboten und in Anbetracht der heutigen Sicherheitslage überfällig. Wünschenswert wäre dabei auch, zumindest in Eil- fällen den Verteidigungsminister oder den Innenminister vorläufig zur Entscheidung über einen Streitkräfteeinsatz gern. Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 GG zu befugen. Andernfalls wäre eine wirksamer Streitkräfteeinsatz im Falle eines terroristischen Angriffes kaum vorstellbar. Ein Missbrauch dieser Befugnis könnte beispielsweise durch ein nachträgliches Befassungsrecht der Bundesregierung und ein Aufhebungsrecht von Bundestag und Bundesrat ausgeschlossen werden.[88]
Treffend lässt sich der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts mit der Allegorie des Verfassungsrichters Gaier zusammenfassen: Der „Berg [hat] gekreißt, aber nur eine Maus geboren (,..)“.[89]
[1] BVerfG, 2 PBvU 1/11 vom 3.7.2012, http://www.bverfg.de/entscheidungen/ up20120703_2pbvu000111.html (zuletzt aufgerufen am 20.5.2013)
[2] BVerfG NJW 2006, 751 (754).
[3] ebd.
[4] ebd.
[5] ebd.
[6] ebd.
[7] ebd.
[8] ebd.
[9] BVerfG NVwZ 2012, 1239 (1240).
[10] ebd.
[11] ebd.
[12] ebd.
[13] ebd.
[14] ebd.
[15] BVerwGE 95, 188 (191); Baldus NVwZ 2004, S. 1279 f.
[16] BVerfGNvwZ 2012, 1239 (1240)
[17] ebd.
[18] ebd.
[19] a.a.O., (1249)
[20] Gramm NZWehrr 2003, S. 94.
[21] Ladiges NVwZ 2012 S. 1225.
[22] ebd.
[23] GG-Sachs/Degenhart, Art. 73 Rn. 26.
[24] Ladiges NvwZ 2012 S. 1225; GG-Maunz/Dürig/Uhle Art. 70 Rn. 63.
[25] GG-Maunz/DMg/Mawwz Art. 73 Rn. 49.
[26] GG-Maunz/DMg/DepewÄewer Art. 87a Rn. 88.
[27] BVerfGNJW 2006, 751 (755)
[28] ebd.
[29] ebd.
[30] ebd.
[31] a.a.O. (756)
[32] ebd.
[33] ebd.
[34] ebd.
[35] a.a.O., (757)
[36] ebd.
[37] Vgl. Maunz/Dürig/Mawwz Art. 35 Rn. 21.
[38] BVerfGNvwZ 2012, 1239 (1241)
[39] a.a.O., (1242)
[40] ebd.
[41] ebd.
[42] ebd.
[43] a.a.O., (1243)
[44] ebd.
[45] ebd.
[46] a.a.O., (1244)
[47] ebd.
[48] ebd.
[49] a.a.O., (1246)
[50] ebd.
[51] ebd.
[52] ebd.
[53] ebd.
[54] ebd.
[55] ebd.
[56] a.a.O. (1249)
[57] ebd.
[58] ebd.
[59] ebd.
[60] a.a.O., (1248).
[61] ebd.
[62] ebd.
[63] a.a.O., (1250).
[64] ebd.
[65] ebd.
[66] GrammUBWV2007, S. 123.
[67] ebd.
[68] LadigesNVwZ 2012, S. 1226.
[69] Sattler NVwZ 2004, S. 1290.
[70] ebd.
[71] ebd.
[72] Sattler NVwZ 2004, S. 1290; WinklerNvwZ 2006 S.536/537.
[73] Hecker KJ2006, S. 181.
[74] ebd.
[75] BVerfG NJW 2006, 751 (756); BVerfG NvwZ 2012, 1239 (1245).
[76] BVerfG NvwZ 2012, 1239 (1245).
[77] ebd.
[78] ebd.
[79] ebd.
[80] ebd.
[81] Ladiges NVwZ 2012, S. 1227.
[82] ebd.
