Benachteiligung bei der Begabungsidentifizierung und -förderung von begabten Behinderten


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

18 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Merkmale von Begabungen
1.1. Begabte, hochbegabte und teilbegabte Behinderte
1.1.1. Begabte Blinde
1.1.2. Hochbegabte Körperbehinderte
1.1.3. Teilbegabungen bei lernbehinderten Kindern
1.2. Förderungsmaßnahmen für Begabte
1.3. Elterliche Wünsche nach Förderung ihrer Kinder

2. Begabte Behinderte- Empirische Untersuchung zur künstlerischen Teilbegabung
2.1. Vorstellung der Untersuchung
2.1.1. Vorstellung der einzelnen Schüler
2.1.2. Fragestellungen
2.1.3. Untersuchungsmethodik
2.2. Ergebnisse und Analyse der Untersuchung
2.2.1. CFT 20
2.2.2. Mann- Zeichen - Test
2.2.3. Zeichnungen
2.2.4. Analyse

3. Schlussbemerkung

4. Literaturverzeichnis

Einleitung

„Ein Baby ist wie ein Wunder“. Den meisten Eltern mag es wie ein Wunder vorkommen, dass aus ihrem Säugling irgendwann ein erwachsener Mensch wird. Sie sind stolz über jeden Entwicklungsschritt, den das Kind macht. Der Stolz hält sich erst recht dann nicht in Grenzen, wenn bei dem eigenen Kind eine Begabung diagnostiziert wird. Wie verhält es sich aber, wenn das Kind behindert ist? Behinderung und Begabung – sind das zwei Begriffe, die nicht zueinander passen?

Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit der Benachteiligung bei der Begabungsidentifizierung und –förderung von begabten Behinderten. Dazu wird zuerst auf die Merkmale von Begabungen eingegangen. Im weiteren werden Merkmale von begabten, hochbegabten und teilbegabten Behinderten dargestellt. Abschließend werden Fördermöglichkeiten erwähnt, die sehr lohnend sind, wie das Beispiel Stephen Hawking zeigt.

Im zweiten Teil der Hausarbeit wird eine empirische Untersuchung zum Thema "Künstlerische Teilleistungsbegabung bei lernbehinderten Schülern", die 1999 von Catty Kind im Rahmen ihres ersten Staatsexamens durchgeführt wurde, vorgestellt. Der theoretische Teil der Hausarbeit wird somit durch ein Beispiel aus der Praxis ergänzt, um so die Theorie mit der Praxis zu verknüpfen und der oft gestellten Frage nachzugehen, ob Behinderung und Begabung sich gegenseitig ausschließen.

1. Merkmale von Begabungen

Ein altes Sprichwort sagt: „Genie und Wahnsinn liegen nah beieinander“. Deshalb kann das Erkennen von Begabungen zu einem der größten Probleme in der Psychologie gezählt werden. Der bzw. die Begabte[1] signalisiert der Umwelt bestimmte Faktoren, die bei richtiger Interpretation zur Begabungserkennung führen.

Begabung ist ein sogenannter hypothetischer Kunstbegriff (Heller, 2001:24). Dies gilt auch für die verwandten Begriffe Intelligenz und Kreativität. Das Problem ist, das außergewöhnliche Leistungen in Fremdsprachen und Mathematik auf gute verbale oder quantitative Fähigkeiten zurückgeführt werden. Dabei können auch motivationale und soziokulturelle Bedingungsfaktoren eine große Rolle spielen. Daran ist erkennbar, dass sich jeder Begabungsbegriff auf relativ komplexe Verhaltensphänomene bezieht.

Der Hochbegabte besitzt ein großes Lernbedürfnis, hohes Lerntempo und gutes Gedächtnis (Heller; Hanny 1996: 24). Zudem verfügt er über ein gutes Abstrahierungsvermögen, Sprachfertigkeiten, Neugier, Zuversicht und Phantasie. Er ist besonders kritikfähig und kreativ und hat große Ausdauer und hohe Energie. Ist ein Kind als hochbegabt identifiziert worden, muss die Begabung gefördert werden. Dabei ist es sehr wichtig, dass das Kind eine starke soziale Unterstützung bzw. Ermutigung von den Eltern erfährt (Kerry 1981: 30). Der Begabte soll eine klare Zielstellung besitzen und davon überzeugt werden, dass schulisches Lernen wertvoll ist. Er soll adäquat und sozial angepasst werden und für seine Erfolge Lob erhalten. Besonders wichtig für den Hochbegabten ist der Kontakt zu ähnlich begabten Kindern oder Jugendlichen. Dadurch wird der Rolle als Außenseiter vorgebeugt.

Für Begabte gibt es spezielle Beratungsmöglichkeiten. Dabei werden besondere Verfahren und Fertigkeiten zur Erkennen des Begabungspotentials angewendet. Zudem werden angemessene Interventionsstrategien geplant und durchgeführt. Auch die Zukunft des Kindes bzw. Jugendlichen darf nicht vernachlässigt werden. Deshalb soll bei der Berufsberatung verstärkt darauf eingegangen werden, mit dem Kind einen Beruf zu finden, der seine Horizonte erweitert.

