Bilingual aufgewachsen. Fluch oder Segen für LaiendolmetscherInnen beim Kommunaldolmetschen?


Bachelorarbeit, 2017

70 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Theoretischer Teil
1. Kommunaldolmetschen
1.1 Settings und Arbeitsbedingungen
1.2 DolmetscherInnen
1.2.1 LaiendolmetscherInnen
1.3 KundInnen
1.4 Emotionale Nähe beim Kommunaldolmetschen
2. Mehrsprachigkeit: Zweisprachigkeit
2.1 Simultaner Früh-Bilingualismus
2.2 Natural Translators/Interpreters
2.3 Mögliche Vorteile von Bilingualismus beim Kommunaldolmetschen
2.4 Mögliche Nachteile von Bilingualismus beim Kommunaldolmetschen
3. Probleme und Stressfaktoren beim Kommunaldolmetschen
3.1 Stressreaktionen
3.2 Strategien zur Stressbewältigung

Empirischer Teil
4. Ziel der Befragung
4.1 Methode
4.2 InterviewparterInnen
4.3 Leitfadeninterviews
4.4 Transkriptionsverfahren
5. Ergebnisse
5.1 Schwierigkeiten der Befragung
5.2 Auswertung der Interviews
5.2.1 Dolmetscher #1
5.2.2 Dolmetscherin #2
5.2.3 Dolmetscher #3
5.2.4 Dolmetscherin #4
5.2.5 Dolmetscherin #5
6. Zusammenfassung der Ergebnisse
6.1 Genereller Eindruck der LaiendolmetscherInnen
6.2 Stress und Probleme
6.2.1 Stressoren und Lösungsansätze
6.3 Parteilichkeit
6.4 Nachteile von Bilingualismus (beim Kommunaldolmetschen)
6.5 Vorteile von Bilingualismus (beim Kommunaldolmetschen)

Abschließende Gedanken

Anhang
Leitfaden
Transkription der Interviews
Bibliographie

Einleitung

Bilingualität und Translation gehören unweigerlich zusammen. De Groot (2015:99) nennt Bilingualismus richtigerweise als Voraussetzung für jegliche translatorische Handlung, die eine Person durchführt. Thema der vorliegenden Bachelorarbeit sind die Auswirkungen des simultanen Frühbilingualismus auf LaiendolmetscherInnen im Kommunalbereich. Durch diese Arbeit soll herausgearbeitet werden, welche Vor- und Nachteile sich durch Zweisprachigkeit ergeben könnten. Außerdem wird auf eventuelle Stressoren und die damit verbundenen Stressreaktionen sowie mögliche Strategien, wie mit Stress umgegangen wird, eingegangen. Fünf zweisprachig aufgewachsene Menschen, die schon einmal Kommunaldolmetschen praktiziert haben, beziehungsweise es regelmäßig praktizieren, werden hinsichtlich ihrer Eindrücke und Erfahrungen als zweisprachig aufgewachsene DolmetscherInnen befragt. Voraussetzung ist, dass es sich um Laien handelt, die keine Dolmetscherausbildung haben, und dass die Befragten zweisprachig aufgewachsen sind. Um den Rahmen einer Bachelorarbeit nicht zu sprengen, wird der Fokus ausschließlich auf Lautsprachen gelegt, weshalb sich die ermittelten Ergebnisse nur auf LautsprachendolmetscherInnen beziehen.

Die Arbeit kann grob in zwei Teile eingeteilt werden. Der erste theoretische Teil umfasst hierbei die ersten drei Kapitel, der empirische Teil die Folgenden. Im ersten Kapitel soll kurz auf das Kommunaldolmetschen eingegangen werden, wobei eruiert werden soll, in welchen Bereichen dieses stattfindet und welche Arbeitsbedingungen für die DolmetscherInnen herrschen. Des Weiteren soll dargestellt werden, welche Schwierigkeiten bestehen können und welche Anforderungen an die DolmetscherInnen gestellt werden. Der Fokus wird insbesondere auf LaiendolmetscherInnen gelegt. Auch auf die KundInnen, mit denen es KommunaldolmetscherInnen zu tun haben, soll kurz eingegangen werden. Das zweite Kapitel widmet sich dem Bilingualismus als Aspekt der Mehrsprachigkeit, genauer gesagt dem simultanen Früh-Bilingualismus. Auch auf den von Harris (1976:96) geprägten Begriff der Natural Translators soll Bezug genommen werden. Ebenso werden in diesem Kapitel bereits Vermutungen angestellt, welche möglichen Vor- und Nachteile Zweisprachigkeit in Hinsicht auf das Kommunaldolmetschen mit sich bringen könnte. Stressoren und Stressreaktionen sind Gegenstand des dritten Kapitels, welches das letzte Theoriekapitel darstellt.

In den darauffolgenden Kapiteln wird der Fokus auf die empirische Befragung gelegt, welche als Analysegrundlage dieser Bachelorarbeit dient. In Kapitel 4 soll genauer auf die Methode der Durchführung eingegangen werden. Dazu werden auch das Ziel der Befragung und zu beantwortende Fragestellungen nochmals genauer definiert. Außerdem soll der Leitfaden erklärt und auf die Transkriptionskriterien hingewiesen werden. In Kapitel 5 werden die Interviews analysiert und die Ergebnisse in Kapitel 6 nach Kategorien geordnet präsentiert. Abschließend folgt eine Schlussfolgerung und Zusammenfassung sowie der Anhang mit Leitfaden, transkribierten Interviews und Bibliographie.

