Interkulturelle Kommunikation. Definitionen, Konzepte, Trainings


Bachelorarbeit, 2004

46 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. EINLEITUNG

2. BEGRIFFSKLÄRUNGEN
2.1. Kultur
2.2. Individuum und Kultur
2.3. Eine Kultur „verstehen“
2.4. Kulturschock

3. INTERKULTURELLE KOMMUNIKATION

4. STRUKTURMERKMALE WESTLICHER UND JAPANISCHER KULTUREN
4.1. Was ist der Westen?
4.2. Hofstedes vier Dimensionen von Kultur
4.2.1. Machtdistanz
4.2.2. Individualismus vs. Kollektivismus (Spiegl 2001:11)
4.2.3. Männlich vs. weiblich
4.2.4. Konfuzianismus
4.3. „Low-Context“ Kultur versus „High-Context“ Kultur

5. INTERKULTURELLES TRAINING
5.1. Rollenspiel
5.2. Kontrastkultur
5.3. Simulationsspiele
5.4. Kritische Ereignisse

6. Strukturmerkmale der Seminare zur interkulturellen Kommunikation

7. Auswertung meiner Umfrage zur Notwendigkeit interkultureller Seminare
7.1. Allgemeine Angaben
7.2. Interkulturelle Seminare
7.3. Wichtigkeit kultureller Bereiche
7.4. Nützliche Methoden zur Vermittlung interkultureller Kompetenzen
7.5. Zusammenfassende Bemerkungen

8. ZUSAMMENFASSUNG

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Anpassungszirkel (nach Goldmann 1994:127)

Abbildung 2: Alter und Geschlecht

Abbildung 3: Höchste abgeschlossene Schulbildung

Abbildung 4: Selbsteinschätzung über die japanische Kultur

Abbildung 5: Notwendigkeit der Seminare

Abbildung 6: Wichtigkeit kultureller Kompetenz

Abbildung 7: Kulturverständnis

Abbildung 8: Unterschiede können Hürden darstellen

Abbildung 9: Wichtigkeit der Kenntnis über die einzelnen Bereiche

Abbildung 10: Methoden zur Vermittlung interkultureller Kompetenzen

Abbildung 11: Geschlechtsspezifische Unterschiede - Kreuztabelle

1. EINLEITUNG

In meiner Arbeit möchte ich mich mit interkultureller Kommunikation befassen. Zuerst möchte ich die wichtigsten Definitionen in diesem Zusammenhang erläutern.

Schließlich werde ich mich mit dem Kulturschock befassen, der mir in diesem Kontext wichtig zu sein scheint.

Schließlich möchte ich einen kurzen Abriss der Geschichte der interkulturellen Kommunikation geben. Es gibt sehr unterschiedliche Disziplinen die sich damit befasst haben und dadurch sind verschiedene Sichtweisen zu diesem Thema entstanden.

Als weiteres Vorgehen ist es mir wichtig verschiedene Strukturmerkmale der unterschiedlichen Kulturen herauszuarbeiten. Hier werde ich mich vor allem an die Forschung von Hofstede halten, der auf diesem Gebiet ein Experte ist. Aber auch die Gegenüberstellung von „Low Context Culture“ und High Context Culture“[1] ist an dieser Stelle wichtig.

Als nächsten Punkt werde ich mich mit dem interkulturellen Training befassen. Zuerst werde ich kurz die Geschichte des interkulturellen Trainings beleuchten um mich dann anschließend näher mit den Methoden, wie interkulturelle Kompetenz vermittelt wird, zu beschäftigen.

Vor allem in Deutschland gibt es sehr viele Seminaranbieter, die sich auf interkulturelle Kommunikation spezialisiert haben und in diesem Bereich Seminare vor allem für Geschäftsleute die Kontakte zu Japan pflegen, anbieten. Ich werde die Inhalte von drei dieser Seminare näher untersuchen, und möchte herausfinden, auf welche Weise sie versuchen interkulturelle Kompetenz zu vermitteln.

Im letzten Kapitel meiner Arbeit möchte ich die Ergebnisse präsentieren, die ich aufgrund einer Erhebung zur Notwendigkeit interkultureller Seminare, bekommen habe.

Ich habe dazu einen Online Fragebogen erstellt und diesen ins Internet gestellt. Schon nach einem Tag hatte ich über 100 Zusendungen. Grafisch und interpretativ werde ich versuchen die Ergebnisse zu veranschaulichen.

