Max Webers "Protestantische Ethik"


Research Paper (undergraduate), 2004

19 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Konfession und soziale Schichtung

III. Zum „Geist“ des Kapitalismus bei Weber

IV. Die religiösen Grundlagen der innerweltlichen Askese

V. Fazit

VI. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Um sich ein Verständnis des eigentlichen Ertrages der Protestantischen Ethik zu erschließen, ist es notwendig sich zu vergegenwärtigen, welche Vorgeschichte die Protestantische Ethik hatte, welchen wissenschaftlichen Diskussionszusammenhängen sie entsprang und wie und warum sie von Weber thematisiert wurde. Das zu Ende gehende 19. und das anbrechende 20. Jahrhundert war die Zeit des sich fest etablierenden, neuzeitlichen Kapitalismus. (Küenzlen 1980: 13).

Vor allem aber waren es zeitgenossische Studien, die wie Weber auch, die Fragen nach der Herkunft, den Entstehungsfaktoren und Ursachen des neuzeitlichen Kapitalismus stellten. Dies galt zunächst für alle marxistischen Theorien und für die Arbeiten von K. Kautskys und E. Bernstein, die Weber beim Verfassen der protestantischen Ethik durchaus geläufig waren. In unmittelbarer Berührung stand Weber auch mit den Arbeiten von G. Simmels „Philosophie des Geldes“ (1900) und W. Sombarts „Der moderne Kapitalismus“ (1902). Alle diese Arbeiten setzten sich im Prinzip mit der gleichen Frage auseinander: Die Untersuchung der Entstehungsursachen des modernen Kapitalismus und dessen zunehmender Einfluss auf das menschliche Handeln und auf die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins.

In der protestantischen Ethik richtet Max Weber seine Forschungsinteressen schließlich auf religionssoziologische Fragestellungen, wobei dies auf seine vorwissenschaftliche Erfahrungswelt, auf seine Begegnungen mit der evangelisch-sozialen Bewegung zurückzuführen ist. In diesem Zusammenhang meint Hartmut Lehmann, dass Weber, wenn er die Berufskonzeption und das Berufsleben des asketischen Protestantismus beschrieb - im Grunde von seinen eigenen Sorgen, Anfechtungen und Hoffnungen in der Phase seiner Rekonvaleszenz berichtete: „Das Reich Gottes, in dessen Dienst die Calvinisten sich abmühten, war für Weber die Welt der Wissenschaft“ (Lehmann 1996: 116). Hartmann Tyrell vermutet, dass die religiös-asketische Richtung, in der Weber die Antwort auf seine historisch-genetische Frage suchte, eine wesentlich von Friedrich Nietzsche gewiesene war: „Das, was Weber ‚seine Psychologie’ nannte, hatte eine Reihe von Quellen, darunter nicht zuletzt theologische; aber gerade da, wo es bei ihm um die zentrale Thematik der ‚Rationalisierung’ von Handeln, Lebensführung und Affekthaushalt (aber auch um die mentalen Sperren dagegen) geht, taucht unverkennbar, wie sich zeigen wird, und bis in die Sprachwahl hinein Nietzsche am Horizont auf“ (Tyrell 1990: 132).

Ein zentrales Merkmal des allgemeinen Bewusstseins in Webers Epoche war ein ungebrochenes Vertrauen in die moderne Wirtschaftsverfassung, den Staat und die tragende Kraft der Rationalität. So befasst sich auch Weber mit der wichtigen Frage nach der Genese und den Stützen der modernen, das menschliche Handeln und Denken umfassenden Rationalität. Der Ruhm Gottes, dem die erwählten Christen in rastloser Berufsarbeit dienten, das war der wissenschaftliche Fortschritt, den Weber befördern wollte. Gottes Gebote, die die Calvinisten zu achten hatten, wenn sie nicht ihr Seelenheil verlieren wollten, sind für Weber die Grundregeln einer wissenschaftlich begründeten Methodologie. In seiner Arbeit werden die beruflichen Aufgaben der Calvinisten in Form der wissenschaftlichen Herausforderungen dargestellt. Es findet eine schlüssige Erklärung des Zusammenhangs zwischen protestantischer Ethik und dem Geist des Kapitalismus statt.

