Von Agfa bis Wolfen. Die Entwicklung der Filmfabrik Wolfen


Dossier / Travail, 2005

19 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Filmfabrik Wolfen
2.1. Die Gründung der Actien Gesellschaft für Analin-Fabrikation
2.2. Die Umsiedlung nach Wolfen – 1909 bis 1913
2.3. Der 1. Weltkrieg – 1914 bis 1919
2.4. Die „Goldenen“ 20er Jahre – 1920 bis 1929
2.5. Das Naziregime und der 2. Weltkrieg – 1930 bis 1945
2.6. Das aufgeteilte Deutschland – 1945 bis 1964

3. Das Warenzeichen ORWO
3.1. Die Einführung in den 1960er Jahren
3.2. Der Aufschwung in den 1970er Jahren
3.3. Der verpasste Anschluss in den 1980er Jahren
3.4. Die Wende und die 1990er Jahre
3.5. Die Filmfabrik Wolfen im neuen Jahrtausend

4. Fazit

5. Anhang

1. Einleitung

„Und diese Dünste, die als Wegweiser dienen könnten. Bitte gehen sie geradeaus bis zum Ammoniak, dann links bis zur Salpetersäure. Wenn sie einen stechenden Schmerz im Hals und Bronchien spüren, kehren sie um und rufen den Arzt, das war dann Schwefeldioxyd.“ (8) So beschreibt Monika Maron in ihrem Roman „Flugasche“ den Chemiestandort Bitterfeld/ Wolfen.

Oft galt das Chemiedreieck zwischen Bitterfeld, Wolfen und Leuna als Synonym für extreme Umweltbelastung und -zerstörung. (8) Nur wenige außerhalb dieser Region wissen, dass hier deutsche Wirtschaftsgeschichte auf dem Gebiet der Chemieindustrie geschrieben wurde. Besonders die Filmfabrik Wolfen hat viel zur Entstehung des deutschen Films und der Kunststofffaser-entwicklung beigetragen. (1) Nur wenige deutsche Unternehmen können auf eine derartig traditionsreiche und politisch geprägte Unternehmensgeschichte wie die Filmfabrik Wolfen zurückblicken.

Die vorliegende Arbeit soll einen Einblick in die Entwicklung des Chemiestandortes Wolfen, besonders der Filmfabrik Wolfen geben. Von den Anfängen zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter der Marke Agfa, über die schwierigen Zeiten während des 1. und 2. Weltkrieges bis zur Teilung Deutschlands, die für die Filmfabrik Wolfen besondere Auswirkungen hatten. Der Schwerpunkt der Arbeit soll auf der Zeit zwischen den Jahren 1945 und 1964 liegen. Hier gab es um die Filmfabrik Wolfen zahlreiche Rechtsstreitigkeiten, die sich besonders um den Markennamen „Agfa“ drehten. Es soll gezeigt werden, dass besonders die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) einen großen Anteil zum wirtschaftlichen Niedergang des Wolfener Chemiestandortes beitrug. Das Ende der Übersicht bildet die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten, die ähnlich wie die Teilung große Probleme für die Filmfabrik Wolfen brachte.

Das Anliegen der Verfasserin ist es, dass Zusammenspiel von politischen, zeitgeschichtlichen und wirtschaftlichen Umständen innerhalb Deutschlands anhand eines Beispielunternehmens – der Filmfabrik Wolfen – aufzuzeigen.

2. Die Filmfabrik Wolfen

2.1. Die Gründung der Actien Gesellschaft für Analin-Fabrikation

Ende des 19. Jahrhunderts beschlossen der Chemiker Paul Mendelssohn-Bartholdy und sein Kollege Carl Alexander von Martius in Rummelsburg bei Berlin die Gründung der Agfa. (5) Bis zu diesem Zeitpunkt bestimmte der amerikanische Konzern Eastman-Kodak den Weltmarkt der Rohfilmfertigung. Mit 80% der weltweiten Filmfertigung hatte sich Kodak seine Monopolstellung erarbeitet (3: 20).

