Verfassungsrechtliche Grenzen des Ausschlusses verfassungsfeindlicher aber nicht verbotener Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2017

19 Pages, Note: 13


Extrait


Inhaltsverzeichnis

I. Einführung in die Thematik

II. Kein Ausschluss aufgrund verfassungsrechtlicher Grenzen
1. Politische Neutralität des Staates
2. Entgegenstehende Rechte der Parteien
a) Chancengleichheit der Parteien
b) Sperrwirkung des Parteienprivilegs
3. Absage des Bundesverfassungsgerichts in vergleichbaren Fällen
a) Keine grundsätzliche Unterbindung rechtsradikaler Versammlungen
b) Keine Funktionalisierung des Wahlrechts zur Bekämpfung von Parteien
c) Keine übersteigerten Anforderungen an die Staatsloyalität

III. Keine Verfassungsänderung aufgrund materieller Schranken

IV. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

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Schwarz, Kyrill-Alexander: Der Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, Beilage, Jahrgang 36 (2017), Seiten 39- 41.

I. Einführung in die Thematik

Die NPD ist verfassungsfeindlich, aber für ein Verbot zu bedeutungslos. Mit diesem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht am 17.01.2017 einen Schlusspunkt unter die jahrelangen politischen Bemühungen für eine Auflösung der Partei gesetzt.[1] Bei der Verkündung des Urteils wies der Präsident des Bundesverfassungsgerichts darauf hin, dass der Gesetzgeber darüber nachdenken könne, verfassungsfeindlichen Parteien die staatliche Finanzierung zu entziehen. Diese Bemerkung wurde nicht nur von den Medien, sondern vor allem von der Politik aufgegriffen. Alsbald gab es Initiativen in diese Richtung. Wenige Tage nach der Entscheidung kündigte der Innenminister des Landes Niedersachsen an, im Bundesrat eine Gesetzesinitiative zur Einführung einer solchen Sanktionsmöglichkeit einbringen zu wollen. Bislang kennt das Grundgesetz nur eine Sanktion gegenüber verfassungsfeindlichen Parteien: das Verbot. Die jetzige Diskussion bietet Anlass, über die verfassungsrechtliche Realisierbarkeit nachzudenken.[2]

II. Kein Ausschluss aufgrund verfassungsrechtlicher Grenzen

Verschiedene partei- und verfassungsrechtliche Gesichtspunkte verbieten einen Ausschluss einer verfassungsfeindlichen aber nicht verbotenen Partei aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Die Problematik des Ausschlusses einer solchen politischen Partei bewegt sich insofern in einem Spannungsverhältnis.[3] Besonders bedeutsam in diesem Zusammenhang ist auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Parteienrecht, welche ebenfalls eine Ungleichbehandlung einer nicht verbotenen Partei verbietet. Des Weiteren ergibt sich auch aus parallel gelagerten und damit vergleichbaren Fällen, dass ein Ausschluss aus der Parteienfinanzierung verfassungsrechtlich unzulässig ist.

1. Politische Neutralität des Staates

Ein einfachgesetzlich geregelter Ausschluss einer Partei aus der staatlichen Parteienfinanzierung, als Sanktion für ihre politischen Vorstellungen und Zielsetzungen, verstößt gegen das Verfassungsprinzip der Neutralität.

Der demokratische Verfassungsstaat zeichnet sich auch dadurch aus, dass er gegenüber den verschiedenen geistigen, sowie und gerade politischen Strömungen, weitgehend Neutralität zu wahren sucht. Darin spiegelt sich die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für ein pluralistisch strukturiertes Gemeinwesen. Die Verfassung beschränkt sich insoweit auf die Festlegung einer „bloß“ gerechten Rahmenordnung ohne inhaltliche Vorgaben. Antworten auf die Frage danach, was das Gemeinwesen für „gutes Leben“ hält, gibt es weitgehend unabhängig von rechtlicher Vorentscheidung.[4]

Diese Beschränkung findet verfassungsrechtlichen Ausdruck aus der abwehrrechtlichen Seite der Grundrechte, welche Individuum wie auch Kollektive von staatlicher „Gesinnungslenkung“ distanziert. Ebenso tritt als maßgebliche Richtschnur staatlichen Handelns der allgemeine Gleichheitssatz hinzu, welcher neutralitätserhebliche Unterscheidungen des Staates am Willkürverbot sowie am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit misst. Der Verfassungsstaat legt sich selbst auch historisch bedingt eine Zurückhaltung gegenüber absoluten Wahrheitsansprüchen auf, vor allem in jenen Bereichen, welche traditionell und ihrer Natur nach den Anspruch auf ein Deutungsmonopol erheben.[5]

Diese verschiedenen Gehalte des Verfassungsrechts verschmelzen mithin zu einem Verfassungsprinzip der Neutralität. Dieser Neutralitätsgedanke tritt beispielsweise in Erscheinung, wenn es um den „offenen“ Kunstbegriff geht oder wenn vom „Wertungsverbot“ bei der Meinungsfreiheit gesprochen wird. Ebenso bei der „Staatsfreiheit“ des Rundfunks und dem „offenen politischen Willensbildungsprozess“.[6] Insgesamt geht es doch stets um die Zurücknahme des Staates, den Verzicht auf Bewertung und Sanktionierung eines bestimmten Verhaltens.