2. BEGRIFFSKLÄRUNGEN

2.1. Kultur

Zu Beginn habe ich mich intensiv mit dem Begriff „Kultur“ auseinandergesetzt, da meine These von einer interkulturellen Kommunikation ausgeht. Bevor ich auf den interkulturellen Aspekt eingehe, habe ich mir die Frage gestellt, wie Kultur in der Literatur definiert wird. Das Phänomen „Kultur“ hat zahlreiche Menschen beschäftigt, so etwa zB Leibniz, Voltaire, Herder, Wilhelm von Humboldt, Kant, Freud, Jung, Adorno, Marcuse, Luhmann.

„Kultur“ ist ein oft verwendetes Wort; aber durchaus ist nicht immer klar, was gemeint ist. Wie zahlreiche abstrakte Begriffe dieser Art ist „Kultur“ vieldeutig; und das heißt: je nach Kontext und Benutzer variiert die Bedeutung – auch in den Wissenschaften. Eine einheitliche, allgemein anerkannte Definition von Kultur gibt es nicht. Folglich muss jeder, der von Kultur redet möglichst präzise festlegen, was darunter zu verstehen ist.

Um eine Definition zu verwenden, gebrauche ich Kultur im Sinne der Definition des britischen Ethnologen Edward B. Tylor von 1871:

... Kultur ist jenes komplexe Gebilde, welches Wissen, Glaube, Kunst, Moral, Recht, Sitte und Brauch und alle anderen Fähigkeiten und Gewohnheiten einschließt, welche der Mensch als Mitglied der Gesellschaft erworben hat ... (Spiegl 2001:3)

Diese Definition macht den Umstand deutlich, dass Kultur nicht angeboren ist, sondern erworben und erlernt wird. Kultur bleibt aber nicht über alle Zeiten hinweg gleich, sondern entwickelt sich dynamisch weiter. Kultur ist etwas spezifisch Menschliches. Nur dem Menschen schreiben wir Kultur zu. Der Mensch schafft Kultur, und er wird von ihr geprägt. Der Mensch ist ein Tier unter Tieren; doch unterscheidet er sich von anderen Tieren dadurch, dass er weniger und zugleich mehr Fähigkeiten aufweist. Der Mensch schafft sich eine Welt abstrakter Symbole, nämlich in der Sprache. Durch Sprache macht der Mensch aus dem Chaos einen Kosmos; ohne Sprache wäre er nicht in der Lage, sich in dieser Welt zu orientieren und funktionierende Gemeinwesen aufzubauen. (Maletzke 1996:21)

Jeder Mensch wird durch die Kultur, in der er aufwächst, entscheidend geprägt. Allerdings, im normalen Alltag weiß er davon nichts. Die kulturspezifischen Eigenarten sind für ihn Selbstverständlichkeiten, und da für die Menschen seiner Umgebung die gleichen Selbstverständlichkeiten gelten, gibt es keinen Anlass, darüber nachzudenken. Begegnet man jedoch Menschen anderer Kulturen, so stellt man fest, dass es auch andere Arten und Formen des Erlebens, Denkens und Verhaltens gibt, Formen, die sich mit den gewohnten, eingefahrenen Schemata nicht vereinbaren lassen.

Laut Nishida ist unsere Kultur nicht vererbbar, sondern wird dem Menschen von der Familie und vom Umfeld angelernt. (Nishida 1989:144)

Kultur wird aber nicht einfach nur angelernt, sondern von jedem Menschen individuell geformt. (Aoyama 1996:7)

Als kulturelle Strukturmerkmale sind zu nennen:

- Nationalcharakter, Basispersönlichkeit
- Wahrnehmung
- Zeiterleben
- Raumerleben
- Denken
- Sprache
- Nichtverbale Kommunikation
- Wertorientierungen
- Verhaltensmuster: Sitten, Normen, Rollen
- Soziale Gruppierungen und Beziehungen (Maletzke 1996:41)

Die Strukturmerkmale sind zu verstehen als Komponenten, die untereinander funktional verbunden sind und ihren Stellenwert erst im Gesamtzusammenhang, in der Struktur des Ganzen finden.

Die meisten Menschen sehen die eigene Kultur als den Mittelpunkt der Welt und als den Maßstab aller Dinge. Diese Einstellung wird durch den Ethnozentrismus beschrieben und spielt bei der interkulturellen Begegnung eine außerordentlich bedeutsame Rolle. Der Begriff Ethnozentrismus wurde im Jahre 1906 von W.G. Sumner geprägt. Unter anderem haben sich R.A. Levine und D.T. Campbell damit beschäftigt.

