Terra incognita. Ukraine, Ukrainer und Ukrainisch

Eine enzyklopädische Sammlung


Livre Spécialisé, 2017

400 Pages, Note: sehr gut


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitungswort

2. Babyn Jar. 75. Gedächtnistag

3. Tschernobyl. 30. Gedächtnistag

4. 25 Jahre Unabhängigkeit: Die Ukraine im Überlebenskampf

5. Vorgeschichte

6. Kyjiwsʹka Rusʹ

7. Ukraine

8. Ukraine in Zahlen und Fakten

9. Demographische Situation in der Ukraine

10. Ukrainische Sprache

11. Bildung

12. Kultur als Spiegel der Gesellschaft

13. Ukrainische Diaspora

14. Prominente Ukrainer

15. Erfindungen der Ukrainer, die die Welt geändert haben
15.1. In der Medizin und Naturwissenschaft
15.2. In der Technik
15.3. In Medien und Kommunikationen
15.4. Sonstige Erfindungen

16. Nobelpreisträger ukrainischer Herkunft

17. Ukrainische Kandidaten für den Nobelpreis

18. Kandidaten für den Friedensnobelpreis in der Ukraine

19. Ukraine hat einen eigenen Nobelpreis

20. Berühmte ukrainische Wissenschaftler
20.1. In der Medizin und Naturwissenschaft
20.2. In der Technik
20.3. In der Mathematik und Physik
20.4. In Medien und Kommunikationen
20.5. In der Geschichte und Philologie

21. Autoren und Verleger erster ukrainischer Bücher

22. Berühmte ukrainische Politiker und Staatsmänner

23. Berühmte ukrainische Philosophen, Historiker, Schriftsteller und Dichter

24. Berühmte ukrainische Lehrer

25. Berühmte ukrainische Künstler
25.1. Komponisten
25.2. Sänger
25.3. Schauspieler, Dramatiker, Regisseure, Dirigenten, Tänzer
25.4. Architekten, Maler, Bildhauer, Kunsthandwerker

26. Berühmte ukrainische Sportler

27. Bedeutende ukrainische Unternehmer- und Mäzenenfamilien
27.1. Chanenkos
27.2. Doroschenkos
27.3. Symyrenkos
27.4. Kistjakiwskis
27.5. Tarnowskis
27.6. Tereschtschenkos
27.7. Tobilewitschs
27.8. Andere Mäzene

28. Dunkle Seiten der ukrainischen Geschichte
28.1. Judenpogrome
28.2. Massaker in Wolhynien und Ostgalizien

29. Die Zukunft der Ukraine

30. Personenverzeichnis

31. Illustrationen

32. Kurz über die Verfasserin

1. Einleitungswort

Leise weint die Ukraine blutig-heiße Tränen,

Henker baut seinen "morgen" auf dem Menschenleiden.

Bitter weint die Ukraine mit dem schweren Stöhnen,

Wäscht mit Tränen ihre Kinder, gefallene Söhne.

Weint die Wiege-Ukraine sowie jede Mutter,

Die ihr Sohn gelassen hatte, der Freiheit zu Gute…

Taras Schewtschenko[1]

Das Epigraph zeigt, dass die politische Situation in der Ukraine die gleiche wie sie vor mehr als 200 Jahre war. Das Land mit ihren Schätzen besaß immer eine hohe Begehrlichkeit für verschiedene Eindringlinge.

Auf dem Schauplatz des internationalen Geschehens nahmen die Nachrichten aus der Ukraine seit 2013 (Euromaidan[2] ) zu. Seit 2014 veröffentlichte fast jede Zeitung der Welt die Reportagen aus der Ukraine, bzw. über die Krimkrise[3] und den Krieg in der Ostukraine[4].

Die Verfasserin erinnert sich an ein Phänomen der vergangenen Jahre: Nur wenige Deutsche (außerdem Fachspezialisten) wussten, was die Ukraine ist und wo sie sich befindet. Heutzutage ist es allgemein (dank Medien) bekannt.

Empfehlungswert sind die folgenden Bücher über die Ukraine: Ljubko Deresch[5]. Kult. Suhrkamp Verlag, Berlin 2005; Evelyn Scheer[6] (Hrsg.). Ukraine-Lesebuch. Literarische Streifzüge durch die Ukraine. Verlag Trescher, Reihe Reisen, 2006; Jurij Andruchowytsch[7]. Moscoviada. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012; Andreas Kappeler[8]. Kleine Geschichte der Ukraine. Verlag C.H. Beck, München 2014; Jutta Sommerbauer[9]. Die Ukraine im Krieg. Hinter den Frontlinien eines europäischen Konflikts. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2015; Natascha Wodin[10]. Sie kam aus Mariupol. 4. Auflage. Rowohlt. Berlin 2017.

Aber, die Geschichte, Kultur, die Besonderheit der Sprache, Sitten des ukrainischen Volks, wichtige Ziffern und Fakten sowie die bedeutenden Persönlichkeiten des Landes sind nach wie vor dem deutschen Bürger unbekannt. Deswegen trägt das Buch den Namen „Terra incognita: Ukraine, Ukrainer, Ukrainisch“. Alle Seiten der Ukraine und der Ukrainer, positive sowie negative, zu zeigen, ist die Intention und das Ziel des Buches.

Als Motiv der Entstehung der vorliegenden Publikation dienten drei Daten der neusten ukrainischen Geschichte aus dem Jahre 2016: Der 75. Gedächtnistag der Opfer von Babyn Jar, 30. Gedächtnistag der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl, das 25. Jahr der Unabhängigkeit der Ukraine und die Kriegssituation im Land.

Das Buch wurde wie eine enzyklopädische Sammlung des notwendigen Wissens über den unabhängigen Staat Ukraine strukturiert, verfasst und reich illustriert (siehe Illustrationen am Ende des Buchs).

Die allgemein bekannten Fakten und Daten aus den enzyklopädischen Quellen (verschiedene Enzyklopädien wie deutsche Wikipedia, englische The free encyclopedia, ukrainische Вiкiпедiя, französische Wikipédia/l'encyclopédie libre, polnische Wolna encyklopedia und russische Википедия), die in der Arbeit angeführt wurden, wurden meistens entweder bearbeitet, ergänzt, verkürzt oder übersetzt. Deswegen sind diese nicht als Zitate, sondern als allgemeiner Text präsentiert. Übersetzungen dieser Dateien sowie anderer nicht deutschsprachiger Quellen wurden von der Verfasserin nahe dem Originaltext formuliert.

Der Stoff, der in allgemeinen Lexika nicht dargestellt ist, wird aus den kompetenten Seiten sowie den wissenschaftlichen und publizistischen Quellen oder Archiven genommen, was immer die Remarques oder Fußnoten zeigen.

Im Buch sind bestimmt nicht alle wichtigen Geschehens, Daten und Persönlichkeiten präsentiert oder genannt. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Der Mangel an Informationen, Zeit und Volumen[11] sowie der eigene Standpunkt der Verfasserin.

In der Veröffentlichung sind auch manche allgemeinen Bilder aus verschiedenen Lexika und Enzyklopädien übernommen wurden.

Die Verfasserin ist weder Nationalistin noch Feindin aller anderen Völker. In ihren Adern fließt eine gute Mischung verschiedener Nationen. Zu ihren persönlichen Freunden gehören Russen, Polen, Juden, Grusiner, Ossete, Türken und Deutsche u.a. Sie operiert nur mit bloßen Fakten und Daten, um die historischen sowie politischen und kulturellen Geschehen zu zeigen. Das war eine dringende Notwendigkeit, da die Ukraine sich heute unter harten Bedingungen befindet. Dazu ist die politisch feindliche Propaganda gegen Ukraine, ihre Geschichte und Kultur genauso massiv wie auch trügerisch.[12] Aus den unbekannten Gründen ist die Gegenpropaganda ukrainischer seits sehr zurückhaltend. Als Beispiel kann man Ergebnisse des Pläbiszits in Holland betrachten: Die russische Armee vernichtet das niederländische Flugzeug MH17 mit 298 Insassen (darunter 80 Kinder)[13], die russische Regierung beschuldigt dafür ukrainische Armee und sogenannten ukrainischen Faschisten [14] und Holländer stimmen folgsam gegen die Ukraine in Europa[15]. Das ist nur ein von mehreren Beispielen.

Die Verfasserin hofft auch, dass die Sammlung der interessanten Informationen über die Ukraine, Ukrainer und das Ukrainisch einen guten Dienst für diejenigen leistet, die über das Land, wo sich das geografische Zentrum Europas[16] befindet, mehr wissen und erleben möchten.

Das Buch wurde während der vierzehn Monate (August 2016 -November 2017) verfasst. Eine Anregung zur Forschung gaben zwei Gedächtnistage und ein Jubiläum aus dem Jahr 2016, die in folgenden drei Kapiteln präsentiert werden.

2. Babyn Jar. 75. Gedächtnistag

(Illustrationen 1-2, Seite 155 )

Im September-Oktober 1941 fielen den Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD mehr als 51.000 Juden zum Opfer. Bis zur Einnahme Kiews durch die Rote Armee im November 1943 fanden weitere Massenerschießungen statt, bei denen sowjetische Kriegsgefangene und etliche Zivilisten unterschiedlicher Nationalitäten getötet wurden. Insgesamt betrug die Anzahl der Opfer unterschiedlichen Schätzungen zufolge zwischen 150.000 bis 200.000 Tote.

3. Tschernobyl. 30. Gedächtnistag

(Illustrationen 3-4, Seite 356 )

Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl ereignete sich am 26. April 1986 in Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl nahe der ukrainischen Stadt Prypjatʹ. Auf der siebenstufigen internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse wurde sie als erstes Ereignis der Kategorie katastrophaler Unfall eingeordnet.

Innerhalb der ersten zehn Tage nach der Explosion setzte sich eine Aktivität von mehreren Trillionen Becquerel frei. Die in die Erdatmosphäre gelangten radioaktiven Stoffe kontaminierten infolge radioaktiven Niederschlags hauptsächlich die Region nordöstlich von Tschernobyl sowie viele Länder in Europa.

Rund 800.000 Liquidatoren waren an der Eindämmung der radioaktiven Strahlung und den Aufräumarbeiten nach dem Atomunfall in Tschernobyl beteiligt. Die Mehrheit unter ihnen war einer hohen Strahlendosis ausgesetzt, die zu Krebsfällen oder anderen Krankheiten führte, die oftmals erst Jahrzehnte nach dem Ereignis ausbrachen. 70 Prozent des radioaktiven Niederschlags wurde in Richtung des südlichen Weißrusslands getragen und verstrahlte beinahe ein Viertel des Landes.

Wissenschaftler sind sich uneins, wie groß der Einfluss von Radioaktivität auf die Veränderung der Genstruktur ist. Der renommierte Wissenschaftler Alexej Okeanow beschreibt die gesundheitlichen Folgen des Unfalls allerdings als „ein Feuer, das zu unseren Lebzeiten nicht gelöscht werden kann“.

4. 25 Jahre Unabhängigkeit: Die Ukraine im Überlebenskampf

„Kiew - Am 25. Unabhängigkeitstag ist in der Ex-Sowjetrepublik Ukraine nicht allen zum Feiern zumute. Im Krieg im Osten sterben Menschen, Armut und Korruption prägen den Alltag. Schafft das Land die Wende?

Am 24. August begeht die Ukraine den 25. Jahrestag der Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Präsident Petro Poroschenko wird in der Hauptstadt Kiew als Zeichen neu gewonnener militärischer Stärke eine Parade von 4000 Soldaten sowie Panzern, Haubitzen und Raketenwerfern abnehmen.

Denn das Land muss sich wehren, seit Russland 2014 im Handstreich die Halbinsel Krim wegnahm und im Osten einen prorussischen Aufstand mit Soldaten und Waffen anheizte. „Der Krieg für die Unabhängigkeit geht weiter“, sagte Poroschenko [17] bei der Militärparade vor einem Jahr. In diesen Wochen lassen neue Drohungen von Kremlchef Wladimir Putin sogar eine Ausweitung der Kämpfe befürchten.

Dabei hatten sich die Ukrainer eine glänzende Zukunft erhofft, als ihr Parlament nach dem gescheiterten Putsch gegen den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow im August 1991 die Unabhängigkeit ausrief. Mit mehr als 90 Prozent Zustimmung bestätigten die Bewohner der nach Russland wichtigsten Sowjetrepublik dann im Dezember, dass sie einen eigenen Staat wollten. „Los von Moskau!“ war die Devise. Die Schwerindustrie im Donbass, Raumfahrt- und Raketentechnik und die berühmte fruchtbare Schwarzerde schienen günstige wirtschaftliche Voraussetzungen für die Ukraine zu bieten.

Doch in einem Vierteljahrhundert ist Europas zweitgrößter Flächenstaat nicht auf die Beine gekommen, sondern von Krise zu Krise geschlittert. Das liegt nicht nur am Druck Moskaus. Schuld sind auch verschleppte Reformen, verantwortungslose Eliten und innere Spaltungen. Zwar ist der Graben zwischen dem national-ukrainischen Westen und dem russisch geprägten Osten nie so tief gewesen, wie vom Ausland angenommen; er ist aber auch nie überwunden worden.

Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds ist die Ukraine mit 1790 Euro Durchschnittseinkommen je Einwohner das zweitärmste Land Europas nach der Republik Moldau. Mit Russland konkurriert sie laut Nichtregierungsorganisation Transparency International um den zweifelhaften Titel des korruptesten europäischen Staates.

