Bob Dylans "Subterranean Homesick Blues". Eine Textanalyse


Term Paper, 2017

13 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


1
I.
Das mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnete Multitalent Bob Dylan veröffentlichte im
Jahre 1965 einen bedeutenden Song, welcher seinen Teil zu der kürzlich stattfindenden
Verleihung beitrug: Subterranean Homesick Blues ­ ein vielschichtiges und tiefgründiges
Werk, welches einen Abriss der gesellschaftlichen Szenen darbietet. So verschieden die
gezeichneten Charaktere in dem Stück sein mögen, so vielseitig dürfen auch die
Interpretationen dazu sein. Die folgenden Seiten stellen das Stück in einen historischen
Kontext und verdeutlichen gleichzeitig, welch provokative Kraft der Song für die damalige
Protestbewegung darstellte.
II.
Bob Dylan hat mit dem Song ein gesellschaftskritisches Werk geschaffen, welches sich
formell und inhaltlich in die Zeit der so genannten 68er Bewegung einfügt. Er erzählt
schemenhaft die Geschichte von charakteristischen Menschen verschiedener
gesellschaftlicher Schichten. Beginnend bei der Unterschicht erzählt Subterranean Homesick
Blues hautnah von den Problemen derer, die den Anschluss an die Gesellschaft verloren
haben. Das Stück entwickelt eine politisch aufrüttelnde Dramaturgie, welche die Interessen
von Kritikern, Studenten und der amerikanischen Mittelschicht widerspiegelt. Die Zuhörer
dürfen in einem kurzen Ausflug an der Lebensweise der oberen Mittelschicht lugen, bevor
der Song wieder in den Untergrund abtaucht. Dylan hat mit dem Stück eine Dynamik
geschaffen, welche allein durch das Wortmaterial mit zahlreichen Provokationen und
Aufrufen bestückt ist. Dylan findet Worte für die einfachen Leute. Wie Robin Hood rechnet
er ideologisch und wortgewandt mit denen da oben ab und macht den einfachen Leuten Mut.
Gleichzeitig warnt er offensiv vor Drogenmissbrauch, was sicher vom Einfluss seiner eigenen
Drogenvergangenheit geprägt ist
1
. Lässt man sich auf das Stück ein, erkennt man die
Tiefgründigkeit und Provokation, welche damals zu dem Ruhm beitrug, welchen Dylan nun
genießen kann.
1
Vgl. Tamarin 2009, S. 135.

2
Erste Strophe
Die erste Strophe von Subterranean Homesick Blues beginnt, wie im Titel angekündigt, im
,,Subterranean", also im Untergrund der damaligen amerikanischen Gesellschaft. Johnny
mischt sich in den ersten beiden Zeilen im Keller seine Medizin, welche sinnbildlich für
Drogen steht. Die Verse deuten die aufblühende LSD-Kultur der 60er Jahre an, welche
zunehmend zum Problem wurde. Auch Dylan kam mit Drogen in Kontakt
23
. Zu Beginn des 3.
Verses kommt das erste und einzige Mal in dem Song das lyrische Ich vor. Es ist auf dem
Bürgersteig und denkt über Politik nach. Die damalige junge Generation ist sehr an Politik
interessiert und setzte sich für ihre Interessen ein
4
. Der Song könnte aus der Sicht des jungen
Bob Dylan geschrieben worden sein und das lyrische Ich dementsprechend ein Hinweis auf
die Sichtweise der jungen Generation sein. Die Verse fünf bis acht beschreiben mit aller Härte
die Probleme der weniger wohlhabenden Bevölkerungsschicht. ,,The man in the trench coat"
hat zwar einen Ausweis, das heißt, er lebt legal in Amerika. Jedoch hat er keine Arbeit und
dadurch kein Geld, um seinen ,,bad cough", also seinen schlimmen Husten behandeln zu
lassen. In Amerika bestand bis zur Einführung des Programms Obamacare im Jahre 2010
keine Krankenversicherungspflicht. Menschen, die nicht von ihrem Arbeitgeber abgesichert
waren oder sich selbst eine Krankenversicherung leisten konnten, fielen oft durch das Raster
des staatlichen Gesundheitssystems und waren auf private Organisationen, Spenden oder
Beihilfe von Verwandten und Freunden angewiesen. So ergeht es auch dem Mann in dem
Song, der sich seinen Husten abzahlen lassen will. Dylan kritisiert mit diesen Zeilen das
ungerechte Gesundheitssystem, welches sich die weniger wohlhabende Bevölkerungsschicht
oft nicht leisten kann. ,,Look out kid" ­ diese Worte werden in jeder Strophe jeweils in der
Mitte wiederholt. Mit ,,kid" spricht Dylan die junge amerikanische Generation an. Die Jungen
sollen aufpassen, er warnt sie vor etwas. ,,It's something you did" bezieht sich auf die ersten
beiden Verse, in denen sich Johnny Drogen im Keller herstellt. Die Jugend wird davor
gewarnt, sich mit Drogen in Verbindung zu bringen. ,,God knows when" ­ nur Gott weiß,
wann du es getan hast, wann du zuletzt die Drogen genommen hast. Die jungen Leute hielten
sich schon sehr bedeckt, sodass sie im Alltag nur schwer zu entdecken waren. Gott allein
schien zu wissen, wann sie das letzte Mal Drogen konsumiert haben. ,,But you're doing it
again": Aber du wirst es wieder tun. Da Drogen sehr schnell abhängig machen, wird es nicht
bei einem einzigen Mal bleiben und sie würden abhängig werden und es immer wieder tun.
2
Vgl. Epstein 2011, S. 150.
3
Vgl. Tamarin 2009, S. 135.
4
Vgl. Sheehy und Swiss 2009, S. 44­47.

