Das Versicherungskartellrecht nach der 7. GWB-Novelle


Seminararbeit, 2003

20 Seiten, Note: 12 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A) Einleitung

B) Kartellrechtliche Behandlung des Versicherungssektors heute
I) Stand im deutschen Recht
1) Die Regelung des § 29 GWB
a) Normadressaten
b) Vertikale Bindungen (Abs. I)
c) Einzelfallvereinbarungen (abs. II, III 3)
d) Horizontale Bindungen (Abs. IV)
II) Stand im europäischen Recht
1) Art. 81 EGV
2) Sinn und Zweck von Gruppenfreistellungen
3) Die Gruppenfreistellungsverordnung für die Versicherungswirtschaft

C) Verhältnis von deutschem und europäischen Recht in diesem Bereich 8
I) Konkurrenz zwischen EG- und nationalem Kartellrecht

D) Zukünftige Behandlung im Lichte der 7. GWB-Novelle
I) Die 7. GWB-Novelle
II) Inhalt und Änderungen der Novelle
III) Materiellrechtliche Voraussetzungen der Freistellung Nach § 2 GWB (RegE)
IV) Weitere Änderungen im Zuge der 7. Novelle
V) Auswirkungen auf den Versicherungsbereich

E) Zusammenfassung und Ausblick 15

A) Einleitung

Am 26. 05. 2004 hat die Bundesregierung nunmehr die 7. Novelle zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen beschlossen. Anlass und Ausarbeitung der Novelle erfolgten dabei im Hinblick auf die Verabschiedung der Verordnung Nr. 1/ 2003 (im Folgenden: VO 1/ 2003) durch den Europäischen Rat am 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 EGV niedergelegten Wettbewerbsregeln[1], welche man auf Gemeinschaftsebene aufgrund der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung der Mitgliedsländer untereinander für unbedingt erforderlich hielt. Ganz unter diesem Gesichtspunkt ist daher die 7. Novelle zu betrachten und zu verstehen, und verfolgt demnach die weitere Angleichung des deutschen Kartellrechts an das der Europäischen Union, weiterhin jedoch auch die Erhaltung und Stärkung des Wettbewerbsprinzips.

Da bereits die VO 1/2003 grundlegende Änderungen im europäischen Wettbewerbsrecht vorsieht, ist deren Umsetzung im deutschen Recht demzufolge ebenfalls mit weitreichenden Veränderungen verbunden. So sieht die 7. Novelle unter anderem auch die weitestgehende Abschaffung der im deutschen Kartellrecht bestehenden Ausnahmebereiche für bestimmte Kartelltypen vor, als auch für die Bereiche der Kredit- und Versicherungswirtschaft (§ 29 GWB), der Urheberverwertungsgesellschaften (§ 30 GWB), sowie für der zentralen Sportvermarktung (§ 31 GWB). Angeführt wird hierzu im Wesentlichen, dass derartige Sonderregelungen für gewisse Wirtschaftsbereiche mit den Grundsätzen des europäischen Kartellrechts nicht konform laufen und zudem schon von je her einen gewissen „Sonderling“ des deutschen Rechts darstellten, die nunmehr einer „europafreundlichen“ Anpassung bedürften. Mit dem Entwurf der 7. Novelle zum GWB wollte man eben dieser Aufforderung nachkommen.

B) Kartellrechtliche Behandlung der Versicherungswirtschaft heute

I) Stand im deutschen Recht

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) enthält zum aktuellen Zeitpunkt lediglich nur noch Sonderregelungen für vier bestimmte Ausnahmebereiche. Im Hinblick auf seine ursprüngliche Fassung - noch vor der 6. GWB Novelle - stellt dies eine echte Schmälerung des vorher bestehenden umfangreichen Kataloges von Ausnahmebereichen dar. Unter Ausnahmebereichen sind dabei solche Wirtschaftsbereiche zu verstehen, in denen das GWB entweder überhaupt nicht oder nur mit wesentlichen Einschränkungen Anwendung findet bzw. modifiziert angewandt wird.[2] Erwägungsgründe für die Schaffung derartiger „Sonderbereiche“ waren weiterhin stets, dass für deren Funktionsfähigkeit bestimmte Absprachen bzw. Kooperationen unumgänglich und damit notwendig seien.[3] Eben einen solchen Ausnahmenbereich stellt gem. § 29 GWB auch die Kredit- und Versicherungswirtschaft dar.

