On Kawara - Erfahrung und Dokumentation von Raum und Zeit


Term Paper, 2005

15 Pages, Grade: 2,0


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zeitlichkeit

3. Erfahrung und Dokumentation von Raum und Zeit
3.1. Räumliche und zeitliche Positionierung
3.2. Archivierte Daten als Maß für Existenz

4. Existenzmessung durch Langzeitprojekte
4.1. Existenzbekundung
4.2. Zeitaufzeichnung
4.3. Datum Bilder
4.4. Eine Million Jahre – Vergangenheit und Zukunft

5. Lücken und Fehler im System Im Anhang
1. Abbildungen
2. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der japanische Künstler On Kawara[1] thematisiert seit den sechziger Jahren die Verbindung von persönlicher Biographie, gemeinschaftlicher Lebenszeit und künstlerischer Produktion. On Kawara versucht, das persönliche subjektive Leben durch die Methode des Schreibens festzuhalten. Aktivitäten seines eigenen Lebens werden innerhalb räumlicher und zeitlicher Betrachtungsweisen dargelegt. Seine Arbeiten entstehen auf der Grundlage streng angelegter Dokumentationsmethoden, die logischen Abläufen folgen und feststehende konsequente Anwendung im künstlerischen Prozess der Selbstbestimmung finden.

On Kawara benennt Ortswechsel sowie das Verstreichen von Zeit und untersucht dabei, welche Rolle Daten und archivarische Verfahren bei der individuellen Selbstbestimmung des Menschen innerhalb der modernen Gesellschaft, im zeitlichen und räumlichen Bezug zur Umwelt, spielen. Sich selbst in Entsprechung zu den Anzeichen von Zeit zu verstehen und in Einklang mit Zeit zu bringen ist Kern der künstlerischen Auseinandersetzung des Künstlers. On Kawara selbst setzt sich hierbei in Relation zu Zeitmaßen, indem er hinter den Fakten, die seine Lebenseckdaten bestimmen, zurück tritt und beispielsweise den 15. Dezember 1991 als den Tag bestimmt, an dem er seit 21.540 Tagen lebt.

In seriell angelegten Langzeitprojekten registriert On Kawara Unterschiede und Fehler, die sich in den wiederholenden Mustern der Zeitmessung niederschlagen, wodurch das unabhängig vom künstlerischen Werk verbrachte Leben On Kawaras erfahrbar wird. Hierbei stellen sich Fragen nach der künstlerischen Objektivierbarkeit des Lebens. Das Erfahren und das Erfassen von Zeit und Raum formen sich kontinuierlich zu einem persönlichen Zeitarchiv des Künstlers.

2. Zeitlichkeit

Analog zur Bewältigung des Raumes in der Renaissance, die T.W. Adorno mit dem Begriff der „Verräumlichung“ benennt, spricht er im Zusammenhang mit moderner Kunst von der „Verzeitlichung“. Die Zeit in ihrem realen Verlauf wird wichtig, da neben der bloßen Betrachtung auch das Handeln als ästhetische Rezeptionsform an Bedeutung gewinnt. Handeln ist zeitlich. Eine sich auf das Handeln konzentrierende Kunst benötigt demnach die Berücksichtigung der vierten, eben der zeitlichen Dimension. Zeit ist nicht mehr als fiktiver sondern als realer Faktor in der Conceptual Art und somit auch in den Arbeiten von On Kawara präsent. Das Werk muss „erhandelt“[2] werden und bleibt nicht mehr nur passiv erlebbar. On Kawara erhandelt und erlebt innerhalb seiner Langzeitprojekte das Abstraktum Zeit. Im Prozess werden über viele Jahre hinweg Daseins-Momente festgehalten und zu kontinuierlichen, fortdauernden Selbstbestimmungen parallel zum Lauf der Zeit zusammengeführt. Der Fokus liegt nicht auf dem einzelnen Endbild, sondern auf der Gesamtheit des künstlerischen Handelns im Zeitfluss.

