Relevanz als Alternative zum Mutual Knowledge


Referat (Ausarbeitung), 2004

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kritik von Sperber und Wilson am Mutual Knowledge

1: The identification of mutual knowledge presents problems which, contrary to the predictions of the mutual knowledge framework, do not give rise to corresponding problems of comprehension.

2: Mutual knowledge is not sufficient condition for belonging to the context: a proposition may be mutually known without being part of the context.

3: [Mutual knowledge] is not a necessary condition []: a proposition may belong to the context without being mutually known.

Das Relevanzmodell von Sperber und Wilson als Alternative zum Mutual Knowledge

Fazit

Bibliographie

Einleitung

[W]e all take a risk, whenever we engage in verbal communication. At this moment, we are taking the risk of being misunderstood, you are taking the risk of misunderstanding us, and yet we proceed. (Sperber, Wilson 1982: 68f)

So warnen Dan Sperber und Deirdre Wilson in ihrem Beitrag “Mutual Knowledge and Relevance in Theories of Comprehension“ für die Aufsatzsammlung Mutual Knowledge 1982 herausgegeben von Neil. V. Smith vor den Gefahren die sich im Kommunikationsprozess verbergen. Ähnlich wie in dem Kapitel von Clark und Carlson in derselben Ausgabe beschäftigen sich Sperber und Wilson (SW) insbesondere mit dem Gelingen von Kommunikation bzw. mit dem Problem des Verstehens von Äußerungen (utterances), d.h. wie die in einer Äußerung verschlüsselte Botschaft beim Adressaten ankommt bzw. vom Adressaten wieder entschlüsselt wird und was sie überhaupt entschlüsselbar macht. SW setzen hierbei voraus, dass der Kontext eine entscheidende Rolle beim Verständnis einer Äußerung spielt. Das Problem, das sich den Autoren zufolge stellt, ist, wie der Hörer diesen Kontext im Entschlüsselungsprozess einer Äußerung einbezieht, um gewisse Implikationen und Inhalte dieser Äußerung nachzukonstruieren.

Die Idee des gemeinsamen Wissens, welche so vehement von Clark und Carlson verteidigt wurde, wird hier von SW mit einem Gegenentwurf angegriffen. Zur kurzen Erinnerung: Clark und Carlson haben in ihrem Essay “Speech Acts and Hearer’s Beliefs” als vorläufige Lösung des Problems des Etablierens von gemeinsamem Wissen das informative eingeführt. Das informative teilt als alleiniger illocutionary act den Hörer, insbesondere bei Aufforderungen an mehre Menschen, in addressee und participant auf. Der Kontext, in welchem dieses informative ausgeführt wird, trägt gleichsam dazu bei, das informative als solches zu kennzeichnen bzw. das Problem des Koordinierens von gemeinsamem Handeln aufzulösen. Mit Hilfe des informatives sind sich zwei oder mehrere Adressaten einer Aufforderung sicher, dass der oder die jeweils anderen Adressaten einer Aufforderung eines dritten Sprechers jeweils ebenfalls von dieser Aufforderung erfahren und zwar im selben Augenblick, wie der erste Adressat auch. Gemeinsames Handeln wird somit nicht nur möglich sondern sogar wahrscheinlich. Der Widerspruch einer doppelten Kontingenz scheint zunächst aufgelöst.

Das Gelingen hängt natürlich in zweiter wenn nicht sogar in erster Instanz vom common ground ab. Common ground ist, nach Clark und Carlson 1982 und Clark und Marshall 1981 und Clark 1996, eine Art zugrundelegbares gemeinsames Wissen, das sich aus physischer Kopräsenz, linguistischer Kopräsenz sowie der Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Kreis oder einer gemeinsamen Gruppe (z.B. Religionsgemeinschaft, Kulturkreis o.ä.) konzipieren und voraussetzen lässt bzw. den Kontext darstellt. Physische und linguistische Kopräsenz bezeichnen dabei den physischen sowie sprachlichen Kontext einer Situation. Demnach können alle Objekte, die physisch in der Präsenz eines Gegenüber vorhanden sind als gemeinsames Wissen um diese physischen Objekte im weiteren Verlauf der Kommunikation als gegebene Konstanten vorausgesetzt werden. Es wird also gegenseitig gewusst, dass der Gegenüber weiß, dass ein Objekt bzw. mehrere Objekte physisch vorhanden sind. Das gleiche gilt für Sprechakte, die im Verlauf eines Kommunikationsprozesses in der Anwesenheit eines Gegenübers ausgeführt werden. Diese Sprechakte können ebenfalls im weiteren Verlauf als gegebenes gemeinsames Wissen vorausgesetzt werden.

