Arthur Schnitzlers Fräulein Else im Vergleich mit Flauberts Madame Bovary


Seminararbeit, 2000

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Hauptteil
Technik
Inhalt
Charakteristische Eigenschaften von Emma und Else
Leitmotive und ihre Symbolik
Extratextuelle Zusammenhänge
Konklusion

Literaturverzeichnis

Primäre Literatur:

Sekundäre Literatur

Einleitung

Sowohl Gustave Flaubert, mit seiner Madame Bovary, als auch Arthur Schnitzler, mit seiner Fräulein Else, klagen die Gesellschaft an, in der sie leben. Beide Geschichten spielen im späten 19. Jahrhundert. Die genannten Werke verurteilen auf ihre eigene Art und Weise die Rolle, die zu dieser Zeit der Frau zugesprochen wird.

Obgleich sowohl die Technik als auch der Inhalt der Bücher verschieden sind, und vielleicht gerade deswegen, bietet sich der Vergleich von Fräulein Else mit Madame Bovary an. Denn trotz aller Unterschiede, die zwischen den beiden Erzählungen bestehen, gibt es doch eine gemeinsame Basis.

Da Fräulein Else erst 1924 zum ersten Mal gedruckt wird, während Madame Bovary schon

1856 in einer Zeitschrift erscheint, kann man Schnitzlers Erzählung als eine Weiterentwicklung des psychologischen Schreibens sehen, welches mit Madame Bovary einen Anfang findet.

Auch wenn man nicht mit Sicherheit behaupten kann, dass Schnitzler Madame Bovary gelesen hat, so kann man doch mit ziemlicher Gewissheit annehmen, dass Schnitzler über dieses umstrittene Werk informiert war und sich auch auf seine Weise damit auseinandergesetzt hat. Man kann auch annehmen, dass dieser psychologische Roman, oder zumindest die Reaktionen darauf, einen gewissen Einfluss auf seine, im inneren Monolog geschriebene, Fräulein Else hat.

Hauptteil

Technik

Während Schnitzler für Fräulein Else den inneren Monolog wählt, ist Madame Bovary größtenteils in der personalen Erzählhaltung geschrieben. Durch die Technik, die Schnitzler anwendet wird der Erzähler aus dem Werk ausgeschlossen. Die Handlungen werden nur aus der Sicht von Else selbst gesehen. Die Meinung des Autors wird somit nicht durch im Text vorhandene Kritik oder Beurteilungen transparent.

Andrerseits kann man auch nicht behaupten, dass Flaubert seine Meinungen und Überzeugungen in Madame Bovary zum Ausdruck bringt, da Autor und Erzähler nicht unbedingt ein und dieselbe Person darstellen. Allerdings wird Flaubert 1857 wegen Angriffs auf die öffentliche Moral und die Religion angeklagt[1]. Obwohl der Staatsanwalt für seine Anklage Textstellen vorliest, die er als Verherrlichung der unzüchtigen Lust einer verheirateten Frau kommentiert, wird Flaubert freigesprochen. Der Richter mahnt ihn nur, in Zukunft mehr auf das Einhalten der Regeln zu achten, das heißt, in seinen Werken die Sitten und die Moral der Gesellschaft und der Religion zu respektieren.

Wahrscheinlich sind ähnliche Prozesse wie derjenige von Flaubert, wenn nicht sogar genau dieser, ausschlaggebend für die bei Fräulein Else gewählte Technik. Dadurch, dass der Erzähler in Schnitzlers Werk überhaupt nicht zum Vorschein kommt, kann er natürlich auch keine Kritik an der Moral der Gesellschaft ausüben. Da der Erzähler oft mit dem Autor gleichgestellt wird, kann diesem nun auch kein Angriff auf Moral oder Religion mehr zu Last gelegt werden. Der innere Monolog stellt somit eine perfekte Lösung dar, um solchen Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen.

Wenn diese Technik sich also von der von Flaubert unterscheidet, so kann doch in diesem Fall Fräulein Else auf Madame Bovary bezogen werden, da die Innovation als eine Reaktion auf die vorherigen Probleme der personalen Erzählhaltung gesehen werden kann.

Der epische Bewusstseinsstrom dient außerdem der besseren Durchleuchtung des Inneren einer Person[2]. Durch den inneren Monolog wird dem Leser das Erkennen und das Nachvollziehen der Motive einer, in der Erzählung dargestellten, Person erleichtert, da er die psychischen Mechanismen von innen heraus analysiert und somit die Sprache des Unbewussten ist[3]. Die Beschreibung der dargestellten Person erfolgt also nicht mehr von einem Außenstehenden, sondern von ihr selbst. Somit ist die Darstellung vollkommen frei von Wertungen und erlaubt dem Leser sich seine Meinung über die Handlungen und Gefühle der Person selbst zu bilden.

