Heiße Eisen und weiße Flecken. Die Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte und ihr NS-Bild


Hausarbeit, 2006

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


1
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung ... 2
1
Quellenanalyse ... 4
1.1
Formale Quellenanalyse ... 4
1.2
Quantitative Inhaltsanalyse ... 5
2
Das Geschichtsbild der VfZ: Drei Begriffskomplexe und ihre Deutungen ... 7
2.1
Das Verhältnis von ,,Machtapparat" und ,,Volk" ... 7
2.2
Judenverfolgung und Holocaust: Die ,,Judenfrage" ... 9
2.3
Der ,,saubere" Soldat ... 10
3
Forschungskontext ... 11
Fazit ... 13
Quellenverzeichnis ... 14
Literaturverzeichnis ... 14

2
Einleitung
Noch immer sind die Versuche, ein deutsches Selbstverständnis zu definieren, nicht zuletzt
durch die Bestimmung des Verhältnisses der heutigen Bundesrepublik zur Epoche des Natio-
nalsozialismus geprägt. Exemplarisch für diese Bemühungen ist beispielsweise die Diskussi-
on um das Holocaustmahnmal in Berlin, bei der der Umgang mit der Erinnerung an national-
sozialistische Verbrechen im Mittelpunkt stand, oder der Verlauf der Debatte um den Kosovo-
Einsatz der Bundeswehr 1999, in der sowohl Befürworter als auch Gegner aus der Negation
des nationalsozialistischen Völkermords, beziehungsweise Angriffskrieges, und den daraus
erwachsenden Verpflichtungen heraus argumentierten. Diese Standortbestimmung der Ge-
genwart wurzelt unter anderem in soziopolitischen Rahmenbedingungen, die sich bereits in
der Gründungsphase der Bundesrepublik etabliert haben, findet jedoch gleichzeitig in Ausei-
nandersetzung mit den vorangegangenen Ansätzen der Vergangenheitsbewältigung statt. Die
mit wachsendem zeitlichem Abstand zunehmende Beschäftigung mit der Zeit der nationalso-
zialistischen Herrschaft
1
wirft folglich die Frage auf, ,,ob sich in der intensiven Auseinander-
setzung der zumeist Nachgeborenen frühere Defizite widerspiegeln"
2
.
Verdrängung und Aufarbeitung sind dabei die Extreme, zwischen denen Historiker den Um-
gang mit der NS-Geschichte in der Bundesrepublik der Fünfziger Jahre zu verorten versu-
chen. So konstatiert beispielsweise Norbert Frei, den man als Vertreter einer ,,modifizierten
Verdrängungsthese" charakterisieren kann, in seiner Untersuchung der ,,Vergangenheitspoli-
tik" der Regierung Adenauer bis 1954 den Wunsch der westdeutschen Gesellschaft nach Ent-
lastung, der sich politisch in der Integration und Amnestierung sowohl von Mitläufern als
auch von Funktionsträgern äußerte. So wurden nicht die Geschehnisse als solche verdrängt,
sondern vielmehr der individuelle Anteil an ihnen. Diese Verdrängungshaltung wird laut Frei
jedoch gegen Ende des Jahrzehnts schrittweise durch eine stärker aufklärerische Haltung der
Aufarbeitung abgelöst
3
. Auch Hartmut Berghoff diagnostiziert in seiner Analyse der soziokul-
turellen Dimension des Themas Veränderungen in der Haltung der Deutschen, ,,eine Entwick-
1
Vgl. Nicolas Berg: Der Holocaust und die westdeutschen Historiker. Erforschung und Erinnerung, Göttingen
2003 (= Moderne Zeit. Neue Forschungen zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts, Bd. 3),
zugl. Diss. Phil., Universität Freiburg 2001, S. 10-11.
2
Hartmut Berghoff: Zwischen Verdrängung und Aufarbeitung. Die bundesdeutsche Gesellschaft und ihre Natio-
nalsozialistische Vergangenheit in den fünfziger Jahren, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 49
(1998), S. 96-114, hier S. 96.
3
Norbert Frei: Das Problem der NS-Vergangenheit in der Ära Adenauer, in: Bernd Weisbrod (Hrsg.): Rechtsra-
dikalismus in der politischen Kultur der Nachkriegszeit. Die verzögerte Normalisierung in Niedersachsen, Han-
nover 1995 (=Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, Bd. 38), S.19-
31, hier: S. 30f.

