Der Begriff der Macht ist ein nicht leicht zu fassender. Nach Hannah Arendt vermischen viele große Denker den Begriff der Macht mit dem der Gewalt1. Die weithin anerkannte Definition von Macht bei Max Weber sieht diese als „Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht “2. Weber setzt schon ein Ziel, das es zu erreichen gäbe voraus und argumentiert in eine andere Richtung als Arendt. Zudem bleibt er so ungenau, dass diese Definition ebenso dem Gewaltbegriff Arendt entsprechen könnte. Neben Max Weber zitiert Hannah Arendt zur Veranschaulichung C. W. Mills, der Gewalt als „aufs höchste gesteigerte Macht“ bezeichne 3. Wie wir sehen werden, funktioniert diese Verbindung nach Arendts Definitionen nicht.
Und Jouvenel rechne zum Wesen des Staates den Krieg; bei Arendt sei Staat aber der bloße Überbau aus Gesetzen und Institutionen, welche durch legitime Machtverhältnisse entstanden seien, und daher Gewalt als Wesenseigenschaft von vornherein ausgeschlossen4. Jürgen Habermas hat Arendts Begriff von Macht grundlegender analysiert und kommt zu dem Schluss, dass dieser vor allem normativ gedacht werden muss. Daher kann er nicht empirisch an bestehenden Machtsystemen geprüft werden. Ein Phänomen wie strukturelle Gewalt kann daher in ihrem Verständnis nicht existieren.
Es soll mit dieser Arbeit unter Zuhilfenahme einer Abhandlung zu Macht von Jürgen Habermas Hannah Arendts Begriff der Macht – auch in Abgrenzung zu dem der Gewalt – dargestellt werden. In der Realität wird dieser wohl in der Reinheit nicht anzutreffen sein, was Arendt auch selber zugibt5. Doch mit einer Begriffsdefinition, die das eigentlich Wesentliche der Macht beschreibt, lassen sich deutlicher bestehende Verhältnisse unterscheiden und Missstände in einem politischen System erkennen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Hannah Arendts Machtbegriff
2.1. Versuch einer empirischen Prüfung
2.2. Sekundärer Zweck der Macht
2.3. Kritik an Hannah Arendt
3. Kritische Betrachtung seitens Jürgen Habermas
3.1. Unterscheidung verschiedener Modelle
3.2. Das Element der strukturellen Gewalt
3.3. Verortung im Naturrecht
4. Fazit
Literaturnachweis
1) Einleitung
Der Begriff der Macht ist ein nicht leicht zu fassender. Nach Hannah Arendt vermischen viele große Denker den Begriff der Macht mit dem der Gewalt[1]. Die weithin anerkannte Definition von Macht bei Max Weber sieht diese als „Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“[2]. Weber setzt schon ein Ziel, das es zu erreichen gäbe voraus und argumentiert in eine andere Richtung als Arendt. Zudem bleibt er so ungenau, dass diese Definition ebenso dem Gewaltbegriff Arendt entsprechen könnte.
Neben Max Weber zitiert Hannah Arendt zur Veranschaulichung C. W. Mills, der Gewalt als „aufs höchste gesteigerte Macht“ bezeichne[3]. Wie wir sehen werden, funktioniert diese Verbindung nach Arendts Definitionen nicht.
Und Jouvenel rechne zum Wesen des Staates den Krieg; bei Arendt sei Staat aber der bloße Überbau aus Gesetzen und Institutionen, welche durch legitime Machtverhältnisse entstanden seien, und daher Gewalt als Wesenseigenschaft von vornherein ausgeschlossen[4].
Jürgen Habermas hat Arendts Begriff von Macht grundlegender analysiert und kommt zu dem Schluss, dass dieser vor allem normativ gedacht werden muss. Daher kann er nicht empirisch an bestehenden Machtsystemen geprüft werden. Ein Phänomen wie strukturelle Gewalt kann daher in ihrem Verständnis nicht existieren.
Es soll mit dieser Arbeit unter Zuhilfenahme einer Abhandlung zu Macht von Jürgen Habermas Hannah Arendts Begriff der Macht – auch in Abgrenzung zu dem der Gewalt – dargestellt werden. In der Realität wird dieser wohl in der Reinheit nicht anzutreffen sein, was Arendt auch selber zugibt[5]. Doch mit einer Begriffsdefinition, die das eigentlich Wesentliche der Macht beschreibt, lassen sich deutlicher bestehende Verhältnisse unterscheiden und Missstände in einem politischen System erkennen.
2) Hannah Arendts Machtbegriff
Hannah Arendt definiert Macht primär als Selbstzweck. Nicht notwendig zur Erreichung von etwaigen Zwecken werde Macht gebildet, sondern um ihrer selbst willen, d.h. die Einigung auf eine Meinung sei das Ziel. Denn Voraussetzung für das Zustandekommen von Macht sei eine Gruppe von Menschen, die sich aufgrund von übereinstimmenden Einzelmeinungen zusammenfände. Die Gruppe, deren Mitglieder die gleiche Meinung zu einem Thema vertreten, könne Macht an einen Vertreter der Gruppe oder auch, staatlich gedacht, an eine Institution verleihen. Dieser Vertreter oder diese Institution repräsentiere „eine Meinung, auf die sich viele öffentlich geeinigt haben“[6].
