Jahrhundertelang galt das Emsland als Armenhaus Deutschlands, gekennzeichnet durch weite Moor- und Heideflächen, ertragsarme Böden, dünne Besiedlung und zurückgebliebene Verkehrserschließung. Heute gehört das Emsland mit dem erfolgreich abgeschlossenen Strukturwandel von der Agrargesellschaft über die Industrie zur Dienstleistungsgesellschaft zu den wettbewerbsfähigsten Standorten in Deutschland und Europa.
Wie konnte es zu dieser grandiosen Entwicklung kommen? Warum wurde das Emsland trotz seiner geographischen Randlage für zahlreiche Neubürger zur Heimat mit einer hohen Lebensqualität? Diese Fragen werden im ersten Teil der Arbeit interdisziplinär unter wirtschafts- und verkehrsgeographischer Schwerpunktsetzung beantwortet. Wie können andere Regionen von dieser Entwicklung lernen? Gibt es emsländische Orte, an denen diese Entwicklungen veranschaulicht und greifbar werden? Der zweite Teil der Arbeit stellt solche Lernorte, wie zum Beispiel die europaweit durch ihre Kreuzfahrtschiffe bekannte Meyer-Werft in Papenburg, unter didaktischen und pädagogischen Gesichtspunkten vor.
Gliederung
1. Einleitung
2. Das Emsland
2.1 Der Begriff Emsland
2.2 Entwicklung der Einwohnerzahl
2.3 Entwicklung der Erwerbsstruktur
3. Der Zeitraum von 1871 bis 1950
3.1 Ökonomische Situation
3.1.1 Landwirtschaft
3.1.2 Torfindustrie
3.1.3 Schifffahrt
3.1.4 Handwerk und Industrie
3.1.5 Gewerbliche Schwerpunkte im Emsland
3.2 Verkehrsinfrastruktur
3.2.1 Straßennetz
3.2.2 Dortmund-Ems-Kanal
3.2.3 Küstenkanal
3.2.4 Das „Linksemsische Kanalnetz“
3.2.5 Wieken
3.2.6 Schienennetz
3.3 Emslandplan
4. Der Zeitraum von 1950 bis 1990
4.1 Erschließung des Emslandes durch die Emsland GmbH
4.1.1 Moorkultivierung
4.1.2 Betriebsansiedlungen: Beispiel Nordland-Papier
4.2 Ökonomische Entwicklung
4.2.1 Strukturwandel in der Landwirtschaft
4.2.2 Erdölförderung
4.2.3 Schifffahrt
4.2.4 Transrapid
4.3 Europäische Verflechtungen
4.4 Verkehrsinfrastruktur
4.4.1 Emssperrwerk
5. Der Zeitraum von 1990 bis heute
5.1 Ökonomische Entwicklung
5.2 Tourismus
5.2.1 Schloss Dankern
5.2.2 Urlaub auf dem Bauernhof
5.3 Verkehrsinfrastruktur
5.3.1 Straßennetz
5.3.2 Schienennetz
5.3.3 Eurohafen Haren/Meppen
5.3.4 Hafen Spelle
5.3.5 Yachthafen Haren
6. Außerschulisches Lernen
6.1 Rückblick
6.2 Außerschulisches Lernen in der Geographie
6.3 Arten der Informationsbeschaffung im Rahmen des Besuchs von außerschulischen Lernorten
6.4 Schifffahrtsmuseum Haren
6.4.1 Didaktische Analyse
6.4.2 Lernziele
6.5 Moormuseum Geeste
6.5.1 Didaktische Analyse
6.5.2 Lernziele
6.6 Meyer Werft Papenburg
6.6.1 Pädagogische Besonderheiten
6.6.2 Didaktische Analyse
6.6.3 Lernziele
7. Zusammenfassung
8. Literatur
Emsland, du altes Land auf neuen Wegen!
Einst säumte Ruhe den vergess´nen Pfad.
Heute eilt dir eine off´ne Zeit entgegen:
Motore furchen Äcker für die neue Saat.
Emsland, du altes Land mit neuen Türmen!
Drin sich der Bohrer in die Moore dreht.
Das Land gibt Öl und Brot, und nach den Stürmen
Auch Hof und Heimatstatt denen, die vom Krieg verweht.
Emsland, du altes Land mit neuen Maßen!
Nun formt und fördert Technik deinen Raum.
Weltlautes Leben kommt auf schnellen Straßen,
Doch laden stille Inseln noch zu Rast und Traum.
Emsland, du altes Land am neuen Ufer!
Gebändigt Wasser netzt den grünen Strand.
Im jungen Buschwerk nisten schon die Rufer
Und locken froh den Wand´rer: „Komm ins neue Land!“
(Maria Mönch Tegeder)
1. Einleitung
Das in der Eingangshalle des Moormuseums Geeste ausgestellte Gedicht von Maria Mönch Tegeder birgt eine kurze verkehrs- und wirtschaftsgeographische Analyse des Emslandes in dichterischer Form in sich.
Die im Gedicht angesprochenen Gedanken werden unter anderem Themengegenstand dieser verkehrs- und wirtschaftsgeographischen Untersuchung der Region Emsland sein. Hierbei wird besonderes Augenmerk auf die Transformation vom primären zum tertiären Sektor gelegt.
Im zweiten Teil dieser Examensarbeit wird die Thematik unter fachdidaktischer Perspektive betrachtet. Dazu sollen drei emsländische touristische Attraktionen, die der Thematik dieser Examensarbeit entsprechen, als außerschulische Lernorte für den Erdkundeunterricht dargestellt und didaktisch eingeordnet werden. Diese sind das Schifffahrtsmuseum Haren, das Moormuseum Geeste sowie die Meyer-Werft Papenburg.
2. Das Emsland
Der Landkreis Emsland ist gegenwärtig mit 2.881.40 Quadratkilometern der größte Landkreis Niedersachsens und der Zweitgrößte in der Bundesrepublik Deutschland. Er übertrifft flächenmäßig das Bundesland Saarland (vgl. Niedersächsisches Landesamt für Statistik et al. 2007, S. 279).
Obwohl der Begriff „Emsland“ bis zur Gebietsreform 1977 nicht exakt definiert werden konnte, wurde er 1950 von der Bundesregierung im Rahmen des Emslandplanes bereits zur Bezeichnung der Region gebraucht.
Das Emsland erstreckt sich über 2.880 Quadratkilometer und grenzt im Süden zwischen Rheine und Salzbergen an die nordrhein-westfälische Landesgrenze und im Norden zwischen Papenburg und Leer an Ostfriesland. Die Nord-Süd-Ausdehnung beträgt 95 Kilometer, die Ost-West-Ausdehnung 56 Kilometer. Die geographischen Grenzpunkte „liegen im Norden mit 53" 7' in der Gemeinde Rhede, im Süden mit 52" 17' in der Gemeinde Salzbergen, im Westen mit 6" 58' in der Gemeinde Twist und im Osten mit 7" 50' in der Gemeinde Vrees“ (Landkreis Emsland 2010c). Während im Westen die knapp 60 Kilometer lange Staatsgrenze zu den Niederlanden verläuft, grenzen im Osten die Landkreise Cloppenburg und Osnabrück sowie im Südwesten die Grafschaft Bentheim (vgl. Ebd.).