1.1. Begabte, hochbegabte und teilbegabte Behinderte

Es wurde bereits auf die Schwierigkeiten bei der Begabtenerkennung aufmerksam gemacht. Einige Merkmale wurden angesprochen, die zur Erkennung von begabten Kindern benutzt werden – von begabten „normalen“ Kindern. Wie verhält es sich aber mit Behinderung und Begabung? Sind dies zwei Begriffe, die nicht zusammenpassen? Noch nie stand man den weit gefächerten Begabungen und Behinderungen von Menschen mit so vielen Fragen gegenüber wie heute (Glöckler 1999: 9). In der Religion geht man davon aus, dass Begabungen und Behinderungen Ausdrucksformen der Beziehung zwischen Gott und dem Mensch sind. Charles Darwin beeindruckte Ende des 19. Jahrhunderts mit seiner Vererbungstheorie. Diese besagt, dass Familienähnlichkeit, Charakter, Temperament, Begabungen und Behinderungen dem genetischen Material der Vorfahren entstammen. Allerdings brachten die moderne Genetik sowie die Verhaltensbiologie – und psychologie Ende des 20. Jahrhunderts neue Forschungsergebnisse.

Begabte, hochbegabte und teilbegabte Behinderte haben über ihre Behinderung hinaus mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie Begabte ohne Behinderungen. Ist ein Kind begabt, wird es von seinem Umfeld beneidet. Der Begabte kann nicht sicher sein, ob die Leute ihn als Mensch schätzen oder nur beeindruckt von seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten sind. Oft ist Vereinsamung die Folge, besonders dann, wenn die Entwicklung besonderer Fähigkeiten abgeschlossen ist. Liegt eine Teilbegabung vor, werden die betreffenden Menschen häufig überschätzt[2]. Bei der Erziehung Teilbegabter werden häufig wichtige andere Fähigkeiten vernachlässigt. Dabei ist es bei der Erziehung von Behinderten und Begabten wichtig, die Persönlichkeitsentwicklung im Auge zu haben. Den einzelnen Behinderungen und Begabungen sollen nicht zuviel und schon gar nicht ausschließlich Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es darf auf keinen Fall versucht werden, die Begabung als etwas wünschenswertes hervorzuheben und dadurch die Behinderung hinwegwünschen. Das Wesen des Kindes muss in den Mittelpunkt gestellt werden, damit das Kind lernt, mit seiner Eigentümlichkeit umzugehen.

Aus den Aufführungen wird deutlich, dass kein pädagogisches Klima[3] zu schaffen ist, in denen Behinderte mit Begabungen aufwachsen können. Erziehung setzt Selbsterziehung voraus. Das Kind muss seinen Persönlichkeitskern, das Ich, suchen, damit seine Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden kann.

Behinderten mit Begabungen wird weniger Beachtung geschenkt als Begabten ohne Behinderungen (Fels 1999: 119). Die Gründe dafür sind, dass sich keine Zweig der Erziehungswissenschaft für diesen Personenkreis zuständig fühlt. Außerdem werden Behinderungen und Hochbegabung als zwei Merkmale gesehen, die sich gegenseitig ausschließen. Die Nicht- erkennung sowie –förderung von Behinderten mit Begabungen kann zu fatalen Folgen führen.

Hochbegabte Behinderte können in intrapersonelle Konflikte geraten, die über die Konflikte nicht- behinderter Begabter hinausgehen. Die Hochbegabung bei Behinderten wird nicht erwartet und erschwert dadurch die Persönlichkeitsentwicklung.

1.1.1. Begabte Blinde

Im Mittelalter wurden Blinde Seher genannt. Sie wurden besonders respektiert, weil sie in der Lage waren, mit den übrigen Sinnen zu sehen. Blindheit kann man nicht mit vollblind gleichsetzen (Speckin 1998: 51). Es gibt Faktoren, die die Blindheit variieren, wie z.B. der Grad der verbleibenden Sehfähigkeit, die Art der Sehschädigung, der Zeitpunkt des Eintritts der Blindheit und Blindheit als Teil einer Mehrfachbehinderung. Blinde Kinder wachsen mit großen Entwicklungsverzögerungen gegenüber nicht-blinden Kindern auf. Sie können sich nur Bedingt Aufschluss über ihre Umwelt verschaffen, solange die Sprache noch nicht entwickelt ist. Das Reizangebot ist durch die Blindheit eingeschränkt, weshalb das blinde Kind nicht genügend Erfahrungen sammeln kann.

Intelligenztests für Blinde verlaufen häufig auf verbaler Ebene. Die Gefahr dabei ist, dass die Sprache für Behinderte eine große Rolle spielt und sie deshalb sprachlich geübt oder sogar besonders begabt sind. Ist die Konzentration bei der Begabungserkennung von Blinden ausschließlich auf verbale Tests bezogen, werden andere Intelligenzfaktoren minimiert.