Die Bevölkerung ist unabhängig von der Annexion der Krim durch Russland geschrumpft durch Abwanderung und geringe Geburtenziffern. Von einst 52 Millionen sind dem Statistikamt zufolge nur noch 43 Millionen Ukrainer übrig - mit weiter abnehmender Tendenz.

Zweimal begehrte die Mittelschicht gegen die Zustände auf: während der Orangenrevolution (2004) und dem Euromaidan (2013-2014). Zwar kämpfte sich das Land in der internationalen Wahrnehmung aus dem Schatten Russlands heraus. Doch die Hoffnungen auf eine Annäherung an den Westen und dessen Wohlstand wurden bisher nicht erfüllt.

Im Gegenteil verfielen mit jedem Umbruch die schwachen staatlichen Institutionen weiter. Idole enttäuschten durch Selbstbereicherung. Die Zivilgesellschaft brachte beim Euromaidan hohe Opfer, trotzdem drohen Reformen wie die Erneuerung der Polizei an Unterfinanzierung und Kompetenzgerangel zu scheitern.

Eine unabhängige Justiz und Rechtssicherheit sind trotz wiederholter Anläufe nicht in Sicht. 76 Prozent der Ukrainer finden, dass die Staatsführung das Land in die falsche Richtung lenkt. Doch geht es in der öffentlichen Diskussion vor allem um Gefahren von außen.

Der ehemalige Präsident Viktor Juschtschenko, auch er ein entzauberter Hoffnungsträger, hat mehrfach vor dem Verlust der Staatlichkeit gewarnt. „Die staatliche Unabhängigkeit nehmen wir nicht auf die leichte Schulter, dafür haben wir einen hohen Preis gezahlt. Wir haben im 20. Jahrhundert sechsmal unsere Unabhängigkeit erklärt und sie fünfmal wieder verloren“, sagte er 2008 der Zeitung „Die Welt“ angesichts des russischen Eingreifens in Georgien.

Acht Jahre später ist die Warnung so aktuell wie nie. Moskau hat sich mit der Krim mehr als vier Prozent des ukrainischen Territoriums angeeignet. Weite Teile der ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk stehen unter Kontrolle der von Russland militärisch unterstützten Separatisten. Daher wirkt es wie ein kleines Wunder, dass auch in diesem Jahr die gelb-blaue Staatsflagge zum Klang der Hymne emporgezogen wird. Viele der Ukrainer werden wie zum Trotz die Zeile singen: „Verschwinden werden unsere Feinde wie Tau in der Sonne.““[18]

5. Vorgeschichte

„Auf dem Territorium der heutigen Ukraine erscheint der Mensch laut Archäologen vor zirka einer Million Jahren. Im 1. Jahrtausend v. Chr. beginnt der schriftliche Zeitabschnitt der Geschichte der Ukraine, und ihre bis zu dieser Zeit namenlosen Stämme hinterlassen zum ersten Mal ihre eigenen Bezeichnungen in Texten antiker Dokumente und Werke. Diese waren Kimmerier, Skythen, Sarmaten und andere Stämme und Völker jener Zeit, welche die riesigen Weiten der eurasischen Steppen erobert hatten. Die wichtigste Beschäftigung dieser Völker war nomadische Viehzucht und Kriegswesen. Die Geschichte der Skythen hat Herodot, der griechische Schriftsteller des 5. Jahrhunderts v. Chr., erzählt. Als wichtigstes Ereignis in der Geschichte des damaligen nördlichen Schwarzmeerraums galt die griechische Kolonisation. Der Stadtstaat Olbia am Unterlauf des Flusses Pivdennyj Bug wurde zu einem der markantesten griechischen Zentren des Schwarzmeerraums. Gleichzeitig wurden aber auch Traditionen eines hoch entwickelten Getreideanbaus, der noch aus den Zeiten der Trypillja-Kultur – in den mit Waldsteppe bedeckten Regionen der heutigen Ukraine unter anderem im Mittleren Dnepr-Gebiet –, stammte niemals unterbrochen. Die Bevölkerung der genannten Regionen stand in vielen Bereichen der Wirtschaft und Kultur in einer engen Wechselwirkung miteinander. Als Ergebnis einer manchmal durch Landstriche getrennten Besiedelung eines Territoriums durch Stämme, welche ihrer Herkunft und ihrem historischen Schicksal nach unterschiedlich waren, entstanden die aus Sicht der Ethnogenese komplizierten Prozesse, die zur Bildung neuer ethnokultureller Gruppen geführt haben. Eine der bevölkerungsreichsten darunter war die slawische Gruppe. An der Wende unseres Zeitalters kommen Slawen unter dem Namen Veneter zum ersten Mal in Werken antiker Schriftsteller vor. Die Geschichte der Ethnogenese der Slawen ist wohl eine der kompliziertesten in der Geschichtswissenschaft. Der Ansatz über die Autochtonie des Slawentums zwischen Dnepr und Oder ist die heute unter Wissenschaftlern am ehesten akzeptierte Theorie; gleichzeitig wird aber auch die Rolle der Migrationsprozesse nicht verleugnet. Aus der Analyse schriftlicher Quellen kann man die Schlussfolgerung ziehen, dass Slawen an der Wende unseres Zeitalters das Territorium der heutigen ukrainischen Regionen Polesien, Wolhynien und des Mittleren Dnepr-Gebiets besiedelten. Die zweite Hälfte des 1. Jahrtausends n. Chr. wurde zu einer Zeit der Herausbildung der ostslawischen Stämme zu einer eigenen ethnographischen Gruppe in Osteuropa. Das Territorium der Ukraine war jene Region, wo ab dem Ende des 4. Jahrhunderts zahlreiche slawische Gemeinschaften Kräfte sammelten, die am Anfang des 6. Jahrhunderts in südwestliche und westliche Richtung aufgebrochen sind und einen wesentlichen Teil des europäischen Kontinents in Besitz genommen haben. Damals erscheinen in Werken byzantischer Geschichtsschreiber, Geographen und Politiker zahlreiche Berichte über Slawen, die als Sklawinen und Anten bezeichnet wurden. Vom 4. Jahrhundert bis zum 7. Jahrhundert existierte auf dem Gebiet der heutigen Ukraine ein Bündnis der Stämme der Anten; seine ungemeine politische Aktivität führte zur Slawisierung eines wesentlichen Teils der Balkanhalbinsel. Auf dem Gebiet des Bündnisses der Anten entstand Ende des 5. Jahrhundert die Stadt Kiew, welcher eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Ostslawen zufiel. Nach dem Zerfall des Staates der Anten wurde Kiew zum Zentrum des Poljanischen (frühere Rus) Fürstentums und später zum Zentrum des ganzen Rus Gebiet. Laut einer Erzählung aus einer Chronik waren die Fürsten des Poljanischen Fürstentums Kyj, Schtschek und Khoryw sowie deren Schwester Lybid die Gründer von Kiew.“[19]

„Die Geschichte der deutschen Wahrnehmung der Ukraine begann im späten sechzehnten Jahrhundert mit den Saporoscher Kosaken, Untertanen des polnischen Königs. […] 1648 hatten sich die ukrainischen Kosaken gegen Polen erhoben und waren plötzlich ins Rampenlicht der Geschichte getreten. In Mittel- und Westeuropa erschien damals eine Vielzahl von Zeitungen, Flugschriften, Broschüren und Pamphleten, die Bohdan Chmelnyzkyj, dem Anführer des Aufstandes, und den dramatischen bewaffneten Auseinandersetzungen mit Polen, den Tataren und dem Moskauer Staat gewidmet waren. Von diesem Zeitpunkt an wurden die Saporoscher Kosaken als eigenständige politische und militärische Akteure wahrgenommen. Daran änderte sich zunächst wenig, als sie sich 1654 unter den Schutz des Moskauer Zaren begaben. Zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts erregte das Überlaufen Hetman Masepas zum schwedischen König im Jahre 1708 Aufsehen. Obwohl die beiden in der Schlacht von Poltawa von Peter dem Großen besiegt wurden und die Kosaken in der Folge ihre Autonomie und Handlungsfreiheit verloren, behielt die Ukraine im achtzehnten Jahrhundert ihren Platz auf der kognitiven Landkarte Europas. […] Die Ukraine steht im Schatten Russlands, das seit mehr als zwei Jahrhunderten die Deutungshoheit über die Geschichte Osteuropas hat. Russland hat bis heute die Ukrainer nicht als eigenständige Nation akzeptiert, sondern betrachtet sie als Teil eines allrussischen Volkes, der sogenannten „russischen Welt“. Diese Wahrnehmung ist vom westlichen Ausland übernommen worden. Die Ukraine wurde in der Regel nicht als eigenständige Akteurin gesehen, die Politik der Großmächte ging über sie hinweg. Nur gelegentlich und kurzfristig traten die Ukrainer aus dem Schatten heraus, meist wenn sie für die Großmachtpolitik instrumentalisiert wurden. […] Im neunzehnten Jahrhundert nahm das Interesse der deutschen Öffentlichkeit an der Ukraine schnell ab. Mit der Inkorporation des größten Teils ihres Territoriums in das Zarenreich legte sich der Schatten Russlands auf die Ukraine. Nach 1850 verschwand die Ukraine fast ganz aus dem Blickfeld, und sie verlor auch ihren Namen, der in Russland im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts verboten und auch im Ausland kaum mehr erwähnt wurde. In den großen Enzyklopädien des neunzehnten Jahrhunderts wurde die Ukraine nurmehr am Rande erwähnt, meist unter dem Namen Kleinrussland. Die russische Vorstellung von den Kleinrussen als Teil des allrussischen Volkes war nun vom Ausland übernommen worden. Der Eintrag „Kosaken“ beschränkte sich fast ausschließlich auf die russischen Kosakenheere. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs traten die Ukrainer mit einem Schlag wieder aus dem Schatten Russlands heraus. Doch galt das Interesse Deutschlands und Österreichs nicht den Ukrainern als eigenständigen Akteuren der Geschichte. Sie versuchten, die Ukrainer für ihre Russland- und spätere Sowjetunion-Politik zu instrumentalisieren. (In: Wie die Ukraine aus dem europäischen Bewusstsein verschwand, FAZ, 27. Juli 2017, http://www.[20] faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/warum-wir-die-ukraine-noch-immer-unterschaetzen-13636172-p2.html)

6. Kyjiwsʹka Rusʹ

(auch Kyjiwer Rusʹ, Kiewer Rus', Kiever Rus' oder Kievan Rus' – von Namen der Stadt Kyjiw, auch Kiew und Kiev) (Illustration 5, Seite 357 )

Rus (auch Russia, Ruthenia oder Reußen) ist eine historische Bezeichnung für ein Gebiet in Osteuropa, auf dem die Ostslawen ursprünglich beheimatet waren. Der Name leitet sich vom Volk der Rus ab, welches in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends nach Christus die Flüsse dieser Region befuhr. Der erste Staat auf diesem Gebiet war die Kiewer Rus, die im 11. Jahrhundert ihre Blütezeit erlebte. Zur Herkunft der Rus existieren unterschiedliche Theorien. Eine der gängigsten ist die normannische Theorie, nach der die Rus, auch Waräger genannt, Völkerschaften aus dem schwedischen Raum waren. Bis zum 9. Jahrhundert breiteten sie sich nach Südosten[21] bis an die Grenzen des byzantinischen Reiches und (nach Abu'l Qasim Ubaid'Allah ibn Khordadbeh (820-912) für das Jahr 840) des Kalifates[22] aus. In der Nestorchronik[23] spielen die Rus und die Waräger eine herausragende Rolle. Die ostslawische Theorie. Rus heiße ein Stamm der Ostslawen, der südlich vom heutigen Kiew entlang des Flusses Ros ansässig war. Der Name des Stammes kann vom slawischen Wort rusyj (dunkelblond) oder vom Namen des Flusses stammen. Rus verbreitete sich weit und breit. Der Stamm wurde schon im 6. Jahrhundert bekannt, lange vor der Ankunft der Waräger. Die alanische (iranische) Theorie ist vor allem deshalb unwahrscheinlich, weil Alanen eher im Süden der Rus lebten, zudem in nur sehr geringer Zahl. Westslawische Theorie. Der Name wird vom westslawischen Stamm der Ranen (Rujanen) hergeleitet, die am Ostseehandel sowie an den Expeditionen der Waräger intensiv teilgenommen haben. Der Name des Kiewer Dynastiegründers Rurik wird aus dem westslawischen Rarog abgeleitet.

„Im 9. Jahrhundert wurde das Mittlere Dnepr-Gebiet zum historischen Kern eines großen Staates der Ostslawen. In einheimischen schriftlichen Quellen tritt dieser Staat unter dem Namen „Rus Territoriums“ oder „Rus“ und in den ausländischen Quellen als „Rus“ auf. In der geschichtlichen Literatur trifft man öfters den Namen „Kiewer Rus“, da Kiew im Laufe mehrerer Jahrhunderte das Zentrum dieses ostslawischen Staates in zentraler europäischer Lage war.“[24]

Die Kyjiwsʹka Rusʹ[25] war das größte politische Gebilde des mittelalterlichen Europas. Es war ein Großreich, das als Vorläuferstaat der heutigen Staaten Ukraine, Weißrussland und Russland galt. Das Kyjiwer Reich hatte eine eigene Konstitution bzw. ein gültiges Grundgesetz.

Jahr 838: Entstehung eines Staates Rus am Dnipro.

Jahr 882: Oleh[26] wird Fürst von Kyjiw. Gründung der Kyjiwer Rus (um Kyjiw). Das mittelalterliche Reich vereinigt die Ostslawen von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer und vom Arktischen Ozean bis zum Schwarzen Meer.

