Was ist Geschichte? Wie verläuft sie? Wer gestaltet sie? Wird sie überhaupt gestaltet? Welche Regeln liegen ihr zu Grunde? Diese Frage stellt sich der Mensch bereits seit Jahrhunderten. Eine mögliche Antwort auf die obigen Fragen lieferte der Historische Materialismus, den Karl Marx mit Friedrich Engels in seinen Werken erläuterte.
Lange Zeit wurde dieser Theorie in den Ländern des ehemaligen Ostblocks das Primat unter den Geschichtsphilosophien zugeschrieben, wurde doch hier die Produktion, die nach marxistischem Verständnis die Grundlage aller Gesellschaftsbereiche bildet, auch zum bestimmenden Element der Geschichte. Doch nicht nur das: Die Geschichte erhielt durch den Historischen Materialismus einen tieferen Sinn. Die Gesellschaftsform wurde zum Ausdruck des menschlichen Fortschritts erhoben, wobei die Weiterentwicklung bis zur perfekten Gesellschaft, nämlich dem weltumspannende Sozialismus, das Telos vorgab.
Es ist nicht weiter verwunderlich, dass diese Art der Geschichtsphilosophie in den nicht-kommunistischen Ländern lange Zeit weit weniger Zuspruch fand. Das Verständnis (oder vielleicht eher Missverständnis?) des Historischen Materialismus als deterministische Geschichtsphilosophie war in den meisten demokratischen Ländern schlichtweg nicht vereinbar mit dem Freiheitsgedanken und damit verbundenen Menschenbild. Doch auch Befürworter gab es – vor allem innerhalb der sozialwissenschaftlichen Disziplinen. Unter ihnen ist Habermas sicherlich einer der bekanntesten. In seinen Schriften der 80er Jahre plädierte er mehrmals für eine Erneuerung des Historischen Materialismus, wobei ihm die Probleme dieser marxistischen Geschichtsbetrachtung durchaus bewusst waren. In seinen Werken versuchte er diese Probleme zu beheben und die Philosophie Marx’ zu rehabilitieren.
Die Modifikationen, die Habermas an der Marxschen Philosophie vornahm, sind Thema dieser Arbeit, wobei das Konzept des sozialen Lernens im Vordergrund stehen wird. Zunächst soll jedoch ein kurzer Überblick zur Geschichtsphilosophie folgen, um den Begriff des Determinismus verständlich zu machen. Denn dieser ist unverzichtbar in dem darauffolgenden Kapitel zum Historischen Materialismus bei Marx. Anschließend sollen die Anknüpfungs-punkte Habermas’ untersucht werden, um dann die Entwicklungsstadien im Denken des Menschen zu erarbeiten, die wiederum im letzten Kapitel in Habermas’ Theorie des sozialen Lernens gebündelt und kontextualisiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung.
- Ein Abriss zur Geschichtsphilosophie.
- Interpretationsansätze zum Verlauf der Geschichte.
- Marx' Historischer Materialismus
- Das Wesen des Historischen Materialismus – Ein kurzer Überblick.
- Der Historische Materialismus beim späten Marx.
- Die Unzulänglichkeit des Historischen Materialismus bei Marx.
- Habermas' Rekonstruktion des Historischen Materialismus
- Der Begriff der Gattungsgeschichte.
- Die Teleologie bei Habermas.
- Die Entwicklungsstadien beim Menschen.
- Das Konzept des sozialen Lernens und der Ablauf sozialer Umwälzungen.
- Schluss.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert Habermas' Rekonstruktion des marxistischen Historischen Materialismus. Sie untersucht, wie Habermas die Kritikpunkte an der marxistischen Geschichtsphilosophie aufgreift und das Konzept des sozialen Lernens einbezieht, um den Historischen Materialismus zu erweitern und zu rehabilitieren.
- Der Historische Materialismus von Karl Marx und seine Kritikpunkte.
- Habermas' Rekonstruktion des Historischen Materialismus.
- Das Konzept des sozialen Lernens in der Geschichte.
- Die Entwicklungsstufen des menschlichen Denkens.
- Die Rolle des sozialen Lernens bei sozialen Umwälzungen.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die zentralen Fragen zur Geschichte und deren Interpretation vor. Sie beleuchtet den Einfluss der Aufklärung auf die Geschichtsphilosophie und zeigt die Bedeutung des Historischen Materialismus von Marx und Engels auf.
Kapitel 1: Ein Abriss zur Geschichtsphilosophie
Dieses Kapitel diskutiert die evolutionäre Sicht auf die Geschichte, die aus der wissenschaftlichen Betrachtungsweise der Naturwissenschaften entstand. Es erläutert die Suche nach deterministischen Regeln und Gesetzen, die den Verlauf der Geschichte erklären sollen, und präsentiert das Hempel-Oppenheim-Schema als ein Beispiel dafür. Zudem analysiert es Spencers Theorie der Entwicklung von Gesellschaften von homogenen zu heterogenen Strukturen.
Kapitel 1.2: Interpretationsansätze zum Verlauf der Geschichte
Kapitel 1.2 unterscheidet drei Interpretationsansätze für das Verständnis der Geschichte: die Geschichtswissenschaften, die strukturelle Betrachtung von Geschichte und den Evolutionismus. Es beleuchtet die unterschiedlichen Zielsetzungen der drei Ansätze und betont die Suche nach weiterreichenden Erklärungsmustern im Evolutionismus.
Kapitel 2: Marx' Historischer Materialismus
Dieses Kapitel bietet einen Überblick über Marx' Historischen Materialismus. Es erklärt die Bedeutung der Produktion als Grundlage aller Gesellschaftsbereiche und die Interpretation der Geschichte als Ausdruck menschlichen Fortschritts.
Schlüsselwörter
Historischer Materialismus, Karl Marx, Friedrich Engels, Jürgen Habermas, soziales Lernen, Geschichtsphilosophie, Determinismus, Evolution, Gesellschaftsentwicklung, Teleologie, Produktionsverhältnisse, Produktionskräfte.
- Quote paper
- Martin Meingast (Author), 2005, Die Rehabilitation der Marxschen sozialen Evolution, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40858