3
Dylan warnt hier ausdrücklich vor der Drogensucht. Die nächsten Zeilen springen zu einem
neuen Thema: ,,You better duck down the alleyway / Lookin` for a new friend". Wenn man
besser geduckt durch die Seitenstraßen gehen soll auf der Suche nach einem neuen Freund,
erweckt das keinen sorgenfreien und freundlichen Eindruck. Mit Seitenstraßen abseits der
großen belebten Hauptverkehrsstraßen assoziiert man eher dunkle, unheimliche und wenig
frequentierte Wege, in welchen sich Szenen treffen und falsche Freunde warten, welche
andere vom rechten Weg abbringen. Die ,,kids", die Dylan hier warnen will, sollen besser
aufpassen, wen sie sich zum Freund machen, um nicht abzurutschen und vom Drogenmilieu
verschlungen zu werden. Die letzten beiden Verse der ersten Strophe beschreiben einen
Mann mit Waschbärenfellmütze, der im übertragenen Sinne einen Schweinestall für elf Dollar
vermietet, man selbst aber nur zehn verdient. Der Schweinestall steht sinnbildlich für ein
schäbiges Zimmer. Die untere Bevölkerungsschicht kann sich jedoch nicht einmal ein einem
Schweinestall ähnelndes Zimmer zum Schlafen leisten. Der Hinweis, dass man selbst nur zehn
Scheine bekommt beziehungsweise verdient, der Mann aber elf Stück verlangt, deutet auf das
Spannungsverhältnis zwischen Vermietern und Mietern, vor allem bei der ärmeren
Bevölkerung in der damaligen Zeit hin. Wohnungsnot und sehr teure Mieten, vor allem in den
Städten herrschten, in Amerika vor.
Zweite Strophe
Die zweite Strophe beginnt mit einer Charakterisierung von Maggie. Ein weiterer Song des
Albums ,,Bringing It All Back Home" widmet sich ebenfalls der lyrischen Figur Maggie: In
,,Maggie`s Farm" beschäftigt sich Dylan mit der amerikanischen Kleinfamilie auf dem Land,
welche sich dem Protagonisten gegenüberstehen sieht, der sich verweigert, für sie zu arbeiten
(,,I ain't gonna work on Maggie's farm no more")
5
. In den ersten beiden Zeilen der zweiten
Strophe tritt Maggie flinken Fußes mit rußbedecktem Gesicht in Erscheinung, um die
Probleme der Mittelschicht zu erläutern. Das rußbedeckte Gesicht deutet darauf hin, dass
Maggie zur kleinbürgerlichen Mittelschicht gehört und von der harten Arbeit gezeichnet ist.
Flinken Fußes ist Maggie unterwegs, weil sie scheinbar viel beschäftigt ist. Das deutet je nach
Lebenssituation auf ein vorhandenes Beschäftigungsverhältnis oder viel Arbeit auf einem Hof
oder einer Farm hin. Für die Zeilen drei und vier ist die Kenntnis eines Jargons des
,,anarchistischen Underground[s]"
6
von Nöten, dessen sich der Widerstand der Sklavensprache
5
Vgl. Inman 2014.
6
Vgl. Detering 2009, S. 65.