Jahr 988: Taufe der Kyiwer Rus unter Großfürst Wolodymyr I. Swjatoslawitsch[27] anlässlich seiner Vermählung mit Prinzessin Anna von Byzanz[28] (963-1011/1012).

Jahre 1036-1054: Blütezeit unter der Herrschaft vom Großfürst Jaroslaw den Weisen[29]. Drei seiner Töchter wurden zu Königinnen: Elisabeth von Kiew/ Norwegen[30], Anastasia von Ungarn (1021-1096)[31] und Anna von Kiew/Frankreich[32].

Jahr 1148: Gründung Moskaus und Anfang des feudalen Trennungsprozesses.

Jahre 1237-1242: Eroberung der Kyjiwer Rus durch die Mongolen und Zerstörung von Kyjiw.

12. Jh.: Entstehung der neuen Fürstentümer (von 10 bis 15) als weiterer Spaltungsprozess.

12.-14. Jh.: Verstärkung des Fürstentums Galizien-Wolhynien innerhalb der Kyjiwer Rusʹ. Blütezeit im 13. Jh. unter Danylo Romanowytsch[33].

1256 Gründung der Stadt Lwiw (später Lemberg). Mitte des 14. Jh. wird das Fürstentum zwischen Polen und Litauen aufgeteilt.

Jahr 1480: Die Mongolen geben die Herrschaft über Europa auf. Die Eroberung der ausgebluteten Kyjiwer Rusʹ von Nachbarstaaten. Nach der Tataren-Mongolischen Invasion gelangten langsam Gebiete der Kyjiwer Rusʹ in den polnischen Herrschaftsbereich, Großfürstentum Moskau und Khanat Kasan.

Kommentare zur Karte (nach J.C. Russel[34], Illustration 6):

Blütezeit der Kyjiwer Rusʹ (1054-1132): Fläche bis 1.300.000 km², Einwohnerzahl bis 12 Millionen. In der Hauptstadt Kyjiw wohnten ca. 100.000 Bürger. Zu Beginn des 12. Jahrhundert gaben in Kyjiwer Rusʹ etwa 300 Städte.

Zum Vergleich (nach J.C. Russell, Jahr 1200):

Ganzes Europa , Einwohnerzahl ca. 60 Millionen;

Frankreich , Fläche bis 420.000 km², Einwohnerzahl ca. 7 Millionen, in Paris - ca. 25.000 Bürger;

Britische Inseln , Einwohnerzahl ca. 2.8 Millionen, in London – ca. 25.000 Bürger;

Italien , Einwohnerzahl unter 8 Millionen, in Florenz - ca. 40.000 Bürger;

Ungarn , Einwohnerzahl ca. 2 Millionen;

Germanisches Gebiet (dementsprechend Deutschland, Österreich und Schweiz), gemeinsame Einwohnerzahl ca. 7 Millionen, in Köln - ca. 30.000 Bürger;

Byzantinisches Reich , Einwohnerzahl ca. 11 Millionen, in Konstantinopel - bis 200.000 Bürger.

7. Ukraine

(Illustrationen 6-9, Seiten 358-359)

„Ukraine war schon Erwachsene, als Russland noch in der Wiege lag“ - so Johann Christian von Engel [35].

Zum Vergleich: Der Staat Kyjiwer Rusʹ wurde im Jahre 882 gegründet, die Stadt Moskau - erst 1148. Das Fürstentum Moskau existierte ab 1263 bis 1547. Nachfolgestaat wurde das von Iwan IV. (Der Schreckliche, 1530-1584) im Jahr 1547 proklamierte Russische Zarenreich.[36]

Die erste Erwähnung des Wortes Ukraine findet man in der Kyjiwer Chronik, bzw. im Hypatischen Kodex (wie auch Ipatische Chronik)[37] aus dem Jahr 1187[38], was die russischen „Historiker“ heute ablehnen.

Der Staat Ukraine ist kein im 20. Jahrhundert erfundener Mythos. „Ein Beispiel dafür ist eine Karte, die erstmals 1716 bei Johann Baptist Homann[39] in Nürnberg gedruckt wurde, wofür die Karten Beauplans [40] als Vorlagen dienten. […] Deshalb überrascht, dass die oft nachgedruckte Karte praktisch das ganze damals besiedelte Territorium der heutigen Ukraine erfasst. (In: Wie die Ukraine aus dem europäischen Bewusstsein verschwand, FAZ, 27. Juli 2017, http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/warum-wir-die-ukraine-noch-immer-unterschaetzen-13636172-p2.html) (Illustration 10, Seite 360)

Anfang des 16. Jh.: Gründung der Zaporizher/ Saporoger Sitsch (deutsch: Land hinter den Stromschnellen des Flusses Dnipro) - einer sozialpolitischen und militärdemokratischen Formation der ukrainischen Kosaken.

Jahr 1569: Polnisch-Litauische Realunion von Lublin. Fast die ganze Ukraine geht an das Königreich Polen.

Jahre 1648-1654: Befreiungskrieg unter Führung vom Bohdan Chmelnyzkyj. Nach der Perejaslawsjka Rada (Ein Friedensvertrag von Perejaslaw, den die Zaporizher Kosaken in Perejaslaw 1654 auf dem russischen Zaren Aleksej I. ablegten) werden Gebiete östlich von Dnipro/Dnepr trotzdem nach und nach unter dem direkten Protektorat Russlands gestellt. Eine ähnliche Situation wiederholt sich 340 Jahre später (1994) nach dem Friedensabschluss zum Budapester Memorandum.

Jahr 1772: Erste Teilung Polens. Westliche Gebiete der Ukraine (Galizien) fallen an Österreich.

Jahr 1793: Zweite Teilung Polens. Die rechtsufrige Ukraine fällt an Russland.

Jahre 1830-31: Polnischer Novemberausstand (auch Polnisch-Russischer Krieg oder Kadettenaufstand genannt).

Ab Jahr 1932: Ruthenische[41] Triade in Lemberg/Lwiw.[42]

Jahr 1848: Revolution in Österreich, Völkerfrühling in der Westukraine, Hauptrat der Ruthenen in Lemberg, Abschaffung der Leibeigenschaft in Galizien.

Jahr 1861: Befreiung der Leibeigenen in Russland. 1. Kyjewer Hromada [43].

Juni 1863: Zirkular des russischen Innenministeriums, Verbot der ukrainischen Druckschriften in Regionen, die dem Russischen Reich untergeordnet sind.

Jahre 1870-1876: 2. Kyjiwer Hromada. Weitgehendes Verbot ukrainischer Schriften im Russischen Reich.

Jahr 1884: Judenpogrome in der Ukraine durch Provokateure organisiert, um die politische Situation zu beunruhigen.

Jahr 1905-1907: Revolution in Russland.

Jahr 1917: Oktoberrevolution im Russischen Reich.

Jahre 1917-1918: Gründung der Zentralna Rada (parlamentarische Versammlung) in Kyjiw nach der Februarrevolution, anschließend Verkündigung der Autonomie und später der unabhängigen Ukrainischen Volksrepublik. Im November 1918 wird die Westukrainische Volksrepublik gegründet.

Jahre 1918-1934: Um die Rolle der oppositionären Hauptstadt Kyjiw und somit die historische Rolle der Kyjiwer Rus' zu vernichten, wurde die Hauptstatd der mit Gewalt organisierten Sowjetrepublik Ukraine nach Charkiw[44] verlegt.

Jahr 1922: Zwanghafter Staatsvertrag. Ukraine wurde der Sozialistischen Sowjetunion (UDSSR) angeschlossen.

Jahre 1932-1933: Große Hungersnot in der Ukraine (siehe Holodomor).

Jahre 1937-1941: Intensive repressive Maßnahmen von NKWD (später KGB genannt) gegen Andersdenkende und Dissidenten.

Jahre 1941-1945: Der deutsch-sowietischer Krieg auf dem ukrainischen Territorium während des Zweiten Weltkrieges.

Jahr 1945: Die ukrainischen Grenzen werden nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder geändert. Die Ukraine gehört zum Gründungsmitglied der UNO.

Jahr 1954: Zum 300. Feiertag der Perejaslawsjka Rada geht die Halbinsel Krym/Krim zurück an die Ukraine. Chronologisch gehörte Krym im 11. Jh. der Kyjiwer Rusʹ, in 12.-15. Jh. der Goldenen Horde, in 15.-18. Jh. dem Khanat der Krym und dem Osmanischen Reich, im 19. Jh. dem Russischen Reich und im 20. Jh. der Sowjetunion (sowie die Ukraine selber).

Jahr 1957: Die Ukrainische Aufstandsarmee, die während des Zweiten Weltkrieges gegen die deutsche Armee, aber auch gegen die nachrückende Sowjetarmee gekämpft hat, stellt ihre Aktivitäten ein.

Jahre 1972-1973: Die intensiven repressiven Maßnahmen von KGB gegen Andersdenkenden und Dissidenten.

Jahr 1980: Bischöfe der ukrainischen katholischen Kirche protestieren gegen den Zusammenschluss von 1945. Es kommt zu Spannungen mit der orthodoxen Kirche.

26. April 1986: Reaktorunglück von Tschernobyl. 12% der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Ukraine werden verseucht.

November 1988: Das erste Treffen von Anhängern der Volksbewegung der Ukraine für die Umgestaltung (Ruch).

Juli 1989: Streiks in den Kohlerevieren von Donbass und Dnipro bei denen finanzielle und politische Forderungen erhoben werden.

September 1989: Gründungskongress von Ruch, Forderung nach wirtschaftlicher Autonomie, ukrainisch als Staatssprache, nationalen Symbolen, Legalisierung der unierten ukrainischen katholischen Kirche.

Juni 1990: Neugründung der ukrainischen autokephalen orthodoxen Kirche.

24. August 1991: Ukraine erklärte ihre Unabhängigkeit, welche seit dieser Zeit jährlich als Tag der Unabhängigkeit gefeiert wird.

1. Dezember 1991: Ukrainer entscheiden sich im Referendum mit 90,3% der abgegebenen Stimmen für die Unabhängigkeit von der Sowjetunion.

2. Dezember 1991: Anerkennung der Ukraine durch Russland.

5. Dezember 1991: Vertrag über die Bildung der Sowjetunion aus dem Jahr 1922 wird schließlich von dem ukrainischen Parlament gekündigt. Drei Tage später unterzeichnet die ukrainische Staatsführung das Abkommen zwischen Russland, Weißrussland und der Ukraine über die Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), der daraufhin acht weitere Staaten beitreten.

17. Januar 1992: Bundesrepublik Deutschland nahm die diplomatischen Beziehungen zur Ukraine auf.

Jahre 1991-1992: Etwa 266.000 Krymtataren sind aus der Deportation zurückgekehrt (Stalin ließ 1944 mehr als 260.000 Krymtataren nach Zentralasien deportieren, von denen etwa 46% ums Leben kommen). 1992 wird Krymtatarisch durch die ukrainische Regierung zur dritten regionalen offiziellen Sprache (neben Ukrainisch und Russisch) der Krym erklärt. Heute sind fast 12% Bewohner der Halbinsel Krymtataren und etwa 58% - Russen (Zum Vergleich: im Jahre 1897 sind ca. 36% Krymtataren und etwa 33% - Russen). Insgesamt wohnen in Krym über 125 verschiedene Nationen.

26. Februar 1992: Referendum auf der Krym. Die Mehrheit der abstimmenden Einwohner spricht sich für den Status einer autonomen Republik aus.

30. Juni 1992: Das ukrainische Parlament billigt ein Gesetz, das der Krym weitgehende wirtschaftliche und kulturelle Autonomie einräumt. Die Zuständigkeiten für Außen-, Verteidigungs- und Währungspolitik verbleiben bei der Ukraine.

8. Juli 1994: Annahme des NATO-Programms Partnerschaft für den Frieden. Die Ukraine liefert 1991 die meisten taktischen Atomwaffen an Russland ab.

5. Dezember 1994: Budapester Memorandum. Im Memorandum verpflichteten sich die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Russland in drei getrennten Erklärungen jeweils gegenüber Kasachstan, Weißrussland und der Ukraine, als Gegenleistung für einen Nuklearwaffenverzicht die Souveränität und die bestehenden Grenzen der Länder sowie deren politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit zu achten und im Falle eines Angriffs auf die Länder unmittelbar Maßnahmen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu veranlassen.

9. November 1995: Aufnahme der Ukraine in den Europarat.

September 1996 : Währungsreform. Die Hrywnja (UAH) löst die Übergangswährung Karbowanez ab.

November-Dezember 2013: Euromajdan (ukrainische Revolution der Würde) ist die Bezeichnung für die Bürgerproteste in der Ukraine. Manche Medien berichten von über einer Million Demonstranten. Die Krise in der Ukraine gibt für die Russische Föderation die Gelegenheit, eigene Ziele zu verfolgen: Annexion der Krym (März 1994) und eine Intervention auf Seiten der Separatisten im Osten der Ukraine.

Februar 2014: Anfang des russisch-ukrainischen Krieges in der Ukraine. Die prorussischen Kräfte kämpfen für die Abspaltung der zwei durch sie proklamierten Volksrepubliken Donezk und Luhansk von der Ukraine.

März 2014: Konflikt um die Halbinsel Krym/Krim, dessen Verlauf durch verdeckte Interventionen und die Annexion durch Russland bestimmt wurde.