3. Erfahrung und Dokumentation von Raum und Zeit

3.1. Räumliche und zeitliche Positionierung

On Kawara positioniert sich mit der Art und Weise seines künstlerischen Arbeitens im zeitlichen und räumlichen Kontext. Diese vierdimensionale Bestimmung ermöglicht ihm, sich in seiner Umgebung selbst zu definieren. Begegnungen mit seinem Lebensraum, an denen sich persönliche Erlebnisse zeigen, sind On Kawaras räumliche und zeitliche Bezugnahmen auf die Umwelt. So nimmt er seine Raum-Zeit-Identität durch den künstlerischen Umgang mit dem eigenen Alltag selbst wahr. On Kawara bestimmt seine Zeit. Er definiert sich beispielsweise in der Arbeit „One Million Years“[3] im Umfeld von zwei Millionen Jahren, in das er sich zeitlich zentral einordnet. Er schafft einen gedanklichen Umraum von Zeit. Ähnliche Umräume finden sich in seinen geografischen Beschreibungen. On Kawara bestimmt seinen Ort. Er sortiert sich in urbane Umfelder ein, indem er zurückgelegte Wege in Stadtplänen mit roten Linien schriftlich fixiert. Das Bild „Location“[4] aus dem Jahr 1965 ist eine weitere Ortsbestimmung. Es zeigt die Koordinaten eines Längen- und Breitengrades und bestimmt damit On Kawaras persönlichen Standort im allgemeingültigen Modell des Koordinatensystems.

3.2. Archivierte Daten als Maß für Existenz

On Kawara erörtert die Mittel mit denen moderne Identität im Raum und in der Zeit geformt und bewahrt werden. Archivarische Strategien sind ausgeprägte gesellschaftliche Methoden, mit denen On Kawara versucht, das Abstraktum Zeit zu messen, um ein besseres Verständnis seines eigenen Bezuges zu ihm herstellen zu können. Klassifizierte und archivierte Daten sind ein entscheidendes Maß für die persönliche Existenz, da sie die Realität schriftlich fixieren und das Dasein spiegeln. On Kawara nutzt die Mittel des Archivs[5] für seine künstlerische Selbstbestimmung aus um sich selbst (durch sie) zu begegnen. Er schreibt Daten auf und versammelt diese in Form von Mappen, Büchern, und Bildserien. Sie sind sowohl für die Entwicklung eines Selbstverständnisses als auch für die Formung eines Selbstbildes in der Gesellschaft von Bedeutung.

On Kawaras Arbeiten steigern sich zum persönlichen Archiv in der Zeit welches sich von der künstlerischen Produktion nicht mehr unterscheiden lässt. Die eigene Lebenszeit ist das zentrale Thema in seiner sehr autobiografisch angelegten Kunst. Sie wird zu einem Dokument der Methoden mit denen individuelles Dasein in wenigen aber exakten Angaben existentieller Aktivitäten objektiv erfasst wird. Das Abstraktum Zeit wird durch verschiedene Systeme oder Modelle in Form gebracht. Die Koordinaten, die Ordnungslinien, das Datum, die Jahreszahlen , der Kalender und die Sammlung sind Mittel, die On Kawaras Existenz und die alltäglichen Abläufe faktisch und prozesshaft registrieren um auftretende Variationen in sich wiederholenden Mustern festzuhalten. Durch das Aufschreiben wird der Moment mit Hilfe bekannter Modelle wie Datum und Koordinaten festgesetzt und gedanklich vergegenwärtigt. On Kawara setzt „Zeichen für Leben“[6] und Zeichen „für (s)ein Leben an diesem Tag“[7]. Das Dasein wird, durch den subjektiven Bezug zum Zeichen, benannt und kann durch zukünftiges Nachlesen in der eigenen künstlerischen Arbeit immer wieder vergegenwärtigt werden.