1) Die Regelung des § 29 GWB

a) Normadressaten

Ausweislich der amtlichen Überschrift erstreckt sich der Anwendungsbereich des § 29 GWB neben dem Bereich der Kreditwirtschaft auch auf den der Versicherungswirtschaft. Angesprochen werden weiterhin nach § 29 I 1 GWB lediglich Vereinigungen von Versicherungsunternehmen. Versicherungsunternehmen sind dabei alle Unternehmen, die der Aufsicht nach dem VAG unterliegen. Der Begriff umfasst demnach i. S. d. § 1 I VAG private und öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen, die den Betrieb von Versicherungsgeschäften zum Gegenstand haben und nicht Träger der Sozialversicherung sind.[4] Obwohl Rückversicherungsunternehmen gem. § 1 II VAG nur einer eingeschränkten Fachaufsicht unterliegen, sind sie ebenfalls Versicherungsunternehmen, so dass auch für sie § 29 gilt (§ 29 V 2 GWB). Der Begriff der Vereinigungen von Unternehmen deckt sich weiterhin mit dem des § 1 GWB. Unter Vereinigungen sind folglich sämtliche Formen von Wirtschafts- und Berufsvereinigungen unabhängig davon, ob es sich um öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Zusammenschlüsse handelt, zu verstehen.[5] Bei den Versicherungsunternehmen handelt es sich dabei im Wesentlichen um deren Spitzen- und Fachverbände[6], da gerade von diesen in den meisten Fällen die Initiative für die nach § 29 GWB freizustellenden Tatbestände ausgeht.

b) Vertikale Bindungen (Abs. I)

Nach § 29 I GWB können Vereinbarungen, Beschlüsse und Empfehlungen von Vereinigungen von Versicherungsunternehmen vom Verbot der Preis- und Konditionenbindung (§ 14 GWB) oder –empfehlung (§ 22 GWB) unter den Voraussetzungen des entsprechend anwendbaren § 7 GWB freigestellt werden. Im Gegensatz zur vorherigen Ausnahmebereichsnorm des § 102 GWB a. F. können nach § 29 I GWB nur noch Vertikalvereinbarungen vom grundsätzlichen Kartellverbot nach § 1 GWB freigestellt werden.[7] Für Vereinbarungen, die unter § 1 GWB fallen, besteht nunmehr ausschließlich eine Freistellungsmöglichkeit nach den §§ 2 ff. GWB mit den entsprechend allgemeinen Freistellungsvoraussetzungen.

Für die Freistellung der in § 29 I 1 GWB genannten Vereinbarungen, Beschlüsse und Empfehlungen findet des Weiteren nach § 29 I 2 GWB § 7 GWB entsprechend Anwendung, so dass eine Freistellung nur unter seinen engen Voraussetzungen erfolgen kann. Zudem gelten nach § 29 III 1 GWB für die in § 29 I GWB aufgeführten Fälle ebenfalls die §§ 9, 11, 12 I und 22 VI GWB entsprechend. D. h., die in § 29 I GWB genannten vertikalen Bindungen werden nur dann wirksam, wenn sie der zuständigen Kartellbehörde angemeldet werden (§9 GWB). Zudem unterliegen sie nach §§ 12 I und 22 VI GWB der Missbrauchsaufsicht durch die Kartellbehörden.

c) Einzelfallvereinbarungen (Abs. II, III 3)

Des Weiteren sind Vereinbarungen von Versicherungsunternehmen, die einen Einzelfall betreffen, nach § 29 II 1 GWB vom Verbot der Preis- und Konditionenbindung (§ 14 GWB) per se freigestellt. Im Gegensatz zu Abs. I ist der Anwendungsbereich für solche sog. „Ad-hoc-Geschäfte“[8] nicht mehr nur auf Vereinbarungen von Unternehmensvereinigungen beschränkt, sondern erfasst nunmehr alle Vereinbarungen von Versicherungsunternehmen.