Nicht in der strengen Herrlichkeit der normannischen Ära, sondern in dem blutigen Sumpf der Moskauer Sklaverei, befindet sich die Wiege Russlands. Die Politik des Moskauer Fürstentums von 15. Jahrhundert und die des modernen Staats Russland sind nicht nur ähnlich, sondern absolut identisch. Nur Methoden und Taktiken haben sich verändert und werden sich ändern, aber das Hauptziel der russischen Politik - die Welt zu erobern und in ihr zu regieren - ist und bleibt unverändert. Moskauer Außenpolitik ist nur eine Form der Eroberung.

Den asiatischen Ursprung der russischen Despotie beschrieb Karl Marx 1856 für die englische Zeitung „The Free Sheffield Press“ in einem Artikel „Enthüllungen der diplomatischen Geschichte des 18. Jahrhunderts“. (Bernd Rabehl: Der letzte Wille des Dschingis Khan. In: Spiegel Online, 16.05.1977, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40887530.html)

„Moskau ist in der scheußlichen und erbärmlichen Schule mongolischer Sklaverei aufgewachsen und großgezogen worden. Seine Stärke erwarb es nur dadurch, daß es in den Künsten des Sklaventums zum Virtuosen wurde“ - so Karl Marx [45]. (Heinz Abosch: Karl Marx und Rußland. In: Zeit Online, 9. Juni 1972, http://www.zeit. de/1972/23/karl-marx-und-russland

Der versteckte Grund der russischen Intervention:

Vor der Küste der Krym/Krim liegen große, noch nicht erschlossene Öl- und Gasvorkommen. Zur Erschließung des Gasfelds Skifska hat die ukrainische Regierung Ende 2013 ein Abkommen mit einem internationalen Konsortium geplant. Deren russischer Konkurrent Lukoil ist 2012 in einem Bieterverfahren unterlegen. Ab 2017 sollen jährlich bis zu zehn Milliarden Kubikmeter Gas gefördert werden; die Ausbeutung aller Offshore-Vorräte hätte etwa ein Fünftel der ukrainischen Gasimporte ersetzen können. Die gesamten Vorräte werden vom ukrainischen Ministerium für Ökologie und natürliche Rohstoffe auf insgesamt bis zu acht Billionen Kubikmeter geschätzt.

Im Schatten Russlands. Wie die Ukraine aus dem europäischen Bewusstsein verschwand. „Russland hat bis heute die Ukrainer nicht als eigenständige Nation akzeptiert, sondern betrachtet sie als Teil eines allrussischen Volkes, der sogenannten „russischen Welt“. Diese Wahrnehmung ist vom westlichen Ausland übernommen worden. Die Ukraine wurde in der Regel nicht als eigenständige Akteurin gesehen, die Politik der Großmächte ging über sie hinweg. Nur gelegentlich und kurzfristig traten die Ukrainer aus dem Schatten heraus, meist wenn sie für die Großmachtpolitik instrumentalisiert wurden. Es waren Deutschland bzw. Preußen und Russland bzw. die Sowjetunion, die Politik auf dem Rücken der dazwischenliegenden Völker betrieben. Seit den drei Teilungen am Ende des achtzehnten Jahrhunderts bis zum „Teufelspakt“ von 1939 betraf dies vor allem die Polen. Heute ist es die Ukraine, die in den Augen mancher deutschsprachiger und russischer Politiker, Diplomaten und Historiker zu vernachlässigen ist oder gar als Teil Russlands wahrgenommen wird. Wie ist es dazu gekommen? Eine 1716 in Nürnberg erschienene Landkarte zeigt, dass die Ukraine keine Erfindung des zwanzigsten Jahrhunderts ist. Über weite Strecken ihrer Geschichte ist die Ukraine von den Großmächten als geostrategisches Spielfeld missbraucht worden. Noch heute werfen Russland und Putin-Versteher[46] Deutschland und den Vereinigten Staaten vor, den Majdan angezettelt zu haben, um Russland zu schwächen – ganz in der Tradition der misslungenen Versuche, die Ukraine zu instrumentalisieren. Dieser Vorwurf ist unberechtigt. Die heutige Situation gleicht eher derjenigen in den Jahren 1648 bis 1654, als eine Revolution Erfolg hatte, einen Krieg auslöste und die Ukraine plötzlich als eigenständiger Akteur wahrgenommen wurde. In der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts und in den Jahren 1918 bis 1920 benötigte die unabhängige Ukraine Verbündete, um zu überleben. Das wiederholt sich heute, und der Verbündete kann nur die Europäische Union sein. Die Ukraine, die seit mehr als zwanzig Jahren und erstmals in ihrer Geschichte für eine längere Zeit unabhängig ist, hat sich in einer Revolution der Würde von der sowjetischen Vergangenheit verabschiedet. Sie holt die Revolution von 1989 nach und löst damit das Eintrittsticket in die EU. Es ist an der Zeit, dass sich die Ukraine aus dem Schatten Russlands löst und einen festen Platz auf der kognitiven Landkarte Europas zurückerhält. Dazu braucht sie unsere Solidarität und unsere Unterstützung.“ (A. Kappeler, FAZ, Feuilleton, Samstag, 28. Mai 2016)

Lesetyp:

Engel, J. Ch. von: Die Geschichte der Ukraine und der ukrainische Kosaken, wie auch der Königreiche Halitsch-Wladimir. Halle 1796.

Osterrieder, M.[47]: Das Ringen um die Vergangenheit. Hruševs’kyj und die Problematik einer Konzeption der osteuropäischen Geschichte, Magisterarbeit, Ludwig-Maximilians-Universität München 1991.

Goncharenko, R.[48]: Worum es auf der Krim wirklich geht, Deutsche Welle vom 10. März 2014.

Cunningham, N.[49]: Russia Eyes Crimea’s Oil and Gas Reserves auf OilPrice, com vom 16. März 2014.

Stein, Ch.[50]: Und auch bei der Krim geht es ums Öl, Telepolis vom 21. März 2014.

Kappeler, A: Kleine Geschichte der Ukraine. C. H. Beck, München 2014.

Euromaidan, seine Folgen und der Krieg im Osten der Ukraine

Euromaidan (auch Jewromajdan, ukr. Majdan[51] bedeutet Platz) ist die Bezeichnung für die Bürgerproteste in der Ukraine ab dem 21. November 2013, genannten Revolution der Würde, ausgelöst durch die Ankündigung vom damaligen Präsidenten Wiktor Janukowytsch gegen das Assoziierungs-abkommen mit der Europäischen Union zum Vorteil der Assoziation mit Putins Russland[52]. Ihren Massencharakter (zwischen 500.000 und 1.000.000 Menschen) nahmen die Proteste zwischen 1. und 8. Dezember 2013 an, als Studenten friedlich gegen die Regierung protestierten und die Amtsenthebung des Präsidenten forderten. Diese Studentenproteste wurden durch die Spezialeinheit der ukrainischen Polizei namens Berkut auseinandergetrieben. Maidan-Demonstranten und Journalisten wurden von Tituschki angegriffen, bis mehrere hundert Mann starke Schlägerbanden in Zivilkleidung, mutmaßlich aus dem Umfeld der organisierten Kriminalität – ab Februar auch mit Schusswaffen. Im Januar wurden in der Zentralukraine Demonstrationen durch Tituschki unter den Augen der Sicherheitskräfte brutal aufgelöst. Wer die Tituschki organisierte und bezahlte, war zunächst unbekannt, Andreas Kappeler nannte sie „von der Regierung bezahlt“. Maidan-Aktivisten wurden verfolgt, verprügelt, in Einzelfällen entführt, gefoltert und im Falle von Jurij Verbickij[53] ermordet.[54] [55] [56] Die Gewalt ging vor Recht. Der teils heftige Einsatz der Sicherheitskräfte wurde international stark kritisiert. Catherine Ashton, EU-Außenbeauftragte, die am 9. Dezember 2013 in Kiew vor Ort war, bezeichnete den Einsatz als „übermäßig“ und „ungerechtfertigt“. Infolgedessen forderte die EU eine Untersuchung der Geschehnisse. Trotz des gewaltigen Eingriffs und Gemetzels, der stichprobenartigen Beschießung (Scharfschützen auf den Dächern) und Verprügelung der Protestierenden durch die Polizei und geheime Einheiten dauerte die Bürgerrevolution an.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle [57], der am 7. Dezember 2013 in Kiew vor Ort war, forderte die Ukraine auf, „die Versammlungsfreiheit zu gewährleisten und die friedlich Protestierenden vor jeder Art von Einschüchterung und Gewalt zu schützen.“[58] Die EU-Kommission und das EU-Parlament forderten aufgrund der von den Regierungskräften angewendeten Gewalt am 19. Februar 2014 Sanktionen gegen die Führung der Ukraine.[59] Auch die USA zeigten sich empört. Mit dem Vorwurf der Verletzung der Menschenrechte in Verbindung mit der politischen Repression in der Ukraine verhängte US-Präsident Barack Obama am 20. Februar 2014 gegen 20 Kabinettsmitglieder und Funktionäre – ohne die Nennung von Namen – der Ukraine eine Einreisesperre. Obama erklärte, betroffen seien alle in der „Kommandokette“, die die Erstürmung des Protestlagers auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz angeordnet haben.[60] Die Schweizer Regierung hat Bankkonten gesperrt, auf denen Auslandgelder von Wiktor Janukowytsch und weiterer Personen vermutet werden. Zeitgleich eröffnete die Genfer Staatsanwaltschaft gegen Janukowytsch und dessen Sohn Alexander ein Strafverfahren wegen des Verdachts der schweren Geldwäsche.[61] Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte zu Beginn der Proteste in der Ukraine, sie seien „gut vorbereitet aus dem Ausland“[62] [63] und offenbar eigentlich erst für den Wahlwinter 2015 vorgesehen gewesen.

Nach der vereinbarten Beilegung des Konfliktes durch einen seitens der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens vermittelten Vertrages vom 21. Februar[64] flüchtete Janukowytsch überstürzt noch in derselben Nacht[65]. Aufgrund der Flucht erklärte das Parlament am 22. Februar 2014 Präsident Janukowytsch für abgesetzt. Seinen Abschluss fand der Euromaidan mit der Ernennung Olexander Turtschynows[66] zum Übergangspräsidenten am 23. Februar und schließlich der Bildung einer Übergangsregierung unter Arsenij Jazenjuk[67] am 26. Februar, nachdem Regierungschef Mykola Asarow[68] mit der ganzen Regierung schon am 28. Januar vor dem Misstrauensvotum zurückgetreten war, um seiner geplanten Absetzung zuvorzukommen.[69]

Repräsentative Umfragen unter Demonstranten sowie Daten aus Interviews, Fokusgruppen und dokumentarische Daten zeigten, dass der durchschnittliche Teilnehmer an den Maidan-Protesten 36 bis 37 Jahre alt war. Männer waren mit 59 % in einer leichten Überzahl und die absolute Mehrheit der Teilnehmer hatten höhere Bildungsabschlüsse. Die meisten Teilnehmer waren berufstätig. Die Mehrzahl der Teilnehmer unter 29 Jahren waren Jugendliche und Studierende, die sich als Initiatoren und Anführer der Proteste ansahen. Sie demonstrierten nach eigenen Angaben für Freiheit und Demokratie, sahen die europäische Integration als wichtigen Schritt zum Schutz von Bürger- und Menschenrechten und zeigten sich frustriert über die älteren „post-sowjetischen“ Generationen.[70] [71] [72]

Obwohl die Mehrzahl der Demonstranten apolitische, nicht-aktivistische Bürger aller sozioökonomischen und Bildungsschichten waren, haben sich die Medien auf randständige, radikale Gruppen mit faschistischen und nazistischen Symbolen (Swoboda und Rechter Sektor) unter den Protestierenden konzentriert.[73] [74] [75] Die beiden rechtsextremen Parteien kamen im April 2014 auf 3,5 Prozent bzw. 1,8 Prozent Wähleranteil und lagen damit deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde.[76] Das Ziel der Übertreibungen sei, „die europäische Revolution in der Ukraine als ein – zumindest teilweise – 'faschistisches' Unternehmen zu diskreditieren und damit die russische Annexion der Krim sowie die verdeckte Invasion im Donbass als 'antifaschistische' Maßnahme zum Schutz angeblich bedrohter Russischsprecher zu rechtfertigen.“[77]

Die Oligarchen des Donbass, die unter Janukowytsch das ganze Land beherrschten, waren allmählich über Donezk hinausgewachsen, die „russische“ Prägung ihrer Heimat verdünnte sich und ihre Wirtschaftsinteressen waren eher „ukrainisch“ oder sogar „europäisch“ geworden. Besonders Achmetow war mit seinem Konzern System Capital Management (SCM) weit über den Donbass hinausgewachsen. Janukowytsch hatte außerdem begonnen, sein eigenes rivalisierendes Wirtschaftsimperium aufzubauen und wurde durch seine Macht über Gerichte, Polizei und Staatsanwaltschaft zur Bedrohung der Oligarchen, vor allem des „Achmetow[78] -Clans“, der ihn an die Macht gebracht hatte.[79]

Sofort nach der Janukowytschs Flucht begannen die russische Annexion der Krim und die Destabilisierung in zwei östlichen Oblasten der Ukraine, die zum Krieg (April 2014) führte.