II. Konfession und soziale Schichtung

Ausgangspunkt der ersten religionssoziologischen Untersuchung Webers war die Arbeit seines Schülers Martin Offenbacher über Konfession und soziale Schichtung („Eine Studie über die wirtschaftliche Lage der Katholiken und Protestanten in Baden“), die zu einem interessanten Ergebnis führte: Protestanten verfügen über mehr Kapitalbesitz, sind besser gebildet und finden sich in qualifizierteren Berufen wieder als Katholiken. Aufgrund dieser Sozialstatistiken stellt Max Weber fest, dass in konfessionell gemischten Ländern auffallend häufig Kapitalbesitz und Unternehmertum einen „ganz vorwiegend protestantischen Charakter“ (Weber 1969: 29; Hervorhebung im Original) zeigen. In seinen Überlegungen nach den Gründen solcher überragenden Beteiligung der Protestanten an der Leitung und den oberen Stufen der Arbeit in den großen gewerblichen und Handelsunternehmungen greift Max Weber zum Teil auf historische Gründe zurück und betrachtet dabei die konfessionelle Zugehörigkeit nicht als Ursache ökonomischer Erscheinungen, sondern eher als Folge derselben: „Die Beteiligung an jenen ökonomischen Funktionen setzt teils Kapitalbesitz, teils kostspielige Erziehung, teils und meist, beides voraus, und ist heute an den Besitz ererbten Reichtums oder doch einer gewissen Wohlhabenheit gebunden“ (Weber 1969: 30).

Um umgekehrt die geringere Anteilnahme der Katholiken „am kapitalistischen Erwerb“ oder „an der gelernten Arbeiterschaft der modernen Großindustrie“ zu erklären, geht Weber auf das Kausalverhältnis der „anerzogenen geistigen Eigenart“ ein, „die durch die religiöse Atmosphäre der Heimat und des Elternhauses bedingte Richtung der Erziehung, die Berufswahl und die weiteren beruflichen Schicksale bestimmt hat“ (Weber 1969: 32; Hervorhebungen im Original). Es scheint also in beiden Konfessionen ein unterschiedliches Wirtschaftsverhalten zu geben, wobei Protestanten aktiver und weniger traditionalistisch erscheinen als ihre katholischen Mitchristen. Die Kirche an sich kann dafür nicht die Ursache sein, meint Weber, da die Reformation die kirchliche Herrschaft nicht beseitigt, sondern nur durch eine andere ersetzt hat, wobei die neue, protestantische Kirche das Leben der einzelnen Gläubigen in noch viel stärkerem Maße der Reglementierung unterworfen hat als dies im katholischen Bereich für das Alltagshandeln je der Fall war. Der eigentliche Grund für dieses unterschiedliche Verhalten im Alltagsleben muss demnach in der inneren Eigenart der Konfessionen liegen und es stellt sich für Weber die Frage, welche Elemente dafür wohl in Frage kommen könnten. „Weltfremdheit“ alleine ist seiner Ansicht nach jedenfalls nicht mehr als ein pauschales Schlagwort, das noch dazu für beide Konfessionen zutrifft, wenn unter „Weltfremdheit“ das „starke Vorwalten religiöser Interessen in der Lebensführung“ verstanden wird (Weber 1969: 35).

Weber beginnt nun mit „einigen ganz äußerlichen Momenten“ (Weber 1969: 35) und untersucht zunächst die Beziehung zwischen christlicher Frömmigkeit und kaufmännischer Tätigkeit. Die Kombination von „virtuosem kapitalistischem Geschäftssinn“ und „intensivsten Formen einer das ganze Leben durchdringenden und regelnden Frömmigkeit“ findet er besonders häufig im Calvinismus und in verschiedenen protestantischen Sekten (Weber 1969: 36). Im Vergleich dazu erscheint es ihm, dass der Calvinismus und die Sekten zur Verbreitung kapitalistischen Wirtschaftens förderlicher waren als das Luthertum. Nun steht aber gerade der alte Protestantismus dem, was man heute das moderne Leben oder die Weltfreude nennt, strikt ablehnend gegenüber: „Der alte Protestantismus, der Luther, Calvin, Knox, Voet hatte mit dem, was man heute ‚Fortschritt’ nennt, herzlich wenig zu schaffen“ (Weber 1969: 38).

Gerade weil dies so ist und gerade auch weil bestimmte Züge der modernen Kultur mit der altprotestantischen Frömmigkeit in keinerlei Verbindung gebracht werden können, weil aber auch andererseits der äußere Befund zeigt, dass Protestantismus und neues kapitalistisches Erwerbsstreben in irgendeinem Zusammenhang stehen, sucht Max Weber den Drang zur Arbeit und zur Bewältigung der Welt in rein religiösen Antrieben: „Soll also überhaupt eine innere Verwandtschaft bestimmter Ausprägungen des altprotestantischen Geistes und moderner kapitalistischer Kultur gefunden werden, so müssen wir wohl oder übel versuchen, sie nicht in dessen (angeblicher) mehr oder minder materialistischer oder doch antiasketischer „Weltfreude“, sondern vielmehr in seinen rein religiösen Zügen zu suchen“ (Weber 1969: 38).