Die gemeinsame Zugehörigkeit eines Sprechers und seines Gegenübers zu einer Gruppe begründet eine ganze Reihe von Vorannahmen über den jeweiligen Gegenüber. Demnach ist alles Wissen, das mit dieser Gruppe bzw. mit der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe in Verbindung gebracht werden kann, fortan als gemeinsames Wissen voraussetzbar und erleichtert damit den Kommunikationsprozess ungemein. Gemeinsames Wissen ist demnach nicht nur geteiltes Wissen sondern es wird von allen Teilnehmern auch immer gewusst, dass es geteilt wird bzw. gemeinsam ist und es wird ebenfalls gewusst, dass von allen Teilnehmern gewusst wird, dass es gewusst wird etc. Mit der Hilfe des common ground als Voraussetzung und des informatives als eine Art Etablierung von gemeinsamem Wissen lösen Clark und Carlson diese Endlosschleife scheinbar auf und erklären, wie gemeinsames koordiniertes Handeln (joint act) möglich ist.[1]

Kritik von Sperber und Wilson am Mutual Knowledge

Sperber und Wilson finden drei Angriffspunkte für den mutual knowledge Ansatz.

First the identification of mutual knowledge presents problems which, contrary to the predictions of the mutual knowledge framework, do not give rise to corresponding problems of comprehension. Secondly, mutual knowledge is not sufficient condition for belonging to the context: a proposition may be mutually known without being part of the context. Thirdly, it is not a necessary condition either: a proposition may belong to the context without being mutually known. (Sperber, Wilson 1982: 62)

Anstatt des mutual knowledge Konzepts entwickeln SW einen alternativen Ansatz, der Kontext, Inhalt und intendierte Schlussfolgerung ohne Unterstellung eines gemeinsamen Wissens bestimmt.

The fact that some knowledge is considered mutual is generally a result of comprehension rather than a precondition for it. Hence mistakes in comprehensions are much more likely to cause a wrong assessment of mutual knowledge than the other way around. (Sperber, Wilson 1982: 62)

Jedoch, bevor ich zu diesem alternativen Ansatz komme, möchte ich etwas näher auf die drei Kritikpunkte aus der oben zitierten Textstelle eingehen:

1: The identification of mutual knowledge presents problems which, contrary to the predictions of the mutual knowledge framework, do not give rise to corresponding problems of comprehension.

SW fragen hiermit, ob die Probleme bei der Erkennung gemeinsamen Wissens überhaupt Probleme beim Verstehen hervorrufen. Sie argumentieren, dass es sehr viel leichter scheine eine Äußerung zu verstehen, als gemeinsames Wissen festzulegen. Die Etablierung von gemeinsamem Wissen wird gewöhnlich so definiert:

[A] speaker S and an addressee A mutually know a proposition P if and only if:

(1) S knows that P.
(2) A knows that P.
(3) S knows (2)
(4) A knows (1)
(5) S knows (4)
(6) A knows (3)

… and so on ad infinitum. (Sperber, Wilson 1982: 63)

Gewöhnlich kommt es dabei zu den oben aufgeführten Endlosketten, die Adressat A vor ein praktisches Problem stellen: Wie soll A in einem endlichen Zeitraum diese unendliche Kette von Vorannahmen ausführen. Clark und Carlson haben, wie weiter oben ausgeführt, versucht, dies mit ihrem mutual knowledge induction schema (Clark und Carlson 1982: 5; bzw. Clark und Marshall 1981) zu umgehen. Dabei werden als Vorannahme und Methode für die am Kommunikationsprozess Beteiligen das oben erklärte Konzept des common ground mit physischer und linguistischer Kopräsenz sowie der Zugehörigkeit zu einer Gruppe für einen Beweis von gemeinsamem Wissen vorausgesetzt. SW degradieren diese drei Möglichkeiten für die Etablierung von common ground zunächst zu einer, indem sie linguistische Kopräsenz und Zugehörigkeit zu einer Gruppe auf physische Kopräzenz zurückführen.

Clark and Marshall[2] implicitly assume that all evidence for mutual knowledge is ultimately physical. In their terms, linguistic co-presence is simply physical co-presence at an acoustic (or visual) event, and community co-membership has to be established through events of physical or linguistic co-presence. (Sperber, Wilson 1982:64f)

Der Nachweis von gemeinsamem Wissen mittels physischer Kopräsenz scheint SW, eine zu lange Beweiskette hervorzurufen, welche ein bestimmtes gemeinsames Wissen mit dem physischen Beweisstück verbindet, welches dann das Vorhandensein von gemeinsamem Wissen unterstützen soll. Das heißt, nur weil es eine physische Kopräsenz gibt, heißt das noch lange nicht, dass diese auch unter den Beteiligten diskursiv gleich signifiziert wird:

[...]


[1] Für eine intensivere Ausarbeitung zu CC Ansatz verweise ich hier auf mein anderes Referat mit dem Titel „ Informatives und ihre Rolle bei der Etablierung von mutual knowledge: Eine Analyse des Essays „Speech Acts and Hearers’ Beliefs“ von Herbert H Clark und Thomas B. Carlson.“ vom 11. November 2003.

[2] And of course similarly Clark and Carlson.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Relevanz als Alternative zum Mutual Knowledge
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Oberseminar: Doppelte Kontingenz
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V39481
ISBN (eBook)
9783638382328
Dateigröße
525 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Relevanz, Alternative, Mutual, Knowledge, Oberseminar, Doppelte, Kontingenz
Arbeit zitieren
Michael Reichmann (Autor:in), 2004, Relevanz als Alternative zum Mutual Knowledge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39481

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