Die Phonetische Schrift als Bedingung der Globalisierung


Dossier / Travail de Séminaire, 2015

18 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Traditionen von nicht-literalen Kulturen

3. Unterscheidung der Schriftarten
3.1 Bilderschriften und Logogramme/Wortzeichen
3.2 Phonetische Schrift

4 Konsequenzen der Schrift

5. Schrift und Globalisierung

6. Quellenverzeichnis
6.1 Literatur und wissenschaftliche Texte
6.2 Webseiten

7. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Die globale Kultur ist ein Produkt der ständig vernetzten und automatisierten Gesellschaft. Informationen werden durch Computer verarbeitet, zu neuen zusammengefügt und daraus für den Menschen Handlungen und für ihn relevante Informationen abgeleitet. Als Grundlage dieser Errungenschaft muss die Schrift angesehen werden, die die Automatisierung von Informationen erst möglich machte und damit auch die globale Kultur maßgeblich begünstigt hat. Software und Algorithmen bestehen aus Schriftzeichen, Nachrichten würden ohne Schrift nicht funktionieren und Webseiten, die uns länderübergreifend informieren wollen, wären ohne die Schrift nicht annähernd so reizvoll, wie sie es auf der ganzen Welt sind. Die Literalität ist demnach eine Grundvoraussetzung für die Globalisierung. Wer nicht lesen und schreiben kann, kann an der modernen Gesellschaft nicht teilhaben.

Folgend soll aufgezeigt werden, welche Auswirkungen die umfassende Lese- und Schreibfähigkeit auf eine Kultur hat. Grundlage der Darstellung ist das Essay „Die Konsequenzen der Literalität“ von Jack Goody und Ian Watt. Um die Auswirkungen zu verstehen, wird zunächst beschrieben, wie Traditionen von oralen Kulturen aussahen, um dann die Konsequenzen unserer heutigen literalen Kultur zu >verstehen. Dabei wird vor allem auf die Entwicklung der Schrift eingegangen.

Da dieser Text bereits 1968 erschienen ist, endete dieser vor der Massentauglichkeit des heutigen Internets und damit auch vor dem Aufstieg der Globalisierung. Waren es 1993 noch gerade mal 0.3% der Weltbevölkerung, die das Internet nutzten, so waren es 2014 bereits 40,4% der Weltbevölkerung1, was zeitgleich in die Anfangsphase der Globalisierung fällt. Diesbezüglich fällt auf, dass die Internetnutzung in Industrieländern heute bei 78% liegt und in Afrika jedoch nur bei 19%2. Zudem kommen neun von zehn Länder aus Afrika, die weltweit die niedrigste Alphabetisierungsrate aufweisen.3 Kombiniert liegt die Alphabetisierungsrate in Afrika bei 60%4, was unter den Kontinenten weltweit das Ende markiert, genau wie es bei der Internetnutzung der Fall ist. Zufall ist das sicherlich nicht. Wer nicht lesen und schreiben kann, wird notwendigerweise von der globalen Kultur ausgeschlossen und damit auch vom Internet.

Um zu zeigen, wie die heutige Schrift die Globalisierung maßgeblich begünstigt hat, soll Harry Redner mit seinem Buch „Conserving cultures: technology, globalization, and the future of local cultures.“ die Gedanken von Goody und Watt weiterführen.

2. Traditionen von nicht-literalen Kulturen

Nicht-literale Kulturen sind Kulturen, die zum Großteil oral funktionieren und damit kein ausgeprägtes Schriftsystem besitzen, welches von vielen Mitgliedern der Kultur gelesen oder geschrieben werden kann. Erst wenn wir traditionelle Kulturen vor dem umfangreichen Gebrauch von Schrift verstehen, können uns die Konsequenzen begreiflich werden. Gucken wir uns diesbezüglich zunächst an, was eine orale Kultur ausmacht. Goody und Watt unterscheiden dabei drei Elemente: a. Materieller Fundus wie z.B. Höhlenmalerei, Werkzeuge, Artefakte etc., b. Nachahmung von Verhaltensmustern durch kochen oder jagen und c. sprachliche Vermittlung von Wissen und sozialen Strukturen einer Kultur als ihr bedeutsamstes.5 Die direkte mündliche Überlieferung von Person zu Person ist das zentrale Element, was eine orale Kultur ausmacht und sie in der Gegenwart definiert. Auf Definitionen von Wörter kann nicht zurückgegriffen werden, sie ratifizieren sich im Gespräch und durch die jeweilige Situation und können dabei auch eine andere res. neue Bedeutung erlangen. „Im Gegensatz zum materiellen Inhalt der kulturellen Tradition […] werden diese Elemente der Kultur allein im menschlichen Gedächtnis aufbewahrt.“6 Somit werden Gesten und Veränderungen in der Stimme wesentlich wichtig, um Nuancen im Bedeutungsgehalt zu verstehen. Das Individuum wird dabei „gründlicher sozialisiert“.7