Die Gruppe stelle sich nur solange hinter die Meinung seines Vertreters, wie dessen Meinung mit der der Gruppenmitglieder übereinstimmt. Tritt die Meinung des Vertreters in Opposition zu der eines oder mehrerer Gruppenmitglieder und ändern diese ihre Meinung nicht, gehören sie nicht mehr zur Gruppe und entzögen dieser insgesamt einen Teil der Macht. Stimmt der Großteil der Gruppe mit ihrem Vertreter nicht mehr überein, könne sie diesem ‚seine‘ Macht vollständig entziehen, ihn entmachten. Eine Vertretung wäre nicht mehr legitim[7].
Hier kommt ein weiteres Merkmal der Macht – neben dem der unbedingten Gruppenbildung – in Abgrenzung zur Gewalt zum Vorschein.
Gewalt verfolge von vornherein ein Ziel, das sie zu erreichen strebt. Zur Durchsetzung greife sie auf Werkzeuge, Hilfsmittel zurück. Selbst ein Individuum könne auf diesem Weg sein Ziel entgegen dem Willen anderer erreichen[8].
Macht dagegen funktioniere ausschließlich gewaltlos. In dem Augenblick, wo Macht auf Gewalt zurück greift bzw. der Vertreter der Gruppe, der, seinem Vertretungsstatus durch die Gruppe enthoben, versucht, seine weniger machtvolle Position mit Hilfe von Gewalt zu verteidigen, werde sie – die Macht – bzw. er – der Vertreter – vollständig machtlos. Die der Macht innewohnende Legitimität gehe verloren. Empirisch beobachtbar sei dieser Vorgang in verschiedenen Situationen[9].
2.1) Versuch einer empirischen Prüfung
Die Gesetze einer Republik würden legitimiert durch die Einigung der Gruppe, die mit der Ausarbeitung dieser beauftragt werde, und der Anerkennung durch das Volk. Bei fehlender Anerkennung, oder genauer bei offensichtlicher Ablehnung der Gesetze seitens des Volkes wäre zur Durchsetzung ein tyrannisches System notwendig.
Die Institutionen der Demokratie erlangten ihre Macht durch eine vom Volk verabschiedete Verfassung. Einer Institution wie dem Bundestag werde seine Macht regelmäßig durch Wahlen bestätigt. Durch die Anerkennung der Mehrheit der Gruppe (hier: des Volkes) werde das Parlament als die Vertretung ihrer Meinung legitimiert; mangelnde Legitimation bestehe demnach dann, wenn eine Mehrheit die Teilnahme an den Wahlen versagte[10]. Eine Aberkennung der Macht der Institutionen werde durch mangelnde Anerkennung – z. B. Widersetzen gegen Staatsorgane und deren Anordnungen – durchgeführt. Nur durch Meinungsänderungen hin zu Kompromissen werde neue Macht aufgebaut. Vollständig verschwinden würde Macht auch in der Demokratie, wenn zur Aufrechterhaltung der Ordnung gegen das die Ordnung legitimierende Volk Gewalt eingesetzt würde. Arendt gibt außerdem zu, dass unkontrollierte Macht Minderheiten unterdrücken und eine Meinungsuniformität ohne Gewalt erzeugen könne, die ein gewisses zwingendes Moment besäße[11].
Der Monarch, der nicht auf die Bedürfnisse seines Volkes eingehe und dieses gegen sich aufbringt, wüsste sich zur scheinbaren Sicherung seiner Macht nicht anders als mit Gewalt durch das Militär, das ihm möglicherweise aufgrund seiner Autorität als Amtsperson folge, zu helfen.
Seine restliche Macht, die ihm durch Teile des Volkes, z. B. einem Adelsstand, verblieben sei, zerstöre er damit selbst. Diese würden ihn nicht mehr machtvoll unterstützen, sondern ihm aus Angst folgen.
Er werde zum Tyrann, der nach Hannah Arendt auf Helfer angewiesen sei, die ihm Macht verleihen[12].
[...]
[1] Arendt, Macht und Gewalt, S 36f.; Sie betrachtet neben den Abhandlungen von C. Wright Mills, Max Weber und Bertrand de Jouvenel noch weitere, die sie ebenfalls als etwas ungenau und nicht treffend was den Machtbegriff anbelangt bezeichnet.
[2] Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 28
[3] Arendt 2003, S. 36; Mills, S. 171
[4] Arendt 2003, S. 36f.; Jouvenel, S. 169
[5] Arendt 2003, S. 47
[6] Arendt 1963, S. 96
[7] ebd. 2003, S. 45
[8] ebd., S. 47
[9] Arendt 2003, S. 42f.
[10] Ein Studienparlament, an dessen Wahlen sich regelmäßig weniger als 1/4 der wahlberechtigten Studenten beteiligt, ist demnach ebenso nicht legitim. In dem Zusammenhang muss die Frage erlaubt sein, was die Gründe dafür sind und ob die Studenten überhaupt ein eigenes Parlament befürworten.
[11] Arendt 2003, S. 43
[12] Arendt 2003, S. 42f.; Wahrscheinlicher ist, dass der Tyrann bloß aufgrund seiner Autorität über seine Helfer herrscht. Der Mythos des Freud’schen Urvaters [Freud, S. 491f.] erzählt von einem tyrannischen Vater, der erst durch die Macht der Söhne, die sich gegen ihn zusammenschlossen – die also eine gemeinsame Meinung vertraten und eine Gruppe bildeten – gestürzt wurde. Doch bis dahin handelte er als autoritärer Vater und starke Persönlichkeit. Macht im Arendt’schen Sinne hatte er bestimmt nicht.
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