Durch die Unmittelbarkeit des inneren Monologs fühlt man sich während des Lesens ins Geschehen integriert, während die personale Erzählhaltung eine gewisse Distanz zwischen Leser und Gelesenem schafft.

Somit fällt es dem Leser also in der Regel leichter sich mit Else zu identifizieren, als mit Madame Bovary. Was Flaubert mit Madame Bovary erreichen wollte, nämlich, dass der Leser sich im Werk wiederfindet[4], gelingt somit erst Schnitzler mit Fräulein Else vollkommen.

In seiner Korrespondenz beschreibt Gustave Flaubert den idealen Autor folgendermaßen:

L‘artiste doit être dans son œuvre comme Dieu dans la création, invisible

et tout-puissant: qu‘on le sente partout, mais qu‘on ne le voie pas[5].

Flaubert wendet dieses Ideal auf Madame Bovary. Schnitzler verabsolutiert Flauberts Auffassung jedoch indem er mit Fräulein Else ein Werk schafft, in dem man den Autor weder sieht noch wirklich spürt. Sein Werk besteht nur noch aus der Gedanken- und Gefühlswelt von Else.

Inhalt

Madame Bovary und Fräulein Else unterscheiden sich auch inhaltlich voneinander. Vor allem die Tatsache, dass in Flauberts Buch das ganze Leben von Emma Rouault geschildert wird, während Schnitzlers Erzählung nur von einem Tag aus Elses Leben berichtet schafft einen großen Unterschied.

Es ist auch von Bedeutung, dass es sich beim größten Teil von Flauberts Erzählung um eine “Madame“, also um eine verheiratete Frau handelt und nicht um ein “Fräulein“, wie es bei Schnitzlers Erzählung der Fall ist. Wenn man aber die beiden Geschichten genau betrachtet, kann man eine große Parallele erkennen, und zwar die, dass es sich bei beiden Erzählungen um Schilderungen von Desillusionen handelt. Im Mittelpunkt stehen das Geld und die Diskrepanz zwischen Schein und Sein, die weder Else noch Emma überbrücken können. Darüber hinaus wird man bedeutende Ähnlichkeiten zwischen den Schicksalen der beiden Frauen feststellen.

Emma Rouault wird als Schülerin ins Kloster geschickt, damit sie dort eine gute Erziehung erhält. Dort beginnt sie nicht nur die Religion fast fanatisch zu befolgen, sondern lernt auch aus Büchern wie Paul und Virginie die Liebe kennen. Diese Lektüren lassen sie schon in ihrer Jugend von einem makellosen Traumprinzen träumen. Nach dem Tod ihrer Mutter muss sie zurück auf den Hof ihres Vaters, wo sie bis zu ihrer Hochzeit mit Charles Bovary bleibt.

Anfangs scheint Emma noch fast glücklich in ihrer Ehe, sie versucht die Rolle der guten Ehefrau zu verkörpern, aber mit der Zeit ist sie derart gelangweilt von ihrem Leben und vor allem von ihrem Mann, dass sie in Depressionen verfällt. Auch mit ihrem Kind weiß sie nicht viel anzufangen.

Erst als sie den Ball einer Adligen besucht blüht sie wieder auf. Nachdem sie dort einen Vicomte begegnet, ist sie vom Luxusleben fasziniert und stellt es mit einem sinnlich erfüllten Leben gleich. Flaubert beschreibt ihren Gemütszustand in diesem Zusammenhang mit folgendem Satz:

[...]


[1] Réquisitoire, Plaidoirie et Jugement. In : Gustave Flaubert, Madame Bovary, Flammarion, Paris 1986, S.437-515

[2] Hartmut Scheible, Arthur Schnitzler, Figur – Situation – Gestalt. In: Hartmut Scheible, Arthur Schnitzler in neuer Sicht, S.13

[3] Claudio Magris, Arthur Schnitzler und das Karussell der Triebe. In: H.S., S.74

[4] Bernard Ajac, Introduction, In: Gustave Flaubert, Madame Bovary, Flammarion, Paris 1986, S. 26

[5] ebd., S. 19

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Arthur Schnitzlers Fräulein Else im Vergleich mit Flauberts Madame Bovary
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2000
Seiten
15
Katalognummer
V39374
ISBN (eBook)
9783638381581
ISBN (Buch)
9783638762557
Dateigröße
525 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arthur, Schnitzlers, Fräulein, Else, Vergleich, Flauberts, Madame, Bovary
Arbeit zitieren
Christina di Bartolomeo (Autor:in), 2000, Arthur Schnitzlers Fräulein Else im Vergleich mit Flauberts Madame Bovary, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39374

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