Am 26. Februar 2014 ließ Putin Teile der russischen Streitkräfte im Westen Russlands in einen Übungsalarm versetzen, um ihre Gefechtsbereitschaft überprüfen zu lassen, wie es hieß.[80] Am 1. März bat der russische Präsident den Föderationsrat um die Erlaubnis für einen Einsatz der russischen Streitkräfte in der Ukraine. Dies sei angesichts der „außergewöhnlichen Situation“ notwendig, um russische Bürger sowie die auf der Krim stationierten Streitkräfte zu schützen, „bis sich die Lage normalisiert habe“. Der Föderationsrat ermächtigte Putin gleichentags zum Einsatz von Truppen.[81]

Historische Fakten zum Halbinsel Krym (auch Krim)

Im Jahr 1954 wurde anlässlich des 300-jährigen Jubiläums der Vereinbarung von Perejaslaw die Halbinsel Krim aus der Russischen in die Ukrainische Sowjetrepublik überführt. Bis zum Russisch-Türkischen Krieg (1768–1774) war das Khanat der Krim ein Vasallenstaat des Osmanischen Reichs. Unter dem russischen Fürst, Feldmarschall sowie Vertrauter und Liebhaber der Zarin Grigori Potjomkin (1739-1791) kam der Staat der Krimtataren (mit gewaltiger Hilfe von ukrainischen Saporoger Kosaken) durch Annexion endgültig unter russische Herrschaft: Am 8. April 1783 wurde die Krim formell von Katharina II. (1729-1796) „von nun an und für alle Zeiten“ als russisch deklariert. Administrativ unterstand die Krim dem Gouvernement Taurien (früher Gebiet Malorossia/die heutige Ukraine), zu dem auch ein Teil der östlichen Festlandküste bis zum unteren Dnipro (der Hauptfluss der Ukraine) gehörte. Nach der Eingliederung wurden Kolonisten angeworben, darunter Deutsche, Italiener, Griechen, Bulgaren, Balten und vorwiegend entlassene Soldaten oder Saporoger Kosaken. Die tatarischen Bauern, die 96 Prozent der tatarischen Bevölkerung ausmachten, wurden in die unfruchtbaren Gebiete im Inneren der Krim zurückgedrängt. Große Teile der fruchtbaren Gebiete wurden ab 1784 unter der Führung Potjomkins an Landjunker verteilt. Als Folge dieser Politik kam es zu einem vermehrten Fortzug der Tataren ins Osmanische Reich, insgesamt verließen 100.000 Menschen die Krim. Nach der Schlacht um die Krim wurden am 18. Mai 1944 auf Stalins Befehl hin 181.000 Krimtataren wegen ihrer umfangreichen Kollaboration mit den Deutschen (zahlreiche Krimtataren waren aber auch Soldaten der Roten Armee) nach Zentralasien deportiert. Bei dem Transport in Viehwaggons kam etwa die Hälfte der Krimtataren um. Ihnen folgten 14.500 Griechen, 12.000 Bulgaren, 11.300 Armenier und rund 2.000 Italiener. An die Massendeportation der Volksdeutschen, Tataren, Griechen, Bulgaren und Armenier erinnert das Denkmal „gegen Grausamkeit und Gewalt“ am Bahnhof von Kertsch. Vergessen wurden dabei die Italiener, die seit 1820 in Kertsch lebten. Auf Ihren Platz wurden Millionen von Russen auf der Krim angesiedelt. Seit dieser Zeit ist Krim (Genauso wie die Westukraine) russischsprachig.

„Niemand weiß ganz genau, warum Nikita Chruschtschow 1954 die im Krieg schwer zerstörte Halbinsel der Ukraine übergab. Eine Oxford-Historikerin ist auf Spurensuche gegangen. Es war im Jahr 1944, noch im Krieg, und Nikita Chruschtschow war erbost. Er tobte. 100.000 Ukrainer verlangte der Sowjetführer Josef Stalin von ihm, dem damaligen Parteichef der Ukraine. Sie sollten im verwüsteten Russland, der benachbarten Sowjetrepublik, beim Wiederaufbau helfen. War sein Land denn weniger zerstört? […] Wer war überhaupt Nutznießer des Beschlusses? Die Ukraine? Russland? Die Krim? Für Orest Subtelny[82], einen kanadischen Historiker mit ukrainischen Wurzeln, war er aus russischer Sicht lange nicht so altruistisch, wie er aussieht. Die Übernahme der Krim habe die Ukraine zunächst mal mit all den ökonomischen und politischen Problemen der Halbinsel belastet, die erst im Krieg bei langen Belagerungen zertrümmert und nach Kriegsende auch noch vieler ihrer Bewohner beraubt wurde, als Stalin 1945 die Deportation der Krimtataren ins ferne Kasachstan anordnete. Die Lage in der Ukraine war desolat, ihr neues Anhängsel im Schwarzen Meer aber lag vollends am Boden. Hatte Chruschtschow, der in Südrussland geboren wurde und in der nahen Ukraine seine Jugend verbrachte, bevor er dort Parteichef wurde, den Wechsel etwa eingeleitet, nur um der Krim zu helfen? Dies würde immerhin eine Begebenheit bestätigen, die Chruschtschows Schwiegersohn Alexei Adschubei[83], der den neuen Parteichef nach Stalins Tod auf seinen Reisen durchs Land begleitete, einmal erzählte: Als Chruschtschow im Oktober 1953 die Krim besuchte, soll er erschüttert gewesen sein über die katastrophale Lage und die Unzufriedenheit der Bewohner. […] Schlüsselstellungen der Halbinsel wie Sewastopol blieben sowieso in sowjetischer Hand, und der in den späten 50er-Jahren langsam, aber sicher wachsende Tourismus aus Moskau verstärkte das russische Element. Ukrainer im Exil, oft stark nationalistisch gesinnt, äußerten sich eher kritisch, als sie von der Gebietsreform hörten.

Dass die Krim zur Ukraine gehörte, war für sie eine Selbstverständlichkeit, natürlich, tief begründet in der Historie. Doch in der Diaspora ahnte man – womöglich nicht zu Unrecht –, dass hinter dem Handel das Ziel stand, die russische Kultur in der Ukraine zu stärken.“ (Kulke, Ulli [84] . Und plötzlich gehörte die Krim zur Ukraine. In: Welt, Digitalzeitung, 10.03.2014. https://www.welt.de/ geschichte/article125628675/Und-ploetzlich-gehoerte-die-Krim-zur-Ukraine.html)

Wie Russland Krym auffüllt.

Die heutige Geschichte Kryms[85] und die russische Strategie wiederholen sich immer wieder: Die politische und soziale Situation des fremden Landes zu nutzen, das Territorium zu annektieren, das russische Volk dorthin anzusiedeln und nachher als russischsprachiges Gebiet von hiesigen Völker und Regierungen zu schützen. Dieselbe Situation war in Rumänien, Kaukasus, Asien, Königsberg, Moldawien und Baltikum u.a. (siehe auch Kapitel Holodomor).

In öffentlichen Quellen findet man folgende Ziffern: Seit 01.01.2015 bis 01.01.2017 haben über 95.000 ukrainischer Bürger die Halbinsel Krym verlassen. Während dieser Zeit siedelte Russland etwa 206.000 russische Staatsbürger in die Krym ein (das ist etwa 10% der ganzen Kryms Bevölkerung). Unter diesen sind folgende Kategorien: pensionierte Militärs; funktionierendes militärisches Personal, Funktionäre des Grenz- und Geheimdiensts, Zolls und der Polizei; Beamter (Russland führt eine konsequente Politik des Ersatzes von Mitarbeitern in den Behörden) aus; verschiedene russischen Unternehmer; Rentner, die früher im hohen Norden gearbeitet haben und das verdiente Geld in die Immobilien in Krym investieren können. Bereits im Jahre 2014 kündigte die russische Regierung ihre Absicht, auf der Halbinsel über 20.000 Wohnungen für Offiziere zu bauen. Und noch mindestens 40.000 bis zum Jahr 2018 für andere Kategorien der neuen, echten Bewohner von Krym.

Die russischen Staatsfernsehen und Massenmedien begannen auch eine massive antiukrainische, antiamerikanische sowie antieuropäische Propaganda [86]. Im Staatsfernsehen der Russischen Föderation war der Journalist Dmitri Kisseljow aufgetreten und hatte seinen Zuschauern nahegelegt, dass das Abkommen, das die EU der Ukraine angeboten hatte, ein Plan von Polen, Schweden und Litauen sei, um sich für die Niederlage in der Schlacht bei Poltawa im Jahr 1709 an Russland zu rächen.[87] Der Großteil der russischen Propaganda bezog sich jedoch auf die verwerfliche Dekadenz des Westens. Im Herbst verstärkten die russischen Medien ihre Propaganda.[88]

„Anti-westliche Stimmungsmache, Kriegshetze, Hurra-Patriotismus und die Gleichschaltung von Parlament, Justiz und Medien prägen Putins Russland. Von lupenreiner Demokratie kann nicht die Rede sein: Putins Demokratur ist eine autoritäre Diktatur im westlichen Gewand. Das zeigen die Konflikte in Georgien, der absurde Machtwechseln zwischen Medwedew und Putin, die Fälle Pussy Riot und Chodorkowski sowie die Besetzung der Krim.

Putins Ideologie stammt aus der Giftkiste von KGB und KPdSU. Der Westen ist diesem Politik-Stil nicht gewachsen: Viele fallen auf die Moskauer Propaganda herein. Boris Reitschuster dechiffriert das System Putins und erklärt, wie dieser mächtige und gefärliche Mann den Westen korrumpiert. Mit zahlreichen schckierenden Beispielen macht er deutlich, wie menschenverachtend und zynisch der russische Staat seine Bürger behandelt. Er zeigt, warum das Wegsehen und Beschönigen – nicht nur wegen der Abhängigkeit von russischen Öl und Gas – fatale Folgen für uns hat.“[89]

Dass die russische Propaganda zur Ukraine bei linken Globalisierungsgegnern wie auch bei rechten Wirrköpfen und Verschwörungstheoriefreunden gut ankam, erklärte Robert Misik klar mit deren Hang, „Wahrheiten“ prinzipiell nur abseits des sogenannten Mainstreammedien zu suchen. Die Revolution ist bunt, aber Russland streut, sie sei braun. „Wär's nicht so absurd, wär's fast lustig“; dass Faschisten andere Leute als Faschisten beschimpfen. „Wer sich auf Seite von Kleptokraten und der Aggression stellt, hat die elementarsten Erkenntnisse der Geschichte nicht verstanden.“[90]

Die Himmlischen Hundert

Im Verlauf der Eskalation der Auseinandersetzungen in Kyjiw (Euromaidan, siehe oben) im Januar-Februar 2014 kamen über 100 Menschen um, darunter mindestens 16 Polizisten sowie 4 weitere Sicherheitskräfte.[91] [92] Weiter waren alleine bis 21 Februar rund 300 Menschen verletzt worden.[93] Zusätzliche 18 Menschen verstarben danach, teilweise an Verletzungen aus jenen Tagen. Die Toten werden in der Ukraine die Himmlischen Hundert genannt.[94] [95] Der älteste an seinen Verletzungen am 8. März erlegene Teilnehmer war ein 83-jähriger Marineoffizier. Als Grund für seine fast tägliche Anwesenheit vom 30. November bis 19. Februar gab er seinen militärischen Eid an, den er abgelegt hatte, das Volk zu schützen.[96] Das Durchschnittsalter der getöteten Teilnehmer betrug 42 Jahre. Am 3. März 2014 gab die Generalstaatsanwaltschaft bekannt, dass zwölf Mitglieder der „Schwarzen Einheit“, einer Spezialtruppe innerhalb der Berkut, verhaftet wurden. Ihnen wird mehrfacher Mord vorgeworfen.[97]

Chronik der Ereignisse

21. November 2013: Präsident Wiktor Janukowitsch kippt ein EU-Assoziierungsabkommen. Dagegen regt sich Protest.

Januar/Februar 2014: Die Proteste um den Maidan in Kiew werden immer intensiver. Mehr als 100 Menschen sterben.

21. Februar: Janukowitsch einigt sich mit westlichen Politikern auf Reformen, die dann aber von der Opposition abgelehnt werden. Am selben Abend flieht er aus Kiew, eine Übergangsregierung ergreift die Macht.

23. Februar: Prorussische Separatisten beginnen, mit Hilfe russischer Bewaffneter Gebäude auf der Krim zu besetzen.

16. März: Die Krim stimmt in einem international nicht anerkannten Referendum für einen Beitritt zu Russland.

14. April: Nachdem bewaffnete prorussische Separatisten auch in Städten der Ostukraine (Donbass) Gebäude besetzen, beginnt die Übergangsregierung in Kiew eine „Anti-Terror-Operation“.

2. Mai: Mindestens 48 Menschen sterben beim Brand eines Gewerkschaftshauses in Odessa.

11. Mai: Die Separatisten führen in den von ihnen kontrollierten Teilen der Regionen Donezk und Lugansk ein Referendum durch. Fast alle Wähler stimmen für Autonomie. Daraufhin sagen sich diese Gebiete als „Volksrepubliken“ von Kiew los.

25. Mai: Der prowestliche Milliardär Petro Poroschenko gewinnt Präsidentschaftswahlen.

17. Juli: Die Passagiermaschine des Flugs MH17 wird über dem Separatistengebiet von einer Rakete getroffen. Es gibt 298 Tote.

5. September: Nachdem erst die Regierungstruppen Geländegewinne erzielen und dann die Separatisten sich neu aufstellen, vereinbaren die Konfliktparteien im weißrussischen Minsk eine Waffenruhe.

26. Oktober: Die Ukraine wählt ein neues Parlament. Proeuropäische Parteien siegen. Die Separatisten halten eigene Wahlen ab, die Kiew nicht anerkennt.

24. Januar 2015: Ein Raketenbeschuss der von der Regierung gehaltenen Hafenstadt Mariupol fordert viele Tote, der Konflikt eskaliert erneut, die Separatisten rücken wieder vor.