3
lung von der weitgehenden Erinnerungsverweigerung zur ersten Etappe einer aufrichtigen
Auseinandersetzung"
4
.
Ist der Umgang der Westdeutschen mit der Vergangenheit in den Anfangsjahren der Bundes-
republik Beobachtungsgegenstand, erscheint insbesondere der Umgang der Geschichtswis-
senschaft - hier speziell der Zeitgeschichtsschreibung - als quasi per Definition zur Beschäfti-
gung mit der Geschichte verdammte Zunft, eine nähere Betrachtung wert. Den Mittelpunkt
der neu etablierten zeitgeschichtlichen Forschung in der damaligen westdeutschen Wissen-
schaftslandschaft bildeten das 1949 in München gegründete Institut für Zeitgeschichte (IfZ)
und die von ihm publizierten Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (VfZ), deren Ausgaben von
1953 bis 1959 Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein sollen. Diese Betrachtung
erlaubt Rückschlüsse auf das vorherrschende Geschichtsbild der Zeithistoriker, da man wis-
senschaftlichen Fachzeitschriften über die reine Veröffentlichungsfunktion hinaus eine Reprä-
sentativität für das ,,Denk- und Formulierbare" eines Fachgebietes beimessen kann
5
. Schwer-
punktsetzung und blinde Flecken der Historikerzunft beschreibt in allgemeiner Form zum
Beispiel Konrad Kwiet (siehe Punkt 3)
6
. Eine vergleichbare Analyse der Inhalte geschichts-
wissenschaftlicher Fachzeitschriften liegt bislang nicht vor.
Da es sich beim IfZ um ein explizit zur Erforschung des Nationalsozialismus eingerichtetes
Institut handelt, ist die Frage nach einer generellen Verdrängung der NS-Vergangenheit natür-
lich obsolet. In den Mittelpunkt rückt bei einer Untersuchung der VfZ der Aspekt, welche
Themengebiete in welchem quantitativen Umfang behandelt wurden, was im ersten Teil die-
ser Arbeit geschehen soll und durch eine vorangestellte formale Bestimmung der Quelle er-
gänzt wird. Anhand der Themenkomplexe ,,Machtapparat und Volk", Holocaust und Solda-
tenbild soll dann in einem zweiten Schritt das in den Vierteljahrsheften gezeichnete Ge-
schichtsbild mittels einer Analyse der verwendeten Begrifflichkeiten nachvollzogen werden.
Abschließend sollen die Ergebnisse aus Schritt eins und zwei unter der Perspektive von Ver-
drängung und Aufarbeitung betrachtet und in den übergreifenden Forschungszusammenhang
eingeordnet werden. Die Definition für eine vorbehaltlose Aufarbeitung der Vergangenheit,
liefert dabei die Quelle selbst, namentlich der programmatische Artikel von Hauptherausgeber
Hans Rothfels, der die erste Ausgabe der Vierteljahrshefte mit folgender Zielsetzung einleitet:
4
Berghoff: Verdrängung und Aufarbeitung, S.114.
5
Matthias Middell: Vom allgemeinhistorischen Journal zur spezialisierten Liste im H-Net. Gedanken zur Ge-
schichte der Zeitschriften als Elementen der Institutionalisierung moderner Geschichtswissenschaft, in: Ders.
(Hrsg.): Historische Zeitschriften im internationalen Vergleich, Leipzig 1999 (= Geschichtswissenschaft und
Geschichtskultur im 20. Jahrhundert, Bd. 2), S. 7-31, hier S. 11f.
6
Konrad Kwiet: Die NS-Zeit in der westdeutschen Forschung 1945-1961, in: Ernst Schulin: Deutsche Ge-
schichtswissenschaft nach dem zweiten Weltkrieg (1945-1965), München 1989 (= Schriften des historischen
Kollegs, Kolloquien 14), S.181-198.

