Leseprobe
Inhalt
Einleitung
1. Die Frauenfiguren in Das Käthchen von Heilbronn
1.1. Die Figur des Käthchens von Heilbronn
1.2. Die Figur der Kunigunde von Thurneck
2. Der Engel und die Hexe
2.1. Die Hexe Kunigunde
2.2. Der Engel Käthchen
3. Die ideale romantische Liebe
Schluss
Literaturverzeichnis
Einleitung
Heinrich von Kleist, feierte mit seinem Das Käthchen von Heilbronn seinen ersten großen Dramenerfolg. So war es lange Zeit das einzige von Kleists Dramen, das vom zeitgenössischen Publikum angenommen wurde.[1], zeichneten sich die Kleistschen Werke doch stets durch Provokationen aus. Auch hier will Kleist genau genommen provozieren und orientiert sich weder stringent an klassizistischen noch an der romantischen Poetik. So stellt er mit seinem Werk jegliche romantischen Konzepte auf den Prüfstand, beispielsweise das der Geschlechterbeziehungen oder das Frauenbild.[2]
Eine weitere Provokation besteht darin, dass er in Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe, durch den Untertitel Ein großes historisches Ritterschauspiel als eine Art Heldenepos ankündigt, jegliche Form der Ritterlichkeit seitens der männlichen Figuren jedoch vermissen lässt.
Vorwiegend arbeitet er hier mit Mitteln, die uns aus dem Märchen bekannt sind. Ein Mann und eine Frau haben in der Silvesternacht einen Traum, in dem ihnen der zukünftige Ehepartner durch einen Cherub vorgeführt wird. Im Anschluss daran beginnt die verzweifelte Suche nach genau jenem. Als sie sich beinahe gefunden haben, tritt eine Nebenbuhlerin, vergleichbar auch mit den bösen Stiefschwestern in Aschenputtel auf, und das Traumpaar scheint getrennt. Zu guter letzt heiratet der Prinz dann doch die Richtige und „wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“.
Ganz so indifferent darf die „Liebes“geschichte in Das Käthchen von Heilbronn jedoch nicht betrachtet werden. Heinrich von Kleist spielt in seinem zwischen Ende August 1807 und Ende April 1809,[3] während seiner Dresdner Zeit, entstandenen Werk mit dem Thema der Liebe und parodiert die romantischen Elemente wohl eher als dass er sie idealisiert.
Sein „Märchenprinz“, Graf Wetter von Strahl findet sich in einer typischen Männerphantasie wieder, nämlich als Mann zwischen zwei Frauen. Diese beiden weiblichen Figuren werden von Kleist als absolute Gegenspielerinnen konzipiert und sind daher auch intensiver zu beleuchten. Das Käthchen als halbkindliche Frauengestalt, welche dem Rezipienten himmlisch naiv erscheint und ihre Rivalin, die höllisch berechnende Kunigunde von Thurneck.
Die folgende Seminararbeit möchte dieses Ideal der durch göttliche Vorbestimmtheit determinierten Liebe näher analysieren. Hierfür scheint es von Nöten sich die drei Charaktere dieser „Ménage a trois“ und ihre werkimmanente Rolle zu betrachten, wobei die beiden konträren Frauengestalten diesbezüglich am interessantesten sind.
1. Die Frauenfiguren in Das Käthchen von Heilbronn
1.1. Die Figur des Käthchens von Heilbronn
Die Käthchenfigur wird von Kleist als Prototyp des zur damaligen Zeit vorherrschenden Frauentypus erschaffen. So vereint sie scheinbar nicht nur Schönheit und Grazie, sondern wirkt vielmehr auch integer, natürlich und anmutig.
Erst im Laufe der Rezeptionsgeschichte, genau genommen erst im vorigen Jahrtausend, entwickelt sich bei den Rezipienten Wut gegenüber der naiv und hörig gestalteten Frauenfigur.