2.1 Der Begriff Emsland
Außenstehende assoziierten das Emsland damals in erster Linie mit dem Landstrich entlang der Ems. Dabei wurden die Gebiete von der Quelle in der Senne bis Rheine als das „westfälische Emsland“ und nördlich von Rheine bis nach Papenburg als das „hannoversche Emsland“ bezeichnet. Das hannoversche Emsland umfasste die Landkreise Lingen, Meppen, Aschendorf und seit 1932 auch den Landkreis Aschendorf-Hümmling. Anfang der 1970er Jahre wurde die Region zu statistischen Zwecken in der Landesplanung als „Wirtschaftraum Emsland“ geführt (vgl. Hugenberg 1982, S. 5).
1977 erfolgte schließlich die Bildung des Landkreises Emsland aus den bis dato selbstständigen Altkreisen Lingen, Meppen und Aschendorf-Hümmling (vgl. Nauhaus 1984, S. 73). Die schwerwiegendste Intention für die Neugründung des Landkreises war das Schaffen einer ausreichend großen Raumeinheit, um Strukturverbesserungen zu planen und durchzuführen zu können. Der dahinter stehende Denkansatz war, dass die Kreise eine aktivere Rolle bei der Gestaltung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens übernehmen und eine ausgleichende Gesamtverantwortung gegenüber dem Lebens- und Wirtschaftsraum des Kreisgebietes und seiner Bevölkerung ausfüllen sollten (vgl. Landkreis Emsland 2007a).
2.2 Entwicklung der Einwohnerzahl
Abb. 1 illustriert eine kontinuierliche und rasante Bevölkerungszunahme im Gebiet des heutigen Emslandes im Zeitraum von 1821 bis 2005:
Abb. 1: Historische Bevölkerungsentwicklung im Gebiet des heutigen Landkreises Emsland
Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten
Quelle: Landkreis Emsland 2010a
Während die Einwohnerzahl 1821 im Jahr der ersten Ermittlung lediglich 68.000 betrug, konnte sich die Zahl im Vergleich zu 2005 fast auf einen Wert von 310.000 verfünffachen.
Von 1880 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges basierte der Zuwachs weniger auf ökonomische Stärke, sondern nahezu ausschließlich auf natürlichem Wachstum. Überdurchschnittlich hohes Wachstum konnte in diesem Zeitraum in den Städten Lingen, Meppen und Papenburg verzeichnet werden. Der stärkste Bevölkerungsanstieg im Gebiet des heutigen Landkreises konnte augenscheinlich im Zeitraum von 1925 bis 1950 verzeichnet werden. Auch der Anstieg nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges resultiert aus der niedrigeren Sterblichkeitsquote infolge des medizinischen Fortschritts (vgl. Franke et al. 2002, S. 438).
Von 1939 bis 2010 konnte die Einwohnerzahl von knapp 155.000 auf 312.000 mehr als verdoppelt werden. Im gesamtdeutschen Gebiet konnte im selben Zeitraum lediglich ein Zuwachs von 13 Prozent registriert werden (vgl. Ebd., S. 739).
Die Steigerung unmittelbar nach 1950 ist Ausdruck starker Zuwanderungen von Vertriebenen und Flüchtlingen mit deutschen Wurzeln aus Osteuropa. Nach einer rasanten Zunahme in den folgenden Jahrzehnten flacht die Zunahme der Einwohnerentwicklung seit Beginn der 1990er Jahre wieder etwas ab. Die starken Zuwanderungen ab Ende der 1980er Jahre resultieren aus der Auflösung der ehemaligen DDR und dem Zuzug deutschstämmiger Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion (vgl. Ebd., S. 733).
Der aktuellste Wert lag im Oktober 2010 bei 312.820 Einwohnern. Die bei weitem bevölkerungsreichste reichste Stadt ist Lingen mit knapp 52.000 Einwohnern, gefolgt von Papenburg (35.045) und der Kreisstadt Meppen (34.790) (vgl. Landkreis Emsland 2010b).
2.3 Entwicklung der Erwerbsstruktur
Im Jahr 1907 waren von den insgesamt 62.864 Erwerbstätigen knapp 83 Prozent im primären Sektor tätig. Der sekundäre Sektor mit Industrie und Handwerk konnte einen Anteil von zwölf Prozent, der tertiäre Sektor mit Handel und Verkehr lediglich knapp über fünf Prozent erreichen (vgl. Franke et al. 2002, S. 419).
Bis 1925 verringerte sich der Anteil des primären Sektors auf 72,2 Prozent der 73.700 Beschäftigten. Der Anteil des sekundären Sektors konnte sich auf 14 Prozent erhöhen, der tertiäre Sektor auf fast neun Prozent (vgl. Ebd., S. 420).
Der Arbeitsmarkt im Emsland war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einerseits geprägt durch einen deutlichen Anstieg der Erwerbstätigenzahl, andererseits durch einen tief greifenden Strukturwandel:
Abb. 2: Strukturwandel in der Erwerbstätigkeit nach Wirtschaftssektoren
Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten
Quelle: Franke et al. 2002, S. 689
Während bis ins 20. Jahrhundert der primäre Sektor eindeutig dominiert hatte, konnte sich der Anteil bis 1950 auf knapp 50 Prozent reduzieren. Das produzierende Gewerbe und der Dienstleistungssektor hielten sich zu diesem Zeitpunkt mit jeweils rund 20.000 Erwerbstätigen ungefähr die Waage. Anfang des 21. Jahrhunderts dominierte nach einem temporären leichten Rückgang der Erwerbstätigenzahl und einem anschließend kontinuierlichen Anstieg auf etwa 128.000 Erwerbstätigen deutlich der Dienstleistungssektor mit knapp 76.000 beschäftigten Personen.
Im produzierenden Gewerbe waren lediglich 43.000 Personen beschäftigt, wobei eine eindeutige abfallende Tendenz zu beobachten war.
Mit nur noch 8.000 Erwerbstätigen hat der primäre Sektor Ende des 20. Jahrhunderts an Bedeutung zwar erheblich eingebüßt, dennoch ist die Landwirtschaft mit sechs Prozent aller Erwerbstätigen nach wie vor ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region (vgl. Franke et al. 2002, S. 689f.).
Die Gründe für die rasante und überdurchschnittliche Entwicklung des tertiären Sektors sind zwar vielschichtig, dennoch spielen die weit überdurchschnittliche Bevölkerungsentwicklung innerhalb des Emslandes eine große Rolle. Während sich Zu- und Wegzüge ausglichen, sorgten vor allem ein hoher Anteil junger Familien und Haushalte sowie zusätzlich überdurchschnittliche Geburtsraten bei gleichzeitigem relativ geringem Anteil älterer Menschen und somit gleichzeitig weniger Sterbefälle für einen Bevölkerungszuwachs. Während die gesamtdeutsche Bevölkerungszunahme von 1980 bis 2000 lediglich um neun Prozent lag, konnte im Emsland ein Zuwachs von mehr als 23 Prozent verzeichnet werden (vgl. Ebd., S. 655).
Des weiteren stieg das Einkommen im Zeitraum von 1980 bis 1989 um 5,4 Prozent sowie von 1989 bis 1995 um durchschnittlich 6,6 Prozent, was ebenfalls im gesamtdeutschen Vergleich als überdurchschnittlich bezeichnet werden kann. Das Gesamteinkommen hatte beispielsweise 1980 noch bei einem Viertel unter dem Bundesdurchschnitt gelegen.