Ethnozentrismus ist „eine unbewusste Tendenz, andere Völker aus der Sicht der eigenen Gruppe zu betrachten und die eigenen Sitten und Normen zum Standard aller Beurteilungen zu machen. Wir stellen uns selbst, unsere rassische, ethnische oder soziale Gruppe, in den Mittelpunkt des Universums und stufen alle anderen dementsprechend ein.

Beim Ethnozentrismus sind zwei Komponenten zu unterscheiden: Zum einen ist die eigene Kultur gekennzeichnet durch „Selbstverständlichkeiten“, und zum anderen ist der Ethnozentrismus meist verbunden mit einem „Überlegenheitsbewusstsein“ gegenüber anderen Völkern, Nationen, Kulturen. (Maletzke 1996:23)

Da in interkulturellen Partnerschaften die Partner von ihrer eigenen Kultur ausgehen, entstehen Rollenkonflikte.

2.2. Individuum und Kultur

Man versteht unter dem Verhältnis zwischen einem Individuum und seiner Kultur ein komplexes System von Wechselbeziehungen. Einerseits wird der Mensch durch seine Kultur geprägt, aber andererseits prägt er auch seine eigene Kultur.

Den Prozess des Hineinwachsens des Individuums in seine Kultur, des Übernehmens und Verinnerlichens bezeichnet man als „Enkulturation“. Mit dieser Enkulturation gehen viele Vorgänge einher. Man lernt verschiedene Dinge, z.B. wie man mit anderen verbal und nicht verbal kommuniziert, was man positiv oder negativ zu bewerten hat oder wie man sein eigenes Verhalten kontrolliert und seine Emotionen angemessen nutzt. (Maletzke 1996:22)

2.3. Eine Kultur „verstehen“

Mit dem Begriff des „Verstehens“ haben sich vor allem die Geisteswissenschaften beschäftigt. Sie wollten sich damit vor allem von der kausalistischen Erklärung der Naturwissenschaften (Maletzke 1996:35) abgrenzen. Wilhelm Dilthey prägte den Ausspruch: „Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir.“ (Maletzke 1996:23)

Um eine Kultur zu verstehen, kommt es darauf an, das zu erfassen was der Gesprächspartner „meint“, aber auch darauf, das Neue in bereits Bekanntes einzufügen.

Kommt es zu einem interkulturellen Gespräch, so prallen oft vollkommen unterschiedliche Sichtweisen aufeinander. Die Gesprächspartner sind sich dies oft nicht bewusst – sie halten ihre eigene Sichtweise für „normal“. So kommt es häufig zu Missverständnissen bei der Kommunikation.

Aber auch dann kommt es vielfach nicht etwa zu einem Relativieren der eigenen Selbstverständlichkeiten, sondern man hält lieber am Ethnozentrismus fest und unterstellt dem anderen Dummheit, Ignoranz oder böse Absicht. (Maletzke 1996:35-36)

Für meine These ist diese mikrosoziologische Betrachtungsweise zentral. Sie besagt, dass es durch unterschiedliche Kulturen und eben dadurch resultierende unterschiedliche Sichtweisen zu Kommunikationsproblemen kommt. Da aber in interkulturellen japanisch-westlichen Partnerschaften solche Missverständnisse durch gegenseitige Toleranz sicher gering gehalten werden, kann man in solchen Partnerschaften wahrscheinlich nicht mehr von Ethnozentrismus sprechen.

2.4. Kulturschock

Ein wichtiges Schlüsselwort, das es näher zu betrachten gilt, ist das des Kulturschocks. Wenn Menschen in ein anderes Land kommen und ein neue Kultur vor sich haben, kann das eine Art „Schock“ für sie bedeuten, weil sie sich möglicherweise nicht sofort zurecht finden.

Jeder Mensch internalisiert im Laufe der eigenen Sozialisation die Werte und Verhaltensweisen seiner eigenen Kultur. Dadurch nimmt er seine Außenwelt als kulturelle Selbstverständlichkeiten wahr und reagiert darauf.

„Wird er jedoch mit fremdkulturellen Normen und Verhaltensmustern konfrontiert, werden diese Selbstverständlichkeiten grundlegend in Frage gestellt, woraus tief greifende Verunsicherungen, Angstgefühle, Depressionen und regelrechte Identitätskrisen resultieren können.“ (Spiegl 2001:6)

Diese Form von Stress wird als Kulturschock bezeichnet. Er wird durch einen Wechsel von einer bekannten zu einer völlig unbekannten kulturellen Umgebung ausgelöst, die zu Orientierungsverlust führen kann.

