Die Vorschrift des § 35 BtMG regelt die Möglichkeit einer Zurückstellung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zugunsten der Durchführung einer Therapie, für einen rechtskräftig verurteilten drogenabhängigen Straftäter. Der nachfolgende § 36 BtMG regelt darüber hinaus die Möglichkeit einer Anrechnung der, für die therapeutische Behandlung der Drogenabhängigkeit, durch den Verurteilten aufgewandten Zeit mit der ausgesprochenen Freiheitsstrafe. Zudem wird durch § 36 BtMG die Möglichkeit der Aussetzung einer dann noch bestehenden Reststrafe zur Bewährung, nach dem Abschluß der Therapie, eröffnet.
Die vorliegende Arbeit hat es sich rechtswissenschaftlich zum Ziel gemacht, die Voraussetzungen der Strafzurückstellung aus § 35 BtMG darzustellen. Außerdem sollen die juristischen Probleme bei der Anwendung dieser, für das deutsche Strafrecht ungewöhnlichen, Vorschrift erläutert werden. In sozialarbeitswissenschaftlicher Hinsicht soll durch eine Untersuchung der Rolle der Sozialarbeit in ihrer Ausprägung als Drogenberatung, bei einer Strafzurückstellung nach § 35 BtMG, die Anwendung der Vorschrift ebenfalls verdeutlicht werden. Insbesondere soll der Frage nachgegangen werden, welche Chancen für einen inhaftierten Drogenabhängigen, bei der Überwindung seiner Abhängigkeit von illegalen Substanzen, in der Möglichkeit einer temporären Herausnahme aus dem Strafvollzug liegen, bzw. wo die Grenzen der Strafzurückstellung nach § 35 BtMG hierbei zu sehen sind.
Die Untersuchung soll dabei auch einen Überblick über die vielfältigen und teilweise weitreichenden Kritiken an dem Rechtsinstitut der Strafzurückstellung geben.
Den Schluß der Arbeit sollen Vorschläge für eine Novellierung der Zurückstellung der Strafvollstreckung, bei therapeutischer Behandlung eines drogenabhängigen Straftäters bilden. Dies unter besonderer Berücksichtigung der Kritik an der Vorschrift des § 35 BtMG. Daneben sollen Maßnahmen aufgezeigt werden, die geeignet sind, die Hilfemaßnahmen des Drogenberaters, für einen drogenabhängigen strafgefangenen Klienten, zu optimieren.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Geschichtlicher Hintergrund des § 35 BtMG
- 2.1 Entwicklung des Betäubungsmittelrechts in der Bundesrepublik Deutschland bis 1981
- 2.2 Die Entstehungsgeschichte des § 35 BtMG
- 2.2.1 Juristische Bedenken
- 2.2.2 Therapeutische Bedenken
- 2.2.3 Die Schaffung des Betäubungsmittelgesetzes vom 28. Juli 1981
- 2.3 Heutige Fassung des § 35 BtMG
- 3. § 35 BtMG im System der Vorschriften über den Strafvollzug von Drogenabhängigen
- 3.1 Andere Wege zu einer Therapie statt Strafvollzug im deutschen Strafrecht im Vergleich zu § 35 BtMG
- 3.1.1 Entpönalisierung nach §§ 29 Abs. 5; 31 a und 37 BtMG
- 3.1.2 Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB
- 3.1.3 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB
- 3.1.4 Gnadenentscheidung
- 3.2 Strukturelle Mängel des Instituts der Strafzurückstellung
- 3.3 Fragwürdigkeit des Nutzens der §§ 35 BtMG
- 3.4 Berührung des Gleichheitsgrundsatzes
- 3.5 Zusammenfassung
- 3.1 Andere Wege zu einer Therapie statt Strafvollzug im deutschen Strafrecht im Vergleich zu § 35 BtMG
- 4. Das Verfahren der Strafzurückstellung nach § 35 BtMG
- 4.1 Materiellrechtliche Voraussetzungen der Anwendung
- 4.2 Formellrechtliche Voraussetzungen der Anwendung
- 4.2.1 Antrag des Verurteilten
- 4.2.2 Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft
- 4.2.3 Stellungnahme des Gerichts
- 4.3 Bescheid über Zurückstellungs-Entschluß
- 4.4 Rechtsmittel
- 4.4.1 Die Vorschaltbeschwerde des Verurteilten
- 4.4.2 Der Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung
- 4.5 Zusammenfassung
- 5. Die Aufgaben des Sozialarbeiters bei der Strafzurückstellung
- 5.1 Drogenberatung
- 5.1.1 Drogenberatung in der JVA durch externe Beratungsstellen
- 5.1.2 Anstaltsinterne Drogenberatung
- 5.1.3 Konkurrenz oder Kooperation?
