Schröders Vertrauensfrage über den Afghanistan Einsatz der Bundeswehr: keine unerhörte Ausnahme, sondern ein normales Instrument etablierter politischer Systeme?


Essai, 2005

12 Pages, Note: 1,7


Extrait


Einleitung

Direkt nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder den Vereinigten Staaten von Amerika uneingeschränkte Solidarität zugesichert. US-Präsident Bush entschied sich im Oktober 2001 für einen Angriff auf Afghanistan, da die Attentäter zu einem Großteil in diesem, von den Taliban beherrschtem Land ausgebildet wurden. Als die NATO den Bündnisfall festgestellt hatte, sollte sich auch die Bundeswehr an diesem Krieg beteiligen. Bei einem Einsatz der Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebietes muss jedoch der Bundestag zustimmen. Die Bundesregierung stellte daher ein Antrag auf Zustimmung zum Einsatz der Streitkräfte in Afghanistan. Bei der Abstimmung im deutschen Bundestag schien eine breite Mehrheit für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan sicher, da auch ein Großteil der Oppositionsabgeordneten der CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion ihre Zustimmung signalisierte (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Vertrauensfrage_(Grundgesetz) vom 08.05.2005).

Allerdings gab es innerhalb der Regierungsfraktionen eine kleine Gruppe von Abweichlern, die gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan stimmen wollten und somit eine eigenen Regierungsmehrheit verhindert hätten (vgl. Der Spiegel 47/2001, S. 28). Daraufhin entschied sich der Bundeskanzler Gerhard Schröder, dass er eine Vertrauensfrage mit dem Antrag über den Bundeswehreinsatz verbindet (vgl. ebd., S. 29). Damit war klar, dass dieser Antrag keine breite Mehrheit mehr bekommen würde, da nun sämtliche Oppositionsabgeordneten gegen Antrag des Bundeskanzler und damit auch gegen den Einsatz stimmen würden und der Bundeskanzler nun auf eine eigene Mehrheit – also auf die Abgeordneten der Regierungsfraktionen – angewiesen war (Feldkamp 2002, S. 7). Nach einiger Überzeugungsarbeit der Fraktionsspitzen, stimmten letztendlich nur vier Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen den Antrag und die restlichen Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD stimmten dafür (vgl. ebd., S. 29ff). Damit wurde der Antrag des Bundeskanzlers mit 336 bei 334 nötigen Stimmen angenommen und somit wurde sowohl der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan vom deutschen Bundestag beschlossen als auch dem Bundeskanzler Gerhard Schröder das Vertrauen ausgesprochen.

Da dieses Ereignis gerade in den Medien sehr großes Interesse fand, stellt sich die Frage, ob es die Institution der Vertrauensfrage auch in anderen demokratischen Ländern gibt und falls ja, ob sie dort ein normales Instrument im politischen Alltag ist oder ob es sich dort auch jeweils um Ausnahmen handelt und inwiefern sich die Institution der Vertrauensfrage von der in Deutschland unterscheidet. Diesen Fragen sollen diesem Essay als Grundlage dienen.

Zunächst gehe ich aber auf die Vertrauensfrage als politisches Instrument in Deutschland ein.

Die Vertrauensfrage in Deutschland

In der Bundesrepublik Deutschland besteht für den Bundeskanzler jederzeit die Möglichkeit eine Vertrauensfrage zu stellen. Dies kann er beispielsweise dann machen, wenn er sich einer Unterstützung des Parlamentes nicht mehr sicher ist. Dies ist in Artikel 68 des Grundgesetzes geregelt:

Artikel 68

(1) Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen. Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt.
(2) Zwischen dem Antrage und der Abstimmung müssen achtundvierzig Stunden liegen.