Insgesamt führten sowohl die steigende Einkommenssumme als auch das wachsende Pro-Kopf-Einkommen zu einem weit überproportionalen Anstieg der Kaufkraft, welche zu steigender Nachfrage in Gütern und Dienstleistungen geführt haben dürfte (vgl. Ebd., S. 655). Die Etablierung des tertiären Sektors hängt auch damit zusammen, dass die Dienstleistungsbetriebe ihre Wettbewerbsposition nachhaltig verbessert und damit den Kaufkraftabfluss reduziert bzw. neue Märkte außerhalb der Region erschlossen haben (vgl. Ebd., S. 658).
3. Der Zeitraum von 1871 bis 1950
Großräumige Moor- und Heidelandschaften, ertragsarme Böden, große Ödlandflächen und eine periphere Lage waren jeher Indikatoren für eine dünne Besiedlung, geringe Wirtschaftskraft sowie eine zurückgebliebene verkehrsinfrastrukturelle Erschließung (vgl. Schüpp 2001, S. 14). Über Jahrhunderte galt das Emsland als das „Armenhaus“ Deutschlands (vgl. Niehoff 1995, S. 10). Zwar gab es immer wieder seitens der Regierung bis in die Zeit der Weimarer Republik Entwicklungsversuche, die aber scheiterten, da sie isoliert blieben und keine nachhaltige Gesamterschließung im Blick hatten (vgl. EWE 2005, S. 100f.). Ein um 1880 erstelltes Kataster der regionalen Moore ergab eine Fläche von 78.000 Hektar Moorlandschaft im Bereich des heutigen Emslandes (vgl. Franke et al. 2002, S. 407). Allein der Bau des linksemsigen Kanalnetzes sowie die Einführung der so genannten „Deutschen Hochmoorkultur“, durch welche die Düngung der Böden sowie die Entwässerung der Moore durch unterirdisch verlegte Dränagerohre und damit eine großflächige maschinelle Bearbeitung möglich wurde, führte zu kleineren wirtschaftlichen Erfolgen (vgl. Steinwascher 2000, S. 14). Obwohl die Nationalsozialisten die Notwendigkeit zur Gesamterschließung des Emslandes erkannten und die Bereitschaft dazu durchaus vorhanden war, blockierten ihre starre Fixierung auf menschliche Arbeitskraft statt Maschinen und die wirtschaftlichen Vorbereitungen auf den Zweiten Weltkrieg das Vorhaben (vgl. Franke et al. 2002, S. 403).
3.1 Ökonomische Situation
Am Ende des Zweiten Weltkrieges war die Region Emsland noch immer ein Rückstandgebiet mit einem erheblichen Wohlstandsgefälle zum Landes- und Bundesdurchschnitt. Als Indikatoren wurden laut Bericht der Bundesregierung über die Raumordnung im Jahr 1963 rückwirkend die Kriterien geringe Bevölkerungsdichte, geringer Industriebesatz, niedrige Realsteuerkraft, geringes Bruttoinlandsprodukt sowie eine hohe Abwanderung genannt (vgl. Haverkamp 1991, S. 21).
Nach der Volkszählung 1905 wurde für den Kreis Hümmling ein Wert von 21,12 (E/qkm) und für Meppen 29,09 (E/qkm) ermittelt, was deutlich unter dem Durchschnitt im Deutschen Reich von 112,14 (E/qkm) lag. Der Anteil an Industrie und Handwerk sowie Handel und Verkehr lag der Volkszählung 1925 zufolge weit unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt. Die Betriebe besaßen auch in Folgejahren wenig Eigenkapital und erzielten wenige Umsätze, was zu dementsprechend niedrigen Gewerbesteueraufkommen führte. Obwohl durch die landwirtschaftlich geprägte Struktur lediglich das Aufkommen der damaligen Grundsteuer A relativ hoch war, reichte das Kapital zur Selbsthilfe der Kommunen und Kreise bei weitem nicht aus. Aufgrund miserabler Arbeitsmarktbedingungen wanderte ein großer Teil der Bevölkerung in wirtschaftsstärkere Regionen wie beispielsweise das Ruhrgebiet oder in die USA aus (vgl. Haverkamp 1991, S. 21f.).
Aufgrund nährstoffarmer und schlechter qualitativer Böden mit schwierigen Grundwasserverhältnissen wies die emsländische Landwirtschaft ein niedrigeres Produktionsniveau auf als der primäre Sektor angrenzender Regionen. Des weiteren wurde die Region durch häufige Nachtfröste und unzureichend oder gar nicht regulierte Wasserläufe und Entwässerungsgräben gehemmt (vgl. Ebd., S. 22.ff.). Auch konnte die Region aus eigener Kraft den Teufelskreis nicht durchbrechen, um Strukturverbesserungen herbeizuführen.
Die geringe Bevölkerungsdichte forderte kostspielige Verbesserungen und Ausbauten der gesamten Infrastruktur. Während die Energieversorgung und der Eisenbahnbau unrentabel waren und es im verkehrsinfrastrukturellen Bereich an einem Netz an Straßen, Wegen und Kanälen mangelte, wurde der Bau von Straßen und Stromleitungen durch die Moorböden zusätzlich erschwert. Schlechte Absatzmöglichkeiten und die Gewährleistung der Rentabilität für landwirtschaftliche Produkte wurden durch das Fehlen einer in der Nähe gelegenen Großstadt in der Funktion des zentralen Ortes verstärkt. Neben der Ablösung des im Emsland angebauten Torfs durch die Steinkohle wurde die emsländische Wirtschaft auch dadurch gehemmt, dass es durch die Loslösung der Niederlande vom Deutschen Reich jetzt zu einer peripheren Randlage mutierte, da die politische Grenze auch gleichzeitig als Grenze des Zoll- und Wirtschaftsgebietes fungierte (vgl. Ebd., S. 24-ff.).
Im Sinne der landwirtschaftlichen Theorie Thünens zählte das Emsland zu den peripheren Räumen, die sich in den äußeren Ringen der zentralen Orte durch eine abnehmende Intensität der Bewirtschaftung auszeichnen. Die marktferne Randlage bot keinerlei Anreiz für Privatunternehmen zur Ansiedlung. Die Moorkultivierungen mussten oftmals von der Mitte der Moore ausgehen, was die Arbeiten erheblich erschwerte und hohe finanzielle Kosten verursachte, da die Randlagen in Privatbesitz der Bauern waren und diese keine Kultivierung duldeten. Da das Denken und Handeln der emsländischen Bevölkerung sehr stark von der harten Arbeit im Moor geprägt war, verhinderte zudem die Mentalität größere Initiativen oder Forderungen nach verbesserten Lebensbedingungen und Förderungen (vgl. Haverkamp 1991, S. 26-f.).