1873 entstand die Agfa durch den Zusammenschluss der Gesellschaft für Anilinfabrikate GmbH, Berlin-Rummelsburg und der Jordanschen Fabrik für Anilinfarbstoffe Berlin (11: 2). Ursprünglich gehörten beide Fabriken der Teerfarbenproduktion an, begannen aber nach ihrem Zusammenschluss mit der Produktion von Entwicklersubstanz (11: 2). Das neue Jahrhundert näherte sich und der Bereich der Fotochemie wurde immer mehr ausgebaut (11: 2). Um den Anforderungen gerecht zu werden war es nötig stark in die Forschung zu investieren. Agfa tat dies von Beginn an, was ihnen in den kommenden Jahrhunderten einen großen Vorsprung verschaffen sollte. (3: 20) Am 15.4.1897 wurde das Warenzeichen „Agfa“ für „chemische Präparate zu fotografischen Zwecken“ eingetragen (11: 2;(3: 16). Zwei Jahre (1899) später begann das Werk dann mit der Herstellung von fotografischen Filmen auf Zelluloidbasis, das Hannibal Goodwin 1897 entwickelt und patentiert hatte (5).

Um die Jahrhundertwende schaltete Agfa bereits die ersten Anzeigen für ihr Warenzeichen und ihre Produkte (3: 16). Die Nachfrage nach Filmmaterialien stieg 1900 drastisch an, da immer mehr Kinos und Filmtheater öffneten (3: 17). Der Standort Berlin Lichtenberg wurde der Firmenleitung der Agfa bald zu klein und man überlegte, nach Wolfen überzusiedeln, wo bereits 1896 Baugelände erworben wurde (11: 3).

2.2. Die Umsiedlung nach Wolfen – 1909 bis 1913

In der Mitte des 19.Jahrhunderts war die Region um Bitterfeld/ Wolfen besonders für sein Terrakotta - und Ziegelsteinherstellung bekannt, die aufgrund des hohen Braunkohle- und Tonvorkommens sehr gute Qualität aufwiesen. 1890 siedelten sich auch andere Firmen in der Region an, dies bedeutete die Geburt des Industriestandortes Mitteldeutschlands. (9)

Agfa erwarb 1896 Baugelände in Greppin, einer Nachbargemeinde von Wolfen und errichtete dort eine Farbenfabrik. Als die Produktionskapazitäten in Berlin erschöpft waren, die Nachfrage nach Filmmaterialien jedoch stetig stieg, lag es nahe, auch die Filmfabrik nach Wolfen zu holen, da dort mit der Farbenfabrik nur gute Erfahrung gemacht wurden. (3: 16) Hinzu kam, dass die Grundstückspreise und die Lohnkosten in der mitteldeutschen Region weit aus günstiger waren, als in der bereits etablierten Industriestadt Berlin. (1) In Berlin erhielt ein Arbeiter 51 Pfennig am Tag, in Wolfen waren es 42 Pfennig (3: 18). Braunkohle und Platz für weitere Bauten war genügend vorhanden (1). So konnte die Fabrik bei Bedarf vergrößert werden und die Energieversorgung war gesichert (3: 17). Agfa hatte in den Jahren zuvor nicht nur Grund und Boden in Wolfen erworben, sondern auch die Kohlegruben „Hermine“ und „Deutsche Grube“. (3: 18; (2) Die gesicherte Energieversorgung aus eigener Produktion, wirkte sich letztendlich auch auf die Preise der Produkte der Wolfener Werke aus (2). Damit war ein weiterer Schritt zur besseren Wettbewerbsfähigkeit getan.

1909 begann der Aufbau der Filmfabrik Wolfen. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Europa keine Filmfabrik diesen Ausmaßes, auch auf dem Gebiet der Innovation und Technologie sollte die Filmfabrik Vorreiter für Europa und Teile Asiens werden. Nicht nur Fabrikgebäude wurden errichtet, mit ihr sollte eine ganze Stadt mit allen sozialen Einrichtungen und Wohnhäusern für die Mitarbeiter entstehen: Bibliothek, Krankenhaus, Kindergärten, Apotheken, sogar eine öffentliche Sauna und Siedlungen mit Einfamilienhäusern. (1Schon damals war sich die Firmenleitung darüber bewusst, dass nur ein zufriedener Arbeiter, ein guter Arbeiter ist. War ein Arbeiter auch neben seiner schweren Tätigkeit in der Freizeit ausgeglichen, kam es seltner zu Streiks. (1) Am 19.7.1910 erfolgte die Bauabnahme der Filmfabrik (3: 19).