Die Allgemeingültigkeit der Ergebnisse wird aufgrund der niedrigen Anzahl an Interviewten und der Subjektivität ihrer Antworten von vorneherein ausgeschlossen. Das alleinige Ziel der Bachelorarbeit ist, zu ermitteln, inwiefern es für LaiendolmetscherInnen im Kommunalbereich hilfreich oder hinderlich sein könnte, zwei- oder mehrsprachig aufgewachsen zu sein und woraus dies resultieren könnte, da die Probandenzahl für eine suffiziente Statistik aufgrund von logistischen Einschränkungen zu gering ausfällt und die Antworten im Fragebogen nicht durchgehend objektiver Natur waren. Eine vollständige Beantwortung der elementaren Fragestellungen der Untersuchung (siehe Kapitel 4 „Ziel der Befragung”), ist wohl unmöglich, jedoch sollen sie vielmehr als Denkanstoß gelten und andere Ansätze des Themas und Herangehensweisen an dieses aufzeigen.

Theoretischer Teil

1. Kommunaldolmetschen

Obwohl das Kommunaldolmetschen laut Roberts (1997:7) die älteste Dolmetschart ist, da Dolmetschbedarf schon immer dort bestand, wo Angehörige unterschiedlicher Sprachgruppen aufeinandertreffen, ist es zugleich die am spätesten und am wenigsten erforschte. Des Weiteren ist die Benennung nicht unproblematisch, da vor allem im Englischen mehrere Begriffe synonym dafür verwendet werden, wofür im Deutschen nur ein Begriff existiert. So kann man laut Pöllabauer (2000:182) beispielsweise die englischen Bezeichnungen Liason Interpreting, Dialogue Interpreting, Cultural Interpreting oder Community Interpreting auf Deutsch mit dem Begriff „Kommunaldolmetschen” übersetzen. Meist trifft man allerdings den Terminus Community Interpreting an, der sich in der Literatur mittlerweile durchgesetzt hat (Prunč 2010:259).

Angelehnt an Pöllabauers (2000:186ff.) neun charakteristische Merkmale des Kommunaldolmetschens kann grundsätzlich gesagt werden, dass es sich bei den KundInnen oft um Angehörige ethnischer und sprachlicher Minderheiten handelt, womit die benötigten Sprachen Minderheitensprachen sind. Ebenso herrscht ein Statusgefälle zwischen den KlientInnen, da es meist um Gespräche zwischen MigrantInnen und VertreterInnen einer Behörde geht. Bei diesen di- beziehungsweise trialogisch ablaufenden Gesprächen, in denen es sich durchaus um konfliktreiche oder angespannte Situationen handeln kann, wird in beide Richtungen gedolmetscht. Aufgrund mangelnder Ausbildungsmöglichkeiten werden oft LaiendolmetscherInnen eingesetzt, welche mit unterschiedlichen Erwartungen und Einstellungen ihnen gegenüber konfrontiert werden. Zudem haben diese mit dem niedrigen Prestige ihrer Tätigkeit zu kämpfen. In den nachfolgenden Kapiteln soll näher auf die einzelnen Punkte KundInnen, Settings und mögliche Stressoren für DolmetscherInnen eingegangen werden.

1.1 Settings und Arbeitsbedingungen

Die Bereiche, in denen man Kommunaldolmetschen begegnet, betreffen alle Bereiche des alltäglichen Lebens. Es findet insbesondere dann statt, wenn es um die intimsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens und um wichtige Sachverhalte und Probleme des Alltags geht. Politische Entscheidungen oder wissenschaftliche Diskussionen finden dort keinen Platz. (vgl. Hale 2007:25ff)

Roberts (1997:9) zeigt drei große Bereichsgruppen des Kommunaldolmetschens auf: Public Service Interpreting, Medical Interpreting und Legal Interpreting. Public Service Interpreting kann als Dolmetschen im öffentlichen Bereich bezeichnet werden. Hierunter fallen beispielsweise Behörden jeglicher Art, Büros von SozialarbeiterInnen, Krankenkassen, Banken oder ähnliche Institutionen. Medical Interpreting beschreibt Dolmetschen im medizinischen Bereich, also etwa in Arztpraxen oder Krankenhäusern. Hsieh (2015:178) merkt an, dass oft Familienmitglieder oder andere ad hoc/Chance Interpreters eingesetzt werden, wobei es dann passieren kann, dass Arzt und DolmetscherIn um die Kontrolle und Vertrauen des/der PatientIn kämpfen. Zusätzlich zu den möglichen emotionalen Inhalten der Gespräche kommt bei diesem Setting noch die eventuelle Ansteckungsgefahr für DolmetscherInnen hinzu. Legal Interpreting bezieht sich auf Dolmetschen im Rechtsbereich, jedoch nicht, wie fälschlicherweise oft angenommen, auf Dolmetschen vor Gericht. Gerichtsdolmetschen stellt wie Konferenz- und Kommunaldolmetschen eine eigene Kategorie dar. Dolmetschen bei der Polizei, wenn beispielsweise Zeugenaussagen gemacht oder Beschuldigte befragt werden, Besuche bei Anwälten sowie die Vorbereitung von Asylbewerbern auf wichtige Gespräche zählen zu Legal Interpreting. Hild (2015:344ff.) erweitert diese Liste noch um das religiöse Dolmetschen, etwa bei Messen. Sie sieht dies allerdings als Mischform zwischen Kommunal- und Konferenzdolmetschen an. Auch Pöllabauer (2000:184) verweist auf weitere Bereiche, die oft im Zusammenhang mit Kommunaldolmetschen nicht genannt werden, wie der Arbeits- oder Bildungssektor. Zum Arbeitssektor gehört etwa der Arbeitsmarktservice, also die Assistenz und Dolmetschung bei der Arbeitssuche, sowie bei Bewerbungsgesprächen. Meist geht es beim Bildungssektor um Schulen und die Unterstützung von SchülerInnen, die eine andere Sprache sprechen, wie beispielsweise Kinder von MigrantInnen, oder um gehörlose Kinder. Dominieren in den anderen Bereichen meist die Lautsprachen, handelt es sich beim Dolmetschen im Bildungssektor häufig um Gebärdensprachdolmetschen.