3.1.1 Landwirtschaft
Die im Emsland relativ spät stattfindenden Neuaufteilungen der Agrarflächen im Zuge der so genannten Markenteilungen zwischen 1870 und 1910 bewirkten einen fundamentalen Wandel in der emsländischen Landwirtschaft. Unter Federführung der staatlichen Kommissionen wurden die bisher genossenschaftlich genutzten Flächen in der Umgebung der Dörfer unter den Nutzungsberechtigten aufgeteilt, wobei die Abgrenzung der Fläche der einzelnen Dorfmarken gegenüber den benachbarten Gemeinden oft zu Streitigkeiten führte. Die Intention der Markenteilungen war eine intensivierte Bewirtschaftung der Flächen. Die Folgen waren eine Steigerung des Anteils von Grünlandflächen, die eine intensivierte Rinder- und Pferdezucht zur Folge hatten. Durch die Einführung von Kunstdünger und der Privatisierung der Flächen führten die Kultivierung der Ödlandflächen, bei gleichzeitiger abnehmender Zerstörung der Flächen durch Schafherden infolge der extensiven Schafhaltung und Plaggenhieb, durch die Bauernhöfe nicht nur zu einer signifikanten qualitativen Verbesserung der Bodennutzung, sondern auch zu einer Ausweitung der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen (vgl. Franke et al. 2002, S. 404).
Um 1900 wurden 29 genossenschaftliche Molkereien gegründet, deren Produktionskapazitäten von jährlich 40.000 Tonnen Milch beispielsweise sogar das Ruhrgebiet versorgte. Die für emsländische Verhältnisse innovativen Veränderungen brachten allerdings keine signifikanten Veränderungen in der Betriebsgrößen- und Beschäftigungsstruktur. Mehr als zwei Drittel aller Betriebe konnten lediglich Nutzflächen vorweisen, die eine Mindestgröße von fünf Hektar unterschritten. Im Zeitraum von 1907 bis 1925 wurde die Ödlandkultivierung nicht weiter vorangetrieben, so dass Ertragssteigerungen nur durch Ausdehnung der Arbeitskräfte realisiert werden konnte, nicht aber durch den Einsatz von Maschinen wie beispielsweise in angrenzenden Regionen. Aufgrund dieser Tatsache war 1925 der Anteil von 77 Prozent der Erwerbstätigen im primären Sektor im Vergleich zum Durchschnitt des Deutschen Reiches (32 Prozent) enorm hoch. Sowohl die kleinbetriebliche Organisation als auch der Kapitalmangel und die daraus resultierende Uneffektivität führten dazu, dass das Emsland 1934 der Anbau- und Erntestatistik des Deutschen Reiches zufolge relativ niedrige Körnererträge pro Hektar vorweisen konnte (vgl. Franke et al. 2002, S. 405ff.).
Dem Raumordnungsplan von 1950 zufolge wurde in der emsländischen Region 70 Prozent Getreide, 20 Prozent Kartoffeln und 10 Prozent Futterrüben und auch Feldraufutter angebaut (vgl. Ebd., S. 407).
3.1.2 Torfindustrie
Die 1913 gegründete Heseper Torfwerke GmbH, die ihren Sitz in Meppen hatte, kann zu den bedeutendsten Schrittmachern der emsländischen Ökonomie vor der Realisierung des Emslandplanes bezeichnet werden. Bereits im Gründungsjahr begannen die ersten Entwässerungsarbeiten entlang des Süd-Nord-Kanals. 1914 setzte die Weißtorf- und Brenntorfproduktion ein. Die Intentionen des Unternehmens waren sowohl der Abbau der in großen und unerschlossenen Hochmoorflächen lagernden Torfmengen als auch deren industrielle Nutzung.
Weißtorf ist die helle, wenig zersetzte, Torfschicht in den oberen Moorlagen, die nach entsprechender Behandlung als wertvolles Bodenverbesserungsmittel abgesetzt wird (vgl. Aden 1963, S. 72f.). Der sich in den tieferen Lagen befindende, weniger zersetzte und dunklere Schwarztorf dient zur Produktion von Brenntorf (vgl. Haverkamp 1991, S. 209f.).
Durch die neu gebaute Werkbahn von Hesepe zum Meppener Emshafen wurden effektive und zeitsparende Transporte ermöglicht. Aufgrund der positiven Entwicklung dieses Betriebes wurde auf halber Strecke im Dorf Rühle, das unmittelbar an der Bahnstrecke lag, ein Torfkraftwerk in Betrieb genommen. Dadurch konnte der Torf ortsnah in Energie umgewandelt werden. Abbildung 3 zeigt ein original getreues Modell des ehemaligen Rühler Torfwerkes im Moormuseum Geeste:
Abb. 3: Modell des Rühler Torfkraftwerkes im Moormuseum Geeste
Quelle: eigene Aufnahme
Die Abbildung zeigt, dass die Torfmengen über den Schienenverkehr unmittelbar zum Werk transportiert wurden und dort weiterverarbeitet werden konnten.
Da sich die für den Abbau von Torf notwendigen Maschinen in technischer Hinsicht im Entwicklungsstadium befanden und zudem sehr kostspielig waren, richtete die Heseper Torwerk GmbH ein eigenes Konstruktionsbüro ein, in dem exportfähige Torfgewinnungsmaschinen sowohl entwickelt als auch konstruiert wurden. Nachdem das Kraftwerk Rühle 1943 an den Landeselektrizitätsverband verkauft worden war, wurde die Kondition vereinbart, dass die jährlich 115.000 Tonnen umfassende Torflieferung fortgesetzt würde. Das Gleiche galt bei der Übernahme durch die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG im Jahr 1949 (vgl. Aden 1963, S. 72f.).
3.1.3 Schifffahrt
Neben der Landwirtschaft war die Schifffahrt ein entscheidender Wirtschaftsfaktor. Auf der Ems und der Hase, später auch in den linksemsischen Kanälen, verkehrten bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts hauptsächlich in Haren ansässige und dort gefertigte Pünten. Ende des 19. Jahrhunderts fuhren auf der Ems insgesamt etwa 20 Pünten (vgl. Stecker 1986, S. 22f.):
Abb. 4: Emspünte im Harener Schifffahrtsmuseum
Quelle: eigene Aufnahme
Die Emspünten waren einfache Holzschiffe aus Holz mit sowohl flachem Boden als auch flachem Bug. Sie wurden entweder mit Staken, einem einlappigen Segel oder durch Treideln mit der Kraft eines Pferdes fortbewegt. Um die Fortbewegung trotz des oftmals tiefen Wasserstandes der Ems zu ermöglichen, benötigten die Pünten lediglich einen Tiefgang zwischen 1,1 und 1,5 Metern (vgl. Stecker 1986, S. 22f.). Die flache Bauart war erforderlich, um den Tiefgang besonders gering zu halten. Da die Pünten oft mit Pferden vom Leinpfad des Ufers getreidelt wurden, wurde es durch die breite und relativ gut zugängliche Plattform des vorderen Teils der Pünte ermöglicht, dass die Pferde unkompliziert an Bord genommen werden konnten, wenn der Leinpfad die Seite wechselte (vgl. Veltmann 2006, S. 308). Bei einer Schiffsbreite zwischen drei und fünf Metern betrug die Ladekapazität etwa 30 Tonnen (vgl. Stecker 1986, S. 22f.). Geladen wurde neben Naturprodukten und Massengütern hauptsächlich Torf. Während aus nördlicher Richtung eher landwirtschaftliche Produkte wie beispielsweise Roggen, Buchweizen oder Fisch aus Ostfriesland transportiert wurden, waren es aus südlicher Richtung vermehrt Ladungen des gehobenen Bedarfs wie beispielsweise Eisen, Kohle, Holz oder rheinische Keramik. Die Gemeinden und Städte des Emstales bedienten sich außerdem des Baumaterials für den Eigenbedarf, das auf der Ems verschifft wurde. Da die Pünten durch ihre Zweimannbesatzung sehr wirtschaftlich waren, konnten sie ihre Stellung bis in das 19. Jahrhundert behaupten (vgl. Steinwascher 1998, S. 141). Aufgrund der Bauweise der Pünten konnten alle wichtigen Schleusen im nordwestdeutschen Fluss- und Kanalnetz passiert werden (vgl. Schifffahrtsmuseum Haren 2011).
