Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Buzzwords des Recruiting 4.0
2.2 Künstliche Intelligenz
2.3 Digitale Transformation & Big Data
3. Recruiting 4.0
3.1 Schwache Prädikatoren
3.2 Durchschnittliche Prädikatoren
3.3 Starke Prädikatoren
4. Fallbeispiele: Künstliche Intelligenz im Online-Recruiting
4.1 KI als Sourcing Assistent - Jobmehappy
4.2 KI als Funfactor- Simulationen, Tests und Gamification
4.3 Benutzerdefinierte KI – Datenbasierte Talentsuche
5. Trends, Chancen und Risiken
5.1 Trends
5.2 Chancen
5.3 Nachteile und Risiken
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
8. Eigenständigkeitserklärung
1. Einleitung
Artificial Intelligence (AI) ist in den letzten Jahren einer der Treiber der digitalen Transformation geworden und addressiert zunehmend auch organisatorische und planerische Serviceaktivitäten von Unternehmen wie beispielsweise im Human Ressources. Noch vor wenigen Jahren wurde Recruiting traditionell als “people-driven function where trusting your instincts was the accepted default” (Cohen, 2016) angesehen. Heute wird auf Europas größter Fachmesse für Personalmanagement ‚Zukunft Personal’ im September in Köln unter anderem die große Herausforderung des ‚Recruiting 4.0’ diskutiert. Allein zwei der acht Keynote Speaker 2017 befassten sich dabei mit Artificial Intelligence- künstlicher Intelligenz (AI bzw. KI).
Gary Kildares[1] und Nell Watsons[2] Vorträge „The new work of HR: Artificial Inteligence & Exponential Change” und „The Human Factors of Machine Intelligence“ (Zukunft-Personal, 2017) weisen insbesondere in eine Richtung: Der heutigen massiven Datenflut mit künstlicher Intelligenz Herr zu werden, um auf dieser Basis die richtigen Entscheidungen zu treffen.
„Weltweit stehen in der Arbeitswelt heute mehr Informationen zur Verfügung als je zuvor. Bisher war es für den Mensch unmöglich alle vorhandenen Informationen aufzunehmen“ (Kildare, 2017). Innerhalb von 24 Stunden werden heute 2,5 Quintillion (2,3x1018) Bytes an Daten Produziert. Das sind täglich 90% der Daten, die in den letzten 2 Jahren insgesamt produziert wurden. Big Data wächst vier Mal schneller als die Weltwirtschaft, dennoch sind 90% der Daten unstrukturiert (vcloudnews, 2017).
Verbindet man Big Data aber mit KI, ist es plötzlich möglich, diese Informationen zu kanalisieren und operationalisieren, also nutzbar zu machen. Global Pulse, eine Initiative der United Nations, gelang es bereits, Big Data für die globale Entwicklung einzusetzen, indem durch die Auswertung von Nachrichten in sozialen Netzwerken der Verlust von Arbeitsplätzen vorausgesagt werden konnte (vcloudnews, 2017). Doch funktioniert dies auch in die andere Richtung? Kann Big Data mit AI den Schlüssel zum Recruiting liefern? Welches Potential enthält Big Data und kann AI dieses entfalten?
Die Buzzwords des Recruitings 2016 weisen zumindest darauf hin, dass dieses Thema heiß gehandhabt wird. Laut recruiter.com ging der erste Platz an Artifical Intelligence, gefolgt von Rightsourcing, Data-Driven Recruiting, sowie People und Value Propostition (recruiter.com, 2016).
„ Although this term/concept has been around for a long time, it’s just now starting to build up some significant steam in HR and recruiting. Artificial intelligence will allow for massive automation across most industries; one could only imagine the impact it will have on recruiting.” (Cohen, 2016).[3]
Doch ist diese Anpassung an eine transformierte Wirtschaft wünschenswert?
Welche Gefahren, Chancen und Trends sind damit verbunden? Und werden zukünftig auch HR-Abteilungen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen nehmen können?
Da die einzelnen Fachbereiche des Recruitings insbesondere im Rahmen der digitalen Transformation vielfältig sind, beschränkt sich die folgende Arbeit auf den Versuch, anhand von Begriffen und Fallbeispielen einen Überblick und eine Einschätzung über die verschiedenen Anwendungsbereiche von KI im Recruiting zu geben, sowie den Trend zukünftiger Entwicklungen aufzuzeigen. Wenig existierende, aktuelle Grundlagenliteratur zu dem Thema AI erschweren die theoretische Einordnung bestimmter Phänomene, weshalb sich diese Arbeit mehr als Überblickswerk versteht. Dennoch finden sich gute Grundlagen und Gedanken in Peter Gentsch’s Buch Künstliche Intelligenz für Sales, Marketing und Service[4] (2017) oder im Handbook of Human Ressources Management von Mathias Zeuch und hier insbesondere James Purvis Human Resources Marketing and Recruiting: Essentials of Digital Recruiting[5] (2016).
