"ʽServi sunt.ʼ Immo homines". Eine Untersuchung zu Senecas Epistula 47 "Epistulae Morales"

Sah Seneca über die antike Sklaverei aus egozentrischen Absichten hinweg?


Trabajo de Seminario, 2012

26 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die antike Sklaverei
Die Sklaverei aus historischer Perspektive
Die Sklaverei aus literarischer Perspektive

Hauptteil: Eine Untersuchung zu epist. 47
ʽServi sunt.ʼ Immo homines. (47, 1)
Superbissima consuetudo (47, 2-9)
Aeque spirare, aeque vivere, aeque mori (47, 10 – 16)
Servitus voluntaria (47, 17)
Non potest amor cum timore misceri (47, 18 – 20)
Levis est malitia (47, 21)

Fazit

Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Weitere Primärquellen
Sekundärliteratur

Einleitung

„The message is practical, and (it must be said) full of self-interest for Seneca and his audience, because the servile compliance and resignation sought were at the level of everyday social relations the key to making the slavery system from which the socially elite benefited most continue to work.”[1]

Zu diesem Fazit gelangt der britische Philologe Keith Bradley in der aktuellsten Untersuchung zu Senecas Brief epist. 47. Doch betrachtet man das philosophische Werk in seiner Gesamt-heit, ist es dann glaubwürdig, dass gerade Seneca, der Verfechter der prinzipiellen Gleichheit des Stellenwerts eines jeden Menschen, aus selbstsüchtigen Absichten über die menschen-unwürdigen Verhältnisse der antiken Sklaverei hinwegsieht und diese durch die Veröffent-lichung seines Gedankenguts sogar in ihren Grundfesten bestärkt?

Im Rahmen der vorliegenden Hausarbeit soll dieser Frage nachgegangen werden. Auf Grundlage eines kurzen Überblicks über die historische und literarische Perspektive zur antiken Sklaverei soll Senecas epist. 47 selbst im Fokus der Betrachtungen stehen. Im Rahmen einer Interpretation[2] der betreffenden Stelle soll zum einen der persuasive Gedankengang Senecas nachvollzogen, zum anderen das sich daraus ergebene Menschenbild analysiert werden. Mit Rückgriff auf die Analyseergebnisse wird abschließend die eingangs genannte Kritik Bradleys wiederaufgegriffen und auf ihre Berechtigung hin untersucht.

Die antike Sklaverei

Die Sklaverei aus historischer Perspektive

Dass die römische Sklaverei im Verlauf ihrer historischen Entwicklung die verschiedensten Formen angenommen hat, lässt sich bereits an den vielfältigen lateinischen Bezeichnungen für Sklaven erkennen. Während das wohl gebräuchlichste Wort servus wie seine griechische Entsprechung δοῦλος und das weibliche Äquivalent ancilla vorwiegend die rechtliche und politische Dimension des Abhängigkeitsverhältnisses des Herren (dominus) zu seinem Sklaven bzw. seiner Sklavin demonstriert, unterstreicht famulus durch seine etymologische Verwandt-schaft zu familia die Zusammengehörigkeit eines Sklaven zum Hausstand seines Herren und ist neben puer eine im Vergleich zu allen anderen Begriffen durchaus positive Bezeichnung. Des Weiteren wird die Art des Erwerbs eines Sklaven durch die Begriffe mancipium bzw. verna ausgedrückt, denn während mit letzterem ein hausgeborener Sklave gemeint ist, steht bei ersterem der käufliche Erwerb bzw. das Eigentumsverhältnis im Vordergrund.