4
,,[Z]ur Zeitgeschichte als Aufgabe gehört [...], daß sie an keinerlei heißen Eisen, weder inter-
nationalen noch nationalen, sich vorbeidrückt und nicht leere Räume offenläßt, in die Legen-
den sich einzunisten neigen"
7
. Hat die VfZ in den Fünfzigern ihre selbstgestellte Aufgabe
erfüllt?
1 Quellenanalyse
1.1 Formale Quellenanalyse
Die Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte sind eine geschichtswissenschaftliche Zeitschrift, die
seit Anfang 1953 bis zum heutigen Tag - nomen est omen ­ vierteljährlich im Verlagsort
München erscheint, wobei der Betrachtungszeitraum in dieser Arbeit zwischen den Jahren
1953 - 1959 liegt. Ihr Fachgebiet ist die Zeitgeschichte, also die ,,wissenschaftliche Behand-
lung" der unmittelbaren Vergangenheit, laut eigener Definition die ,,Epoche der Mitleben-
den"
8
. Schwerpunkt bildet dabei die Epoche des Nationalsozialismus und seiner Wurzeln
9
,
was sich nicht zuletzt aus dem Forschungsauftrag des Instituts für Zeitgeschichte ergibt
10
, in
dessen Auftrag die Vierteljahrshefte erscheinen. Autoren waren mit zeitgeschichtlichen The-
men befasste Historiker, darunter Mitarbeiter des IfZ und die Herausgeber Hans Rothfels und
Theodor Eschenburg, aber auch fachfremde Zeitzeugen wie General a.D. Wilhelm Speidel.
Der institutsnahe Personenkreis hat bis 1963 ca. ein Drittel aller Inhalte verfasst
11
, somit lässt
die Quelle trotz ihrer redaktionellen Unabhängigkeit dem Institut gegenüber
12
auch bedingt
Rückschlüsse auf Arbeit, thematische Schwerpunktsetzung und Geschichtsauffassung des
Instituts zu. Die VfZ wandten sich in ihrer Rolle als wissenschaftliches Kommunikationsme-
dium in erster Linie an das forschende Fachpublikum. Darüber hinaus stießen einzelne Arti-
kel, speziell Dokumentationen wie beispielsweise der ,,Gerstein-Bericht", auf breite Resonanz
in Presse und Rundfunk
13
.
Die Inhalte der VfZ gliedern sich in Aufsätze, dies sind Untersuchungen zu eng begrenzten
zeitgeschichtlichen Themen; Miszellen, die kurz essayistisch Stellung beziehen zu aktuellen
Büchern und Diskussionen, auch solchen aus dem politischen Raum der Geschichtsdeutung;
7
Hans Rothfels: Zeitgeschichte als Aufgabe, in: VfZ 1 (1953), S. 1-8, hier S. 8.
8
Ebd., S. 2.
9
Vgl.ebd., S. 8; sowie Hermann Graml / Hans Woller: Fünfzig Jahre VfZ 1953-2003, in: VfZ 51 (2003), S. 51-
87, hier S. 58.
10
Bis 1952: ,,Deutsches Institut für Geschichte der nationalsozialistischen Zeit". Laut Berg war das IfZ nicht nur
um ,,reine Forschung, sondern vielmehr eine Mischung aus Aufklärung und Rehabilitation" der deutschen Wis-
senschaft bemüht. Vgl. hierzu Berg: Historiker, S. 282.
11
Vgl. Graml / Woller: Fünfzig Jahre, S. 64f.
12
Vgl. ebd., S. 57.
13
Vgl. ebd., S. 67.