Nachdem die Wohnsiedlungen fertig gestellt waren, errichtete man 1911 noch zusätzliche „Agfa-Kaufhäuser“, sie sollten die Mitarbeiter mit allen lebenswichtigen Produkten versorgten. Die Öffnungszeiten waren dabei so gestaltet, dass auch die Schichtarbeiter ihren Grundbedarf decken konnten. (3: 21) Zwei Jahre nach Inbetriebnahme der Filmfabrik Wolfen, wurde in Leverkusen mit dem Bau einer weiteren Agfa-Fabrik begonnen, die in den folgenden Jahrzehnten eine wichtige Rolle spielen sollte.

Drei Jahre nach der Eröffnung der Filmfabrik lief die Produktion ohne größere Störungen (3: 20). Wenngleich auch die deutsche Kinoindustrie dem Wolfener Film skeptisch gegenüber stand, da bisher Kodak Produkte den Markt beherrschten (7). Zu den Produkten der Filmfabrik Wolfen zählten damals Farben, die 65% des Umsatzes ausmachten und in der bereits erwähnten vorher errichteten Farbenfabrik hergestellt wurden, Film- und Fotomaterialien, 26% des Umsatzes und die restlichen 9% wurden mit Zwischenprodukten und Pharmazeutikern erzielt (3: 20). Zu den Produkten des Film- und Fotobereiches zählten Kine-, Fotografie-, Reprografie- und Röntgenfilme, sowie technische Filme und Platten (4). Diese breite Produktpalette war nur durch eine systematische Forschung und Entwicklung innerhalb der Fabrik möglich. Die benötigten Wissenschaftler wurden oft bestochen, damit sie nach Wolfen umsiedelten (1).

Nachdem erste Skepsis überwunden war und die Produktion weiter reibungslos lief, wurde die erste Fabrik in Wolfen bald zu klein und man begann den zweiten Ausbau, der am 1.9.1914 in Betrieb genommen wurde (3: 20).

2.3. Der 1. Weltkrieg – 1914 bis 1919

Die Zeit des 1. Weltkrieges brachte für die Filmfabrik Wolfen unvorhersehbare Umstellungen: der Export in viele Länder brach ab, Rohstofflieferungen verzögerten sich, die Wissenschaftler waren gezwungen Ersatzstoffe zu entwickeln, um den Rohstoffengpass zu überbrücken. Darauf hin musste der Verarbeitungsprozess für die filmischen Erzeugnisse ständig umgestellt werden. Die Qualität der Filme wurde daraufhin so schlecht, dass man darüber nachdachte, die Filmproduktion einzustellen. (3: 19 ff) Da der Weltmarkt weiterhin von Kodak beherrscht wurde, konnte es sich Agfa nicht erlauben aufzugeben. Nur durch eine starke Forschungsabteilung, die weiter an Neuentwicklungen arbeiteten, gelang es Agfa die Konkurrenz vom deutschen Markt zu verdrängen (3: 25).

Die Zahl an weiblichen Mitarbeitern stieg durch den Kriegsdienst der Männer stark an. Sogar die folgenden Erweiterungsbauten wurden von Frauen errichtet. Außerdem benötigte man flinke Frauenhände für die Aufarbeitung der Filme. Soweit Männer noch in der Fabrik arbeiteten wurden sie für die technischen und Instandhaltungsaufgaben eingesetzt. (1) 1915 waren seit Gründung der Agfa zum ersten Mal mehr Frauen wie Männer in der Fabrik beschäftigt. (3: 24) Diese steigende Anzahl an Frauen hatte aber auch Auswirkungen auf die vor dem Krieg begonnen Erweiterungsarbeiten an der Filmfabrik Wolfen, es fehlten kräftige Arbeiter, welche die Bauarbeiten zu Ende bringen konnten (3: 24). Die Anzahl der Mitarbeiter in Wolfen stieg trotzdem innerhalb von fünf Jahren um das Dreifache an, von 400 (1912) auf 1200 (1917) (7).

Die Kriegsführung erkannte, dass Filme und Fotos gut zu Propagandazwecken eingesetzt werden konnten und steigerte so die Produktion von Packfilmen, die erst 1914/ 15 eingeführt wurden und für die Berichterstattung an der Front bestimmt waren, um das Dreifache (3: 24). Durch den lang anhaltenden Krieg waren auch Röntgenfilme und –platten sowie Fliegerfilmen sehr gefragt (1). Alle anderen Produktionsreihen wurden stark zurückgefahren (3: 24). Mit eigenem Gas und Klarsichtfolien sowie Scheiben für die Gasmasken (ein Zusammenspiel ohne Gleichen) begann die Agfa 1916 eine weitere Produktionsreihe für die Bedürfnisse der Kriegsführung (1(7).