Man unterscheidet vier Phasen des Kulturschocks: (Spiegl 2001:7-8)

1. Die Honeymoon-Phase (euphoria) ist geprägt von Aufregung, Neugier und Interesse am Land, seiner Kultur, den Bräuchen und Traditionen. Der Aufenthalt wird völlig begeistert und optimistisch erlebt. „Ist ja alles viel angenehmer als befürchtet“.
2. Während der Ernüchterungs- bzw. Enttäuschungsphase (culture shock, stage of hostility) beginnt das tägliche Leben im Gastland. Es gestaltet sich aber beruflich wie auch privat nicht so einfach, woraus Frustrationen, Ohnmachtgefühle, Einsamkeit und Feindseligkeit gegenüber der gesamten Kultur entstehen. „Ich werd die hier nie verstehen“. Vermehrt wird der Kontakt zu gleichkulturellen Kollegen gesucht. In dieser Phase wird häufig sogar der Aufenthalt abgebrochen.
3. In der Phase der beginnenden Lösungen (acculturation, recovery stage) findet eine langsame Eingliederung in und Anpassung an die neue Umgebung statt, da der Besucher angepasste Verhaltens- und Umgangsformen gelernt hat. Es kommt zu vermehrtem Kontakt zu den Einheimischen, deren Kultur er nun zu verstehen versucht. Sein Selbstbewusstsein wächst wieder.
4. In der letzten Phase, der effektiven Funktionsphase (stable bzw. final stage), fühlt sich der „Fremde“ in der neuen Kultur mehr oder weniger wohl.

Nach Oberg ist ein Kulturschock auch immer stark mit Ungewissheit verbunden. Er begründet das damit, dass wir in einer fremden Kultur unseren Alltag, den wir gewohnt sind, möglicherweise nicht wieder finden. Und das macht vielen Menschen Angst. (Oberg 1960, Aoyama 1996:13)

Laut Inemura kann Kulturschock viele physiologische Symptome wie z.B. Kopfweh, Magenschmerzen, usw. und psychosomatische Beschwerden hervorrufen. (Inemura 1992:129)

Nach Aoyama kann es aber auch innerhalb der eigenen Kultur zu einem Kulturschock kommen, und zwar wenn man mit einer anderen Subkultur in Berührung kommt. (Aoyama 1996:14)

Abbildung 1: Anpassungszirkel (nach Goldmann 1994:127)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die obige Grafik zeigt den Verlauf eines Kulturschocks. Sie ist Ergebnis einer Studie über Einbürgerung amerikanischer Manager in Japan. Um eine erfolgreiche Einbürgerung zu gewährleisten müssen ausländische Manager das japanische Organisationssystem (z.B. Senioritätsprinzip, hierarchische Strukturen usw.) kennen und mit diesem konform gehen. Eine Adaption der neuen Kultur muss erfolgen. Die Phasen dieser sind eng mit dem Kulturschock verknüpft, wenn man die obige Grafik betrachtet.

Wie auch schon bei Spiegl (2001) gibt es mehrere Phasen, wobei nach der Honeymoon-Phase der Kulturschock folgt. Nach einer Isolationsphase in der sich die Personen oft allein fühlen und Heimweh bekommen kann es durch eine Reintegration zu einer Unabhängigkeit kommen. Bei ungefähr 50% der amerikanischen Manager wurde dies festgestellt. (Goldmann 1994:27)

3. INTERKULTURELLE KOMMUNIKATION

Bevor ich jetzt spezifisch auf die interkulturelle Kommunikation eingehen werde, möchte ich vorher den Begriff der Kommunikation erläutern.

Über Kommunikation wurde schon viel geschrieben. Es gibt sehr viele Zugänge um sich mit Kommunikation zu befassen. Viele verschiedene wissenschaftliche Richtungen haben sich damit auseinandergesetzt. (z.B. Psychologie, Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Soziologie/Systemtheorie usw.)