12. Februar: In Minsk wird ein zweites Friedensabkommen vereinbart.

8. Ukraine in Zahlen und Fakten (Illustrationen 11-12, Seite 361 )

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Ukraine ist eine Republik mit dem semipräsidentiellen Regierungssystem.

Gründungen des unabhängigen Staates im 20. Jahrhundert: 7. November 1917- Ukrainische Volksrepublik, 29. April 1918 - Ukrainischer Staat, 1. November 1918 - Westukrainische Volksrepublik, 10. März 1919 - Ukrainische SSR, 24. August 1991 - Unabhängigkeit von der Sowjetunion.

Geographie: Der größte Teil der Ukraine (ca. 95 %) liegt auf dem Gebiet der Osteuropäischen Ebene. Deshalb wird sie fast ausschließlich zu Osteuropa gezählt. Die restlichen 5% zählen zu Mitteleuropa (die Karpaten und Lwiw) und Südosteuropa (Odessa und die Halbinsel Krym). Andere Landschaftsräume außerhalb der großen Ebene finden sich lediglich in der südlichen Westukraine, wo das Land Anteil an den Waldkarpaten und an der Pannonischen Ebene hat, sowie im äußersten Süden. Der höchste Berg des Landes ist die Howerla in den Ostkarpaten, die eine Höhe von 2061 Metern erreicht. Die höchste Erhebung der Krym ist der Roman Kosch mit 1545 Metern. Die Südküste der Ukraine hat einen 2.782 km langen Anteil am Schwarzen Meer und am Asowschen Meer. Zu den zahlreichen Flüssen, die das Land von Nord nach Süd durchkreuzen und dort im Schwarzen Meer münden, zählen der Dnipro, die Desna und der Dnistro. Im Westen bildet die Donau eine 54 km lange Grenze zwischen Rumänien und der Ukraine. Hier liegt auch der Jalpuhsee, der größte natürliche See der Ukraine. Weitere große Flüsse sind der Pruth, die Horyn, der Siwerskyj Donezʹ und der Südliche Buh. Viele kleinere Flüsse sind von versumpften Ufern mit Schilfbestand geprägt. Die Straße von Kertsch, eine 40 km lange Meerenge verbindet das Schwarze Meer mit dem Asowschen Meer und trennt die Halbinsel Krym von der Taman-Halbinsel (Russland). Über Polissja erstreckt sich mit einer Größe von 90.000 km² das größte Sumpfgebiet Europas.

[...]


[1] Taras Schewtschenko (1814-1861) war ein bedeutender ukrainischer Dichter und Maler. Übersetzt von Antonia Kostretska

[2] Euromaidan (auch Euromajdan sowie Revolution der Würde) ist die Bezeichnung für die Bürgerproteste in der Ukraine ab dem 21. November 2013. Die Protestierenden forderten die Amtsenthebung von Präsident Janukowytsch, vorzeitige Präsidentschaftswahlen sowie die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union. Wiktor Janukowytsch (1950) war Präsident der Ukraine (2010-2014).

[3] Die Krimkrise ist ein politischer und bewaffneter Konflikt um die Halbinsel Krim, dessen Verlauf durch verdeckte Interventionen und die Annexion Russlands im März 2014 bestimmt wurde. Mit dem Bruch des Budapester Memorandums von 1994 über die Achtung der bestehenden Grenzen der Ukraine sowie weiterer Grundsätze der KSZE-Schlussakte von 1975, der Charta von Paris 1990 und der Nato-Russland-Grundakte 1997 durch Russland besteht eine internationale, völkerrechtliche Krise. „Russlands völkerrechtswidrige Annexion der Krim hat die schwerste Krise Europas seit der Raketenkrise 1984 ausgelöst. Es greift zu kurz, die Erklärung dafür lediglich in einem neosowjetischen Revisionismus zu suchen. Russland sieht sich in der Defensive gegenüber einer westlichen Vorwärtsstrategie, die russische Sicherheitsinteressen gefährdet. Diese Bedrohungsperzeption mag überzogen sein. Doch auch westliche Staaten haben zu ihrer Entwicklung beigetragen, indem sie Sicherheitsvereinbarungen marginalisiert oder umgangen haben. Soll die Rückentwicklung zur bipolaren Konfrontation in Europa vermieden werden, müssen die in den 1990er Jahren vereinbarten Instrumente der paneuropäischen Sicherheitskooperation revitalisiert und reformiert werden.“(Wolfgang Richter: Die Ukraine-Krise. Die Dimension der paneuropäischen Sicherheitskooperation. SWP-Aktuell, 23. April 2014) Wolfgang Richter (1940) ist ein deutscher Friedensforscher, Mitgründer der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde.

[4] Der Krieg in der Ukraine ist ein aktueller, seit Februar 2014 andauernder bewaffneter Konflikt, der durch stetige Schritte der Eskalation in den ostukrainischen Oblasten Donezk und Luhansk entstand. „Dieser Artikel vertritt die Ansicht, dass die treibenden Kräfte hinter dem Aufstand in Donezk und Lugansk bei weitem nicht nur den Klischees vom durch Moskau unterstützten Separatismus entsprechen und auf zynischen geostrategischen Kalkulationen und Ressourcen gründen. Vielmehr spielen auch psychologische Faktoren eine Rolle, nicht zuletzt das Gefühl, dass eine Gesellschaft und ein Lebensstil bedroht sind. Dementsprechend werden sechs zentrale Bestandteile der ideologischen Orientierung und der Widerstandsidentität der Aufständischen in der Südostukraine vorgestellt: die Donbass-Identität, das Erbe der UdSSR, der Große Vaterländische Krieg (d. h. der Zweite Weltkrieg) und der Antifaschismus, die christliche Orthodoxie, die Freiheitsidentität der neurussischen Steppe und der anti-koloniale Widerstand.“(Bruno De Cordier (Universität Gent): Der Vendée-Krieg der Ukraine? Ein Blick auf die Widerstandsidentität des Aufstands im Donbass. DGO, UKRAINE-ANALYSEN NR. 175, 09.11.2016) Bruno De Cordier (1967) ist ein Belgischer Universitätsdozent und Dokumentarschriftsteller.

[5] Ljubko Deresch (1984). Der junge Lemberger hat bereits vier Romane und zahlreiche Erzählungen veröffentlicht.

[6] Evelyn Scheer ist seit Jahren mit der Ukraine professionell verbunden. Die Autorin studierte Slawistik und Osteuropäische Geschichte. Sie initiierte und realisierte zahlreiche Projekte zur Förderung der ukrainischen Zivilgesellschaft und knüpfte ein breites Netzwerk an Kontakten zu ukrainischen Partnern aus allen gesellschaftlichen Bereichen. Zurzeit arbeitet sie als Projektleiterin im Deutsch-Russischen Austausch.

[7] Jurij Andruchowytsch (1960) ist ein ukrainischer Schriftsteller, Dichter, Essayist und Übersetzer.

[8] Andreas Kappeler (1943) ist ein Schweizer Historiker und emeritierter Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Wien.

[9] Jutta Sommerbauer (1977) ist seit 2008 in der Redaktion Die Presse tätig. Nach einem Zwischenstopp im Wien-Ressort wechselte sie 2010 in die Außenpolitik, wo sie sich seither schwerpunktmäßig mit Osteuropa beschäftigt. Vor allem die Nachfolgestaaten der Sowjetunion haben es ihr angetan und wenn immer es möglich ist, bereist sie den Osten. Als Korrespondentin für die „Presse“ verbrachte sie 2011 drei Monate in der Ukraine, wo sie über die drohende Verhaftung von Ex-Premierministerin Julia Tymoschenko genauso berichtete wie über das Leben in der verstrahlten Zone rund um das frühere AKW Tschernobyl oder über das Schicksal der Krim-Tataren. Die Journalistin war die letzten Jahre immer wieder im Land unterwegs und berichtet darüber in ihrer aktuellen Publikation Die Ukraine im Krieg: „Die Destabilisierung der Ukraine durch die Krim-Annexion Moskaus und den von russischer Seite unterhaltenen Konflikt im Donbass wird häufig als Ukraine-Krise beschrieben. Doch das ist verharmlosend: Es ist keine Krise der Ukraine allein, es ist eine europäische Krise. Sie zwingt uns, unsere Komfortzone zu verlassen“ (https://www.fit4russland.com/ widerstand/1588-buch-ab-empfehlung-die-ukraine-im-krieg-von-jutta-sommerbauer).

[10] Natascha Wodin (eigentlich Natalja Nikolajewna Wdowina, 1945) ist eine deutschsprachige Schriftstellerin und Übersetzerin ukrainischer Abstammung.

[11] Um alles und alle zu präsentieren, hätte die Verfasserin viele Jahre und mehrere Bände gebraucht.

[12] „Der russische Propaganda-Apparat zielt seit einiger Zeit verstärkt auf Deutschland. Das Ziel der Desinformation ist, die Gesellschaft zu verunsichern. Dagegen kann man sich wehren. Ein Gastbeitrag. Wladimir Putins Medienstrategie beruht darauf, den Unterschied zwischen Gerücht und Wahrheit zum Verschwinden zu bringen. […] Die Methoden dieser gezielten Desinformation und Manipulation der öffentlichen Meinung wurden in Russland zunächst eingesetzt, um die Macht des Präsidenten Wladimir Putin zu sichern. Im Konflikt um die Ukraine erreichte die russische Propaganda ein neues Niveau: Durch Verzerrungen, Halbwahrheiten und komplette Lügengeschichten werden „die Ukrainer“ durchgehend als „Faschisten“ verunglimpft. […] Konzepte für die Manipulation der öffentlichen Meinung oder psychologische Kriegsführung gibt es seit Jahrzehnten. Doch haben sich russische Analysten aus Militär und Geheimdiensten in den neunziger Jahren mit dem „Informationskrieg“ intensiv beschäftigt. Im Kern geht es um den gezielten Einsatz von Information, um die Wahrnehmung der Realität zu verzerren und beim Empfänger der Desinformation eine gewünschte Reaktion zu erzeugen: In russischen Fachbüchern werden diese Techniken als „reflexive Kontrolle“ bezeichnet. […] Außerhalb Russlands zielt die Propaganda darauf, Ängste zu verstärken und Gesellschaften zu destabilisieren. Ein erstes Mittel zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung ist die maximale Erhöhung von Nachrichten, so dass die Empfänger angesichts einer Vielzahl von meist ungesicherten, beängstigenden und sich durchaus widersprechenden Informationen überfordert werden: Verlust der Orientierung und Klarheit sind die Folge dieses „Informationslärms“. […] Neben den offiziellen Medien (…) nutzt der russische Propaganda-Apparat dafür sehr geschickt das Internet. Eine relativ unbekannte Informationswebsite oder ein Blog publizieren eine Nachricht, die dann von weiteren zweifelhaften Websites wiederholt wird. Dann steigt ein größeres bekannteres russisches Medium ein und bringt mit Verweis auf vermeintliche „Quellen“ im Netz die Nachricht, die nun so salonfähig im Medienraum zirkuliert. Die Frage nach der Wahrheit, empirisch überprüfbaren Fakten, spielt keine Rolle. […] Auch die Falschmeldung eines angeblich von Migranten entführten und vergewaltigten Mädchens in Berlin im Januar stammte von einer dubiosen Website im Netz. Das russische Staatsfernsehen griff die Geschichte dann auf. Dies sahen auch Russlanddeutsche, die durch konzertierte Aufrufe in Facebook und über SMS zu Demonstrationen angestachelt wurden. Zudem verbreiteten die deutschsprachigen Ableger der russischen Auslandsmedien die Falschmeldung in Deutschland, wo sie auf rechtspopulistischen Websites und in den sozialen Medien Resonanz erzeugte. Unverkennbar arbeiten russische Auslandsmedien sowie deutsche rechtspopulistische oder rechtsradikale Informationsangebote publizistisch Hand in Hand. Durch gezieltes Zitieren nutzen sie sich gegenseitig als vermeintlich plausible Quelle.“ (Ingo Mannteufel. Russische Propaganda Putin hat für jeden die richtige Botschaft. In: FAZ, Feuilleton, 01. März 2016. http://www.faz.net/ aktuell/feuilleton/debatten/russische-propaganda-putins-botschaft-fuer-jeden-14097884.html)

[13] „Ermittler haben neue Erkenntnisse zum Flugzeugabsturz im Sommer 2014 über der Ostukraine veröffentlicht. Diesmal ging es um die Schuldfrage. Die Spuren führen nach Russland. Mehr als zwei Jahre nach dem Abschuss der Passagiermaschine mit Flugnummer MH17 über der Ostukraine weisen die strafrechtlichen Ermittlungen auf eine Verantwortung Russlands. Von dort stammte nach Erkenntnissen eines Ermittlerteams die Buk-Rakete, die das Flugzeug zum Absturz brachte. Das gab die von der niederländischen Staatsanwaltschaft geleitete internationale Untersuchungskommission am Mittwoch in Nieuwegein bekannt.“ (Absturz in der Ukraine. Ermittler: Rakete wurde aus Rebellengebiet abgefeuert. In: FAZ, Politik, 11. Mai 2017. http://www.faz.net/aktuell/politik/ absturz-in-der-ukraine-ermittler-rakete-wurde-aus-rebellengebiet-abgefeuert-14457244.html)