5
Dokumentationen, in denen bislang ungedruckte Quellen der Forschung zugänglich gemacht
werden; sowie in wesentlich geringerem Umfang Notizen und Forschungsberichte, die einen
Überblick über den augenblicklichen Stand des Faches verschaffen sollen. Eine Besonderheit
im Bereich der wissenschaftlichen Zeitschriften stellen die Vorbemerkungen der Herausgeber
dar, die nicht nur die Dokumentationen, sondern auch die Aufsätze einleitend kommentieren.
1.2 Quantitative Inhaltsanalyse
Um eine quantitative Betrachtung der Inhalte vornehmen zu können, bedarf es einiger metho-
dologischer Vorüberlegungen. Generell muss die Einordnung der Artikel in eine inhaltliche
Kategorie möglichst eindeutig und nachvollziehbar erfolgen können, was eine präzise Defini-
tion der Kategorien und deren Abgrenzung voneinander voraussetzt. Ermöglichen die Inhalte
eines Artikels mehrere Kategorisierungen, ist nicht die rein quantitative Gewichtung einzelner
inhaltlicher Aspekte zur Entscheidung heranzuziehen, sondern das vom Autor angestrebte
Erkenntnisziel. Im Falle der Miszellen liegt darüber hinaus oftmals eine indirekte Beschäfti-
gung mit dem Nationalsozialismus vor, der die Behandlung der jeweiligen aktuellen Diskus-
sion zu einem bestimmten Gebiet des Themenfeldes zwischengeschaltet ist. Auf Aufsätze,
Dokumentationen und Miszellen werden die gleichen Kategorien angewendet, die Ergebnisse
jedoch nach Textsorten getrennt erfasst, um eine Vergleichbarkeit zwischen den verschiede-
nen Textcharaktern zu ermöglichen und deren Unterschiedlichkeit zu würdigen.
Die Wahl der Weimarer Republik als zweiten Themenschwerpunkt sowie der Wille der Her-
ausgeber, ein ganzheitliches Bild der vorangegangenen Epoche zu zeichnen
14
, schlägt sich im
Verhältnis der abgedruckten Aufsätze nieder: 31 weisen einen direkten Bezug zum NS-
Regime auf. In etwa gleich viele behandeln die Weimarer Demokratie, insgesamt sind es 50
Aufsätze, die sich nicht mit der nationalsozialistischen Herrschaft befassen. Die Quellen-
Dokumentationen weisen ein entgegen gesetztes Bild auf: Über 80% (31) Miszellen als auch
insgesamt ist festzuhalten, dass mehr als die Hälfte
15
aller Texte das Dritte Reich thematisie-
ren.
Innerhalb des Veröffentlichungskorpus zur NS-Zeit fällt über ein Drittel
16
in den ideologisch-
politischen Bereich. Weiter lassen sich diese ­ zumindest tendenziell - differenzieren in eine
,,klassische" Fokussierung des politischen Bereichs und eine, die rein die NS-Ideologie ohne
Betrachtung konkreter Folgen in den Vordergrund stellt. Im Untersuchungszeitraum erschie-
14
Vgl. Rothfels: Zeitgeschichte, S. 7.
15
Insgesamt beziehen sich 78 von 146 Texten auf das Dritte Reich; bei den Miszellen sind es 16 von 27.
16
30 Veröffentlichungen von insgesamt 78 lassen sich als ideologisch-politisch klassifizieren.
Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Heiße Eisen und weiße Flecken. Die Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte und ihr NS-Bild
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Geschichte der Bundesrepublik 1949 - 1961
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
15
Katalognummer
V386543
ISBN (eBook)
9783668613744
ISBN (Buch)
9783668613751
Dateigröße
505 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
VfZ, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, NS, Nationalsozialismus, Vergangenheitsbewältigung, Vergangenheitspolitik, Holocaust, Wehrmacht, 1950er, Westdeutschland, Nachkriegszeit
Arbeit zitieren
M.A. Christoph Sprich (Autor:in), 2006, Heiße Eisen und weiße Flecken. Die Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte und ihr NS-Bild, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/386543

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