4. Existenzmessung durch Langzeitprojekte

4.1. Existenzbekundung

On Kawara bekundet seine Existenz durch Setzung von Lebenszeichen im räumlichen und im zeitlichen Kontext. Er selbst tritt hinter seiner Arbeit zurück und besucht keine eigenen Ausstellungen. Seine Person wird nur durch das künstlerische Werk erahnt. Die Werkreihe „I Got Up“[8] aus den Jahren 1968 bis 1977 belegt durch Postkarten, die Tatsache dass und den Zeitpunkt wann On Kawara in seinem Hotel aufgestanden ist. Zwei an verschiedene Adressaten versandte Postkarten des aktuellen Aufenthaltsortes tragen das gestempelte Datum und die Uhrzeit zu der On Kawara aufgestanden ist. Die Adressaten werden durch das Zeichen der Postkarte zu Zeugen der Existenz des Künstlers. In ähnlicher weise funktioniert die Arbeit „I Am Still Alive“, der er seit 1970 nachgeht. Sie bezeugt On Kawaras Existenz mit Hilfe versendeter Telegramme, die den gestempelten Satz „Ich bin noch immer am Leben“ tragen. Die Telegramme stellen außerdem eine Antwort auf Interview-Anfragen dar.

Neben dem Fakt dass On Kawara existiert, werden uns durch kartografisches Erfassen von Ortswechseln auch zurückgelegte Wege, Ereignisse und persönliche Treffen mit Mitmenschen erzählt. So entstehen zwischen den Jahren 1966 bis 1979 eine Reihe von Projekten, die sich über lange Zeiträume erstrecken und On Kawaras Leben begleiten. Durch diese Arbeiten nimmt der Betrachter Teil am Alltag des Künstlers und wird zum Zeugen der Existenz und des Handelns On Kawaras. Abläufe und Aufenthalte werden räumlich und zeitlich benannt und als Zeugnisse des Lebens archiviert. Die Serie „I Read“[9], 1966-79 stellt eine Sammlung von Zeitungsausschnitten und Zeitungslektüre dar, die On Kawara an jenen Tagen liest, an denen er ein Date Painting fertig stellt. „I Met“ von 1968 bis 1979 verzeichnet ausgewählte Menschen, denen er an bestimmten Tag begegnet. Parallel dazu erarbeitet On Kawara die Reihe „I Went“[10], die durch kartografisches Erfassen von Ortswechseln seine täglichen Bewegungen an verschiedenen geografischen Orten dokumentiert. Wege werden in Stadtplänen, der Städte in denen er sich zum Zeitpunkt aufhält, rot nachgezeichnet. Neben On Kawaras Selbstbekundung durch die „Chronik des Ortes“[11], hat auch die Aufzeichnung des Zeitpunktes und der kontinuierliche Verlauf der Zeit eine besondere Bedeutung in seiner Selbstreflexion.

[...]


[1] geboren 1933 in Kariya/Aichi, Japan, lebt in New York

[2] Michael Lingner, „Exerzitien zur Zeiterfahrung“, Deichtorhallen, Hamburg, 12. 3. - 10. 5. 1992

[3] vgl. Abb.7 und 8 im Anhang

[4] vgl. Abb.4 im Anhang

[5] Vgl. Abb. 1 im Anhang: Installiertes Archiv „I Went“ in einer Ausstellung.

[6] W.M.Faust, Sich schneidende Parallelen… In Ausstellungskatalog: On Kawara, daad-Galerie Berlin 1987, S.26.

[7] ibid.

[8] vgl. Abb.3 im Anhang.

[9] vgl. Abb.2 im Anhang

[10] vgl. Abb.1 im Anhang

[11] Damit ist das chronologische Erfassen von Ortswechseln gemeint.

Excerpt out of 15 pages

Details

Title
On Kawara - Erfahrung und Dokumentation von Raum und Zeit
College
Dresden Academy of fine arts  (Kunstgeschichte)
Course
Der Sound der Zeit
Grade
2,0
Author
Year
2005
Pages
15
Catalog Number
V40474
ISBN (eBook)
9783638389839
File size
989 KB
Language
German
Keywords
Kawara, Erfahrung, Dokumentation, Raum, Zeit, Sound, Zeit
Quote paper
Matthias Haase (Author), 2005, On Kawara - Erfahrung und Dokumentation von Raum und Zeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40474

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