Charakteristisch für die meisten dieser Bereiche sind die ungleichen Machtverhältnisse zwischen den KundInnen und den VertreterInnen der Institutionen, sowie die Tatsache, dass häufig angespannte, schwierige Gesprächssituationen entstehen können, die mitunter auch die DolmetscherInnen belasten. So kann es sein, dass die DolmetscherInnen im medizinischen Bereich PatientInnen mitteilen, dass diese bald sterben werden, oder wenn es um Asylverfahren geht, schwere Schicksale und mitunter intime, tragische Geschichten von Flucht und Verfolgung miterleben und dolmetschen.

Ebenso ist es problematisch, qualifizierte DolmetscherInnen zu finden, da ein Mangel an adäquaten Ausbildungs- und Akkreditierungsmöglichkeiten vorherrscht. Des Weiteren erschweren Uneinigkeit unter praktizierenden Kommunaldolmetschenden sowie die daraus resultierende uneinheitliche Terminologie oft die Arbeit. Zusätzlich sind die Arbeitsbedingungen häufig schlecht, da sie unter Zeitdruck und mangelnder Anerkennung vonseiten in anderen Bereichen (etwa Konferenzdolmetschen) tätiger DolmetscherInnen sowie der KlientInnen, die den Einsatz von DolmetscherInnen bisweilen als zeitverschwendend betrachten (Ràsky et al 2003:111), leiden. Außerdem kann es passieren, dass Dolmetscheinsätze im Kommunalbereich nicht bezahlt oder lange Anreisewege nicht vergütet werden. Da Termine kurzfristig abgesagt oder verschoben werden können, stellt ihre Tätigkeit für KommunaldolmetscherInnen möglicherweise einen Zeitverlust dar. (vgl. Pöllabauer 2000:185ff.) Des Weiteren wirkt sich das niedrige Prestige der KundInnen auf das des Kommunaldometschens und den in diesem Bereich tätigen DolmetscherInnen aus.

1.2 DolmetscherInnen

Im Kommunalbereich wirken die DolmetscherInnen gleichzeitig als VermittlerInnen zwischen KundInnen und Institution, an die diese sich wenden. Keine der beiden Seiten kann sich ohne Hilfe des Dolmetschers/der Dolmetscherin verständlich machen, weshalb diese aktiv in das Gespräch miteinbezogen werden. Die Dolmetschung läuft in beide Richtungen zumeist in Form eines Di- oder Trialogs ab. Bei den Seiten handelt es sich zum einen um KundInnen, die im nächsten Kapitel genauer besprochen werden sollen. Oft sind es MigrantInnen, die im Gastland über wenig Macht und wenig Einfluss verfügen. Des Weiteren sind sie oft mit Vorurteilen und geringem Ansehen vonseiten der Gesellschaft konfrontiert. Die andere Seite stellen VertreterInnen von Behörden und Institutionen dar, die über mehr Einfluss und Macht verfügen. Entscheidend sind hier somit das Machtgefälle sowie die voneinander abweichenden Wertesysteme und unterschiedlich normierte Verhaltensweisen. DolmetscherInnen müssen mitunter nicht nur das Gesagte dolmetschen, sondern auch vermitteln und erklären, wieso etwas wie gesagt wurde. Sie müssen folglich die Verhaltensweisen und Wertesysteme beider Seiten kennen und verstehen, damit das Gespräch erfolgreich ablaufen kann.

Anforderungen an DolmetscherInnen sind, ungeachtet ihrer Ausbildung oder Sprache, dass sie über exzellente aktive Sprachkenntnisse in beiden Sprachen verfügen, je nach Situation und Setting sowohl fachsprachliche als auch umgangssprachliche. Des Weiteren kann es sich bei manchen Sprachen, wie etwa dem Arabischen oder Englischen, als notwendig erweisen, auch verschiedene Dialekte beziehungsweise bildungsunabhängige Register und Sprachebenen zu beherrschen. (vgl. Pöllabauer 2010:186ff.)

Obwohl durchaus ein großer Bedarf an DolmetscherInnen besteht, herrscht im Kommunalbereich ein Mangel gut ausgebildeten, qualifizierten Fachleuten. Dies liegt unter anderem am niedrigen Prestige, das diese Dolmetschart mit sich bringt und der negativen Einstellung vieler ihr gegenüber. Jedoch spielen darüber hinaus geringe, beziehungsweise fehlende Vergütung ihrer Dienstleistungen und schlechte Aufstiegsmöglichkeiten eine tragende Rolle. Auch die Tatsache, dass es an Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten fehlt, trägt zu dem Defizit an fachkundigen DolmetscherInnen bei. Gut qualifizierte Dolmetschende entscheiden sich daher oft gegen das Kommunaldolmetschen, obwohl es gerade in diesen Bereichen dringend notwendig wäre, um ein Machtgleichgewicht herzustellen und Menschen Zugang zu Institutionen zu Gewähren. Diese oben aufgelisteten Ursachen tragen somit dazu bei, dass im Kommunalbereich, wie bereits erwähnt, oft auf Laien zurückgegriffen wird.

1.2.1 LaiendolmetscherInnen

Generell kann gesagt werden, dass es sich bei GebärdensprachdolmetscherInnen hauptsächlich um professionelle DolmetscherInnen handelt, abgesehen von Familienmitgliedern die gelegentlich einspringen oder einspringen müssen. Dies gilt sowohl für den Kommunalbereich als auch für andere Dolmetscharten. Im Kommunalbereich dominieren bei Lautsprachen hingegen die LaiendolmetscherInnen. Gründe dafür sind, dass es sich trotz oftmals enormer Investition von Zeit und Geld seitens der DolmetscherInnen in eine Ausbildung nicht lohnt, Kommunaldolmetschen zu praktizieren, da dies keine Garantie dafür darstellt, besser bezahlt zu werden beziehungsweise mehr Aufträge zu bekommen als ein Laie. Auch die Tatsache, dass es sich bei den KundInnen häufig um SprecherInnen von Minderheitensprachen handelt, die zumeist nicht an Universitäten gelehrt werden, führt oft zum Einsatz von LaiendolmetscherInnen, darunter auch Bekannte oder Verwandte, oftmals Kinder, der KundInnen. (vgl. Hild 2015:345)