Auch der Fluss Hase wurde zum Transport von hauptsächlich Korn, Ziegelsteine und Eisenstein genutzt. Dieses war aufgrund des niedrigen Wasserspiegels der Hase allerdings nur sehr eingeschränkt möglich (vgl. Franke et al. 2002, S. 382).
Durch Konkurrenz der Hannoverschen Westbahn wendeten sich die Harener Schiffer mit ihren Pünten der Ems zunehmend ab, um sich auf die Küsten- und Seeschifffahrt zu konzentrieren (vgl. Veltmann 2006, S. 308). Aus dem Kapital von wohlhabenden Bauern, denen als Anteilseigner Mitbestimmungsrecht zukam, bauten die Harener Schiffer schließlich die sogenannten Spitzpünten:
Abb. 5: Spitzpünte Helene im Harener Schifffahrtsmuseum
Quelle: eigene Aufnahme
Die Spitzpünten sind größere und zweimastige Segelschiffe aus hölzernem Material, die eine Transportkapazität von 150 Tonnen aufweisen konnten (vgl. Stecker 1986, S. 22ff.). Diese Schiffe wurden in west- und nordeuropäischen Küstengewässern eingesetzt (vgl. Veltmann 2006, S. 308). Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Spitzpünten mit Eisen gefertigt, was die Teilnahme sowohl in Binnengewässern als auch im globalen Schiffsverkehr ermöglichte, so dass die Helene mit ihren 200 Tonnen Ladung und drei Mann Besatzung über den Atlantik nach Brasilien segelte. Um der Konkurrenz der Großschifffahrt auf dem Dortmund-Ems-Kanal zu trotzen, schlossen sich die Schiffer nach 1906 zur gemeinsamen Bereederung genossenschaftlich zusammen (vgl. Stecker 1986, S. 22ff.). Erst nach Beendigung des Ersten Weltkrieges erfolgte der Übergang zum so genannten Motorsegler, der mit einem 50 bis 100 PS starken Dieselmotor ausgestattet wurde und fortan sowohl in der Binnenschifffahrt als auch auf hoher See eingesetzt werden konnte (vgl. Menke 1990, S. 20ff.). Trotz Krieg und Wirtschaftskrisen wuchs der von zwei Werften in Haren gebaute Schiffsbestand bis 1935 auf 205 Schiffe an, von denen rund 100 motorisiert waren. 1956 waren in Haren 265 Schiffe beheimatet, darunter 103 Küsten- und 90 Binnenmotorschiffe mit insgesamt etwa 75 Tonnen Ladungskapazität (vgl. Stecker 1986, S. 24). In Haren konnte sich schließlich nur die Kötter-Werft behaupten, die sowohl Küstenmotorschiffe als auch Binnenseeschiffe baute und reparierte (vgl. Kiedel 1990, S. 124).
3.1.4 Handwerk und Industrie
Da das Handwerk und Industrie im Emsland nicht empirisch untersucht wurden, können nur sehr allgemeine Angaben gemacht werden. Fest steht, dass 7.579 Erwerbstätige in Handwerken beschäftigt waren. Diese waren nahezu ausschließlich auf Befriedigung des lokalen Bedarfs ausgerichtet wie beispielsweise Nahrungsmittel-, Bekleidungs-, Bau- und Metallhandwerke. Die Steinzeugtöpferei Heyl in Haselünne, dessen Produkte im gesamten nordwestdeutschen Raum Absatz fanden, bildet die Ausnahme. Die Mitgliederliste der Handelskammer Osnabrück kann aufgrund von Lückenhaftigkeit nur bedingt gelten. Neben Gewerben des Grundbedarfs sind 16 Branntweinbrennereien und 14 Tabak- und Zigarrenfabriken verzeichnet, die sich zum großen Teil auf den Bereich Haselünne konzentrieren. Die in Haselünne ansässigen Brennereien Berentzen, Heydt und Rosche haben dabei den überregionalen Markt bedient und expandiert. Deshalb konnten sich diese Brennereien bis heute erhalten (vgl. Franke et al. 2002, S. 418).
3.1.5 Gewerbliche Schwerpunkte im Emsland
Die Stadt Papenburg war sowohl mit seinem traditionellen Torfabbau und -handel als auch mit dem Schiffbau und der Schifffahrt im 19. und den Anfängen des 20. Jahrhundert wichtigster Industriestandort im Emsland. Zwischen 1830 und 1870 wurden im Standort Papenburg auf 20 Werften mehr als 800 Seeschiffe gebaut, was die Stadt deutschlandweit zu einem der wichtigsten Zentren im Schiffbau machte (vgl. Franke et al. 2002, S. 423). Um 1860/65 arbeiteten bis zu 700 Menschen bei der Meyer-Werft und es wurden im Durchschnitt jährlich 19 Seeschiffe und 16 Binnenschiffe produziert (vgl. Mammes 1995, S. 112). Die vergleichsweise florierende Wirtschaft der Fehnkolonie resultiert aus der Funktion Papenburgs als Billiglohnstandort, da viele Seeleute und Arbeiter über eine eigene kleine Landwirtschaft verfügten. Die Blütezeit der Papenburger Schifffahrt war im Jahr 1868, als 194 Schiffe mit einer jeweiligen Durchschnittstragfähigkeit von 91,4 Lasten in Papenburg beheimatet waren. Von diesem Wirtschaftboom profitierten ebenfalls die vor Ort ansässigen Zulieferbetriebe wie beispielsweise Block- und Mastenmacher, Segelmacher, Tauschläger, Anker-, Kupfer-, Grob- und die Nagelschmiede (vgl. Franke et al. 2002, S. 423). Aufgrund des Übergangs zur Dampfschifffahrt erlebte die Papenburger Schiffindustrie einen Niedergang, da das Kapital zu Investitionen in die weitaus kostspieligere Dampfschifffahrt nicht mobilisiert werden konnte. Somit gingen innerhalb von 50 Jahren allein 500 Arbeitsplätze im Papenburger Schiffbau und noch mehrere Hunderte in den Zulieferergewerben verloren. Die einzige Werft, welche diesen Niedergang überleben konnte, ist die bereits 1795 gegründete Werft der Familie Meyer (vgl. Eilers et al. 1988, S. 38ff.). Nachdem bis 1872 auf der Meyer-Werft lediglich hölzerne Segler gebaut wurden, übernahm der Enkel des Werftgründers, Joseph Meyer, die Werft und funktionierte sie zu einer Dampfschiffwerft und Maschinenfabrik um. Fortan wurde in einem arbeitsteiligen maschinellen Fabrikbetrieb gearbeitet (vgl. Witthöft 2005, S. 41f.).
Aufgrund der Bereitschaft zum innovativen Arbeiten expandierte die Meyer Werft sehr schnell, so dass 1914 bereits 450 Arbeitskräfte beschäftigt werden konnten. Die Werft spezialisierte sich auf den Bau kleinerer Dampfschiffe wie beispielsweise Schlepper und Flussschiffe. Wichtige Abnehmer waren staatliche Behörden, unter anderem das Reichskolonialamt (vgl. Veltmann 2001, S. 124). Trotz des Niedergangs der Papenburger Schiffindustrie Ende des 19. Jahrhunderts und der wirtschaftlichen Krise in der Zeit der Weimarer Republik konnte sich die Meyer-Werft mit Mühe behaupten und in den Folgejahren weiter expandieren (vgl. Kiedel 1990, S. 124).