- 5.2 Definition des Beratungsbegriffs
- 5.3 Standards, Inhalte und Tätigkeiten von Drogenberatung
- 5.3.1 Standards
- 5.3.2 Inhalte und Tätigkeiten
- 5.4 Drogenberatung im Strafvollzug
- 5.4.1 Stellung der Drogenberatung im Strafvollzug in der Sozialarbeit
- 5.4.2 Das Erstgespräch
- 5.4.3 Suchtdiagnostik
- 5.4.4 Motivationsarbeit
- 5.4.5 Therapievorbereitung
- 5.4.6 Kontaktaufnahme zu und Kooperation mit Gerichten, Staatsanwaltschaften, Therapiestellen und Kostenträgern
- 5.4.7 Therapiezuführung und Entlassungsvorbereitung
- 5.1 Drogenberatung
- 6. Pflichten der Beteiligten während der Strafzurückstellung, Widerruf und erneuter Antrag
- 6.1 Meldepflichten des Verurteilten
- 6.1.1 Meldefristen
- 6.1.2 Der Streit um die Entbindung von der Schweigepflicht
- 6.2 Meldepflichten des Therapeuten
- 6.2.1 Die Kritik in der Literatur
- 6.2.2 Begriff des Therapieabbruchs
- 6.2.3 Form und Inhalt der Meldung
- 6.2.4 Auswirkungen eines Verstoßes gegen die Meldepflicht des Therapeuten
- 6.3 Widerruf der Strafzurückstellung
- 6.3.1 Folgen des Widerrufs
- 6.3.2 Rechtsmittel gegen Widerruf
- 6.4 Erneute Strafzurückstellung
- 6.1 Meldepflichten des Verurteilten
- 7. Statistische Daten zur Strafzurückstellung
- 8. Qualitative Experten-Interviews
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit untersucht die Praxis der Strafzurückstellung gemäß § 35 BtMG, indem sie Chancen und Grenzen aus rechtlicher und sozialarbeiterischer Perspektive beleuchtet. Ziel ist es, ein umfassendes Verständnis des Verfahrens zu vermitteln und potentielle Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
- Entwicklung und Rechtsgrundlagen des § 35 BtMG
- Verfahren der Strafzurückstellung: materielle und formelle Voraussetzungen
- Rollen und Aufgaben des Sozialarbeiters im Kontext der Strafzurückstellung
- Bewertung des § 35 BtMG: rechtliche und sozialarbeiterische Aspekte
- Statistische Daten und qualitative Expertenmeinungen zur Wirksamkeit des Verfahrens
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Dieses Kapitel führt in das Thema der Diplomarbeit ein und beschreibt die Zielsetzung und den Aufbau der Arbeit. Es skizziert die Bedeutung der Strafzurückstellung im Kontext des deutschen Betäubungsmittelrechts und hebt die Relevanz einer interdisziplinären Betrachtungsweise aus rechtlicher und sozialarbeiterischer Sicht hervor. Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach Chancen und Grenzen des Verfahrens vor und begründet die Notwendigkeit einer detaillierten Analyse.