4
bedient
7
. Der Satz ,,Die Hitze hat Pflanzen in ihr Bett gesteckt"
8
ist eine metaphorische
Redewendung und zielt auf den staatlichen Abhörmechanismus ab. Maggie erzählt, dass das
Telefon sowieso abgehört wird (,,The phone's tapped anyway"). Maggie als Symbol für die
Mittelschicht Amerikas kritisiert demnach das staatliche Abhörsystem, welches in den 1960er
Jahren zu erstarken begann. Die darauffolgenden Verse beziehen sich wiederum auf die erste
Strophe, in welcher die Drogenthematik aufgegriffen wird: ,,Maggie says that many say /
They must bust in early May / Orders from the D.A.". Mit ,,They" könnten hier die illegalen
Drogendealer gemeint sein, welche sich die ,,medicine" ,,in the basement" mischen. Diese
müssten laut der Figur Maggie Anfang Mai im Auftrag der Staatsanwaltschaft auffliegen. Die
zweite Hälfte der zweiten Strophe ist sowohl formal als auch inhaltlich zusammenhängend.
Formal wird der zweite Teil durch die Worte ,,look out kid" vom ersten Teil separiert. Diese
Zweiteilung taucht in jeder der vier Strophen auf und lässt eine Art Muster erkennen. Mit
,,kid" sind wieder die jungen Leute in Amerika gemeint. ,,Don't matter what you did / Walk
on your tip toes / Don't try ,No Doz` / Better stay away from those / That carry around a fire
hose". Diese Verse sind als Ausrufesätze formuliert. Sie sind als direkte Aufforderung an die
Aktivisten der Civil Rights Movement gerichtet. Egal, was sie als Aktivisten getan haben, sie
sollten auf Zehenspitzen laufen. Das bedeutet im übertragenen Sinn, sich unauffällig zu
verhalten und vorsichtig zu sein. Aktivisten, die sich in den 1960er Jahren in Amerika für die
Rechte von Afroamerikanern einsetzten, insbesondere für deren Wahlrecht und politische
sowie gesellschaftliche Gleichstellung mit der weißen Bevölkerung, gerieten regelmäßig ins
Kreuzfeuer rassistischer Gewalt. Unter ständiger Angst, persönlich gewalttätigen Angriffen
ihrer weißen Mitbürger ausgesetzt zu sein, setzten sich Menschen für die Rechte von
Schwarzen ein
9
. Auf ironische Weise fordert Dylan in seinem Song ebendiese Personen dazu
auf, sich umsichtig und vorsichtig zu verhalten und keine ,,No Doz", also aufputschende
Koffeintabletten zu probieren und damit auffällig oder drogenabhängig zu werden. ,,No Doz"
könnte einen Einstieg in die Welt der Drogen bereiten. Man kommt bei den Versen ins
Schmunzeln, wenn man weiß, dass Dylan schon in den frühen 60ern durch seine damalige
Freundin Suze Rotolo mit der Bürgerrechtsbewegung in Kontakt kam und eine ganze Reihe
von Songs zum Thema Rassismus schrieb
10
. Er unterstützte die Civil Rights Movement durch
seine Songs, wodurch die Verse ironisch klingen und sich dadurch in ihr Gegenteil verkehren.
Dylan verkörpert darin Kritik am Umgang mit der Bürgerrechtsbewegung: Er fordert zwar die
7
Vgl. Detering 2009, S. 65.
8
Vgl. Detering 2009, S. 66.
9
Vgl. Ortner 2012, S. 60.
10
Vgl. Sheehy und Swiss 2009, S. 45.
Excerpt out of 13 pages

Details

Title
Bob Dylans "Subterranean Homesick Blues". Eine Textanalyse
College
Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg
Grade
1,3
Author
Year
2017
Pages
13
Catalog Number
V387472
ISBN (eBook)
9783668618961
ISBN (Book)
9783668618978
File size
559 KB
Language
German
Keywords
Bob Dylan, Subterranean Homesick Blues, Interpretation
Quote paper
Franziska Wöhler (Author), 2017, Bob Dylans "Subterranean Homesick Blues". Eine Textanalyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/387472

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