[14] „Das Ukraine-Bild der russischen Propaganda ist völlig verzerrt. Der Machtwechsel in Kiew war nicht ein Putsch von Faschisten. «Zum Sturz führte eine Volkserhebung. Faschisten, Nationalisten und Banditen haben im Februar in Kiew die Macht übernommen. Es ist die Pflicht Russlands, die russischsprachige Bevölkerung in der Ukraine vor finsteren Kräften zu schützen und ihre Rechte zu verteidigen. Auf dem Kiewer Maidan haben Faschisten auf die Demonstranten geschossen. Die Besetzung der Krim ist eine humanitäre Mission. Es ist in der Ukraine verboten, Russisch zu sprechen, Russen werden drangsaliert. Überall sind faschistische Banden unterwegs.» Das Land, das in den russischen Medien Tag für Tag mit solchen und ähnlichen Worten beschrieben wird, existiert höchstens in den Köpfen der Propagandisten. Die kalten Krieger haben wieder Hochkonjunktur. Sie produzieren nach sowjetischem Muster am Laufmeter Halbwahrheiten und Lügen im Dienste der Staatsmacht und zur Rechtfertigung der Krim-Politik von Präsident Putin. Sie haben mit der Wirklichkeit in der Ukraine nicht viel zu tun.“ (Cyrill Stieger. Propagandakrieg um die Ukraine. Die Mär vom Faschismus in Kiew. In: Neue Zürcher Zeitung. Meinung/Kommentare. 13.03.2014. https://www.nzz.ch/meinung/kommentare/die-maer-vom-faschismus-in-kiew-1.18261486)

[15] „Soll die Ukraine näher an die EU rücken? Ein Referendum in den Niederlanden soll dies abwenden. US-Geheimdienste behaupten nun: Der Kreml unterstütze die Initiatoren. Russland hat möglicherweise die Kampagne für eine Volksabstimmung in den Niederlanden unterstützt. Das berichtet der Daily Telegraph und beruft sich auf ein Dossier von US-Geheimdiensten über russische Aktivitäten in Europa. Das Referendum richtet sich gegen eine engere Zusammenarbeit der EU mit der Ukraine.“ (Zeit-Online, 18.01.2016. http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-01/russland-einfluss-referendum-niederlande-ukraine-europa-annaeherung)

[16] Mehrere Landstriche beziehungsweise Ortschaften betrachten sich als geographischen Mittelpunkt Europas. Da es verschiedene Verfahren zur Berechnung des Mittelpunktes gibt, beanspruchen mehrere Orte den Titel für sich. Eine Stelle nahe Rachiw (das Dorf Dilowe/Ukraine, die Region war damals ein Teil der k.u.k.-Monarchie) in der Ukraine mit den Koordinaten ♁47° 57′ 46″ N, 24° 11′ 14″ O wurde 1887 als geographisches Zentrum Europas berechnet. Wegen des Baues der Eisenbahnlinie Rachiw–Sighetu Marmației wurden damals Vermessungsarbeiten durchgeführt. Im Verlauf dieser Arbeiten stellten die Ingenieure fest, den geographischen Mittelpunkt Europas eingemessen zu haben. Nach gründlicher Überprüfung bestätigten Wiener Wissenschaftler diese These. 1887 wurde ein 2 m hohes geodätisches Denkmal aus Beton errichtet, welches im Original bis heute erhalten ist. Die Stelle ist mit einer Gedenktafel mit lateinischer Inschrift gekennzeichnet: „Locus Perennis Dilicentissime cum libella librationis quae est in Austria et Hungaria confecta cum mensura gradum meridionalium et parallelorum quam Europeum. MDCCCLXXXVII“. Der Ort wird touristisch genutzt. Weitere Kandidaten für den Mittelpunkt Europas sind die Orte Kremnické Bane oder Krahule bei der Stadt Kremnica in der Mittelslowakei, der Hügel Volyně bei Čečelovice sowie ein Denkmal nordöstlich von Budweis in Tschechien.

[17] Petro Poroschenko (1965) ist ein ukrainischer Unternehmer und Politiker und seit dem 7. Juni 2014 demokratisch gewählter Präsident der Ukraine (Verfasserin).

[18] https://www.merkur.de/politik/25-jahre-unabhaengigkeit-ukraine-im-ueberlebenskampf-zr-6669259.html

[19] Marjan Mudryj. Aus dem Band “Ukraine. Städte. Regionen. Spuren”. Architektur im Ringturm XXVIII, Herausgeber Adolph Stiller, Müry Salzmann 2012. Copyright beim Autor Marjan Mudryi (http://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/ Symbole/Ukraine_ %C3 %96sterreich/Ukraine_ Geschichte).

Marjan Mudryj (1970) ist ein ukrainischer Historiker und Dozent an der Universität Lwiw.

[20] Vladimir Belinskij. Strana Moksel ili otkrytije Velikorossiji. „Posoch“. Smolensk, 2009. http://royallib.com/read/belinskiy_vladimir/strana_moksel_ili_otkritie_velikorossii.html#0

[21] Nach den Annales Bertiniani für das Jahr 839. Als Annalen von St. Bertin (Annales Bertiniani) bezeichnet die Forschung seit dem 19. Jahrhundert ein Geschichtswerk, das im 9. Jahrhundert im westfränkischen Reich als Fortsetzung der sogenannten karolingischen Reichsannalen entstanden ist. Berichtet wird über den Zeitraum zwischen 741 und 882.

[22] Nach Abu'l Qasim Ubaid'Allah ibn Khordadbeh für das Jahr 840. Ibn Chordadhbeh (820-912) war Beamter und Geograph in Medien im westlichen Persien.

[23] Die Nestorchronik (deutsch Erzählung der vergangenen Jahre) ist die älteste erhaltene ostslawische Chronik. Sie ist eine der wichtigsten schriftlichen Quellen für die Geschichte der Kiewer Rus. Ihre Angaben werden in weiten Teilen von den Erkenntnissen der Archäologie und Onomastik gestützt. Nestor von Kiew (1050-1113) war ein ostslawischer Mönch und Verfasser der ersten ostslawischen Chronik. Nestor wurde schon in seiner Jugend Mönch im Kyjewer Höhlenkloster. Dort bekam er die Aufgabe, die Klosterchronik zu führen. In den 1080 er Jahren schrieb er den „Bericht über das Leben und Untergehen der seligen Leidensträger Boris und Gleb “ und eine Biografie des Mönchs Theodosius von Kiew.

[24] Marjan Mudryj. Aus dem Band “Ukraine. Städte. Regionen. Spuren”. Architektur im Ringturm XXVIII, Herausgeber Adolph Stiller, Müry Salzmann 2012.

[25] Die Radziwiłł-Chronik ist eine altrusische (altrusisch kommt vom Wort Rusʹ, nicht mit dem Wort russisch zu verwechseln, was bei der Übersetzungen ins Deutsch immer der Fall ist) Chronik aus dem frühen 13. Jahrhundert. Der Text ist in zwei Handschriften aus dem 15. Jahrhundert erhalten. Die Chronik berichtet über die Geschichte der Kiewer Rus' vom 5. bis zum 13. Jahrhundert. Sie gibt den Text der Nestorchronik wieder und setzt ihn für die Jahre 1116 bis 1206 fort.

[26] Oleh der Prophet (?- 912) war ein Herrscher der Kyjiwer Rus' (882-912). In seine Amtszeit fiel die Verlagerung des Herrschaftszentrums der Rurikiden von Nowgorod nach Kyjiw, Oleg gilt daher als Begründer der Kyjiwer Rus'.

[27] Wolodymyr I., der Heilige (960-1015), Großfürst von Kyjiw (978/980-1015).

[28] Anna Porphyrogenneta (auch Anna von Byzanz, 963-1011/1012) war Ehefrau von Wolodymyr I., Großfürst von Kyjiw.

[29] Jaroslaw I., der Weise (979/86-1054), Großfürst von Kyjiw (1019-1054), Sohn von Wolodymyr I.

[30] Elisabeth von Kiew/Norwegen (1025-nach 1066), Tochter von Jaroslaw I. Wolodymyrowytsch (979/86- 1054), Prinzessin der Kyjiwer Rus' und Ehefrau des norwegischen Königs Harald III. Hardråde (1015-1066).

[31] Anastasia von Ungarn (1021-1096), Tochter von Jaroslaw I. Wolodymyrowytsch, Prinzessin der Kyjiwer Rus' und Ehefrau des ungarischen Königs András I. (1015-1060).

[32] Anna von Kiew/Frankreich (französisch Anne de Kiev, 1024/32-1075–1078/79), Tochter von Jaroslaw I. (979/86- 1054), Prinzessin der Kyjiwer Rus' und Ehefrau des Königs von Frankreich Heinrich I. (1008-1060).

[33] Danylo Romanowytsch, Fürst Halyzkyj / von Galicien (1201-1264).

[34] Late Ancient and Medieval Population. By Russell J. C. (Transactions of the American Philosophical Society, New Series, Vol. XLVIII, Part 3) Philadelphia: The American Philosophical Society, 1958. Pp. 152. Siehe in: https://www.cambridge.org/core/journals/ journal-of-economic-history/article/late-ancient-and-medieval-population-by-russell-j-c-trans actions-of-the-american-philosophical-society-new-series-vol-xlviii-part-3-philadelphia-the-american-philosophical-society-1958-pp-152-400/F1E244B78FD1B3BD6462912F66C273E5

Russell, Joshua Cox (1900-?) war ein bedeutender US-amerikanischer Historiker und Demograph.

[35] Johann Christian von Engel (1770-1814) war ein österreichischer Historiker. Mit seiner Arbeit unter dem Titel Geschichte der Ukraine und der Kosaken, wie auch der Königreiche Halitsch-Wladimir schrieb er eines der ersten bekannten historischen Werke über die Ukraine.

[36] https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Ff%C3%BCrstentum_Moskau

[37] The Hypatian Codex is a compendium of three chronicles: the Primary Chronicle, Kiev Chronicle, and Galician-Volhynian Chronicle. It is the most important source of historical data for southern Rus'. https://en.wikipedia.org/wiki/Hypatian_Codex

[38] The oldest mention of the word ukraina dates back to the year 1187. Siehe in: https://en.wikipedia.org/wiki/Name_of_ Ukraine

Ukraine as a title was first used to define the frontier terrain of the Pereyaslavl Principality in the Hypathian Codex in 1187. http://ukrainianweek.com/History/51842

[39] Johann Baptist Homann (1664-1724) war ein deutscher Kartograph, Verleger, Kupferstecher und Globenmeister.

[40] Guillaume le Vasseur de Beauplan (um 1600-1673) war ein französischer Militäringenieur, Architekt und Kartograf.

[41] Ruthenen - Träger der altostslawischen bzw. altukrainischen Sprache in der Westukraine und Osteuropa.

[42] 1837 veröffentlichen drei Absolventen des Lemberger Priesterseminars Markijan Schaschkewytsch, Jakiw Holowazkyj und Iwan Wahylewytsch, bekannt als ruthenische Triade (Rusʹka Trijcja), den literarisch-wissenschaftlichen Almanach Rusalka Dnistrowa (Die Dnisternixe), der auch ruthenische Volkslieder enthält. Die Gruppe sowie der Almanach werden als Keimzelle der Nationalukrainischen Bewegung gesehen. Es war eine Manifestation der modernen ukrainischen Schriftsprache in Galizien. Schaschkewytsch, Markijan (1811-1843) war ein ukrainischer Schriftsteller, Dichter und Priester der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche. Holowazkyj, Jakiw (1814-1888) war ein Folklorist und Wissenschaftler der galizisch-ruthenischen Volkskunde und Sprache, Dichter, Historiker und Professor der ukrainischen Sprache und Literatur sowie Rektor der Universität Lemberg. Wahylewytsch, Iwan (1811-1866) war ein ukrainischer Poet, Schriftsteller, Historiker ukrainischer Literatur, Philologe und Geistlicher.

[43] Verein der bewussten Ukrainer, vor allem Studenten und Intellektuellen, die für die national-kulturellen und bürgerlich-politischen Rechte der Ukrainer kämpften.

[44] Charkiw (auch Charkow, Kharkiv und Kharkov) ist nach Kyjiw mit rund 1,4 Millionen Einwohnern (2015) die zweitgrößte Stadt der Ukraine und mit 42 Universitäten und Hochschulen das bedeutendste Wissenschafts- und Bildungszentrum des Landes, in der sowohl Russisch als auch Ukrainisch gesprochen wird. Die Herkunft des Stadtnamens geht auf den Kosaken Charko zurück. Die Stadt wurde im Jahre 1630 ursprünglich als Festung gegründet. Im Januar 1918 tagte in Charkiw der erste ukrainische Sowjetkongress, der die Ukraine zur Sowjetrepublik ausrief und Charkiw zu ihrer ersten Hauptstadt erklärte, die sie bis 1934 blieb. 1933 hatte die Stadt 833.000 Einwohner. Im Frühjahr 1933 war Charkiw eines der Gebiete, die besonders stark vom Holodomor, einer maßgeblich durch das stalinistische Regime verursachten Hungersnot, betroffen waren. In der Stadt verhungerten innerhalb weniger Monate über 45.000 Menschen. 1934 wurde die Hauptstadt der ukrainischen Sowjetrepublik nach Kyjiw verlegt, die Stadt verblieb aber ein wichtiges politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum. In einem NKWD-Gefängnis in Charkiw wurden im März 1940 über 3000 polnische Staatsbürger im Zusammenhang mit dem Massaker von Katyn ermordet und in einem Waldstück bei der Siedlung Pjatychatky verscharrt. Ende der 1990 er Jahre wurden die sterblichen Überreste auf den Friedhof für die Opfer des Totalitarismus umgebettet. Im Zweiten Weltkrieg war Charkiw ein sehr wichtiges strategisches Objekt, und zwar nicht nur wegen der wichtigen Verkehrsknoten, sondern auch wegen ihrer entwickelten Kriegsindustrie. Dort wurden z. B. die Panzer T-34 entwickelt und produziert. Im Oktober 1941 eroberten Truppen der deutschen 6. Armee die damals viertgrößte Stadt der Sowjetunion kampflos. Kurz danach begann der Terror an der Zivilbevölkerung. Die meisten in der Stadt verbliebenen Juden wurden beim Massaker von Drobyzkyj Jar umgebracht. Zahlreiche Bewohner von Charkiw wurden nach Deutschland als Zwangsarbeiter verschleppt. Insgesamt sind in der Oblast Charkiw 270.000 Menschen der deutschen Besatzung zum Opfer gefallen. Seit 1991 gehört Charkiw zur unabhängigen Ukraine. Im Februar 1998 weihte der damalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog (1943-2017) während eines Staatsbesuches einen deutschen Soldatenfriedhof ein. Charkiw gehört zu den Städten, in die die OSZE am 21. März 2014 Beobachter entsandte.