Einen weiteren wichtigen Faktor stellen die sogenannten Bilingual Practitioners dar, die zusätzlich zu ihren eigentlichen Aufgaben oft als LaiendolmetscherInnen eingesetzt werden. Hierbei handelt es sich um zwei- oder mehrsprachiges Fachpersonal, die einen wertvollen Bestandteil vieler Firmen und Organisationen darstellen. Diese können sich in einigen Bereichen durchaus als nützlicher als DolmetscherInnen entpuppen, da sie sich in ihrem Bereich sehr gut auskennen und notwendiges Hintergrundwissen mitbringen. Auch die Tatsache, dass Dolmetschsituationen für KundInnen als stressig empfunden werden können, spricht für den Einsatz der mehrsprachigen MitarbeiterInnen. Kinder oder ältere Menschen fühlen sich durch Angehörige ihrer eigenen Kultur oft besser verstanden und bauen zu diesen schneller Vertrauen auf. Dadurch wird die Situation für beide Seiten entspannter. Corsellis (2008) merkt allerdings an, dass all diese Vorteile ohne Dolmetschtraining sich auch nachteilig auswirken können. Ihrer Meinung nach werden Sprachkenntnisse oft als ausreichend angesehen, um erfolgreich Dolmetschen zu können. Die Tatsache, dass Erfahrung und Übung ebenfalls eine Rolle spielen, wird oft nicht bedacht und deshalb unterschätzt. Martin (2015:269) orientiert sich an Harris (1976) in seiner Aussage hierzu, dass bilinguale Menschen auch ohne Training bis zu einem gewissen Grad oder etwa in Notsituationen dolmetschen können. Laut ihm entwickeln sie ihre Dolmetschkompetenz durch die in der Gesellschaft durchlaufenen Sozialisation und durch informelles Feedback aus ihrem Umfeld. In Kapitel 2.2 („Natural Translators/Interpreters“) soll näher auf dieses Phänomen eingegangen werden.

Probleme, die sich für LaiendolmetscherInnen ergeben können, ist beispielsweise die Tatsache, dass KundInnen ihre Dolmetschung anzweifeln, da diese Laien nicht als vollwertige Übersetzer anerkennen. So können Dolmetschende als Laien keinen Anspruch darauf erheben, als Fachkraft wahrgenommen und bezahlt zu werden. Auch wissen sie oft nicht, wie sie sich in gewissen Situationen verhalten sollen oder ergreifen aufgrund persönlicher Affinität Partei für die KundInnen. Ebenso ist es möglich, dass instinktiv oder mangels Erinnerungsvermögen möglicherweise relevante Informationen ausgelassen werden und nur das für die DolmetscherInnen subjektiv am Wichtigsten scheinende gedolmetscht wird. Dadurch kann die Gewichtung mancher Aussagen und somit die Perspektive geändert werden. In einigen Settings wie etwa in der Psychotherapie, dem Polizeidolmetschen oder aktuell bei Asylverfahren können aber kleine Details beziehungsweise Wiederholungen wichtig sein und etwa auf ein Trauma oder eine Lüge hinweisen. Auch die Tatsache, dass die DolmetscherInnen gewisse persönliche Merkmale wie Ethnie, Sprache oder Herkunft mit den KundInnen teilen kann dazu führen, dass sie sich oft mit diesen identifizieren. VertreterInnen von Minderheiten sprechen oft die Amtssprache des Landes, in dem sie sich befinden, nicht und sind deshalb auf Hilfe angewiesen. So kann es dazu kommen, dass die DolmetscherInnen sich plötzlich als BeschützerInnen sehen und Mitleid entwickeln, was zu parteiischem Verhalten führen kann. Aus diesen Gründen ist in manchen Ländern der Einsatz von LaiendolmetscherInnen in einigen Settings verboten. (Antonini 2015:277ff.)

Obwohl oft über Kommunikationsschwierigkeiten im Kommunalbereich geklagt wird, verhindern Kostenfaktoren die vollständige Professionalisierung dieses Bereichs. Mehr und vor allem leistbarere Ausbildungsmöglichkeiten würden die Situation für alle Seiten erleichtern und verbessern. (Bahadir 2000:212f.)

1.3 KundInnen

Um eine übersichtliche Darstellung zu gewährleisten, soll bei den KundInnen nur auf Seite der MigrantInnen eingegangen werden und nicht auf die Seite der VertreterInnen der Institutionen und Behörden. Der Kundenkreis beim Kommunaldolmetschen ist ein sehr heterogener, da die Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen kommen, unterschiedliche Sprachen sprechen, verschiedensten sozialen und ethnischen Gruppen angehören und über unterschiedliche beziehungsweise keine Bildungsabschlüsse verfügen. Des Weiteren kann es sich um Personen jeglicher Altersgruppen handeln. Ebenso der Grund, warum sie ihre Heimat verlassen haben, ist bei jedem anders.

Ein Großteil der KundInnen sind jedoch mit Vorurteilen konfrontierte MigrantInnen, die im Gastland über wenig Macht, Einfluss und Ansehen genießen. Für viele besteht dadurch, dass sie in engen, großen Gemeinschaften leben, oft kein Grund, die Sprache des Landes, in dem sie sich aufhalten, zu lernen. So kann es sein, dass sie eventuell schon jahrelang in einer Kultur leben, in die sie nicht oder nur schlecht integriert sind. Das kann lange gut gehen, bis sie auf Dienstleistungen angewiesen sind, für welche die Beherrschung der Landessprache ihres Aufenthaltslandes unabdingbar ist. Es kann sich jedoch auch um Flüchtlinge handeln, die möglicherweise traumatisiert sind. Dadurch kann es sein, dass ihr psychischer Zustand prekär ist und die DolmetscherInnen mit hauptsächlich negativem Gesprächsinhalt zurechtkommen müssen. Nicht nur die DolmetscherInnen identifizieren sich gelegentlich mit den KundInnen, auch VertreterInnen von Behörden und Institutionen fühlen sich häufig mit den DolmetscherInnen verbunden und versuchen zuweilen, diese auf ihre Seite zu ziehen beziehungsweise erwarten dies in manchen Fällen geradezu. (vgl. Pöllabauer 2010:186ff.)