Nach der Einleitung folgt im zweiten Kapitel zunächst eine Erklärung zu den Zusammenhängen von Artificial Intelligence, Big Data, und Recruiting 4.0, während im dritten Abschnitt auf konkrete Fallbeispiele (Business-Szenarien) Bezug genommen wird. Diesem folgt eine Einschätzung der Herausforderungen, Chancen und Trends des AI basierten Recruitings, während im 5. Kapitel ein zusammenfassendes Fazit gezogen wird.
2. Die Buzzwords des Recruiting 4.0
Wie bereits in der Einleitung erwähnt sind die Buzzwords des Recruitings Artifical Intelligence, gefolgt von Rightsourcing, Data-Driven Recruiting, sowie People und Value Propostition (recruiter.com, 2016). AI wird daher in Kapitel 2.1 näher beleuchtet, während in Kapitel 2.2 der Ursprung nach der aufkommenden Nachfrage nach Recruiting Technologien untersucht und die grundsätzliche Datenbasis erklärt wird.
Grundsätzlich muss festgestellt werden, dass sich im Internet und in fast jeder Fachzeitschrift Artikel zu AI und deren Anwendungsmöglichkeiten finden, jedoch wenig fachbezogene Literatur über AI im Recruiting existiert. Auch die Vorstellung von AI divergiert und eine gemeinsame Sprache mit klaren Definitionen ist oftmals nicht gegeben. Das erschwert die Einordnung der vorkommenden Phänomene künstlicher Intelligenz. Zudem ist zwar ein großer Wille vorhanden, AI auf die Agenda zu bringen und dem Zug der digitalen Transformation aufzuspringen, auf der anderen Seite herrscht aber auch eine große Unklarheit über die genaue Vorstellung des Vorgehens. In den folgenden Unterkapiteln wird der Zusammenhang von digitaler Transformation, Big Data, Algorithmen und AI zum Recruiting Gegenstand der Erläuterung sein, um ein gezieltes User Case zu schaffen.
2.2 Künstliche Intelligenz
Bereits in den 70er und 80er Jahren befasste sich die Informatik mit dem Themenfeld KI. Damals noch Ausnahme divergierten sich grade im Bild- und Sprachverarbeitung Teilgebiete künstlicher Intelligenz heraus, die außerhalb der klassischen Informatik verordnet waren: Mustererkennung aus der Elektrotechnik oder Computer- aus der klassischen Linguistik fanden Einzug in die Informatik (Furbach, 2011). AI war zunächst dennoch in der Computer-Programmierung verordnet, heute erforscht es in erster Linie das menschliche Denken.
Die Existenz enormer Datenmengen, große Heterogenität und fehlende Struktur hatten die Versuche, Daten für AI nutzbar zu machen, bisher sehr erschwert. 1996 beschreibt Hans Julius Schneider beispielsweise den Versuch, eine Metapher maschinell übersetzen zu lassen – der kläglich scheiterte.[6] Auch Schneider sah die Metapher damals als Sinnbild der Übertragung kognitiver Denkmuster auf künstliche Intelligenz.
AI hat in den letzten Jahren einen großen Sprung aus dem wissenschaftlichen Bereich in fast jede Unternehmensagenda geschafft. Unter Führungskräften, Managern und Analysten erhoffen sich laut einer Studie[7] der Boston Consulting Group und dem US-Wirtschaftsrevue MIT Sloan Magazin etwa 85% der Befragten Wettbewerbsvorteile durch künstliche Intelligenz. 36% der als ‚Passiv’ bezeichneten Teilnehmer der gleichen Befragung verfügen jedoch über kein oder wenig Wissen künstlicher Intelligenz.
Grundsätzlich handelt es sich bei KI um die Entwicklung oder Weiterentwicklung intelligenter Maschinen, mit gleicher oder besserer menschlicher Intelligenzleistung, meist durch einen Algorithmus. Eine starke KI, die mit der Mechanisierung des menschlichen Denkens gleichgesetzt wird, ist auch heute noch eine Vision. Im Oxford Dictionary befindet sich eine einfache Definition:
„ The theory and development of computer systems able to perform tasks normally requiring human intelligence, such as visual perception, speech recognition, decision-making, and translation between languages” (Oxford Dictionary, 2017).