Dieser ständige Prozesse der Neuausrichtung und Kalibrierung von Sprache hat dabei wesentlich einen funktionellen Grund, der in der Ökonomie einer Kultur gesucht werden kann. „So haben die Bewohner der pazifischen Insel Lesu nicht ein, sondern ungefähr ein Dutzend Wörter für Schweine, je nach ihrem Geschlecht, ihrer Farbe und ihrer Herkunft.“8 Schweine haben eine wichtige Stellung innerhalb dieser Kultur, weil sie als reichhaltige Proteinquelle das Überleben der Individuen sichert. Somit hängt das Benennen der Welt maßgeblich von der Nützlichkeit der jeweiligen Wörter gegenüber der Außenwelt ab, was zur funktionalen Anpassung von Sprache führt.9

Dieser funktionale Charakter bestimmt auch auf anderen Ebenen die kulturelle Tradition und damit die Verstehenskategorien, die das Wahrnehmen der Welt ausmachen. Da orale Kulturen keine zeitlichen Dokumente besitzen, die durch komplexe Schrift Vergangenes festhalten, ist das aktuellen Geschehen der Gegenwart ein überaus prägendes Element, welches täglich eine neue semantische Ratifizierung von Sprache im Gedächtnis bestimmt. „Die Sprache entwickelt sich in enger Verbindung mit der Erfahrung der Gemeinschaft, und das Individuum erlernt sie im unmittelbaren Kontakt mit anderen Mitgliedern seiner Gruppe.“10 Die sprachliche Anpassung kann als der zentrale Unterschied von literalen und nicht- literalen Kulturen angesehen werden.

Wenn man so will, ist diese Anpassung eine natürliche Funktion des Gehirns. Da es keine Möglichkeit zur umfassenden Speicherung von Wissen auf Papier oder ähnlichen Medien gab (Höhlenmalereien sind ein Versuch, können aber nicht das komplette Wissen einer Kultur speichern), reguliert sich das Gehirn selbst, um sich und die Kultur zu erhalten. „Was von sozialer Bedeutung bleibt, wird im Gedächtnis gespeichert, während das übrige in der Regel vergessen wird. […] Die soziale Funktion des Gedächtnisses - und des Vergessens - lässt sich daher als die Endstufe dessen auffassen, was man die homöostatische Organisation der kulturellen Tradition in nicht-literalen Gesellschaft nennen könnte.“11 Mnemonische Muster wie Vorträge, Rituale, Trommeln oder Sprechmuster sollen diesbezüglich helfen, Inhalte des Gedächtnis vor dem Vergessen zu schützen. Der wiederholende Zwang in der Gegenwart soll Inhalte und Wissen in der Gegenwart und damit bei jüngeren Generationen halten ggf. auch übertragen.

Dieses Verhindern vorm Vergessen ist für Kulturen ebenfalls wichtig, da Sprache und seine Inhalte als Erklärung dienen, um soziale Beziehungen innerhalb einer Kultur darzustellen, die wiederum den Ursprung der Welt erklären sollen. Die Anpassung von Sprache ist bei den Genealogien von Kulturen besonders gut zu erkennen - sie halten Generationen fest, die teilweise bis zum namengebenden Stammvater reichen 12 und regulieren Recht und Normen innerhalb einer Kultur. „Sie fungieren als Stützen für Systeme sozialer Beziehungen.“13 Darüber hinaus erklären sie die Entstehung der menschlichen Kultur und können diesbezüglich als Mythen angesehen werden, die je nach Funktion und Nützlichkeit geändert und angepasst werden können. Einfache Fragen wie Wer bin ich?, Warum ist das so? oder Wo kommt mein Stamm her? werden so beantworten und geben damit eine Erklärung für die eigene Existenz und Außenwelt. Dementsprechend fasst jede Generation bestimmt Dinge anders auf oder bekommt unterschiedliche Dinge mitgeteilt; je nach Wichtigkeit oder Nützlichkeit verändert dies die Genealogien von Kulturen und damit auch die Erklärungen über die Welt. Das bewirkt, dass Geschichtsschreibung und bloßer Mythos verschmelzen und es dementsprechend keine Unterscheidung gibt.14

