Diese Studie untersucht die Rolle visueller und auditiver Informationen bei der Beurteilung von musiktherapeutischen Interaktionen, unter Berücksichtigung des Einflusses der musiktherapeutischen Qualifikation der Rater. Untersucht werden drei Videoaufnahmen von freien musikalischen Improvisationen, die während einer musiktherapeutischen Behandlung entstandenen sind. Diese Videoszenen werden von 68 unabhängigen Ratern mit Hilfe eines Raterbogens beurteilt, wobei das sogenannte Multikanal-Paradigma zur Anwendung kommt. D.h. die drei Szenen werden verschiedenen Gruppen von Ratern in unterschiedlicher Form der Informationsreduktion vorgegeben: Einer Beurteilergruppe wird die gesamte Information zugänglich gemacht (Videoaufnahme mit Ton) die anderen beiden sehen nur das Bild, bzw. hören nur den Ton des Videos. Die musiktherapeutische Berufserfahrung der Rater ist eine weitere unabhängige Variable des Untersuchungsdesigns. Die Ergebnisse zeigen, dass die Art der Wahrnehmung einen signifikanten Einfluss auf die Einschätzung einer musikalischen Interaktion hat. Lediglich hypothesengenerierend kann innerhalb dieser Arbeit untersucht werden, um welche Unterschiede es sich handelt und wodurch diese begründet sind. Als Hypothese für weiterführende Untersuchungen wird dabei angenommen, dass durch die Musik präverbale Interaktionsrepräsentanzen stärker aktiviert werden als durch die optischen Eindrücke. Dies wirft einerseits wichtige Fragen bezüglich der Besonderheit von musiktherapeutischen Übertragungs- und Gegenübertragungsprozessen auf, weist aber andererseits auch auf das spezifische therapeutische Potential der „Freien musikalischen Improvisation“ hin. [...] Bezüglich der musiktherapeutische Berufserfahrung wurde die Annahme gestärkt, dass die musiktherapeutische Berufserfahrung keinen signifikanten Einfluss auf die Einschätzung einer musikalischen Interaktion hat. Dies entspricht einerseits der musiktherapeutische Grundannahme, dass die Prozesse innerhalb musikalischer Interaktionen vergleichbar sind mit den Prozessen innerhalb der frühen Mutter-Kind Interaktion und so eine prinzipiell von allen Menschen geteilte Erfahrung darstellen, könnte aber andererseits auch darauf zurückzuführen sein, dass dem „Verstehen“ musikalischer Interaktionen innerhalb der musiktherapeutischen Ausbildung zu wenig Raum gegeben wird, und sich so Musiktherapeuten in diesem Punkt nicht von Laien unterscheiden.
Inhaltsverzeichnis
- ZUSAMMENFASSUNG
- TABELLENVERZEICHNIS
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS
- 1. EINLEITUNG
- 1.1. Problemstellung und Fragestellung
- 1.2. Forschungsüberblick
- 1.3. Forschungsziele
- 1.4. Aufbau der Arbeit
- 2. THEORIE
- 2.1. Grundlagen der nonverbalen Kommunikation
- 2.1.1. Definitionen und Theorien
- 2.1.2. Die Funktionen der nonverbalen Kommunikation
- 2.1.3. Formen nonverbaler Kommunikation
- 2.1.4. Probleme der nonverbalen Kommunikation
- 2.1.5. Vergleich des Informationsgehaltes der nonverbalen Kommunikationskanäle
- 2.1.6. Zusammenfassung
- 2.2. Grundlagen des menschlichen Erlebens von Musik
- 2.2.1. Biologische Grundlagen und evolutionspsychologische Erkenntnisse
- 2.2.2. Hören vor der Geburt – pränatale Kommunikation
- 2.2.3. Der präverbale Handlungsdialog –Erkenntnisse der Säuglingsforschung
- 2.2.4. Zusammenfassung
- 2.3. Musikpsychologische Methoden und Erkenntnisse
- 2.3.1. Musikpsychologische Methoden zur Beurteilung des emotionalen Gehalts von Musik
- 2.3.2. Die emotionale Wirkung von Musik - musikalische Ausdrucksmodelle
- 2.3.3. Kulturspezifische Aspekte des Musikwahrnehmens
- 2.3.4. Einschätzung der musikalischen Improvisation in der Musikwissenschaft
- 2.3.5. Zusammenfassung
- 2.4. Konzeption und Analyse der freien musikalischen Improvisation innerhalb der musiktherapeutischen Forschung
- 2.4.1. Das Musikverständnis in der musiktherapeutischen Improvisation
- 2.4.2. Grundlegende Konzeptionen und Begründungen der Improvisation innerhalb der Musiktherapie
- 2.4.3. Methoden zur Analyse musiktherapeutischer Improvisationen
- 2.4.4.1. Qualitativ ausgerichtete Konzepte
- 2.4.4.2. Skalen und Fragebögen
- 2.4.4. Beispiele Musiktherapeutischer Grundlagenforschung
- 2.5. Zusammenfassung, Fragestellung und Hypothesen