Es kann durchaus sein, dass KundInnen über (rudimentäre) Sprachkenntnisse in der Landessprache verfügen. In manchen Situationen können und wollen sie sich selbst ausdrücken, in anderen benötigen sie die Hilfe der DolmetscherInnen. Je nach Setting ist dies sogar notwendig. Im Polizeidolmetschen beispielsweise sind Interviews mit Delinquenten oft Beweismaterial oder könnten als solches verwendet werden. In diesem Kontext ist es daher besonders wichtig, dass Informationen und Details genau wiedergegeben werden. Hinzu kommt, dass die Polizei ebenfalls unter Zeitdruck steht und erhofft wird, dass der Einsatz von Dolmetschenden die Gespräche beschleunigt und flüssiger ablaufen lässt. In anderen Situationen, etwa bei Hilfsorganisationen, sind die Umstände weniger institutionär und die Vorgaben laxer. Oft ist es für Betroffene wichtig, mit jemandem zu reden. Es kommt in diesem Fall nicht nur auf den Inhalt an, sondern unter anderem auch darauf, sich mit jemandem austauschen zu können und sich ernst genommen zu fühlen. In diesen Fällen sind die DolmetscherInnen nur als Unterstützung anwesend und dolmetschen stellenweise nicht das vollständige Gespräch. (vgl. Antonini 2015:277f.)

1.4 Emotionale Nähe beim Kommunaldolmetschen

Prunč (2010:261) und Bowen (1998:319) nennen die unterschiedliche räumliche und emotionale Distanz zu den KundInnen als Unterschied zwischen Kommunaldolmetschen und anderen Dolmetscharten. Beim Kommunaldolmetschen sind die Dolmetschenden ihren KlientInnen physisch relativ nah, da sie sich meist im gleichen Raum befinden oder nebeneinander sitzen. Aufgrund dessen, dass sie Emotionen, Körperhaltung und Mimik aus unmittelbarer Nähe miterleben, fühlen sie sich ihnen auch auf emotionaler Ebene verbunden. Das gilt oftmals auch für das Telefondolmetschen im Kommunalbereich, da durch das Gesagte und den emotionalen und persönlichen Inhalt direktere Nähe vermittelt wird als beispielsweise bei einer Konferenz. Dolmetschen sie für Familienmitglieder, wird die Situation für die DolmetscherInnen zusätzlich erschwert. Doch auch bei Fremden kann der schmerzliche Inhalt direkt einer Person zugeordnet werden. Hinzu kommt, dass durch ungenaues oder falsches Dolmetschen die Situation für die KundInnen verschlimmert werden kann, da durch fehlerhafte Wiedergabe des Gesagten möglicherweise notwendige Leistungen nicht erzielt werden, was beispielsweise im Konferenzbereich nicht der Fall ist, da diese sich während Konferenzen in schalldichten Kabinen befinden, welche zusätzlich Distanz zu den SprecherInnen gewähren. Zumeist besteht auch keine persönliche Beziehung zwischen DolmetscherInnen und KundInnen.

2. Mehrsprachigkeit: Zweisprachigkeit

Neben dem Kommunaldolmetschen ist die Mehrsprachigkeit ein wichtiger Bestandteil dieser Bachelorarbeit. Hierbei, was sich später auch in der Auswahl der InterviewpartnerInnen zeigt, geht es um Bilingualität als Aspekt von Mehrsprachigkeit. Wie de Groot (2015:32) anmerkt, sind Zweisprachigkeit und Dolmetschen unmittelbar miteinander verknüpft. Zum einen durch den Societal Bilingualism (Pöchhacker 2004:113), Zweisprachigkeit innerhalb einer Gesellschaft, in der das Vorhandensein verschiedener Sprachgruppen dazu führen kann, dass gedolmetscht werden muss. Zum anderen ist die Zweisprachigkeit innerhalb einer Person erst die Voraussetzung dafür, dass diese als DolmetscherIn tätig werden kann. Harris (1976) deutet an, dass im Grunde alle bilingualen Menschen in gewissem Maße DolmetscherInnen sind. Gerade beim Kommunaldolmetschen, in dem in und aus beiden Sprachen gedolmetscht wird, ist der Aspekt der Zweisprachigkeit sehr interessant.

Bilingualismus ist jedoch ein sehr facettenreicher Forschungsgegenstand, dessen tiefgehende Erklärung über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen würde. Dadurch, dass Menschen Sprachen oft zu unterschiedlichen Zeitpunkten lernen, gibt es verschiedene Formen des Bilingualismus. Des Weiteren gibt es verschiedene Bezeichnungen dafür, je nachdem, welche Sprache besser beherrscht wird. Aufgrund des sehr präzise gewählten Themas, insbesondere der bilingual aufgewachsenen LaiendometscherInnen, soll hier insbesondere die Form des simultanen Früh-Bilingualismus näher erläutert werden.