2. Geschichtlicher Hintergrund des § 35 BtMG: Dieses Kapitel beleuchtet die Entwicklung des Betäubungsmittelrechts in Deutschland und die Entstehungsgeschichte des § 35 BtMG. Es analysiert die juristischen und therapeutischen Bedenken, die zur Schaffung des Gesetzes führten, und beschreibt die verschiedenen Phasen der Gesetzgebung. Der Fokus liegt auf der Entstehung des § 35 BtMG und dessen Kontextualisierung innerhalb der Gesamtentwicklung des Betäubungsmittelrechts. Die verschiedenen Debatten und Argumente der damaligen Zeit werden aufgezeigt und mit der heutigen Rechtslage verglichen.
3. § 35 BtMG im System der Vorschriften über den Strafvollzug von Drogenabhängigen: Dieses Kapitel verortet den § 35 BtMG im Kontext anderer strafrechtlicher Regelungen für drogenabhängige Straftäter. Es werden verschiedene Alternativen wie Entpönalisierung, Strafaussetzung zur Bewährung und Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verglichen und die jeweiligen Vor- und Nachteile im Vergleich zu § 35 BtMG diskutiert. Es werden zudem strukturelle Mängel des Instituts der Strafzurückstellung und die damit verbundene Problematik der Gleichbehandlung aufgezeigt. Der kritische Blick auf den Nutzen und die potenziellen Diskriminierungen ist ein zentraler Aspekt dieses Kapitels.
4. Das Verfahren der Strafzurückstellung nach § 35 BtMG: Dieses Kapitel beschreibt detailliert das Verfahren der Strafzurückstellung nach § 35 BtMG. Es differenziert zwischen den materiellrechtlichen und formellrechtlichen Voraussetzungen, untergliedert in die Aspekte der verurteilten Straftat, der Rechtskraft des Urteils, des Nachweises der Drogenabhängigkeit, der Therapie, der Therapieplatzzusage und der Kostenträgerzusage. Es erklärt den Ablauf des Antragsverfahrens, die Rolle der Staatsanwaltschaft und des Gerichts, sowie die Möglichkeiten der Rechtsmittel. Der Fokus liegt auf dem Verständnis des gesamten Verfahrensablaufs und der damit verbundenen rechtlichen Hürden.
5. Die Aufgaben des Sozialarbeiters bei der Strafzurückstellung: Dieses Kapitel untersucht die Rolle und die Aufgaben des Sozialarbeiters im Kontext der Strafzurückstellung. Es beschreibt die verschiedenen Facetten der Drogenberatung im Strafvollzug, angefangen vom Erstgespräch bis hin zur Therapievorbereitung und -zuführung. Die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wie Gerichten, Staatsanwaltschaften und Therapiestellen wird beleuchtet, und die Bedeutung der Sozialarbeit für den Erfolg des Verfahrens wird herausgestellt. Dabei wird auf die verschiedenen Beratungssituationen, Standards und die Notwendigkeit von Kooperation eingegangen.
6. Pflichten der Beteiligten während der Strafzurückstellung, Widerruf und erneuter Antrag: Das Kapitel befasst sich mit den Pflichten der Beteiligten (Verurteilte und Therapeuten) während der Strafzurückstellung. Es analysiert die Meldepflichten und die damit verbundenen rechtlichen und ethischen Aspekte, insbesondere den Streit um die Entbindung von der Schweigepflicht des Therapeuten. Weiterhin werden die Folgen eines Widerrufs der Strafzurückstellung und die Möglichkeiten eines erneuten Antrags behandelt. Der Fokus liegt auf der praktischen Umsetzung und den damit verbundenen Herausforderungen für alle Beteiligten.
Schlüsselwörter
§ 35 BtMG, Strafzurückstellung, Drogenabhängigkeit, Strafvollzug, Therapie, Sozialarbeit, Drogenberatung, Rechtsmittel, Materiellrecht, Formellrecht, Gleichheitsgrundsatz.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Diplomarbeit: Praxis der Strafzurückstellung gemäß § 35 BtMG
Was ist der Gegenstand dieser Diplomarbeit?