2. Entgegenstehende Rechte der Parteien

Parteien stehen unter einem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz, welcher einem Ausschluss nur einzelner Parteien aus der staatlichen Parteienfinanzierung entgegensteht. Die politischen Parteien spielen eine zentrale Rolle für das demokratische System, wie sich auch aus §1Absatz1 und 2PartG entnehmen lässt. Dieser verfassungsrechtliche Schutz findet seinen Ausdruck in zwei grundlegenden Prinzipien: Der Parteienfreiheit und der Parteiengleichheit. Darüber hinaus genießen sie den besonderen Schutz des Parteienprivilegs. Jeder dieser Punkte verbietet es bereits aus sich heraus eine nicht verbotene Partei einer Ungleichbehandlung zu unterziehen, und damit auch, diese aus der staatlichen Parteienfinanzierung herauszunehmen.

a) Chancengleichheit der Parteien

Zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung kann nicht auf die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei abgestellt werden. Es verbietet sich nach gegenwärtiger Verfassungslage, die Teilhabe an der staatlichen Parteienfinanzierung davon abhängig zu machen, ob die Ziele einer Partei inhaltlich mit der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetztes konform gehen oder ob die um Wählerstimmen werbende Partei und deren Kandidaten für die verfassungsmäßige Ordnung eintreten.

Der Grundsatz der Chancengleichheit verwehrt es dem Gesetzgeber durch finanzielle Zuwendungen bestehende faktische Ungleichheiten der Wettbewerbschancen zu verschärfen. Der Willensbildungsprozess des Volkes darf nicht durch staatliche Intervention verzerrt werden.[7] Das Recht auf Chancengleichheit steht allen politischen Parteien zu, welche nicht durch das Bundesverfassungsgericht verboten worden sind. Es beansprucht umfassende Geltung nicht nur für den Wahlvorgang selbst, sondern auch für die Wahlvorbereitung und den Wettbewerb der Parteien um die Erlangung von Spenden sowie für die Gewährung staatlicher Finanzierungshilfen.

Das Recht auf Chancengleichheit der Parteien folgt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus Artikel21GG in Verbindung mit Artikel3GG und Artikel38GG.[8] Der Grundsatz der Chancengleichheit ist im Grundgesetz nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich jedoch aus der Bedeutung, welche der Freiheit der Parteigründung und dem Mehrparteienprinzip für die freiheitliche Demokratie zukommt. Die Chancengleichheit der Parteien hängt somit eng mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen, welche ihre Prägung durch das Demokratieprinzip erfahren. In diesem Bereich ist daher – ebenso wie bei der durch Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbürgten gleichen Behandlung der Wähler – die Gleichheit strikt und formal. Dem Ermessen der öffentlichen Gewalt sind bei Eingriffen in den Parteienwettbewerb, welche geeignet sind die Chancengleichheit der politischen Parteien zu verändern, besonders enge Grenzen gezogen.[9] Der Grundsatz der Chancengleichheit verlangt jedoch nicht, vorgegebene Unterschiede auszugleichen mit dem Ziel, eine Wettbewerbsgleichheit herzustellen. Daher erhalten „große“ Parteien auch deutlich mehr staatliche Mittel als „kleine“ Parteien. Es bleibt der öffentlichen Gewalt jedoch verwehrt einer zwar verfassungsfeindlichen aber nicht verbotenen Partei die staatlichen Mittel vorzuenthalten oder diese gar von der Parteienfinanzierung auszuschließen.

[...]


[1] Siehe: Bannas, Weniger Geld für die NPD, FAZ, Nr. 117, S. 4.

[2] Siehe: Morlok, Kein Geld für verfassungsfeindliche Parteien?, ZRP, 2017, 66, 66.

[3] Siehe: Morlok, Parteienfinanzierung im demokratischen Rechtsstaat, S. 29.

[4] Siehe allgemein: Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 486 ff.; Siehe: Morlok, Parteienfinanzierung im demokratischen Rechtsstaat, S. 29.

[5] Siehe: Krüper, Der Künstler als Lehrer, KuR 2008, 1, 8.

[6] Siehe: Morlok, Was kümmern den Staat die Finanzen, S. 430.

[7] Siehe: Epping, Eine Alternative zum Parteiverbot, S. 22; BVerfG, Beschluss v. 17.06.2004, 2 BvR 383/ 03, BVerfGE 111, 54, 105.

[8] Siehe: Kingreen/ Poscher, Grundrechte, Rn. 503.

[9] BVerfG, Beschluss v. 21.02.1957, 1 BvR 241/ 56, BVerfGE 6, 279, 280; BVerfG, Beschluss v. 17.06.2004, 2 BvR 383/ 03, BVerfGE 111, 54, 104.

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Verfassungsrechtliche Grenzen des Ausschlusses verfassungsfeindlicher aber nicht verbotener Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung
Université
University of Bonn
Cours
Proseminar - Öffentliches Recht
Note
13
Auteur
Année
2017
Pages
19
N° de catalogue
V387259
ISBN (ebook)
9783668631588
ISBN (Livre)
9783668631595
Taille d'un fichier
530 KB
Langue
allemand
Mots clés
Parteienfinanzierung Verfassungsfeindlich Partei Ausschluss NPD Grenzen Verfassung
Citation du texte
Andreas Wirtz (Auteur), 2017, Verfassungsrechtliche Grenzen des Ausschlusses verfassungsfeindlicher aber nicht verbotener Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/387259

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