Als nächstes wissenschaftlich zu untersuchendes Problem gilt für Max Weber die Eigenart des Objekts zu formulieren, um dessen geschichtliche Erklärung es sich handelt. Dabei wird nicht nur auf den Begriff des Objekts eingegangen, sondern auch der Sinn einer solchen Untersuchung definiert. Wie es schon aus dem Titel „Die protestantische Ethik und der ‚Geist’ des Kapitalismus“ ersichtlich ist, geht es Weber nicht nur darum, das direkte Verhältnis von Protestantismus und Kapitalismus zu untersuchen. In seiner Studie stützt er sich vielmehr auf eine Beziehung zwischen der protestantischen Ethik und dem Geist des Kapitalismus.

In diesem Kapitel sind wir bereits auf das Problem der Protestantismus Studie eingegangen, in den nächsten Kapiteln unserer Arbeit werden weiterhin solche Phänomene wie Ethik, Geist und Kapitalismus als einzelne und in ihren Wechselbeziehungen zu einander untersucht.

III. Zum „Geist“ des Kapitalismus bei Weber

Vor der Entfaltung der eigentlichen These über den Beitrag des asketischen Protestantismus zur Entstehung kapitalistischen Geistes und somit des Kapitalismus, versucht Weber dem nachzuspüren, was er den „Geist des Kapitalismus“ nennt. Ein Objekt, das mit dieser Bezeichnung sinnvoll belegt werden kann, muss ein „historisches Individuum“ sein, das heißt „ein Komplex von Zusammenhängen in der geschichtlichen Wirklichkeit, die wir unter dem Gesichtspunkt ihrer Kulturbedeutung begrifflich zu einem Ganzen zusammenschließen“ (Weber 1969: 39; Hervorhebungen im Original). Weber verweigert zunächst eine klare Definition mit dem Hinweis, eine „endgültige begriffliche Erfassung“ könne erst am Ende einer solchen Untersuchung stehen (Weber 1969: 39). Stattdessen fügt er eine Textpassage an, welche seiner Ansicht nach veranschaulicht, was mit dem „Geist des Kapitalismus“ gemeint ist. Es handelt sich hierbei um einen Text von Benjamin Franklin, der vielfach als eine Art „Glaubenszeuge“ des „Yankeetums“ betrachtet wurde (Weber 1969: 42). Die Analyse dieses Textes führt Weber zu der Ansicht, dass hinter der kapitalistischen Gesinnung eine spezifische Ethik stehe, eine ethisch gefärbte Lebensführung, die nur dem modernen Kapitalismus zueigen war. Ohnehin tritt hier bei Franklin ein Ethos auf, das schon ins rein Utilitaristische gewendet ist: Ehrlichkeit, Fleiß, Pünktlichkeit, kurz: Tugenden sind angezeigt, sie sind nützlich und „deshalb sind sie Tugenden“ (Weber 1969: 43; Hervorhebungen im Original).

Die Moral dieser Ethik liegt dann folgerichtig auch im Erwerb von Geld und immer mehr Geld unter strengster Vermeidung von unbefangenem Genuss. Der Erwerb und das ständige Vergrößern des Kapitals erscheint als Selbstzweck, dem alle anderen Interessen untergeordnet sind: „Der Mensch ist auf das Erwerben als Zweck seines Leben, nicht mehr das Erwerben auf den Menschen als Mittel zum Zweck der Befriedigung seiner materiellen Lebensbedürfnisse bezogen“ (Weber 1969: 44). Daher ist die Frage nach den Triebkräften der Expansion des modernen Kapitalismus in erster Linie nicht eine Frage nach der Herkunft der kapitalistisch verwertbaren Geldvorräte, sonder vor allem nach der Entwicklung jener Hingabe an den Beruf des Geldverdienens. Denn Krieg, Seeraub oder Spekulationen von angehäuften Reichtümern vermögen jene Hingabe nicht zu erzeugen. Aber umgekehrt wird eine Person, die ihre Berufserfüllung in der Vermehrung des Geldes sieht, sich vergleichsweise leichter ein Grundkapital verschaffen können. Es lässt sich auch historisch nachweisen, dass bei oft knappster Vermögenslage die innere Einstellung des Gelderwerbs zu einem sittlich verpflichtenden Selbstzweck wird. Und was für den kapitalistischen Geist so markant ist, ist eben die Tatsache, dass der kapitalistische Durchbruch durch die Abstreifung des traditionalistischen Erwerbsdenkens gelingt, das seinerseits so typisch für den präkapitalistischen Menschen war. Diese Hingabe an den Beruf des Geldverdienens ist für Weber eine der wichtigsten und brauchbaren Voraussetzungen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung.

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Details

Title
Max Webers "Protestantische Ethik"
College
University of Duisburg-Essen
Course
Geschichte der Soziologie
Grade
1,3
Author
Year
2004
Pages
19
Catalog Number
V39623
ISBN (eBook)
9783638383455
ISBN (Book)
9783640466665
File size
510 KB
Language
German
Keywords
Webers, Protestantische, Ethik, Geschichte, Soziologie
Quote paper
Nina Anikina (Author), 2004, Max Webers "Protestantische Ethik", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39623

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