2.1 Simultaner Früh-Bilingualismus

Von simultanem Früh-Bilingualismus ist die Rede, wenn ein Kind gleichzeitig bereits sehr früh mit zwei Sprachen in Berührung kommt und aufwächst. Oft ist deshalb auch von bilingualem Erstspracherwerb die Rede, da beide Sprachen als Erstsprache erlernt und beherrscht werden. Obwohl es Beobachtungen gibt, dass früher simultaner Spracherwerb in einer Verzögerung in der Sprachproduktionsentwicklung resultieren kann, ist ebenso bekannt, dass sich dies schnell wieder ausgleicht. So wird gemutmaßt, simultaner Früh-Bilingualismus führe dazu, dass sich die Betroffenen als Erwachsene oft in beiden Sprachen gleich gut ausdrücken könnten. (Romaine 1995)

Neben der Gleichzeitigkeit des Erwerbs und des frühen Erwerbszeitpunktes gibt es noch weitere die spätere Sprachkompetenz in beiden Sprachen beeinflussende Faktoren. Hierbei spielen vor allem der persönliche Entwicklungsprozess sowie der gesellschaftliche Einfluss eine entscheidende Rolle. Besteht die Gelegenheit, beide Sprachen im täglichen Leben zu verwenden, sei das mit Freunden, Verwandten oder im Schul-/Arbeitsleben, so ist die Motivation, dies auch aktiv zu tun, wesentlich höher. Dadurch steigert sich auch der Anreiz, weitere Sprachbereiche zu eruieren oder die Sprachkenntnisse in beiden Sprachen zu vertiefen und somit auszubauen (vgl. Meisel 2006).

2.2 Natural Translators/Interpreters

Wie bereits erwähnt, ist Zwei- oder Mehrsprachigkeit die unabdingbare Voraussetzung für Translation. Beherrscht ein Individuum nur eine Sprache, kann kein translatorischer Prozess erfolgen. Harris (1976) schreibt der Zweisprachigkeit zusätzlich zu der doppelten Kompetenz, zwei Sprachen zu beherrschen, eine dritte zu. Laut ihm verfügen bilinguale Individuen neben der Sprachkompetenz automatisch über eine gewisse Translationskompetenz von Sprache 1 in Sprache 2 und umgekehrt. Harris geht also einen Schritt weiter und stellt die Behauptung auf, alle zweisprachigen Menschen seien in gewissem Maße DolmetscherInnen, oder Natural Translators, in diesem Fall Natural Interpreters. Laut Harris und Sherwood (1978:155) ist als Natural Translation eine Übersetzungs- oder Dolmetschtätigkeit zu bezeichnen, die von bilingualen Personen ohne spezielles Training in alltäglichen Situationen ausgeführt wird. Vor allem in Hinsicht auf LaiendolmetscherInnen im Kommunalbereich ist dieser Aspekt sehr interessant, da es um alltägliche Situationen und bilinguale Personen, die ohne Ausbildung dolmetschen, geht.

Harris zufolge ist bei Natural Translation vor allem die Informationsübertragung, sprich der Inhalt, wichtig. Die Ausdrucksweise, beziehungsweise linguistische Korrektheit des Gesagten, nehmen eine nebensächliche Rolle ein. Harris und Sherwood (ebda) merken jedoch auch an, dass die Fähigkeit, zu dolmetschen oder zu übersetzen, nicht von heute auf morgen auftaucht, sondern sich über Jahre hinweg entwickelt. Laut ihnen durchläuft ein „Natural Translator” drei Entwicklungsphasen: Pretranslation, Autotranslation und Transduktion. Als Pretranslation bezeichnen sie die Übersetzung einzelner Wörter. In dieser Phase sind Natural Translators noch sehr jung und kommunizieren hauptsächlich mit einzelnen Worten. Die darauffolgende Phase, Autotranslation, zeichnet sich durch die Übersetzung von Geschriebenem oder Gesprochenen, sowohl für sich selbst als auch für andere, aus. Übersetzen beziehungsweise dolmetschen die Natural Translators für sich, sprechen Harris und Sherwood von Intrapersonaler Translation, erfolgt der Übersetzungsprozess für andere ist die Rede von Interpersonaler Translation. Als dritte und letzte Phase identifizieren die Autoren die sogenannte Transduktion, wobei Natural Translators als Vermittler zwischen anderen Personen unterschiedlicher Sprachangehörigkeiten fungieren. Transduktion lässt sich in intra- und extrafamiliäre Situationen und damit in zwei weitere Untergruppen einteilen. (165ff.)

2.3 Mögliche Vorteile von Bilingualismus beim Kommunaldolmetschen

In den folgenden zwei Unterkapiteln werden von der Autorin angestellte Vermutungen bezüglich Vor- und Nachteilen von simultan erworbener Zweisprachigkeit in Bezug auf das Kommunaldolmetschen dargestellt.

Für die Tätigkeit als DolmetscherIn im Kommunalbereich kann zweisprachiges Aufwachsen durchaus Nutzen mit sich bringen. Bilingual aufgewachsene Individuen können sich eventuell freier und eloquenter ausdrücken, als jene, die eine Sprache als Fremdsprache gelernt haben. Die kann dazu führen, dass sowohl KundInnen als auch VertreterInnen der Institutionen die DolmetscherInnen leichter verstehen können, da sie Gedanken klar und schlüssig wiedergeben.

Des Weiteren kann sich die Tatsache, dass zweisprachig aufgewachsene Personen beide Kulturen von klein auf kennen, positiv auf den Verlauf und somit auf das Ergebnis der Dolmetschung auswirken. Fundierte Kenntnisse beider Sprachen und Kulturen erleichtern das Vermitteln zwischen diesen und wirken sich so fördernd auf den Wortwechsel aus. Außerdem können so etwaige Missverständnisse frühzeitig erkannt und durch notwendige Umformulierungen oder Veränderung der Ausdrucksweise vermieden werden. Die Vertrautheit der DolmetscherInnen mit dialektalen und umgangssprachlichen Ausdrücken führt ebenfalls zu einem besseren Verständnis und ermöglicht es diesen, ohne häufiges Nachfragen Gesagtes wiederzugeben. Hsieh (2015:178) merkt an, dass vor allem im Medizindolmetschen der Einsatz zweisprachig aufgewachsener DolmetscherInnen sinnvoll sein kann, da diese zu PatientInnen schneller Vertrauen aufbauen können beziehungsweise Gesagtes natürlicher wiedergeben können. Handelt es sich um Familienmitglieder, so könne dies laut ihr zusätzlich den Vorteil bringen, dass diese das Sprechverhalten der Betroffenen kennen und richtig interpretieren können, da sie auch etwaige falsche Formulierungen oder Auslassungen erkennen.