Die ersten Jahre nach Ende des Krieges brachten der Agfa zunächst schwierige Zeiten. Die Wirtschaft war angeschlagen, es fehlten männliche Arbeitskräften und Rohstoffe. So konnte 1919 die Nachfrage an Filmen nicht mehr befriedigt werden, der Export stagnierte und es fehlten dem Staat wichtige Deviseneinnahmen. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage musste der Stundelohn gesenkt und sogar Arbeiter entlassen werden (3: 25).

2.4. Die „Goldenen“ 20er Jahre – 1920 bis 1929

Das neue Jahrzehnt brachte für die Filmfabrik Wolfen viele Hochs und einige Tiefs. Die Lage nach dem 1.Weltkrieg schien zunächst sehr schwierig. Hinzu kam die beginnende Inflation, die besonders für die Mitarbeiter der Fabrik Existenzängste brachte. Innerhalb weniger Monate verlor ihr Lohn an Wert. Die Lohnverhandlungen gestalteten sich dem entsprechend schwierig. Agfa bereitete trotz der bedrängenden Situation neue Produktionslinien vor und begann 1922 mit der Produktion von Kunst- und Chemiefasern. Mit der Einführung der Rentenmark wurde 1923 die Inflation beendet und die Filmfabrik Wolfen begann mit ihrer dritten Ausbaustufe (7). Dieser Erweiterungsbau konnte jedoch erst 1925 beendet werden. (3: 26)

Als Mitbegründer der IG Farben bereitet Agfa ab 1922 die Fusion der Chemischen Fabriken Deutschlands mit vor (1). Um der Konkurrenz direkt vor der eigenen Haustür zu begegnen und die Interessen des Unternehmens in Amerika zu vertreten, wurde 1923 in New York die Agfa-Products Inc. gegründet (3: 26). Zwei Jahre später schlossen sich Agfa, BASF, Hoechst, Bayer und viele andere chemische Unternehmen zur IG Farben zusammen. Die Filmfabrik Wolfen hieß nun „IG Farben Industrie Filmfabrik Wolfen“. Das Warenzeichen Agfa konnte jedoch wie zuvor beibehalten werden. Jedes Unternehmen unter der IG Farben war ähnlich selbständig wie vor dem Zusammenschluss. Dieser diente lediglich dazu sich gegen die ausländische Konkurrenz durchzusetzen und innerhalb Deutschlands keine konkurrierenden Unternehmen zu haben. (1) Außerdem konnten sich die Betriebe untereinander helfen und fördern. Nach der Gründung der IG war die Filmfabrik Wolfen, das einzige chemische Unternehmen, das Film- und Fotomaterialien herstellte, (da die Fotoabteilung der Bayer Werke keinen Stellenwert mehr hatte, weil jedes Unternehmen für einen anderen Produktionsteil zuständig war). Die Filmfabrik Wolfen erlangte Weltgeltung im Bereich der Film- und Fotoproduktion. (11: 4)

Die Filmfabrik wurde Mitte der 1920er Jahre zum größten Rohfilmhersteller Europas (7). Die Zahl der Mitarbeiter stieg nach anfänglichen Krisen enorm an. 1927 waren 5850 Angestellte in der Filmfabrik Wolfen beschäftigt, die nun sogar ein eigenes Werkstheater erhielten (1; (7). Der Wissenschaft wurde bei Agfa weiter die wichtigste Funktion beigemessen, so eröffnet 1928 das erste Zentrallabor in Wolfen, das für alle Agfa Werke Deutschlands forschte (3: 19; 1).

[...]

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Von Agfa bis Wolfen. Die Entwicklung der Filmfabrik Wolfen
Université
University of the Arts Berlin  (Institut für Theorie und Praxis der Kommunikation)
Cours
Wirtschaft und regionaler Wandel
Note
1,0
Auteur
Année
2005
Pages
19
N° de catalogue
V39503
ISBN (ebook)
9783638382519
Taille d'un fichier
491 KB
Langue
allemand
Mots clés
Agfa, Wolfen, Entwicklung, Filmfabrik, Wolfen, Wirtschaft, Wandel
Citation du texte
Stephanie Müller (Auteur), 2005, Von Agfa bis Wolfen. Die Entwicklung der Filmfabrik Wolfen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39503

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