Neben Papenburg konnte auch die Stadt Lingen eine entwickelte und diversifizierte Gewerbestruktur vorweisen. Wichtigster gewerblicher Arbeitgeber der Stadt und der umliegenden Region war bis 1945 das Eisenbahnausbesserungswerk. Daneben sorgten am Ende des 19. Jahrhunderts verschiedene Druckereien mit Buchhandlungen, Brennereien, Wasserfabriken, Tischlereien sowie Gold- und Silberwarenfabriken für Arbeitsplätze (vgl. Franke et al. 2002, S. 426).
In Meppen spielten Einrichtungen der Verwaltung, wie die Wasserbauverwaltung, eine größere Rolle. Wichtigster Arbeitgeber der Stadt war der Schieß- und Versuchsplatz der Firma Krupp, der allerdings nicht dem produzierenden Gewerbe zuzuordnen ist. Hier wuchs die Anzahl der Arbeitnehmer von 32 im Jahr 1879 bis auf 710 zum Ende des Ersten Weltkrieges (vgl. Ebd., S. 426).
3.2 Verkehrsinfrastruktur
Die Ems war schon immer die Lebensader der Region und zugleich ein bedeutender Transportweg zwischen Münsterland und Nordseeküste. Dem Fluss folgten, besonders an den Schnittpunkten und Übergängen der Handelsstraßen, Handels- und Heerwege und es entstanden Siedlungen und Städte, in denen sich Handel und Wirtschaft entwickelten (vgl. Forschungsinstitut Region und Umwelt an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg et al. 1995, S. 2).
Im Gebiet des heutigen Emslandes gab es seit jeher zwei für den überregionalen Verkehr wichtige Handelsstraßen. Diese waren die so genannte flämische Straße, welche von Bremen, Haselünne, Lingen bis nach Deventer verlief, sowie die so friesische Straße, die den heutigen Verlauf der B70, und damit eine Süd-Nord-Verbindung durch das Emsland, darstellt (vgl. Buchholz 1990, S. 108). Ansonsten war das Emsland, vor allem auch aufgrund weitreichender Moor- und Heidelandschaften, verkehrsinfrastrukturell sehr schlecht erschlossen.
Die im Jahr 1856 in Betrieb genommene Hannoversche Westbahn vom Ruhrgebiet bis zum Nordseehafen Emden änderte die schlechte verkehrsinfrastrukturelle Lage nur geringfügig, da sie in erster Linie dazu diente, vom östlichen Ruhrgebiet aus Kohle zu den Nordseehäfen aus- und im Gegenzug Eisen einzuführen (vgl. Schmidt 1998, S. 184 & Schüpp 2002, S. 14). Auch die Ende des 19. Jahrhunderts eröffneten Kreisbahnen konnten nicht für einen durchschlagenden Erfolg sorgen.
Lediglich der 1829 errichtete Hansekanal zwischen Meppen und Lingen, der Bau des linksemsischen Kanalnetzes zwischen 1871 und 1904 sowie der 1899 eröffnete Dortmund-Ems-Kanal konnten lediglich geringfügige Besserung bewirken (vgl. Schüpp 2002, S. 14).
3.2.1 Straßennetz
Die emsländische Region wies 1871 eine der geringsten Straßendichten im gesamten Deutschen Reich auf. Obwohl laut empirischen Erhebungen 1884 alle wichtigen überregionalen Trassen bepflastert waren, war jedoch ein weites Netz provisorisch angelegter Sandwege vorzufinden, die beispielsweise bei Regen oder im Winter nicht genutzt werden konnten (vgl. Schmidt 1998, S. 180). Straßeninfrastrukturelle Ausbauten wurden aufgrund der Gegebenheiten der Region extrem kostspielig, da in den zahlreichen Moorgebieten die Straßen metertief mit Sand ausgekoffert und die benötigen Steine aufgrund fehlender Rohstoffe von Natursteinvorkommen von auswärts gekauft und zu den Bauabschnitten transportiert werden mussten (vgl. Franke et al. 2002, S. 415). Erschwerend kam hinzu, dass die Höhe der staatlichen Zuschüsse an die Größe der von den Gemeinden bereitgestellten finanziellen Mittel gekoppelt war, so dass finanzschwache Gemeinden nur geringe Mittel zum Straßenausbau beisteuern konnten (vgl. Schmidt 1998, S. 183). Bis 1941 waren in den rechts- und linksemsischen Gebieten insgesamt fast 550 Kilometer Straßen gebaut worden, von denen allerdings 298 Kilometer nur als provisorisch angelegte besandete Wirtschaftswege befahren werden konnten. Obwohl der Ausbau dieser neuen Verkehrsverbindungen, die unter der Aufsicht des Wasserwirtschaftsamt Meppen erfolgten, in den 1930er Jahren zumeist für die Anforderungen als unzureichend eingestuft werden konnten, bedeutete es für die Bevölkerung eine spürbare Verdichtung des regionalen Straßen- und Wegenetzes. Es wurde eine Basis geschaffen, an welcher die Maßnahmen zur Verbesserung der verkehrsinfrastrukturellen Erschließung der Region im Zuge des Emslandplans 1950 anschließen konnte.
1928 fehlte noch knapp einem Drittel der über 40 emsländischen Gemeinden der Anschluss an eine feste Straßenverbindung. Dies führte dazu, dass 500 landwirtschaftliche Betriebe längerfristig vom Verkehr abgeschnitten und somit in ihrer Wirtschaftstätigkeit sehr stark eingeschränkt waren. Trotz der deutlichen Verbesserungen in der Verkehrsinfrastruktur galt im gesamten emsländischen Gebiet das Bestreben, das Verkehrsnetz weiter auszubauen. Aufgrund der angespannten finanziellen Situation war die emsländische Region 1936 nicht in der Lage, erforderliche finanzielle Mittel zum Bau von Straßen und befestigten Wegen aufzubringen (vgl. Südbeck 1992, S. 333ff.). Im Rahmen des Etats des Reichsministers des Inneren sowie aus Spendengeldern konnten von 1936 bis 1940 insgesamt 260 Kilometer Wirtschaftswege ausgebaut werden, um den landwirtschaftlichen Betrieben wenigstens einen ganzjährigen Zugang zu den Bezugs- und Absatzmärkten zu sichern (vgl. Ebd., S. 336f.).
3.2.2 Dortmund-Ems-Kanal
Die Ems war als natürliche Verkehrsverbindung aufgrund der starken Mäandrierung im mittleren Abschnitt zwischen Westfalen und Küste bei Niedrigwasser schwer befahrbar, da vor allem Sandbänke die Schifffahrt bedrohten. Zudem stellten die Tideeinflüsse der Nordeeküste nördlich von Herbrum ein Problem dar (vgl. Steinwascher 1998, S. 136). Um die Probleme zu beheben und um die Ems für den Schiffsverkehr zu rüsten, musste sie stellenweise kanalisiert werden.