Einfach gesagt bedeutet Kommunikation, dass eine Nachricht übermittelt wird. (Aoyama 1996)

Bei jeder Kommunikation wird eine Beziehung mit dem Gesprächspartner eingegangen. Jede Form von Kommunikation ist ein mutueller reziproker Prozess, in dem auf eine Nachricht ein Feedback folgt. (Nishida 1989:22-26)

Und auch wenn wir die Kommunikation als etwas Banales ansehen, so ist sie ein bedeutender Prozess. Wir können sehr viel unserem Gegenüber mitteilen und wir haben sehr viele Gründe, warum wir kommunizieren. Eine Kommunikation ist zwar etwas alltägliches, aber sehr facettenreich. (Aoyama 1996:8)

Der Begriff interkulturelle Kommunikation wurde erstmals 1959 von Edward T. Hall in „The Silent Language“ verwendet. (Spiegl 2001:5)

Wenn Menschen verschiedener Kulturen einander begegnen, bezeichnen wir die Prozesse, die dabei ablaufen, als „interkulturelle Kommunikation“ oder auch als „interkulturelle Interaktion“. Manche Forscher haben versucht, Begriffsunterschiede zwischen Kommunikation und Interaktion herauszuarbeiten, etwa in dem Sinne, dass der Schwerpunkt in der Kommunikation mehr bei der wechselseitigen Verständigung und in der Interaktion beim Verhalten und Handeln liegt. (Maletzke 1996:37)

Von interkultureller Interaktion und Kommunikation sprechen wir, wenn die Begegnungspartner verschiedenen Kulturen angehören und wenn sich die Partner der Tatsache bewusst sind, dass der jeweils andere „anders“ ist, wenn man sich also wechselseitig als „fremd“ erlebt. Interkulturell sind all jene Beziehungen, in denen Eigenheit und Fremdheit, Identität und Andersartigkeit, Familiarität und Bedrohung, Normalität und Neues zentrale Verhalten, Einstellung, Gefühle und Verstehen bestimmen. Interkulturell sind alle jene menschlichen Beziehungen, in denen die kulturelle Systemhaftigkeit durch die Überschreitung der Systemgrenzen erfahren wird. (Maletzke 1996:37)

Neben dem Begriff „interkulturelle Kommunikation“ finden wir in der sozialwissenschaftlichen Literatur häufig auch das Wort von der „internationalen Kommunikation“. Im einen Fall begegnen sich Menschen verschiedener Kulturen, im anderen Fall Menschen verschiedener Nationen. (Maletzke 1996:37)

Nach Asante/Gudykunst bedeutet intrakulturelle Kommunikation die Verständigung zwischen Menschen derselben kulturellen Herkunft. Sie definieren interkulturelle Kommunikation als „interpersonal communication between members of different cultures, races or ethnic groups“. Diese Definition betont den Unterschied zwischen „interpersoneller“ und „interkultureller“ Kommunikation. Bei interpersoneller Kommunikation stehen die Personen bzw. Individuen im Vordergrund, bei interkultureller jedoch ihre Kultur. (Spiegl 2001:5)

Bei der interkulturellen Kommunikation greifen die Beteiligten nicht ausschließlich auf ihre eigenen Codes, Konventionen, Einstellungen und Verhaltensformen zurück, sondern erfahren andere Codes, Konventionen, Einstellungen und Alltagsverhaltensweisen.

Bei der interkulturellen Kommunikation handelt es sich um kulturellen Austausch, der gegenseitig stattfindet. (Nishida 1989:22)

Im Prozess der interkulturellen Kommunikation treffen laut Samovar Sender und Empfänger jeweils aus unterschiedlichen Kulturen aufeinander. Dadurch sind Missverständnisse vorprogrammiert. Denn unsere Kommunikation ist von unserer Kultur beeinflusst und unsere Kultur gibt uns vor, wie wir miteinander kommunizieren. Aus diesem Grund ist es laut Samovar nun schwierig, dass eine Mitteilung zwischen Sender und Empfänger aus verschiedenen Kulturen ohne Komplikationen ausgetauscht wird. (Samovar 1983, Aoyama 1996:9)

Es besteht aber zwischen einer westlichen Kommunikation und einer Kommunikation zwischen Japanern wesentliche Unterschiede. Japaner legen wert darauf, dass eine Kommunikation „fließend“ vor sich geht. Sie geben einander aizuchi, was so viel bedeutet wie zustimmende Signale. Diese Antworten können hai, ee, haa, sô, usw. sein. Die aizuchi sind oft mit nonverbalen Gesten verbunden, wie z.B. Kopfnicken u.ä. Diese Antworten bedeuten aber nicht unbedingt „ja“, sondern signalisieren, dass der andere zuhört. In einer interkulturellen Kommunikation mit westlichen Menschen kann diese gewöhnliche Verwendung von aizuchi verschiedene Probleme verursachen. (Nishiyama 2000:12)