Wir können also festhalten, dass Sprache in oralen Kulturen der Nützlichkeit unterworfen und dementsprechend selbstregulierend in Bezug auf ihren Umfang im Gebrauch ist, da sie im Wesentlichen die sozialen Gefüge innerhalb der Kultur regulieren soll. Unwichtiges, was nicht dem Erhalt dient, wird dabei nichtig. Demzufolge gibt es auch keinen Widerspruch mit der Vergangenheit, da es keine gesammelten chronologischen Aufzeichnungen gibt, die etwas wie Geschichtsschreibung ermöglichen könnten. Orale Kulturen leben fast ausschließlich in der Gegenwart und erfahren auch die Vergangenheit stärker durch die ökonomischen Interessen der Gegenwart. „ […] da die Individuen jeder Generation das Vokabular, die Genealogien und Mythen ihrer Gesellschaft neu erwerben, bemerken sie nicht, das bestimmte Wörter, Eigennamen und Geschichten verschwunden sind, daß andere ihre Bedeutung verändert haben und ersetzt worden sind.“15

3. Unterscheidung der Schriftarten

Um von einer literalen-Kultur sprechen zu können, müssen wir zunächst die verschiedenen Typen der Schrift beleuchten, die sich weltweit in verschiedenen Kulturen parallel herausgebildet haben. Denn nicht jede Schriftart hat das Potential eine Kultur literal werden zu lassen. Erst mit dem Verstehen des Schrifttypus, lassen sich auch die Konsequenzen erläutern. „Eine Schrift aber bewirkt ihrerseits Veränderung in der Überlieferung anderer Elemente des kulturellen Erbes. Das Ausmaß dieser Veränderungen hängt von der Natur und der sozialen Verbreitung der Schrift ab, das heißt, von der Leistungsfähigkeit der Schrift als Verständigungsmittel und von den sozialen Beschränkungen, denen sie unterliegt, als dem Grad, in welchem der Gebrauch der Schrift in der Gesellschaft verbreitet ist.“16

3.1 Bilderschriften und Logogramme/Wortzeichen

Bilderschriften sind einfache graphische Formen, um sich auszudrücken. Dazu zählen z.B. Höhlenmalereien, Felsenzeichnungen oder Schnitzereien. Diese Symbole sind äußerst universell einsetzbar, haben aber aufgrund ihrer Komplexität etwas ausdrücken zu wollen, kaum Verbreitung gefunden. Um mit Bilderschriften etwas umfangreiches darstellen zu können, werden sehr viele Zeichen gebraucht, was die Anwendung sehr umständlich macht. Hinzukommt, dass sich damit nur eine begrenzte Zahl von Dingen ausdrücken lässt, da die Symbole auf Gegenständen der sozialen und natürlich Ordnung basieren.17 Abstrakte Begriffe, die kein Gegenstand darstellen, wie z.B. das Leben, lassen sich nur schwerlich bis gar nicht darstellen.

Eine geringfügige Weiterentwicklung der Bilderschriften stellen die Logogramme res. Wortzeichen dar. Mit dieser Weiterentwicklung wurde versucht, die Komplexität zu reduzieren und gleichzeitig mehr Möglichkeiten in der Verwendung zu schaffen.

[...]


1 Internet Live Stats, Anteil der Internetnutzer an der Weltbevölkerung in den Jahren 1993 und 2014

2 ITU, Anteil der Einwohner in ausgewählten Regionen, die das Internet nutzen im Jahr 2014

3 WHO, Länder mit der niedrigsten Alphabetisierungsrate unter Erwachsenen im Jahr 2012

4 WHO, Alphabetisierungsrate unter Erwachsenen nach Weltregionen im Jahr 2012

5 Goody, Watt, S. 65

6 Goody, Watt, S. 65

7 Goody, Watt, S. 66

8 Goody, Watt, S. 66

9 Goody, Watt, S. 67

10 Goody, Watt, S. 68

11 Goody, Watt, S. 68

12 Goody, Watt, S. 70

13 Goody, Watt, S. 69

14 Goody, Watt, S. 71/72

15 Goody, Watt, S. 73

16 Goody, Watt, S. 73

17 Goody, Watt, S. 74

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Die Phonetische Schrift als Bedingung der Globalisierung
Université
Free University of Berlin
Note
1,0
Auteur
Année
2015
Pages
18
N° de catalogue
V384905
ISBN (ebook)
9783668597037
ISBN (Livre)
9783668597044
Taille d'un fichier
570 KB
Langue
allemand
Mots clés
Schrift, Globalisierung, Tradition
Citation du texte
Felix Wieduwilt (Auteur), 2015, Die Phonetische Schrift als Bedingung der Globalisierung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/384905

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