- 3. METHODEN
- 3.1 Design und Materialien
- 3.1.1. Design
- 3.1.2. Raterbogen zur Beurteilung musiktherapeutischer Interaktionen
- 3.2. Erstellung der Videoszene
- 3.2.1. Klinischer und therapeutischer Behandlungsrahmen
- 3.2.2. Instrumentarium
- 3.2.3. Positionierung im Raum
- 3.2.4. Aufnahmebedingungen
- 3.2.5. Der Therapieverlauf
- 3.2.6. Auswahl der zu beurteilenden Szenen
- 3.3. Untersuchungsdurchführung
- 3.3.1. Beurteilungsmodus und Auswahl der Rater
- 3.3.2. Datenerhebung
- 3.4. Operationalisierungen und Statistische Hypothesen
- 3.5. Datenanalyseverfahren
- 4. ERGEBNISSE
- 4.1. Datenreduktion
- 4.1.1. Hauptkomponentenanalyse
- 4.1.2. Korrelationen innerhalb der Scores
- 4.2. Deskriptive Auswertung des Datensatzes
- 4.2.1 Demographie
- 4.2.2. Beschreibung der Daten
- 4.2.3. Auswertung des Fragebogens gesplittet nach den zu untersuchenden Merkmalen
- 4.2.3.1. Untersuchung des Einflusses der Variablen „Perzeption“
- 4.2.3.2. Untersuchung des Einflusses der Variablen „Berufserfahrung“
- 4.2.3.3. Untersuchung der Reihenfolge der einzelnen Wahrnehmungsarten
- 4.2.4. Untersuchung auf Normalverteilung – Residualanalyse
- 4.3. Inferenzstatistik
- 4.3.1 Vorgehensweise
- 4.3.2. Untersuchung des gesamten Datensatzes
- 4.3.3. Untersuchung der einzelnen Szenen
- 4.3.3.1. Untersuchung der ersten Szene
- 4.3.3.1. Untersuchung der zweiten Szene
- 4.3.3.1. Untersuchung der dritten Szene
- 4.4. Hypothesenprüfung
- 4.4.1. Einfluss der Wahrnehmungsart: Hypothese 1
- 4.4.2. Einfluss der musiktherapeutischen Berufserfahrung: Hypothese 2
- 5. DISKUSSION
- 5.1. Kritik des Versuchsdesigns
- 5.2. Diskussion des Videos und der ausgewählten Szenen
- 5.3. Einfluss der Art der Wahrnehmung auf die Einschätzung einer musiktherapeutischen Interaktion (H1)
- 5.4. Einfluss der musiktherapeutischen Qualifikation der Rater auf die Einschätzung einer musiktherapeutischen Interaktion (H2)
- 5.5. Zusammenfassung und kritische Würdigung
- 6. LITERATUR
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Rolle visueller und auditiver Informationen bei der Beurteilung musiktherapeutischer Interaktionen. Das Ziel ist es, die Auswirkungen unterschiedlicher Wahrnehmungsarten auf die Einschätzung von Musiktherapie-Sitzungen zu erforschen.
- Die Bedeutung nonverbaler Kommunikation in der Musiktherapie
- Der Einfluss visueller und auditiver Reize auf die Wahrnehmung und Beurteilung von Interaktionen
- Die Rolle von Erfahrung und Qualifikation in der Einschätzung musiktherapeutischer Prozesse
- Die Anwendung von Methoden der Musikpsychologie und empirischen Forschung in der Musiktherapie
- Die Entwicklung und Validierung von Instrumenten zur Beurteilung musiktherapeutischer Interaktionen
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einleitung: Einführung in die Problemstellung und Fragestellung der Arbeit. Überblick über die Forschungslandschaft und die Forschungsziele.
- Kapitel 2: Theorie: Überblick über die Grundlagen der nonverbalen Kommunikation, des menschlichen Erlebens von Musik und musikpsychologischer Methoden. Diskussion der Konzeption und Analyse der freien musikalischen Improvisation innerhalb der musiktherapeutischen Forschung.
- Kapitel 3: Methoden: Beschreibung des Versuchsdesigns, der Materialien, der Erstellung der Videoszene, der Untersuchungsdurchführung, der Operationalisierungen und der statistischen Hypothesen.
- Kapitel 4: Ergebnisse: Darstellung der Datenreduktion, der deskriptiven Auswertung des Datensatzes und der inferenzstatistischen Analysen. Prüfung der Hypothesen.
- Kapitel 5: Diskussion: Kritische Diskussion des Versuchsdesigns, der Videoaufnahmen und der ausgewählten Szenen. Diskussion der Ergebnisse im Kontext der Hypothesen und der relevanten Literatur.
Schlüsselwörter
Musiktherapie, nonverbale Kommunikation, visuelle und auditive Wahrnehmung, Interaktion, Beurteilung, empirische Forschung, Methoden der Musikpsychologie, musiktherapeutische Improvisation, Erfahrung, Qualifikation.
- Quote paper
- Hanns-Günter Wolf (Author), 2004, Die Rolle visueller und auditiver Informationen bei der Beurteilung musiktherapeutischer Interaktionen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39980