Die Sklaverei selbst findet sich bereits in der Antike in den Hochkulturen der Welt und war dort Teil des geltenden Rechts. Zumeist gerieten die Menschen infolge von Kriegsgefangen-schaft oder Menschenraubs durch Piraten in die Sklaverei und unterstanden daraufhin aufgrund der wirtschaftlichen und juristischen Abhängigkeit der dauerhaften und uneingeschränkten Verfügungsgewalt ihrer Herren, was sich vor allem dadurch zeigte, dass ein Herr die alleinige Macht über Leben und Tod seines Sklaven innehatte. Legitimiert wurde dieses Machtver-hältnis insbesondere durch die fremden ethnischen und kulturellen Wurzeln der Kriegsge-fangenen, mit denen eine gewisse Inferiorität impliziert wurde. Die Überzeugung von der Minderwertigkeit von Sklaven war weit verbreitet und schlug sich auch in der Gesetzgebung nieder. So war ein Sklave bspw. zeitlebens der Willkür seines Herren ausgesetzt, der ihn gemäß seines individuellen und wirtschaftlichen Interesses wie seinen persönlichen Besitz behandeln und bestrafen durfte. Darüber hinaus war es einem Sklaven auch nach seiner Freilassung nicht möglich, das volle Bürgerrecht zu erlangen und somit aktiv an gesellschaft-lichen und politischen Entscheidungen beteiligt zu sein.

Prägend für die Zeit bis ca. 200 v. Chr. ist die patriarchalische Struktur der römischen Sklaverei. In dieser Zeit waren die Sklaven zwar dem Familienoberhaupt, dem pater familias, unterstellt und ihm zu gewissen Tätigkeiten verpflichtet, jedoch war es ihnen mit dessen Zustimmung erlaubt, ein eigenes materielles und finanzielles Vermögen für die Freilassung anzusparen und nach Beendigung des Dienstverhältnisses in dessen Schutzverwandtschaft aufgenommen zu werden. Dennoch wurde der Sklaverei in dieser Zeit nur geringe Bedeutung beigemessen, da sich bedingt durch die Schuldknechtschaft viele Römer bereits zu Dienst-leistungen verpflichtet hatten und der Bedarf an Arbeitskräften innerhalb der römischen Gesellschaft somit gedeckt war.

Mit der Expansion des Römischen Reichs und der gestiegenen Warenproduktion ging aller-dings nicht nur eine grundlegende Veränderung des familiären Verhältnisses zwischen Herren und Sklaven einher, vielmehr gewann die Sklaverei insgesamt an Bedeutung. Bedingt durch den gesellschaftlichen Aufschwung und den wachsenden Einflussbereich der Römer stieg der Bedarf an Arbeitskräften und man versuchte diese insbesondere während der Punischen Kriege durch Kriegsgefangene aus „Unteritalien, Sizilien, Spanien und Afrika“[3] zu decken. Zudem gab es die Möglichkeit, qualifizierte Kräfte auf Sklavenmärkten zu erwerben, denn obwohl es seit der Königszeit auch hausgeborene Sklaven gab, „war es bei dem großen Angebot noch rentabler, einen erwachsenen, voll leistungsfähigen Sklaven zu kaufen als Sklavenkinder im Haus aufzuziehen.“[4]

Die gestiegenen Produktionsverhältnisse und das zunehmende Gewinnstreben wirkten sich negativ auf die Lebensbedingungen der Sklaven und den gesellschaftlichen Umgang mit ihnen aus. Besonders in den Bergwerken und in der Landwirtschaft waren die Arbeitsbedingungen so schlecht, dass die Sklaven sich durch mehrere Aufstände zu wehren versuchten. Zwar wurden zunehmend Maßnahmen ergriffen, Sklaven mit denselben ethnischen und kulturellen Wurzeln zu trennen und so ihrer Aufsässigkeit Einhalt zu gebieten, doch kam es infolge der Aufstände „in Latium (198), Etrurien (196) und Apulien (185-184), [dazu, dass] […] allein in Apulien […] 7000 Hirtensklaven verurteilt, in Latium 3000 karthagische Sklaven getötet [wurden] und zur Unterdrückung des Aufstandes in Etrurien […] eine ganze Legion aufgeboten werden [mußte].“[5] Zudem wurde ein Aufbegehren jeglicher Art mit drakonischen Strafen geahndet, über die der Herr nach seinem Ermessen beliebig bestimmen durfte. So mussten Sklaven, die für landwirtschaftliche Tätigkeiten eingesetzt waren, ihre Arbeit bspw. in Fußfesseln erledigen, da angesichts der hoffnungslosen Situation die Fluchtgefahr stieg. Neben diesen negativen Sanktionen wurde präventiv versucht, den Sklaven zum einen durch die Option einer Beförde-rung in eine leitende Position einen Anreiz für ergebenes und gehorsames Verhalten zu schaf-fen, zum anderen diente die Aussicht auf Freilassung den Herren seit jeher dazu, „ihre Vorstellungen vom folgsamen und arbeitsamen Sklaven als Ideal unter den Sklaven zu propagieren.“[6] An eine generelle Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen war zu keinem Zeitpunkt zu denken, da dem Eigentümer ein möglichst hoher Gewinn wichtig war und er nur für die lebensnotwendige Versorgung mit Nahrung und Kleidung Sorge trug. Trotz zahlenmäßiger Überlegenheit kam es nie dazu, dass die Sklaven sich gemeinsam für eine Abschaffung ihres Standes einsetzten, da „[i]hre sehr unterschiedliche ethnische und soziale Herkunft, Bildung und Funktion in der Produktion und in der Gesellschaft [sie] […] in ver-schiedene Schichten und Gruppen [spaltete] und […] die Herausbildung eines Klassen-bewußtseins [erschwerte].“[7]