Von den Verboten in §§ 1- 14 GWB vollkommen ausgenommen ist weiterhin die in Abs. 2 Satz 2 genannte für den Einzelfall vereinbarte Übernahme von Einzelrisiken im Mitversicherungsgeschäft, wozu auch Geschäfte der Rückversicherung gehören.[9] Für den Versicherungsbereich seien an dieser Stelle z. B. Versicherungsgemeinschaften für besonders große Einzelrisiken angeführt, wie es etwa in den Sparten Pharma, Atom oder Raumfahrt der Fall ist.[10] Im Übrigen unterliegen diese Einzelfallvereinbarungen gem. § 29 III 2 GWB der Missbrauchsaufsicht in entsprechender Anwendung des § 12 I GWB.

d) Horizontale Bindungen (Abs. IV)

§ 29 GWB enthält im Gegensatz zu § 102 GWB a. F., der noch die horizontalen Vereinbarungen mit umfasste, keine Freistellungsmöglichkeit mehr für Vereinbarungen von Versicherungsunternehmen und deren Vereinigungen außerhalb der in Abs. II geregelten Fälle. Abs. IV sieht lediglich für Rationalisierungs-, Strukturkrisen- und sonstige Kartelle (§§ 5 – 7 GWB) ein erleichtertes Freistellungsverfahren vor, da insoweit nicht §§ 10 und 12 II GWB, sondern §§ 9 und 12 I GWB Anwendung finden sollen. Das bedeutet, dass genannte Kartelle zwar anzumelden sind, ihre Legalisierung jedoch nicht durch Freistellungsentscheidung der Kartellbehörde erfolgt, sondern durch Nicht-Widerspruch innerhalb drei Monate (§ 9 III 1 GWB). Sie unterliegen weiterhin grundsätzlich der Missbrauchsaufsicht nach § 12 I GWB.

[...]


[1] VO-EG Nr. 01/2003 vom 16. 12. 2002, Abl. EG 2003 L1/1.

[2] Emmerich, KartellR, S. 326; Kling/ Thomas, GK Wettbewerbs- und KartellR, S. 313 Rn. 157.

[3] Schultz in: Wiedemann, KartellR, § 33 Rn. 2.

[4] Meyer-Lindemann in: Frankfurter Kommentar (FK) zum KartellR, § 29 Rn. 26; Bechthold, GWB, § 29 Rn. 3.

[5] Kling/Thomas, GK Wettbewerbs- und KartellR, S. 290 Rn. 82.

[6] Langen/Malitius, KartellR, § 29 Rn. 15, Burkhardt, KartellR, Rn. 659.

[7] Berthold, § 29 Rn. 6; Emmerich, KartellR, S. 340; Langen/Malitius, KartellR, § 29 Rn. 17; Meyer-Lindemann, FK zum KartellR, § 29 Rn. 58.

[8] Burkhardt, KartellR, Rn. 665; Kling/Thomas, S. 318 Rn. 180.

[9] Meyer-Lindemann, FK zum KartellR, § 29 Rn. 90; Bechthold, § 29 Rn. 12; Langen/Malitius, § 29 Rn. 5.

[10] Emmerich, KartellR, S. 343; Burkhardt a.a.O.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Versicherungskartellrecht nach der 7. GWB-Novelle
Hochschule
Universität Bayreuth
Note
12 Punkte
Autor
Jahr
2003
Seiten
20
Katalognummer
V40339
ISBN (eBook)
9783638388764
Dateigröße
590 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die vorliegende Arbeit behandelt die umfangreichen geplanten Änderungen des Kartellrechts im Bereich des Versicherungssektors.
Schlagworte
Versicherungskartellrecht, GWB-Novelle
Arbeit zitieren
Sonja Schneemann (Autor:in), 2003, Das Versicherungskartellrecht nach der 7. GWB-Novelle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40339

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