4. STRUKTURMERKMALE WESTLICHER UND JAPANISCHER KULTUREN

Das nächste Kapitel widmet sich den Strukturmerkmalen von westlichen und japanischen Kulturen. Ich führe hier einige soziologische und sozialpsychologische Untersuchungen zu den verschiedenen Kulturen an. Meiner Meinung ist es auch wichtig, bei einer interkulturellen Kommunikation nicht nur die Beziehung auf mikrosoziologischer Perspektive zu untersuchen, sondern auch makrosoziologisch vorzugehen.

4.1. Was ist der Westen?

Zunächst ist der Westen ein geographischer Begriff, dem als Gegensatz dazu der Osten gegenübersteht. Mit dem Begriff Westen ergeben sich keine eindeutigen Grenzlinien zum Osten. Er ist also ein mehrdeutiger Begriff und viele Autoren präzisieren ihn nicht. Oft wird darunter aber auch das verstanden, was man früher als Abendland bezeichnet hat. Das Komplement dazu wäre dann das Morgenland.

„Die abendländischen Grundwerte sind geprägt durch das vierfache Erbe griechischen Denkens, römischen Rechts, germanischer Gesellschaftsvorstellungen und christlichen Glaubens und haben über die Renaissance und Reformation zur Aufklärung und zur modernen Wissenschaftlichkeit geführt. Als besonders charakteristisch vor allem im Vergleich mit Asien dürfen folgende Eigenschaften gelten: Individualität, Diesseitigkeit, Rationalität, Gesellschaftsvertragsgesinnung, Gesetzesorientierung und Leistungsethik. Am fremdesten erscheint den Asiaten immer noch der westliche Individualismus, der letztlich auf die christliche Prämisse der Gotteskindschaft und der freien Gewissensentscheidung des einzelnen zurückgeht und durch Renaissance, Humanismus und Aufklärung auch erkenntnistheoretisch herausgearbeitet und weithin verinnerlicht worden ist. In Asien steht demgegenüber zumeist nicht das Ich, sondern das Wir im Vordergrund.“ (Weggel 1989:24)

Nakamura hat in seinem großen Werk „Ways of thinking of Eastern peoples: India-China-Tibet-Japan“ ausführlich die Konzepte von Osten und Westen untersucht und jeweils vier Begriffspaare der einen und der anderen Seite zugeordnet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dennoch meint Nakamura, dass es auch im Osten starke Verschiedenheiten zwischen den Kulturen geben kann und diese manchmal sogar größer als die Gemeinsamkeiten sind.

4.2. Hofstedes vier Dimensionen von Kultur

Hofstede unterscheidet zur Charakterisierung von Kulturen vier Dimensionen. Er hat umfangreiche Daten gesammelt, die aus Fragebögen stammen, die 1968 und 1972 von den Angestellten von 72 IBM-Niederlassungen, aus 28 verschiedenen Berufen und in 20 Sprachen ausgefüllt wurden. Hofstede hat diese Stichprobe gewählt, weil die IBM-Angestellten bis auf ihre Nationalität sehr ähnlich sind.

Nach der statistischen Auswertung der Daten hat Hofstede vier Dimensionen von Kultur zusammengefasst: Machtdistanz, Individualismus vs. Kollektivismus, Männlich vs. weiblich und die Vermeidung von Ungewissheit. Ich möchte die ersten drei Dimensionen näher betrachten, da ich denke, dass sie für interkulturelle japanisch-europäische Partnerschaften sehr aussagekräftig sind.

[...]


[1] Siehe S. 17

Ende der Leseprobe aus 46 Seiten

Details

Titel
Interkulturelle Kommunikation. Definitionen, Konzepte, Trainings
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Ostasienwissenschaften)
Veranstaltung
Bakkalaureatskolloquium
Note
1
Autor
Jahr
2004
Seiten
46
Katalognummer
V40851
ISBN (eBook)
9783638392655
ISBN (Buch)
9783638706384
Dateigröße
689 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Interkulturelle, Kommunikation, Definitionen, Konzepte, Trainings, Bakkalaureatskolloquium
Arbeit zitieren
Mag. B.A. Priska Lautner (Autor:in), 2004, Interkulturelle Kommunikation. Definitionen, Konzepte, Trainings, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40851

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