Anders war die Situation in der Stadt, wo es insbesondere gebildeten oder anderweitig qualifizierten Sklaven möglich war, sozial angesehene Berufe „als Ärzte, Erzieher, Lehrer, Musiker, Buchhalter oder Verwalter“[8] auszuüben und infolge ihrer Verdienste freigelassen zu werden. In diesem Zusammenhang dienten insbesondere die Dichter und ehemaligen Sklaven Livius Andronicus und Terenz den Sklaven als Vorbilder und als Anlass zu untergebenen und gehorsamen Verhalten, da diese nach ihrer Freilassung schnell gesellschaftlichen Ruhm und Anerkennung genossen.

Während des 1. Jahrhunderts verbesserte sich die Situation der Sklaven allmählich, denn bedingt durch die nachaugusteische Friedenszeit kamen weniger Sklaven als Kriegsgefangene nach Rom. Da man mit versklavten Kriegsgefangenen immer auch die Gefahr neu entfachen-der Aufstände verband und zunehmend gezielt nach speziell qualifizierten Sklaven gesucht wurde, begann man, im eigen Haus geborene und erzogene Sklaven zu schätzen, da diese „infolge unfreier Geburt und Erziehung die Sklaverei [akzeptierten], […] [und] römisch akkulturiert [waren].“[9] Auch die Gesetzgebung trug zu einem verbesserten Verhältnis zwischen Herren und Sklaven bei, da nun auf philosophisches, religiöses und kaiserliches Bestreben hin ein drakonisches und ungerechtfertigtes gewaltsames Vorgehen gegen Sklaven mit Sanktionen für die Herren geahndet wurde. Des Weiteren war es nun die Pflicht eines Herren, seinem Sklaven das Ansparen eines eigenen Vermögens (Peculium) zu erlauben, und auch die Bedingungen der Freilassung wurden von staatlicher Seite erleichtert. Insgesamt war die Zahl der Sklaven jedoch rückläufig und in der Spätantike verlor die Sklaverei zunehmend an Bedeutung.

Die Sklaverei aus literarischer Perspektive

Bezeichnend für die Geringschätzung der Sklaven gibt es in der antiken Literatur nur vereinzelt Belegstellen, die über die Situation der Sklaven Auskunft geben. Dennoch ist es anhand von ausgewählten Beispielen möglich, einen Eindruck ihres Stellenwerts innerhalb der römischen Gesellschaft zu erhalten. So ist bspw. bei Cato eine Stelle zu finden, an der er über sie gemäß ihrer Inferiorität nicht als Menschen, sondern als Eigentum, als Arbeitswerkzeuge spricht. Im Rahmen seiner Empfehlungen für Gutsherren spricht er sich dafür aus, überflüssige Gegenstände zu verkaufen, sollten sie nicht mehr von Nutzen sein, und bindet in seine Aufzählung auch Sklaven ein.

Auctionem uti faciat: vendat oleum, si pretium habeat; vinum, frumentum quod supersit, vendat; boves vetulos, armenta delicula, oves deliculas, lanam, pelles, plostrum vetus, ferramenta vetera, servum senem, servum morbosum, et si qui d aliud supersit, vendat (Cato agr. 2, 7f.).