Am 11. August 1899 eröffnete Kaiser Wilhelm II. feierlich den Dortmund-Ems-Kanal, dessen Bau 1880 begonnen wurde und dessen Kosten sich auf ca. 80 Millionen Reichsmark beliefen. Konzipiert wurde der Kanal für Schiffe mit einer Tragfähigkeit von 700 Tonnen, einer Breite von 8,2 Metern und einem Tiefgang von 1,75 Metern. Der 282 Kilometer lange Kanal musste von Dortmund bis Papenburg, wo die Höhe des Meeresspiegels erreicht wurde, einen Höhenunterschied von 70 Metern überwinden. Aus diesem Grund wurden zahlreiche Schleusen eingebaut, von denen sich allein im Emsland zwölf befanden (vgl. Franke et al. 2002, S. 412f.).
Der Kanal, der die wichtigen Verbindungen des Emslandes von heute wesentlich mitbestimmt, verbindet die historisch gewachsenen Zentren der Rhein/Ruhr-Metropole mit dem Nordseehafen Emden. Vom Ruhrgebiet aus kommend vereint sich der künstlich angelegte Kanal nach der Passierung der Schleusen Spelle-Venhaus, Hesselte und Gleesen bei Elbergen für zwei Kilometer mit der Ems. Südlich von Lingen geht die Ems wieder in den Kanal über, der sich seinen Weg durch die Hafen- und Industrieanlagen Lingen bis nach Meppen bahnt. Auch nördlich von Meppen, wo das Flussbett der Ems genutzt wurde, mussten Kanalstrecken mit Schleusen eingebaut werden, um die erforderlichen Wassermengen für Fahrtiefe und Flussbreite zu halten. Da bei einem Kurvenhalbmesser von 500 Metern das Passieren zweier moderner Schiffe nicht möglich ist, wurde an den Schleusen eine Verkehrsregelung vorgenommen, so dass die Großschiffe nur bei freier Strecke fahren durften. Nach dem Durchlaufen der Schleusen Hüntel, Hilter, Düthe, Bollingerfähr und Herbrum erreichen die Schiffe dann die vertiefte und begradigte Ems, die ein unproblematisches Fortbewegen ermöglicht. Das Zeitalter des Kanals führte dazu, dass sich der Handel im Emsland beträchtlich verbesserte. Auch wurden infolge des Baus neue und größere Industrieanlagen in den Städten Papenburg, Lingen, Meppen, Dörpen, Lathen, Fresenburg und Spelle errichtet (vgl. Bechtluft 1985, S. 37ff.).
3.2.3 Küstenkanal
Der Küstenkanal wurde zwischen 1921 und 1935 gebaut und verbindet in seinem knapp 70 Kilometer langen Streckenverlauf die untere Ems bei Dörpen mit dem Fluss Hunte. Bemessen wurde der Kanal für Schiffe, die ein Gewicht von bis zu 1.000 Tonnen, eine Breite von 8,2 Metern und eine Maximallänge von 67 Metern aufweisen konnten (vgl. Wasser- und Schifffahrtsamt Meppen 2011). Der damals genannte Kampe-Dörpen-Kanal war beim Bau nicht nur als wichtige Erschließung des nördlichen Emslandes gedacht, indem er eine Verbindung zwischen Ems und Weser herstellte, sondern diente auch als Meliorationskanal, der die weiträumigen Moorgebiete entwässern sollte. Während beispielsweise die Bevölkerung von Esterwegen diesem Projekt positiv gestimmt war, weil sie die Zunahme von Arbeitsplätzen erhofften, regte sich in Papenburg und Emden Widerstand, da dort die Verlagerung von Arbeitsplätzen befürchtet wurde. Im Zuge des Beginns der Arbeiten des Bauvorhabens betrieb der Staat parallel dazu eine Politik der Verstaatlichung von Moorgebieten, wodurch insgesamt 5.000 Hektar Moorgebiet gekauft wurden (vgl. Steinwascher et al. 2000, S. 19f.).
Nicht gebaut wurde hingegen aufgrund der Weltwirtschaftskrise der bereits in den 1930er Jahren geplante und bereits der mit dem Bau begonnene Ems-Seiten-Kanal, der zwischen der Gemeinde Gleesen (südlich von Lingen) und Papenburg verlaufen und für Entlastung des Dortmund-Ems- anals sorgen sollte (vgl. Bechtluft 1990, S. 12). Gleichzeitig sollte dieser Kanal das Passieren von 1.000-Tonnen-Schiffen innerhalb kürzerer Zeit ermöglichen (vgl. Schmidt 1998, S. 184). Bereits hergestellte Kanalabschnitte im Bereich von Lathen wurden schließlich als Trasse der Magnetschwebebahn Transrapid auf ihrer Erprobungsstrecke zwischen Dörpen und Lathen genutzt (vgl. Bechtluft 1990, S. 12).
3.2.4 Das „Linksemsische Kanalnetz“
Die durch die Konkurrenz der Eisenbahn resultierende wirtschaftlich angespannte Lage der Schiffer, die sich in ihrer Existenz bedroht sahen, führte dazu, dass nun neue Absatzmärkte erschlossen werden mussten, um den Warentransport anzukurbeln. Da die Eisenbahn nun den Transport auf der Nord-Süd-Achse bestimmte, mussten sich die Schiffer auf die Ost-West-Richtung spezialisieren. Aus diesem Grund wurde nach langen Verhandlungen der Bau des „Linksemsischen Kanalnetzes“ beschlossen:
Abb. 6: Das Linksemsiche Kanalnetz
Quelle: Haverkamp 1991, S. 169
Neben dem Haren-Rütenbrock-Kanal wurde der Ems-Vechte-Kanal südlich von Lingen nach Nordhorn gebaut und zur Verbindung dieser beiden Wasserstraßen der parallel zur preußisch-niederländischen Grenze verlaufende Süd-Nord-Kanal. Von letzterem wurde der Coevorden-Piccardie-Kanal nach Emlichheim und Coevorden gebaut (vgl. Schmidt 1998, S. 178).
Die insgesamt sechs Kanäle mit einer Gesamtlänge von 116 Kilometern hatten im Bereich des Bourtanger Moores neben der Aufgabe der Entwässerung der Sümpfe und Moore sowohl die Funktion des Vorfluters inne als auch eine lokale Bedeutung für den Transport von Torf, Baustoffen, Steinkohle und Raseneisenerz, die zum großen Teil bis nach Groningen gingen (vgl. Haverkamp 1991, S. 167f.).
Die Art und Weise der Erschließung des Moores durch Entwässerung und des Baus von Verkehrswegen wurde vom niedersächsischen Minister für landwirtschaftliche Angelegenheiten Oppermann vorgeschlagen, der sich an der über Jahrhunderten von den Niederländern entwickelten Fehnkultur orientierte (vgl. Keller 2011, S. 11). Mit dem Bau des linksemsischen Kanalnetzes, bei dem Tausende Kubikmeter Torf in Handarbeit ausgehoben und entfernt werden mussten, wurde außerdem der Anschluss an das holländische Fehnkanalsystem erschlossen (vgl. Haverkamp 1991, S. 167f.). Der Nord-Süd-Kanal erstreckt sich vom Ems-Vechte-Kanal bis zum Haren-Rütenbrock-Kanal auf einer Länge von 45,6 Kilometern. Er hatte die Aufgabe, die Städte Nordhorn, Lingen, Meppen und Haren, und damit den Anschluss an das niederländische Fehnsystem, zu verbinden. Der Bau war eine logistische Meisterleistung, denn „Gräben und Wege wurden angelegt, Schleusen gebaut, Böschungen gepflanzt [und] Pfähle gerammt“ (Keller 2011, S. 11). Heute dient der Nord-Süd-Kanal, wie die meisten Kanäle des linksemsischen Netzes, zum Zweck einer verbesserten Vorflut für die umliegenden landwirtschaftlich genutzten Flächen sowie als Kulturlandschaftsmerkmal, welche noch viele Jahrhunderte an die Anfänge der Besiedlung und Nutzung des Bourtanger Moores erinnern sollen (vgl. Ebd.).