Zunächst wollen wir betrachten wie uns der Charakter des Käthchens präsentiert wird. Obwohl das Käthchen erst im 1.Akt, 2.Auftritt, persönlich in Erscheinung tritt, wird die Protagonistin uns schon zu Beginn des Dramas angekündigt und beschrieben. Kleist bedient sich hier dem Mittel der Fremdbeschreibung und lässt seine männlichen Figuren Theobald Friedeborn, ihren Vater, und Graf Wetter von Strahl vor dem Femgericht sprechen. Das fünfzehn Jahre alte Mädchen wird von dem Vater als „Kind recht nach der Lust Gottes“[4] beschrieben, beispielsweise durch Äußerungen wie:
„Ein Wesen von zarterer, frommerer und lieberer Art müsst ihr euch nicht denken, und
kämt ihr, auf Flügeln der Einbildung, zu den lieben, kleinen Engeln, die, mit hellen
Augen, aus den Wolken, unter Gottes Händen und Füßen hervorgucken.“[5]
und assoziiert somit beim Rezipienten unmittelbar die Gleichsetzung mit einem Engel. Ferner schildert er sie als von allen Bürgern der Stadt Heilbronn geachtetes und vergöttertes Mädchen:
„so lief es flüsternd von allen Fenstern herab: das ist das Käthchen von Heilbronn; das
Käthchen von Heilbronn, ihr Herren, als ob der Himmel von Schwaben sie erzeugt, und
von seinem Kuß geschwängert, die Stadt, die unter ihm liegt, sie geboren hätte.“[6]
So scheint das anmutige Kind wohl im Gespräch der Bürger und somit eine Art Aushängeschild für die Stadt Heilbronn gewesen zu sein. Sicherlich könnte man diese Äußerung gemeinhin als eine Übertreibung des durch Vaterstolz getrübten Blickes verstehen. Es bleibt jedoch fraglich, warum er gerade in diese einleitende Beschreibung seines einzigen Kindes solch eine Distanz aufkommen lässt. Es bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass es in der Romantik nicht unüblich war, Frauen lediglich mit dem Vornamen zu benennen.[7] Der Grad der Ikonisierung Käthchens jedoch und somit auch die Distanz zwischen ihm und seiner Tochter lassen allerdings darauf schließen, dass Kleist bereits an dieser Stelle auf die sich im Verlauf des Stückes aufklärende Scheinvaterschaft hinweisen möchte. So ist Käthchen ja am Ende die Kaisertochter und somit vom Geschlecht der Schwaben.
Ferner beschreibt er sie als pflichtbewusste und hörige Tochter, die sich seinem Wunsch im Bezug auf eine bevorstehende Heirat mit dem Landmann Gottfried Friedeborn gehorsam fügt. „Vater! Dein Wille sei meiner;“[8] sei ihre Antwort auf den Antrag gewesen. Umso verständlicher scheint die Anklage Theobalds gegen Graf Wetter von Strahl. Der Waffenschmied wirft dem Grafen Hexerei vor, denn schließlich wirft seine Tochter seit dem Erscheinen des Grafen alle
Prinzipien über Bord und verhält sich für eine Frau äußerst untypisch:
„Wenzel: Und läßt alles hinter sich zurück?
Hans: Eigentum, Heimat und den Bräutigam, dem sie verlobt war?
Wenzel: Und begehrt auch deines Segens nicht einmal?
Theobald: Verschwindet, ihr Herren - Verläßt mich und alles woran Pflicht, Gewohnheit
und Natur sie knüpften - Küßt mir die Augen, die schlummernden, und verschwindet; ich wollte, sie hätte sie mir zugedrückt.“[9]
Dieser Ausbruch aus der väterlichen Obhut und somit aus den gesellschaftlichen Normen muss geahndet werden. Da der Vater sich jedoch der Integrität seiner Tochter sicher ist, muss Graf Wetter von Strahl der Schuldige sein, der das Käthchen zu solch einem „metzenhaften“ Verhalten treibt.
Aus der Perspektive des Grafen erscheint das Käthchen alles andere als engelsgleich. Zwar betont er vor dem Femgericht ebenfalls ihre Schönheit,
„da liegt sie mir, wie ich erwache, gleich einer Rose, entschlummert zu Füßen; als ob
sie vom Himmel herabgeschneit wäre!“[10]
beschreibt sie jedoch ferner eher als lästigen Anhang, der ihm gleich seinem Schatten folgt. Obwohl das Käthchen dem Grafen hörig ist und ihm Dienste erweist, die sich für eine Frau in der romantischen Gesellschaft ziemen, wie zum Beispiel waschen und flicken[11], will er nicht die Verantwortung für dieses Mädchen übernehmen, denn ihr ergebenes Verhalten ist auch ihm ein Rätsel.
[...]
[1] Schmidt: Heinrich von Kleist. S.137
[2] vgl. Lubkoll: Gewagte Experimente und kühne Konstellationen. S.11f
[3] vgl. Grathoff: Kleist: Geschichte, Politik, Sprache. S.139
[4] Das Käthchen von Heilbronn. Im folgenden abgekürzt mit K.v.H. S.7
[5] K.v.H. S.7
[6] Ebd. S.7
[7] Romantik-Handbuch S.528
[8] K.v.H. S.8
[9] K.v.H. S.10f
[10] Ebd. S.12
[11] vgl. Ebd. S.13