Diese im 2. Jahrhundert v. Chr. allgemein verbreitete Auffassung spiegelt die historische Abkehr von einer Integration der Sklaven in die Familie hin zu einer Distanz zwischen der herrschenden und der beherrschten Klasse wider. Zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. geht Tacitus bei seinen Schilderungen noch einen Schritt weiter und hebt seinen Argwohn gegen-über Sklaven hervor. Da diese einem anderen Kulturkreis entstammen würden, seien sie grundsätzlich verdächtig und man müsse sich vor ihnen in Acht nehmen.

Suspecta maioribus nostris fuerunt ingenia servorum, etiam cum in agris aut domibus isdem nascerentur caritatemque dominorum statim acciperent. postquam vero nationes in familiis habemus, quibus diversi ritus, externa sacra aut nulla sunt, conluviem istam non nisi metu coercueris (Tac. ann. XIV, 44).

Fast zeitgleich weist Plinius in seinen Epistulae darauf hin, man müsse angesichts der ge-stiegenen Brutalität der Sklaven zu rigorosen Maßnahmen greifen, und veranschaulicht dies an dem Übergriff einiger Sklaven auf Larcius Macedo, der einige Tage nach dieser heim-tückischen Tat seinen Verletzungen erlag.

Vides, quot periculis, quot contumeliis, quot ludibriis simus obnoxii; nec est, quod quisquam possit esse securus, quia sit remissus et mitis: non enim iudicio domini, sed secelere perimuntur (Plin. epist. III, 14, 5).

Dennoch ist Plinius auch ein Beispiel für die sich verändernde Grundeinstellung Sklaven gegenüber, denn obwohl die Sklaven sich hier eindeutig eines Verbrechens schuldig gemacht haben, träfe sie, so Plinius, nicht die alleinige Schuld an der gewaltvollen Eskalation, vielmehr habe auch Macedo aufgrund der schlechten Behandlung seiner Sklaven dazu beigetragen. In diesem Zusammenhang sind bei Plinius viele Aussagen dazu zu finden, dass man Sklaven gegenüber Milde walten lassen müsse, so bspw. in einem Brief, in dem er über seinen freige-lassenen Sklaven Zosimus spricht. In der Tradition des pater familias bezeichnet er diesen als homo probus, officiosus, litteratus ( Plin. epist. V, 19, 3.), lobt ihn für seine rhetorischen und musikalischen Fähigkeiten und sorgt sich so sehr um dessen Gesundheit, dass er den Adres-saten dieses Briefs, Valerius Paulinus, darum bittet, dass sich sein Sklave auf dessen Landgut erholen dürfe. Darüber hinaus stellt auch er sein eigenes vorbildhaftes Verhalten unter Beweis, da er seinen Sklaven gestatte, ein eigenes Testament zu fertigen, an dessen Weisungen auch er persönlich sich halte.

Mandant rogantque, quod visum; pareo ut iussus (Plin. epist. VIII, 16, 2.).

Plinius selbst tritt an die Stelle eines Sklaven, indem er sich den letzten Wünschen seiner Sklaven beugt, und verhehlt auch seine Trauer nicht, die in zutiefst bewegt, nachdem einer seiner Sklave gestorben ist. Er schließt seine Schilderungen mit den Worten nec ignoro alios eius modi casus nihil amplius vocare quam damnum eoque sibi magnos homines et sapientes videri. qui an magni sapientesque sint, nescio, homines non sunt (Plin. epist. VIII, 16, 3). und plädiert damit zum einen für ein Vertrauensverhältnis zwischen Sklaven und Herren, zum anderen distanziert er sich von den Menschen, die den Verlust eines treu ergebenen Sklaven einzig als Verlust materieller Natur betrachten.

Ebenso äußert sich Gaius in seinen Institutiones, in denen er die rechtliche Stellung der Sklaven erläutert, nachdem er die Gesamtheit der Menschen zunächst in zwei Klassen teilt, denn omnes homines aut liberi sunt aut servi ( Gai. inst. I, 9). Generell sei es gesetzlich zwar festgelegt, so Gaius, dass Sklaven über keinen eigenen Besitz verfügen dürften und zeitlebens der Gewalt ihres Herren unterstellt seien, dennoch tadelt auch er einen Machtmissbrauch der Herren sowie übermäßige Gewaltanwendung, die durch einen Erlass von Kaiser Antonius geahndet würden (vgl. Gai. inst. I, 52-54). Somit spiegeln Plinius und Gaius mit ihrem Werken die allgemeinen historischen Entwicklungen des 2. Jahrhunderts n. Chr. wider, da man zwar die Sklaverei als Institution nicht anzweifelte, sich aber dennoch für eine Humanisierung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Sklaven einsetzen wollte.