[45] Karl Marx (1818-1883) war ein deutscher Philosoph, Ökonom, Gesellschaftstheoretiker, politischer Journalist, Protagonist der Arbeiterbewegung sowie Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft und der Religion. Zusammen mit Friedrich Engels wurde er zum einflussreichsten Theoretiker des Sozialismus und Kommunismus. Bis heute werden seine Theorien kontrovers diskutiert.

[46] Wladimir Putin (1952) ist Präsident der Russischen Föderation (2000-2008, 2012 bis heute)

[47] Markus Osterrieder (1961), in München geboren, studierte Osteuropäische Geschichte, Slawistik und Politologie in München, Toulouse und Warschau. Nach Promotion und mehrjähriger Tätigkeit am Osteuropa-Institut in München arbeitet er heute als freier Historiker, Publizist und Vortragender im In- und Ausland, vor allem an Fragen des Kulturaustausches und der Kulturvermittlung zwischen Ost und West.

[48] Roman Goncharenko (?) ist ein freier Journalist und Autor (WDR-Hörfunk, DLF, DLR Kultur, Rheinischer Merkur), Deutsche-Welle-Reporter und Ukraine-Experte.

[49] Nick Cunningham (?) ist ein US-amerikanischer in Dokumentarautor über Energie- und Umweltfragen.

[50] Christoph Stein (1952) ist ein deutscher Journalist, ARD-Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der BRD, Telepolis.

[51] Majdan Nesaleschnosti (Platz der Unabhängigkeit) ist der Hauptplatz der Ukraine in ihrer Hauptstadt Kyjiw. Siehe zum Thema: Film von Evgeny Afineevsky (2015). Winter on Fire. Ukraine's Fight for Freedom, für einen Oscar nominierter Dokumentarfilm. Bücher von Juri Andruchowytsch (Hrsg.). Euromaidan. Was in der Ukraine auf dem Spiel steht. Berlin 2014; von Konrad Schuller. Ukraine. Chronik einer Revolution. Edition. Foto TAPETA, Berlin 2014.

[52] Kataryna Wolczuk, Roman Wolczuk: What you need to know about the causes of the Ukrainian protests – WP, 9. Dezember 2013. Kataryna Wolczuk, Professor of East European Politics; Centre for Russian, European and Eurasian Studies; School of Government and Society Muirhead Tower, University of Birmingham. Roman Wolczuk is an independent scholar who has written extensively on Ukraine, including Ukraine's Foreign and Security Policy, 1991-2000 (Routledge Curzon, 2003) and numerous publications in the world press. His focus has been on Ukraine’s international security in the context of a regionalising world, the subject of his jointly-authored forthcoming book. He is also a frequent commentator in the international media on events in Ukraine and Russia.

[53] Jurij Werbyzkyj (auch Jurij Verbickij, 1963-2014) war ein ukrainischer Wissenschaftler, Seismologe, Bergsteiger aus Lemberg und das erste Todesopfer des Maidans. Ihm wird eine altbewährte Methode zum Verhängnis: Man verschleppt ihn am 21. Januar aus dem Krankenhaus, wo er sich behandeln ließ, er wird gefoltert, mit Klebeband gefesselt und im Wald zurückgelassen, dort erfriert er. Nun soll ein Gipfel im Kaukasus nach ihm benannt werden.

[54] Janukowitschs willige und weniger willige Helfer, FAZ, 20. Februar 2014.

[55] „Meine Patrouillen in den Nächten von Kiew gegen Verbrecher und korrupte Agenten“ La Stampa, 25. Januar 2014

[56] Andreas Kappeler: Kleine Geschichte der Ukraine. C. H. Beck, München 2014, Seite 341.

[57] Guido Westerwelle (1961-2016) war ein deutscher Politiker. Er war Gründungsmitglied und 1983 bis 1988 Vorsitzender der Jungen Liberalen, 1994 bis 2001 Generalsekretär und 2001 bis 2011 Bundesvorsitzender der Freien Demokratischen Partei (FDP). Ferner war Westerwelle 2006 bis 2009 Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion und Oppositionsführer im Deutschen Bundestag. Von 2009 bis 2013 war er Bundesminister des Auswärtigen im Kabinett Merkel II. Als solcher war er vom Amtsantritt an bis zum Mai 2011 auch Stellvertreter der Bundeskanzlerin, umgangssprachlich Vizekanzler genannt.

[58] Tagesschau: Steinmeier deutet EU-Sanktionen an 18. Februar 2014 21:07. Frank-Walter Steinmeier (1956) ist seit dem 19. März 2017 der zwölfte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.

[59] Bernd Riegert: EU will Sanktionen gegen Janukowitsch. Deutsche Welle, 19. Februar 2014, abgerufen am 23. Februar 2014. Bernd Riegert (?) ist ein Deutsche-Welle-Korrespondent.

[60] Obama verhängt Sanktionen gegen Ukraine. Tages-Anzeiger Ausland. 20. Februar 2014. Abgerufen am 20. Februar 2014. Barack Hussein Obama (1961) war Präsident der Vereinigten Staaten (2009-2017).

[61] Geldwäsche-Verdacht: Schweiz sperrt Konten mit Janukowitsch-Millionen. Spiegel Online. 28. Februar 2014. Abgerufen am 4. März 2014.

[62] Lenta.ru Putin nazval protesty na Ukraine „chorośo podgotovlennymi“, 2. Dezember 2013.

[63] ria.ru Putin sprach von einem „Pogrom“ in der Ukraine, 2. Dezember 2013.

[64] Claudia Ehrenstein, Sascha Lehnartz, Florian Kellermann: Ukraine: Der diplomatische Coup des Frank-Walter Steinmeier. Die Welt, 22. Februar 2014, abgerufen am 23. Februar 2014.

[65] Florian Kellermann: Bei der Flucht vergaß Janukowitsch sogar seine Brille. Die Welt, 25. Februar 2014, abgerufen am 25. Mai 2014. Vom 1. Februar 2015 an berichtet Florian Kellermann für Deutschlandradio als Korrespondent für Polen und die Ukraine mit Sitz in Warschau.

[66] Oleksandr Turtschynow (1964) war Präsident des ukrainischen Parlamentes, Übergangspräsidenten des Landes (2014) und Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine.

[67] Mykola Asarow (1947) ist ein ehemaliger ukrainischer Politiker. Er gehörte der Partei der Regionen an und war Ministerpräsident der Ukraine (2010-2014).

[68] Arsenij Jazenjuk (1974) war Außenminister des Landes, Präsident des ukrainischen Parlaments (Werchowna Rada, 2007-2008), Ministerpräsident der Ukraine (2014-2016).

[69] Redaktion: Parlamentssitzung in Kiew. Regierungschef Asarow tritt zurück. Süddeutsche Zeitung, 28. Januar 2014, abgerufen am 20. Oktober 2014.

[70] Euromaidan, Befragung (Veröffentlicht am 10. Dezember 2013).

[71] Half of Ukrainians don't support Kyiv Euromaidan, R&B poll.

[72] Olga Onuch: EuroMaidan Protests in Ukraine: Social Media versus Social Networks. In: Problems of Post-Communism. 62, Nr. 4, 2015, S. 217–235. Olga Onuch is an Assistant Professor in Politics working at the University of Manchester and is an Associate Fellow in Politics at Nuffield College, at the University of Oxford. At the Politics DA, at the University of Manchester, Dr. Onuch is the Chair of Comparative Public Policy and Institutions Research Cluster and is an active Member of the Democracy and Elections Research Cluster. She is also the Director of MA European Politics Pathway and the Politics Program Director of the BA in Social Sciences.

[73] Anna Chebotariowa in: David R. Marples, Frederick V. Mills: Ukraine's Euromaidan: Analyses of a Civil Revolution, Columbia University Press, 2014, Seite 167.

[74] Is the US backing neo-Nazis in Ukraine? – Salon.com

[75] http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-03/ukraine-swoboda-rechtsparteien

[76] Daniel Heinrich: Die Russlandversteher – Deutsche Welle, 20. März 2014. Während Politik-und Turkologie Studium in München und Istanbul hat Daniel Heinrich (?) die zweite Heimat in der Türkei gefunden. Daniel machte Praktika im EU-Parlament in Brüssel und bei politischen Stiftungen in Istanbul und Berlin. Jetzt überglücklich, bei der Deutschen Welle Interesse an Zeitgeschehen und Internationalität mit angeborenem Mitteilungsbedürfnis vereinen zu können.

[77] Abstieg der Rechtsextremen in der Ukraine, DW, 4. April 2014.

[78] Rinat Achmetow (1966) ist ein ukrainischer Unternehmer und Politiker tatarischer Herkunft. Mit einem Vermögen von geschätzten 11,6 Mrd. US-Dollar (2014) ist er der reichste Mensch der Ukraine, er gilt auch als der einflussreichste Oligarch des Landes.

[79] Groups at the sharp end of Ukraine unrest, BBC am 1. Februar 2014.

[80] FAZ.net: Russland – Putin lässt Gefechtsbereitschaft für Krisenfall prüfen, abgerufen am 26. Februar 2014.

[81] Föderationsrat Russlands genehmigt Militäreinsatz in der Ukraine

[82] Orest Subtelny (1941-2016) war ein kanadischer Historiker polnisch-ukrainischer Herkunft, Professor an den Harvard University und York University in Toronto.

[83] Alexei Adschubei (1924-1993) war ein sowjetischer Journalist, Publizist und Politiker.

[84] Ulrich „Ulli“ Kulke (1952) ist ein deutscher Journalist.

[85] Vgl. Ihor Tyschkjewytsch: Kak Rossija zaseljajet Krim. In: Internet-Magazine Chwylja (deutsch Die Welle), Projekt des Ukrainischen Instituts der Zukunft, 05.03.17, http://hvylya.net/ analytics/politics/kak-rossiya-zaselyaet-kryim-antiukrainskimi-elementami. html

Ihor Tyschkjewytsch ist ein zeitgenössischer weißrussischer sowie ukrainischer Expert, Analytik, Autor, Publizist und Blogger, der heutzutage am Ukrainischen Institut der Zukunft tätig ist. Wohnsitz in Kyjiw.

[86] Putins neues Russland – Europa am Rande des Krieges? ZDF, 4. September 2014.

[87] Marc Bennetts: „Why nothing will dent Vladimir Putin’s soaring popularity at home“–The Guardian vom 31. Juli 2014. Marc Bennetts (?) is a British journalist based in Moscow.

[88] Andreas Kappeler: Kleine Geschichte der Ukraine. C. H. Beck, München 2014, Seite 335.

[89] Boris Reitschuster: Putins Demokratur. Ein Machtmensch und sein System. Econ Verlag. Berlin 2014. Einleitung/Redaktion. Boris Reitschuster (1971) ist ein deutscher Journalist (Focus) und Sachbuchautor. Er ist bekannt geworden durch seine Bücher über das zeitgenössische Russland.

[90] Der Propagandakrieg um die Ukraine, Standard.at, 2. März 2014; im Video.

[91] Ukrainischer Leiter des Staatsfernsehens abgesetzt. Horizont, 26. März 2014, abgerufen am 2. Mai 2014.

[92] Gedenken in Kiew, Tote in Charkiw (Memento vom 22. Februar 2015 im Internet Archive), Tagesschau.de, 22. Februar 2015.

[93] МВС УКРАЇНИ mvs.gov.ua, 3. März 2014.

[94] Opposition meldet fünf Tote und Hunderte Verletzte. (Memento vom 24. Januar 2014 im Internet Archive) In: tagesschau.de. 22. Januar 2014.

[95] Für die Unabhängigkeit, TAZ, 22. Februar 2015.

[96] Zerrissene Ukraine, Das Erste, Dokumentation von Golineh Atai, 8. Juli 2015

[97] Ukraine: Polizisten wegen Verdachts auf Massenmord verhaftet (https://derstandard.at/ 139 5364138316/Ukraine-Polizisten-wegen-Verdachts-auf-Massenmord-verhaftet).

Fin de l'extrait de 400 pages

Résumé des informations

Titre
Terra incognita. Ukraine, Ukrainer und Ukrainisch
Sous-titre
Eine enzyklopädische Sammlung
Université
University of Heidelberg
Note
sehr gut
Auteur
Année
2017
Pages
400
N° de catalogue
V385636
ISBN (ebook)
9783668601901
ISBN (Livre)
9783668601918
Taille d'un fichier
16807 KB
Langue
allemand
Annotations
Mots clés
terra, ukraine, ukrainer, ukrainisch, eine, sammlung, enzyklopädie, lexikon, geschichte
Citation du texte
Antonia Kostretska (Auteur), 2017, Terra incognita. Ukraine, Ukrainer und Ukrainisch, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/385636

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