Die Kanäle wurden für Schiffe mit einer Länge von höchstens 40 Metern Länge, 6 Metern Breite, einer maximalen Tauchtiefe von 1,50 Meter und einer Tragfähigkeit von höchstens 200 Tonnen ausgelegt. Zur Sicherstellung eines ausreichenden Wasserstandes für die Schifffahrt wurden auf der Gesamtlänge des Kanalnetzes von 115 Kilometern insgesamt 22 Wehre und Schleusen errichtet. Während das Frachtaufkommen 1910 noch bei 258.500 Tonnen lag, konnte es bis 1938 auf 418.900 Tonnen gesteigert werden (vgl. Franke 2002, S. 411). Der Erfolg gründet auch darin, dass ein günstiger Anschluss an die Westfälische Eisenbahn geschaffen wurde, der eine einfache und ökonomische Umladung der Güter vom Schiff auf die Eisenbahn ermöglichte (vgl. Schmidt 1998, S. 178).
Trotz des Wiederaufbaus der Strecken und den dazugehörigen Gebäuden nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich die Frachtschifffahrt aufgrund der begrenzten Transportkapazität und der wachsenden Konkurrenz des sich sprunghaft entwickelnden Straßenverkehrs nicht mehr rentieren, da die Güterverkehrsleistung des linksemsischen Kanalnetzes 1950 nur bei einem Prozent von der des Dortmund-Ems-Kanals lag. Aus diesem Grund wurde der Schiffsverkehr bis auf den Haren-Rütenbrock-Kanal vollständig eingestellt, die Wasserstände in den Kanälen zur Entwässerung der umliegenden landwirtschaftlichen Flächen abgesenkt und die Kanäle nur noch als Vorfluter genutzt (vgl. Südbeck 1992, S. 355).
Abbildung 7 zeigt die Schleuse an der Emsmündung des Haren-Rütenbrock-Kanals:
Abb. 7: Schleuse I Haren-Rütenbrock-Kanal in Haren (Ems)
Quelle: eigene Aufnahme
Der Haren-Rütenbrock-Kanal entstand von 1870 bis 1878 als Teil des linksemsischen Kanalsystems mit einer Sohlbreite von achteinhalb Metern und einer durchschnittlichen Wassertiefe von 1,8 Metern und verband die Ems mit den niederländischen Kanälen Staadtskanaal, Winschoterdiep und dem Eemskanaal. Während die 41 Schiffer der Stadt Haren Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts den gesamten Warenverkehr auf der Ems von Rheine nach Emden und in den linksemsischen Kanälen mit ihren Pünten dominierten, wird der Kanal heute ausschließlich als einzige schiffbare Verbindung für die Sportschifffahrt in Nordwestdeutschland in die Niederlande genutzt (vgl. Haverkamp, 1991, S. 167f.). Auf dem knapp 15 Kilometer langen Kanal sind insgesamt vier Schleusen und zwölf Brücken zu passieren. Bedient werden die Schleusen und Brücken anhand einer automatischen Kanalüberwachung und Steuerung (vgl. Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz 2011b).
3.2.5 Wieken
1903 erwarb der niederländische Unternehmer Verhoeven ein 1.000 Hektar großes Hochmoorgebiet auf der linken Seite des Nord-Süd-Kanals zur Abtorfung. Bevor mit der Abtorfung begonnnen werden konnte, musste das Gebiet verfehnt werden. Um die Entwässerung sowie den späteren Abtransport des Torfes zu gewährleisten, mussten nach der Genehmigung des Verfehnungsplans Entwässerungsgräben, die so genannten Wieken, gezogen werden, welche das Moor in gleichgroße Partien aufteilte. In der Mitte war der größte Graben, die Hauptwieke, anzulegen, die eine Sohlbreite von fünf Metern und eine Wassertiefe von 1,60 Meter aufweisen musste. Pläne über die Wiekenverläufe mussten von der vom Preußischen Innenministerium eingesetzten linksemsischen Genossenschaft kontrolliert werden. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ersuchten unterschiedliche Unternehmer eine Genehmigung zur Verfehnung im westlichen Emsland im Bereich des Bourtanger Moores. Die Auflage seitens der linksemsischen Genossenschaft war, dass der reguläre Betrieb auf dem Süd-Nord-Kanal nicht zu stören sei und die Wege zu erhalten wären. Dieses war beispielsweise im Bereich von Twist schwierig, da die Wieken dort alle an den Süd-Nord-Kanal anschlossen und somit immer die dort verlaufenden Wege schnitten. Zur Problemlösung wurden über die Wieken Drehbrücken und an wechselnden Standorten, die durch die Lage des momentanen Torfabbaus fixiert wurden, leicht auf- und abbaubare Holzkonstruktionen errichtet. Der neu abgebaute Torf konnte somit aus den Feldbahnwaggons über eine Kippenladung, Schüttrutschen und Fülltrichter ohne Beeinträchtigung des Verkehrs auf dem Nord-Süd-Kanal umgeladen werden (vgl. Ostendorf et al. 2011, S. 17). Schätzungen zufolge waren in der Torfsaison im Raum Schöninghsdorf vor der Mechanisierung der Torfgewinnung 900 Personen beschäftigt (vgl. Stecker 1986, S. 20). Heute sind die Wieken zum größten Teil bis auf kleine Reliquien zurückgebaut (vgl. Ostendorf et al. 2011, S. 17).
3.2.6 Schienennetz
Bereits bei der Errichtung des Heseper Torfwerkes 1913 wurden Feldbahntrassen angelegt, um das Torf aus dem Moor in die Fabrik und von dort aus weiter zur Ladestelle am Süd-Nord-Kanal zu transportieren. 1921 wurde diese Strecke durch eine 12,5 Kilometer lange Bahnstrecke nach Meppen mit Anschluss an die Reichsbahnstation und den Emshafen erweitert, um die Transportfähigkeit zu verbessern und um die am Nord-Süd-Kanal bestehende Transportprobleme zu umgehen (vgl. Ostendorf 2011, S. 21). Dabei wurde die Werkbahn mit einer Spurweite von 900 Millimeter gebaut, so dass eine größere Auflagefläche der Gleisanlage auf dem weichen Mooruntergrund den Einsatz von größeren Wagen ermöglichte. Aufgrund des geringen spezifischen Gewichtes des Torfes konnten erheblich größere Mengen transportiert werden. Die Fahrt dauerte insgesamt 45 Minuten (vgl. Fickers 2011, S. 13).
[...]
- Arbeit zitieren
- Uwe Kramer (Autor:in), 2011, Eine verkehrs- und wirtschaftsgeographische Untersuchung der Region Emsland unter besonderer Berücksichtigung der Transformation vom primären zum tertiären Sektor, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/388859
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