2.4 Mögliche Nachteile von Bilingualismus beim Kommunaldolmetschen

Bilingualität kann für LaiendolmetscherInnen jedoch auch Nachteile mit sich bringen. So ist es sehr wahrscheinlich, dass sich Dolmetschende ohne Dolmetschausbildung in verschiedenen Situationen nicht gleich gut in beiden Sprachen auskennen und etwa nicht über das notwendige (Fach-)Vokabular verfügen. Aufgrund dessen, dass LaiendolmetscherInnen mangels Bemerkung wahrscheinlich selten beziehungsweise nie auf ihre Fehler aufmerksam gemacht werden, überschätzen sie ihre Fähigkeiten eventuell. Dazu kommt, dass sie möglicherweise aus Scham oder Angst vor Verurteilung nicht zugeben wollen, wenn sie etwas nicht verstehen und so Informationen falsch wiedergeben. Hsieh (2015:179) fügt hinzu, dass in einigen Bereichen wie dem Medizindolmetschen fundierte Fachkenntnisse vonnöten sind, da es um konkrete Bezeichnungen und schlimmstenfalls um Leben und Tod geht. LaiendolmetscherInnen ohne dieses Fachwissen könnten in diesen Fällen Informationen falsch wiedergeben und PatientInnen Schaden zufügen, statt diesen zu helfen. Werden Familienangehörige als DolmetscherInnen eingesetzt, kommt das Risiko hinzu, dass diese nicht über genug emotionale Reife besitzen, um über komplizierte oder persönliche Angelegenheiten zu sprechen. Ein weiterer möglicher Nachteil kann sein, dass die zweisprachigen Personen mangels richtiger Ausbildung oder intensivem Kontakt in einer oder beiden Sprachen über weniger Kompetenz verfügen, als einsprachig aufgewachsene Muttersprachler. Somit kann es passieren, dass ihnen Idiome oder Redewendungen ungeläufig sind.

3. Probleme und Stressfaktoren beim Kommunaldolmetschen

Stress gehört für die meisten Menschen zum Arbeitsalltag. Auch Dolmetschende sind davon betroffen und leiden mitunter an den Auswirkungen und Folgen von Stress. Sogenannte Stressoren gehören beim Dolmetschen quasi schon zu den Arbeitsbedingungen, beziehungsweise werden durch die vorherrschenden Arbeitsbedingungen ausgelöst. Im Folgenden soll nun auf die Arbeitsbedingungen und dadurch bedingten Stressoren für DolmetscherInnen im Kommunalbereich eingegangen werden, um später eine Abgrenzung von bilingualismusbedingten Nachteilen zu ermöglichen. Ob eine Situation als stressig empfunden wird, unterliegt einer interindividuellen Varianz, und den mit der Person assoziierten Erfahrungen, ab.

Wie bereits in Kapitel 1.1 beschrieben, können die Arbeitsbedingungen oder Settings für KommunaldolmetscherInnen unterschiedlich sein. Viele dieser Settings wirken sich förderlich auf die Entstehung von Stress aus. Dazu gehört beispielsweise, dass die DolmetscherInnen mit Unbekanntem und oftmals unvorhersehbaren Situationen umgehen müssen, dass sie etwa Begrifflichkeiten nicht kennen oder umschreiben müssen. Je nach Dolmetschsetting können auch unmittelbare Gefahren für die Gesundheit und die Sicherheit der DolmetscherInnen bestehen. Diese Risiken, wie beispielsweise die erhöhte Infektionsgefahr beim Medizindolmetschen oder die eventuelle Gefährdung der eigenen Sicherheit beim Polizeidolmetschen (Pöchhacker 2004), sind ebenfalls stressprovozierend und -hervorrufend.

Auch Zeitdruck spielt bei der Entstehung von Stress eine große Rolle, da Termine beim Arbeitsamt oder im Krankenhaus oft zeitlich genau bemessen sind. Das führt dazu, dass die DolmetscherInnen möglicherweise Informationen kürzen oder weniger genau wiedergeben müssen. Dadurch lastet auf ihnen ein großer Druck, da sie entscheiden, was wichtig ist und was nicht. Vor allem für Laien kann dies eine immense Belastung darstellen. Ebenso können zu lang andauernde Dolmetscheinheiten ein Problem für LaiendolmetscherInnen im Kommunalbereich darstellen. Übermäßig lange Dolmetscheinsätze sind nicht nur anstrengend, sondern führen auch zu einem Leistungsabfall, der von den DolmetscherInnen oft unbemerkt bleibt. Vor allem unerfahrene Personen, die über keine Dolmetschausbildung oder Training verfügen, können ihre eigene Leistung dann nicht mehr gut einschätzen und überschätzen sich häufig (vgl. Moser-Mercer et al 1998:62).

Andere Rahmenbedingungen, etwa weitere beteiligte oder störende Personen, können ebenfalls Stress entstehen lassen. Gile (2009) merkt an, dass meist nicht auf diese externen stressauslösenden Faktoren eingegangen wird. Diese sind allerdings beim Kommunaldolmetschen besonders häufig und ausschlaggebend, da DolmetscherInnen sich nicht abgeschieden in einer Kabine befinden, sondern direkten Kontakt mit den Klienten haben. Dies kann mitunter auch deswegen Stress verursachen, da fremde Leute das Gespräch unterbrechen können. Nicht zu unterschätzen ist auch der möglicherweise emotional belastende Inhalt des Gesprächs. Handelt es sich etwa um Opfer von Gewalt oder Missbrauch, kann es oft sowohl für die Betroffenen, als auch für DolmetscherInnen eine schwierige, emotional herausfordernde Situation darstellen. Solche geladenen Inhalte sind typisch für den Kommunalbereich, da er alle Bereiche des menschlichen Alltags umfasst, somit auch die unangenehmen oder gar widerwärtigen.