Die Ursprünge derartiger Äußerungen sind bereits bei Aristoteles und Platon sichtbar. Beide griechische Philosophen heben hervor, dass es aufgrund der gleichen Abstammung aller Menschen prinzipiell keine von der Natur vorhergesehene Trennung in eine herrschende und eine untergebene Klasse gäbe (vgl. Aristot. pol. 1254a), dennoch sei dies die geeignetste Struktur, um die Interessen des Staates zu wahren und das Wohlergehen aller zu gewährleisten. Deshalb sei sie grundsätzlich legitim. Bezeichnenderweise beginnt Platon seine Argumentation mit der Einleitung, dass man nun über κτήματα (Plat. leg. 776b) sprechen wolle. Es folgt eine Auseinander-setzung darüber, dass es unter den Sklaven sowohl solche gebe, die durch Anleitung zur Tugend gelangen könnten, aber auch solche, vor denen man sich in Acht nehmen müsse

Οὐκοῦν καὶ τοὐναντίον, ὡς ὑγιὲς οὐδὲν ψυχῆς δούλης, οὐδὲ πιστεύειν οὐδέποτ´ οὐδὲν τῷ γένει δεῖ τὸν νοῦν κεκτημένον (Plat. leg. 776e).

Differenziert wird im Folgenden dargestellt, dass ungerechtfertigte Gewalt gegen Sklaven zu vermeiden sei, um sie zu einem tugendhaften Leben anzuleiten, ein rigoroses Vorgehen aber dann legitim sei, wenn sich der Sklave Ungehorsams oder eines Verbrechens schuldig gemacht habe.

Κολάζειν γε μὴν ἐν δίκῃ δούλους δεῖ, καὶ μὴ νουθετοῦντας ὡς ἐλευθέρους θρύπτεσθαι ποιεῖν (Plat. leg. 777e).

Insgesamt zeugen sowohl die historische als auch die literarische Perspektiven von der Selbst-verständlichkeit und Alltäglichkeit der Sklaverei in der Antike. Deutlich wird dies vor allem durch die Tatsache, dass der Sklaverei in einer Vielzahl von bedeutenden literarischen Werken keinerlei Beachtung geschenkt wird und sie als gesellschaftliche Institution zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt wird, sondern lediglich aufgrund der Inferiorität der Sklaven gerechtfertigt wird, die dabei als schwächere Partei „sowohl durch das Schutzverhältnis wie

Hauptteil: Eine Untersuchung zu epist. 47

Im nun folgenden Teil der Hausarbeit soll die Behandlung der Sklavenproblematik bei Seneca im Fokus der Betrachtungen stehen. Es soll untersucht werden, inwiefern sich Seneca in seinem Brief an Lucilius (47) mit den gesellschaftlichen Vorurteilen gegenüber Sklaven auseinandersetzt und mit welchen stilistischen Mittel er seine eigene Position vertritt. Dementsprechend wird zunächst der argumentative Gedankengang des Briefs abschnittsweise analysiert und abschließend mit dem daraus resultierenden Menschenbild in Beziehung gesetzt.

ʽServi sunt.ʼ Immo homines. (47, 1)

Zu Beginn seines Briefs nennt Seneca den Anlass, weshalb er sich an Lucilius richtet, denn so habe er von ihm nahestehenden Personen erfahren, dass Lucilius ein sehr vertrautes Verhältnis zu seinen Sklaven pflege. Seneca lobt daraufhin dieses Verhalten, indem er seinen Zuspruch offenkundtut, und führt es auf die Klugheit und Bildung seines Gesprächspartners zurück.

Libenter ex iis qui a te veniunt cognovi familiariter te cum servis tuis vivere: hoc prudentiam tuam, hoc eruditionem decet ( 47, 1).