Die Diplomarbeit untersucht die Praxis der Strafzurückstellung nach § 35 BtMG aus rechtlicher und sozialarbeiterischer Perspektive. Sie analysiert Chancen und Grenzen des Verfahrens und sucht nach Verbesserungsmöglichkeiten.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt die geschichtliche Entwicklung des § 35 BtMG, das Verfahren der Strafzurückstellung (materielle und formelle Voraussetzungen), die Rolle des Sozialarbeiters (insbesondere die Drogenberatung), eine Bewertung des § 35 BtMG hinsichtlich rechtlicher und sozialarbeiterischer Aspekte, sowie statistische Daten und qualitative Expertenmeinungen zur Wirksamkeit des Verfahrens.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in acht Kapitel: Einleitung, geschichtlicher Hintergrund des § 35 BtMG, § 35 BtMG im System anderer Vorschriften zum Strafvollzug von Drogenabhängigen, das Verfahren der Strafzurückstellung, die Aufgaben des Sozialarbeiters, Pflichten der Beteiligten während der Strafzurückstellung (inkl. Widerruf und erneuter Antrag), statistische Daten und qualitative Experten-Interviews.
Welche Rechtsgrundlagen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt primär den § 35 BtMG und dessen Kontextualisierung innerhalb des deutschen Betäubungsmittelrechts. Vergleichend werden auch andere relevante strafrechtliche Regelungen, wie z.B. §§ 29 Abs. 5; 31a und 37 BtMG, § 56 StGB und § 64 StGB, betrachtet.
Welche Rolle spielt der Sozialarbeiter bei der Strafzurückstellung?
Der Sozialarbeiter spielt eine zentrale Rolle, insbesondere durch Drogenberatung im Strafvollzug. Seine Aufgaben umfassen Erstgespräche, Suchtdiagnostik, Motivationsarbeit, Therapievorbereitung, Kontaktaufnahme zu anderen Institutionen und Therapiezuführung/Entlassungsvorbereitung.
Welche Pflichten haben die Beteiligten während der Strafzurückstellung?
Sowohl der Verurteilte als auch der Therapeut haben Meldepflichten. Die Arbeit analysiert diese Pflichten detailliert, inklusive des Streits um die Entbindung von der Schweigepflicht des Therapeuten und der Folgen eines Verstoßes gegen die Meldepflicht.
Wie wird das Verfahren der Strafzurückstellung bewertet?
Die Arbeit bewertet das Verfahren kritisch, indem sie sowohl Chancen als auch Grenzen aus rechtlicher und sozialarbeiterischer Sicht beleuchtet. Sie analysiert strukturelle Mängel, potenzielle Diskriminierungen und diskutiert den Nutzen des § 35 BtMG im Vergleich zu alternativen Verfahren.
Welche Arten von Daten werden verwendet?
Die Arbeit verwendet sowohl statistische Daten zur Strafzurückstellung als auch qualitative Daten aus Experteninterviews, um ein umfassendes Bild der Praxis zu zeichnen.
Welche Forschungsfrage wird untersucht?
Die zentrale Forschungsfrage lautet: Was sind die Chancen und Grenzen der Strafzurückstellung nach § 35 BtMG aus rechtlicher und sozialarbeiterischer Sicht?
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
§ 35 BtMG, Strafzurückstellung, Drogenabhängigkeit, Strafvollzug, Therapie, Sozialarbeit, Drogenberatung, Rechtsmittel, Materiellrecht, Formellrecht, Gleichheitsgrundsatz.
- Citation du texte
- Caroline Manns (Auteur), 2005, Zur Praxis der Strafzurückstellung gemäß § 35 BtMG. Chancen und Grenzen aus rechtlicher und sozialarbeiterischer Sicht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39486