Stellt also ein Bundeskanzler die Vertrauensfrage bzw. einen „Vertrauensantrag“ (Ipsen 2003, S.123) und bekommt dabei nicht die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages – nach Art. 121 GG also die absolute Mehrheit – dann hat der Bundeskanzler die Wahl, ob er dem Bundespräsidenten die Auflösung des Bundestages vorschlägt, ob er ihm vorschlägt, den Gesetzgebungsnotstand zu erklären oder ob er nichts weiter unternimmt und im Amt bleibt und wie bisher weiterregiert (vgl. Hesselberger 2003, S. 273). Falls er dem Bundespräsident die Auflösung des Bundestages vorschlägt, kann der Bundespräsident seinerseits dem Vorschlag des Bundeskanzlers folgen. Er ist an ihn aber nicht gebunden. Daher kann er den Bundeskanzler entweder im Amt lassen oder innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen. Letzteres würde dann zu Neuwahlen führen (vgl. ebd., S. 273f.).

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit für den Bundeskanzler, die Vertrauensfrage mit einem anderen Antrag – beispielsweise einer Gesetzesvorlage zu verbinden (vgl. Ipsen 2003, S. 124). Dadurch bewirkt die Verbindung der Vertrauensfrage mit einem anderen Antrag eine Antragseinheit, womit für beide Anträge, dass höhere Quorum gilt. Damit bedarf dann beispielsweise ein einfaches Gesetz nicht mehr der einfachen Mehrheit, sondern – wie die Vertrauensfrage auch – der absoluten Mehrheit (vgl. ebd., S. 124).

In der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik ist die Vertrauensfrage erst viermal angewendet worden. Erstmals wurde sie von Willy Brandt (SPD) am 22. September 1972 gestellt. Jedoch stellte Willy Brandt die Vertrauensfrage nur, um eine Auflösung des Bundestages herbeizuführen und nicht, um die Abgeordneten über seine Politik abstimmen zu lassen. Somit benutzte er die Vertrauensfrage nur als Mittel, um das Grundgesetz zu überbrücken. Dadurch, dass die Kabinettsmitglieder der SPD/FDP-Regierung bei der Abstimmung nicht anwesend waren, verlor Brandt wie gewollt die Vertrauensabstimmung und schlug dem damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann (SPD) vor, den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Genau das machte Heinemann auch und somit fanden am 19. November 1972 Neuwahlen statt, die der sozialliberalen Koalition einen deutlichen Sieg bescherten (vgl. Döring; Hönnige 2005, S. 13f.)

Aus dem selbem Grund wie Brandt stellte Helmut Kohl (CDU) am 17. Oktober 1982 die Vertrauensfrage. Kohl war erst am 1. Oktober desselben Jahres durch ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt zum Kanzler gewählt worden. Dies wurde möglich, da die FDP ihre Koalition mit der SPD zu Gunsten einer CDU/FDP-Regierung beendeten. Die neue Regierung wollte sich durch eine Neuwahl legitimieren lassen. Somit verlor Kohl die Vertrauensfrage und Bundespräsident Karl Carstens (CDU) löste den Bundestag auf und rief Neuwahlen für den 6. März 1983 aus, die die CDU/FPD-Koalition gewann (vgl. ebd. S 14f.).

[...]

Fin de l'extrait de 12 pages

Résumé des informations

Titre
Schröders Vertrauensfrage über den Afghanistan Einsatz der Bundeswehr: keine unerhörte Ausnahme, sondern ein normales Instrument etablierter politischer Systeme?
Université
University of Potsdam
Cours
Deutschlands politisches Profil im internationalen Vergleich
Note
1,7
Auteur
Année
2005
Pages
12
N° de catalogue
V39680
ISBN (ebook)
9783638383950
Taille d'un fichier
468 KB
Langue
allemand
Mots clés
Schröders, Vertrauensfrage, Afghanistan, Einsatz, Bundeswehr, Ausnahme, Instrument, Systeme, Deutschlands, Profil, Vergleich
Citation du texte
Reinhard Schumacher (Auteur), 2005, Schröders Vertrauensfrage über den Afghanistan Einsatz der Bundeswehr: keine unerhörte Ausnahme, sondern ein normales Instrument etablierter politischer Systeme?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39680

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