Wird über KI gesprochen ist dementsprechend vorwiegend die schwache Form künstlicher Intelligenz gemeint. Diese ‚Künstliche Intelligenz’ ist beispielsweise in Tamagotchis enthalten, findet sich in den Roboterarmen jeder Automobilhersteller, aber auch die 1,7 Millionen Suchergebnisse in 0,49 Sekunden bei Google zählen dazu. Ein großer Trend sind ferner Bots- und Messaging-Systeme. „Vordergründig geht es um neue Kommunikationsschnittstellen, die als logische nächste Evolutionsstufe Effizienz- und Convenience-Vorteile mit sich bringen“ (Gentsch, 2017, S. 83). Was Gentsch als strategische, organisatorische und technologische Aufgaben des Conversational Commerce versteht ist laut dem Institut für Competitive Recruiting (ICR) die „konsequente Ausrichtung des Recruiting-Prozesses auf die Nutzung von Daten für die anstehenden Entscheidungen" und als Data Driven Recruiting definiert. (ICR, 2016). Hier ist die Künstliche Intelligenz also mehrheitlich ein auf Algorithmen zurückzuführender Prozess der Automatisierung und Matching-Technologien digitaler Dienstleister.
In den meisten Use Cases wird AI für Bedarfsanalysen bis zum Active Sourcing eingesetzt, bei einem Groß an Daten können sogar „Aussagen über die Wahrscheinlichkeit von Entscheidungen getroffen werden (Predictive Recruiting)“ (ICR, 2016). Aber woher stammen die Daten, auf deren Grundlage diese Entscheidungen getroffen werden sollen? Welche Daten stehen überhaupt zu Verfügung und wie können diese erhoben und gespeichert werden? Big Data Lösungen im Zuge der digitalen Transformation können hierauf eine Antwort geben.
2.3 Digitale Transformation & Big Data
Grade datengesteuerte Industrien standen bisher vor der Herausforderung der Speicherung von Daten. Heute bietet beispielsweise IBM Kompaktlösungen für die Datenanalyse und speichert unbegrenzte Datenmengen in einer imaginären ‚Cloud’, sogenanntem Cloud Computing (IBM, 2017). KI dient mit der Cloud als Schnittpunkt der Datenverarbeitung, welche wiederum die Basis für richtige Entscheidungen aus einer Flut aus Informationen herausfiltert.
Aber Cloud Computing ist nur ein Beispiel für Technologien für die als fortlaufender Veränderungsprozess bezeichneten digitalen Transformation von Unternehmen und der Gesellschaft. Unter Digitaler Business Transformation wird in erster Linie auch der Veränderungsdruck, der vom Kunden ausgeht, verstanden (vgl. Keuper, 2013). Die Entstehung von Online Shops oder Apps, welche Kundenbedürfnisse befriedigen, oder erst entstehen lassen, sind zunehmend auch beim Sourcing und Recruiting gefragt. Auch hier sollen Geschäftsprozesse optimiert und innovative Modelllösungen gefunden werden, denn Digitalisierung kann zu einem bestimmenden Erfolgsfaktor im Recruiting werden.
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[1] Chief HR Officer bei IBM Europe
[2] FBCS, FIAP,FRSA; Engineer, Entrepreneur and Futurist Thinker
[3] Dan Cohen ist ehemaliger Sales Director der Platform crowded.com, der nach eigenen Angaben “#1 sourcing and engagement platform for technology talent in NYC” (Linkedin)
[4] Gentsch, P.: Künstliche Intelligenz für Sales, Marketing und Service: Mit AI und Bots zu einem Algorithmic Business – Konzepte, Technologien und Best Practices. Springer Gabler, Wiesbaden, 2017.
[5] Purvis, J.: Human Resources Marketing and Recruiting: Essentials of Digital Recruiting, in: Zeuch, M. (Editor): Handbook of Human Resources Management, Springer Berlin Heidelberg, 2016
[6] „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“ wurde damals maschinell in “the whisky is alright but the flesh is lousy“ übersetzt.
[7] An der Studie “Reshaping Business with Artificial Intelligence: Closing the Gap Between Ambition and Action“ der Boston Consulting Group und dem US-Wirtschaftsmagazin MIT Sloan Management Review haben mehr als 3.000 Führungskräfte, Manager und Analysten aus 21 Industrien in 112 Ländern teilgenommen