Andere Rahmenbedingungen, etwa weitere beteiligte oder störende Personen, können ebenfalls Stress entstehen lassen. Gile (2009) merkt an, dass meist nicht auf diese externen stressauslösenden Faktoren eingegangen wird. Diese sind allerdings beim Kommunaldolmetschen besonders häufig und ausschlaggebend, da DolmetscherInnen sich nicht abgeschieden in einer Kabine befinden, sondern direkten Kontakt mit den Klienten haben. Dies kann mitunter auch deswegen Stress verursachen, da fremde Leute das Gespräch unterbrechen können. Nicht zu unterschätzen ist auch der möglicherweise emotional belastende Inhalt des Gesprächs. Handelt es sich etwa um Opfer von Gewalt oder Missbrauch, kann es oft sowohl für die Betroffenen, als auch für DolmetscherInnen eine schwierige, emotional herausfordernde Situation darstellen. Solche geladenen Inhalte sind typisch für den Kommunalbereich, da er alle Bereiche des menschlichen Alltags umfasst, somit auch die unangenehmen oder gar widerwärtigen.

Dadurch, dass die KlientInnen oft Teil einer Minderheit sind, kann es passieren, dass sie versuchen, die DolmetscherInnen auf ihre Seite zu ziehen und in ihnen quasi Verbündete zu finden, da sie die gleiche Sprache sprechen und eventuell aus dem gleichen Kulturkreis stammen. Allerdings werden auch vonseiten der Institution oder Behörde Anforderungen an DolmetscherInnen gestellt und oftmals erwartet, dass im Interesse der Institution gehandelt wird. So kann es passieren, dass DolmetscherInnen in eine Art Zwickmühle gelangen, was zu einer weiteren Akkumulation von Stressoren führen kann.

3.1 Stressreaktionen

Auf Stress kann verschieden reagiert werden. Hierbei besteht eine große interindividuelle Varianz. Im Allgemeinen kann zwischen emotional-kognitiven und vegetativ-physiologischen Stressreaktionen unterschieden werden. Zu Letzteren zählen zum Beispiel Hitzewallungen, Flush, übermäßige Transpiration oder Stottern. Auch Reaktionen, die das Verhalten beeinflussen, werden dieser Untergruppe hinzugerechnet. Diese Reaktionen sind meist sichtbar und lassen sich nur schwer verbergen oder kontrollieren.

Emotional-kognitive Stressreaktionen sind hingegen nur selten sichtbar. Oftmals werden sie von den betroffenen Personen gar nicht bemerkt. Hierzu zählt vor allem die kognitive Überforderung und das kognitive Versagen während einer Dolmetschung. Ausgelöst werden diese durch eine generelle Überforderung mit der (Dolmetsch-)Situation. Hierbei kann wiederum zwischen kognitiven und sprachspezifischen Problemauslösern unterschieden werden. Zu den kognitiven Problemauslösern zählen etwa die inhaltliche Dichte des Gesagten oder schlechte Antizipation vonseiten der DolmetscherInnen. Unbekannte Namen, schwierige Fachterminologie, unterschiedliche Syntax der beiden Arbeitssprachen und allgemein grammatikalische und lexikalische Aspekte fallen unter die Kategorie der sprachspezifischen Problemauslöser (vgl. Gile 2009:192ff).

3.2 Strategien zur Stressbewältigung

Es gibt einige von Dolmetschenden angewandte Strategien, um Stress zu bewältigen oder diesem vorzubeugen. Im Folgenden sollen nun exemplarisch einige Strategien dargestellt werden. Ein detaillierter Einblick würde den Rahmen dieser Bachelorarbeit sprengen, jedoch ist ein Überblick für den später folgenden empirischen Teil relevant. Es soll unter anderem erhoben werden, wie unausgebildete LaiendolmetscherInnen im Kommunalbereich mit Stress umgehen. Hierbei ist vor allem interessant, welche Strategien sie anwenden, ob sie etwa instinktiv die bewährten finden, oder ob sie eigene Strategien entwickelt haben.

Unterschieden werden kann zwischen sogenannten Präventivstrategien, Schutzstrategien und Palliativstrategien. Zu den Präventivstrategien zählen jene Dinge, die DolmetscherInnen anwenden, um Stress bereits im Voraus zu vermeiden. Geht man gründlich vorbereitet in eine möglicherweise schwierige Situation, so ist man wesentlich gewappneter und so von vorneherein weniger stressanfällig. Zentral ist hierbei deswegen die Vorbereitung auf die Dolmetschsituation. Laut Kalina (1998) ist das unter anderem auch deshalb wichtig, da DolmetscherInnen beim Dolmetschen a priori über ein Wissensdefizit gegenüber den Gesprächspartnern verfügen. Um sich auf eine Dolmetschsituation im Kommunalbereich vorzubereiten, ist es nicht nur wichtig, Fachtermini und Kollokationen oder nachzufragen, welche Themen angesprochen werden könnten, sondern auch, auf Kulturspezifika der jeweiligen Länder und Kulturen zu achten. Sich mental auf eventuelle schwierige Situationen vorzubereiten, wie etwa zwischenmenschliche Konflikte oder Unverständnis, kann ebenfalls präventiv wirken.

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Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Bilingual aufgewachsen. Fluch oder Segen für LaiendolmetscherInnen beim Kommunaldolmetschen?
Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz
Note
1
Autor
Jahr
2017
Seiten
70
Katalognummer
V383836
ISBN (eBook)
9783668591448
ISBN (Buch)
9783668591455
Dateigröße
689 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bilingual, fluch, segen, laiendolmetscherinnen, kommunaldolmetschen
Arbeit zitieren
Marion Moll (Autor:in), 2017, Bilingual aufgewachsen. Fluch oder Segen für LaiendolmetscherInnen beim Kommunaldolmetschen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383836

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