Wichtig ist an dieser Stelle, dass Seneca mit eruditionem keineswegs den Intellekt Lucilius´ hervorheben möchte, sondern seine für Seneca erkennbare veränderte Gesinnung in Bezug auf die stoischen Ideale, zu denen Seneca ihn anleiten möchte. Auf diese Weise vermittelt Seneca nicht nur direkt zu Beginn seines Briefs eine für ihn sehr bedeutende Grundeigenschaft der Philosophie, die seiner Meinung nach der Schlüssel zu einem vollkommenden Leben sei (vgl. 5,4 hoc primum philosophia promittit, sensum communem, humanitatem et congregationem), sondern veranschaulicht die Wirksamkeit der stoischen Lehre an Lucilius selbst, der nun innerhalb seiner Entwicklung einen solch großen Lernfortschritt gemacht habe, dass er auch die prinzipielle Gleichheit aller Menschen erkannt habe. Dass für diesen Weg sowohl Bildung als auch Klugheit eine Schlüsselposition einnehmen, akzentuiert die parallele Stellung beider Begriffe.

Diese scheinbar alltägliche Beobachtung nimmt Seneca im Folgenden zum Anlass, die Behandlung der Sklaven innerhalb der römischen Gesellschaft zu thematisieren. Er ist sich bewusst, dass diese Äußerungen bei seiner Leserschaft, die vornehmlich aus der gebildeten Oberschicht stammt und somit die herrschende Klasse der Gesellschaft repräsentiert, keinen Anklang finden und möglicherweise kontrovers diskutiert werden könnten. Daher setzt er sich aktiv mit den gängigen Vorurteilen über Sklaven auseinander, indem er einen Interlocutor als Gegensprecher auftreten lässt, der repräsentativ für die Herren seine Meinung über Sklaven verlauten lässt. Wie zu erwarten, äußert dieser sich kritisch zu dem familiären Verhältnis zwischen Lucilius und dessen Sklaven, indem er durch den Ausruf servi sunt (47, 1) sein Unverständnis ausdrückt. Seneca erwidert daraufhin, dass Sklaven vornehmlich Menschen seien und führt damit sowohl das übergeordnete Thema des Briefs wie auch den Ausgangs-punkt seiner Argumentation ein. Es folgt eine antithetische Reihung, in deren Verlauf der Interlocutor insgesamt viermal seine abschätzige Meinung über Sklaven äußert und Seneca diesem viermal widerspricht.

[...]


[1] Bradley, K. R.: Seneca and Slavery. In: Seneca. S. 342.

[2] Auf die textkritischen Hinweise von epist. 47 wird im Verlauf der Interpretation nicht weiter eingegangen, da diese zu keinen neuen Erkenntnissen führten.

[3] Müller, Reimar u.a.: Kulturgeschichte der Antike. Band 2: Rom. S. 83.

[4] Ebd. S. 83.

[5] Ebd. S. 83 – 84.

[6] Ebd. S. 132.

[7] Ebd. S. 132.

[8] Ebd. S. 98.

[9] Heinrichs, Johannes: " Sklaverei." Der Neue Pauly. 22 September 2012 <http://referenceworks.brillonline.com/entries/der-neue-pauly/sklaverei-e1115060>.

Final del extracto de 26 páginas

Detalles

Título
"ʽServi sunt.ʼ Immo homines". Eine Untersuchung zu Senecas Epistula 47 "Epistulae Morales"
Subtítulo
Sah Seneca über die antike Sklaverei aus egozentrischen Absichten hinweg?
Universidad
University of Osnabrück
Calificación
1,3
Autor
Año
2012
Páginas
26
No. de catálogo
V383727
ISBN (Ebook)
9783668590106
ISBN (Libro)
9783668590113
Tamaño de fichero
676 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Seneca, Epistulae morales, Sklaven, Sklaven in der Antike, Philosophie, Philosophische Briefe, Sklaverei aus historischer Perspektive, Sklaverei aus literarischer Perspektive
Citar trabajo
Anna Kuhlmann (Autor), 2012, "ʽServi sunt.ʼ Immo homines". Eine Untersuchung zu Senecas Epistula 47 "Epistulae Morales", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383727

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