[83] ebd.
[84] Lepsius Burkhard-FS, S. 57.
[85] Baldus NvWZ 2006, S. 532.
[86] ebd.
[87] Wiefelspütz ZRP 2007, S. 17.
[88] Ladiges/Glawe DÖV 2011 S. 626/627.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Inhalt dieser HTML-Datei?
Diese HTML-Datei enthält eine umfassende Sprachvorschau eines Textes, der sich mit dem Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) und der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auseinandersetzt. Der Text analysiert insbesondere die Plenarentscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2012, die sich mit dem Einsatz der Streitkräfte im Inneren befasst.
Welche Themen werden in der Sprachvorschau behandelt?
Die Sprachvorschau behandelt im Wesentlichen folgende Themen:
- Die Entstehungsgeschichte der Plenarentscheidung des BVerfG.
- Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Luftsicherheitsgesetz.
- Den Einsatz spezifisch militärischer Waffen durch die Streitkräfte im Inneren.
- Die Entscheidungskompetenz für den Streitkräfteeinsatz im Katastrophenfall.
- Die abweichende Meinung des Richters Gaier zur Plenarentscheidung.
Was war das Urteil des ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz?
Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts erklärte § 14 Abs. 3 LuftSiG für verfassungswidrig und nichtig. Zudem wurde ein genereller Einsatz der Bundeswehr mit spezifisch militärischen Waffen im Inneren für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt.
Wie unterscheidet sich die Plenarentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von dem Urteil des ersten Senats?
Die Plenarentscheidung relativiert die Ansicht des ersten Senats zum Einsatz der Streitkräfte im Inneren, knüpft diesen jedoch an bestimmte, enge Voraussetzungen. Das Plenum schließt eine Verwendung spezifisch militärischer Waffen nicht grundsätzlich aus, lässt sie aber nur unter engen Voraussetzungen zu.
Welche Kritik wird an der Plenarentscheidung geäußert?
Kritisiert wird, dass die dogmatische Begründung der Plenarentscheidung, insbesondere in Bezug auf den Streitkräfteeinsatz mit spezifisch militärischen Waffen, erhebliche Bedenken aufwirft. Es wird argumentiert, dass das Bundesverfassungsgericht durch seine Auslegung dem verfassungsändernden Gesetzgeber in bedenklicher Weise vorgreift und faktisch eine Verfassungsänderung bewirkt.
Welche Gesetzgebungszuständigkeit wird im Zusammenhang mit dem Luftsicherheitsgesetz diskutiert?
Diskutiert wird, ob die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die §§ 13 bis 15 LuftSiG sich aus Art. 73 Nr. 1 oder Nr. 6 GG a.F. oder unmittelbar aus Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 GG ergibt. Der erste Senat sah die Zuständigkeit in Art. 35 GG, während das Plenum sie aus Art. 73 Nr. 6 GG a.F. ableitet.
Was besagt die abweichende Meinung des Richters Gaier?
Richter Gaier hält an der Auffassung des ersten Senats fest, wonach ein Einsatz der Streitkräfte mit militärischen Waffen im regionalen bzw. überregionalen Katastrophennotstand nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Er argumentiert, dass das Grundgesetz auch als eine Absage an den deutschen Militarismus zu verstehen sei und es keine Möglichkeit geben dürfe, die Streitkräfte jemals als innenpolitisches Machtinstrument zu missbrauchen.
Welche Schlussfolgerung zieht der Text?
Der Text kommt zu dem Schluss, dass eine Änderung des Grundgesetzes durch den verfassungsgebenden Gesetzgeber geboten ist, um den Einsatz der Streitkräfte im Inneren mit spezifisch militärischen Waffen auf ein dogmatisch festes Standbein zu stellen und um rechtliche und ethische Zweifel auszuräumen. Zudem wird eine Eilentscheidungskompetenz des Verteidigungsministers oder des Innenministers in Eilfällen gefordert.
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- Alexander Loehr (Autor), 2013, Das Luftsicherheitsgesetz, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383565