Eine höhere Schulbildung ist häufig die einzige Voraussetzung, vorhandene Begabungen zu entfalten. Da dies mit ständigen hohen Lernleistungen verbunden ist, gestaltet sich die Voraussetzung für Blinde schwierig. Blinde entwickeln häufig kein positives Selbstbild[4], da sie von ihrer Umwelt negative Rückmeldungen erfahren. In der Familie werden sie oft „überbehütet“ und stehen im Schatten nicht-behinderter Geschwister.

Blinden Kindern muss früh die Möglichkeit gegeben werden, ihre Begabungen zu entwickeln. Durch die Konzentration und Förderung der Begabungen kann es gelingen, dass der Blinde ein positives Selbstbild aufbaut.

1.1.2. Hochbegabte Körperbehinderte

Körperbehinderung ist häufig ein Teil einer Mehrfachbehinderung und kann mit Intelligenzminderung verbunden sein (Speckin 1998: 54ff). Deshalb kann man aber nicht von einer allgemeinen Intelligenzminderung bei Körperbehinderten sprechen. Forschungen haben gezeigt, dass auch Körperbehinderte über kognitive Fähigkeiten verfügen können. Die individuelle Leistungsfähigkeit reicht deshalb von minderbegabt bis hochbegabt. Bei Körperbehinderten ohne Gehirnschäden lassen sich keine Minderleistungen bezüglich der Gesamtintelligenz nachweisen. Sie besitzen größere Schwankungen in Teilleistungen und eine geringe praktische Intelligenz, die mit verbalen Fähigkeiten kompensiert werden. Zudem besteht eine Diskrepanz zwischen schulischen Leistungen und gemessener Intelligenz.

Das Erkennen und Entfalten von Begabungen wird somit erschwert. Hinzu kommen weitere Faktoren, wie z.B. Bewegungseinschränkungen, lange und wiederholte Krankenhausaufenthalte und der Einfluss von Medikamenten. Um als hochbegabt aufzufallen und identifiziert zu werden, muss der Körperbehinderte viel Kraft und Zeit aufwenden. Er kann sich nicht ausschließlich auf den Aneignungsprozess konzentrieren, sondern gleichzeitig auch auf die Körperfunktionen. Ausdrucksmöglichkeiten sind häufig eingeschränkt, was zu falschen Rückschlüssen in bezug auf die intellektuellen Fähigkeiten führen kann.

1.1.3. Teilbegabungen bei lernbehinderten Kindern

Die Lernbehinderung bei einem Kind fällt meistens schon vor der Einschulung auf. Aber erst in der Schule werden die Entwicklungsverzögerungen im kognitiven und motorischen Bereich für das Kind belastend und zur Behinderung. Lernbehinderte Kinder weisen Merkmale wie z.B. reduzierte Sprachleistungen, weniger gegliederte Wahrnehmungs- und Vorstellungsfähigkeit, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und erschwerte soziale Anpassungsfähigkeit auf.

Unter den lernbehinderten Schülern gibt es Kinder, die aufgrund besonderer Fähigkeiten auffallen. Diese Fähigkeiten werden als Teilbegabungen definiert. Teilbegabungen sind nicht im gleichen Umfang und in gleicher Weise entwickelt wie bei nicht-Behinderten. Die vorhandene Leistungsminimierung bewirkt eine stereotype Handlungs- und Verhaltensregulation. Dadurch sind Handlungen auf den einzelnen Begabungsbereichen eingeschränkt. Außerdem werden Fähigkeiten zur adäquaten Dekodierung von Informationen eingeengt und die Verarbeitungsgeschwindigkeit der Informationen beeinträchtigt.

Lernbehinderte Schüler weisen Teilbegabungen häufig in den Fächer Mathematik, Musik und bildnerischer Kunst auf. Häufig sind sie in einem Bereich innerhalb des Begabungsgebietes begrenzt. Teilbegabungen werden an den Schulen wenig beachtet, was nicht fördernd für die Persönlichkeitsentwicklung ist.

[...]


[1] Im folgendem Text wird ausschließlich die maskuline Form verwendet.

[2] Es ist schwer vorstellbar, dass jemand im mathematischen Bereich ein Genie ist, aber im emozionalen Bereich und im Umgang mit Menschen versagt.

[3] Pädagogisches Klima = ein gewisses Maß an Schulung, Selbsterziehung und ständigem Üben

[4] Ein positives Selbstbild ist eine wichtige Voraussetzung zur Begabungsentfaltung.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Benachteiligung bei der Begabungsidentifizierung und -förderung von begabten Behinderten
Hochschule
Universität Rostock
Note
1,5
Autor
Jahr
2002
Seiten
18
Katalognummer
V38957
ISBN (eBook)
9783638378727
Dateigröße
535 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Benachteiligung, Begabungsidentifizierung, Behinderten
Arbeit zitieren
Heidi Pleger (Autor:in), 2002, Benachteiligung bei der Begabungsidentifizierung und -förderung von begabten Behinderten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38957

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