Phänomen Nichtwähler _ Gefahr oder Normalisierung?
,,Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus"1
Dieser Satz ist unumstritten ein Kernbestand unserer demokratischen Tradition. Die politische Partizipation bei Wahlen gilt in Deutschland als Staatsbürgerpflicht. Die aktive Teilnahme am politischen Entscheidungsprozess dient als Instrument zur Kontrolle, Mitbestimmung und Legitimation von politischer Macht.
Dennoch schwindet die Beteiligung an Wahlen auf allen Ebenen seit dem Rekordwahlergebnis der Bundestagswahl 1972 mit 91,1 Prozent kontinuierlich: zum Beispiel sank die Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen 1987 auf 84, 3 Prozent, 1990 sogar auf 77,8 Prozent, um sich dann in den Jahren 1994 und 1998 bei ungefähr 80 Prozent zu stabilisieren.2
Besonders auffallend ist die Zunahme der Wahlenthaltung auf kommunaler Ebene beziehungsweise bei Landtagswahlen, bei denen oftmals die ,,Partei der Nichtwähler" die beiden großen Volksparteien CDU/CSU und SPD überflügelt.
Den starken Rückgang der Wahlbeteiligung bezeichnet der Wahlforscher Eilfort als ,,(...) eines der herausragenden politischen Phänomene dieser Jahre."3 Doch wer ist Nichtwähler? Setzen sie sich aus einer einzelnen Schicht oder sozialem Milieu zusammen? Welche Gründe oder Ursachen führen zu Wahlabstinenz? Signalisiert die steigende Zahl von Nichtwähler eine Gefahr für das politische System, oder ist sie Anzeichen für eine Normalisierung in einer intakten Demokratie?
Diese Arbeit soll dem Leser Aufschluss über die Zusammensetzung der Nichtwählerschaft, ihre soziologischen Merkmale und mögliche Ursachen und Gründe ihrer Wahlabstinenz geben. Darüber hinaus sollen die steigenden Nichtwähleranteile aus demokratietheoretischem Blickwinkel beurteilt werden.
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Inhaltsverzeichnis
A) Phänomen Nichtwähler - Gefahr oder Normalisierung?
B) Untersuchung der Nichtwähler
1. Typologie der Nichtwähler
1.1 Der technische Nichtwähler
1.2 Der grundsätzliche Nichtwähler
1.3 Der konjunkturelle Nichtwähler
2. Methodische Probleme der Wahlforschung
3.1 Datenschutz und Aggregatdatenanalyse
2.2 Unaufrichtige Nichtwähler und „Overreporting“
2.3 Verschiedene Forschungsansätze zum Wahlverhalten
3. Untersuchung der Nichtwähler auf Individualdatenebene
3.1 Alter und Geschlecht
3.2 Konfession, Kirchgangshäufigkeit und sozio-geografische Faktoren
3.3 Sozio - ökonomische Faktoren und Grad der sozialen Integration
3.4 Cross - Pressure- Theorie
4. Wertewandel: Postmaterialismustheorie
5. Sinkende Wahlbeteiligung – Normalisierungstrend oder Krisensymptom?
5.1 Normalisierungsthese
5.2 Krisenthese
C) Wahlbeteiligung - kein Gradmesser für die Qualität des politischen Systems
Literaturverzeichnis
A) Phänomen Nichtwähler - Gefahr oder Normalisierung?
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“[1]
Dieser Satz ist unumstritten ein Kernbestand unserer demokratischen Tradition. Die politische Partizipation bei Wahlen gilt in Deutschland als Staatsbürgerpflicht. Die aktive Teilnahme am politischen Entscheidungsprozess dient als Instrument zur Kontrolle, Mitbestimmung und Legitimation von politischer Macht.
Dennoch schwindet die Beteiligung an Wahlen auf allen Ebenen seit dem Rekordwahlergebnis der Bundestagswahl 1972 mit 91,1 Prozent kontinuierlich: zum Beispiel sank die Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen 1987 auf 84, 3 Prozent, 1990 sogar auf 77,8 Prozent, um sich dann in den Jahren 1994 und 1998 bei ungefähr 80 Prozent zu stabilisieren.[2]
Besonders auffallend ist die Zunahme der Wahlenthaltung auf kommunaler Ebene beziehungsweise bei Landtagswahlen, bei denen oftmals die „Partei der Nichtwähler“ die beiden großen Volksparteien CDU/CSU und SPD überflügelt.
Den starken Rückgang der Wahlbeteiligung bezeichnet der Wahlforscher Eilfort als „(...) eines der herausragenden politischen Phänomene dieser Jahre.“[3] Doch wer ist Nichtwähler? Setzen sie sich aus einer einzelnen Schicht oder sozialem Milieu zusammen? Welche Gründe oder Ursachen führen zu Wahlabstinenz? Signalisiert die steigende Zahl von Nichtwähler eine Gefahr für das politische System, oder ist sie Anzeichen für eine Normalisierung in einer intakten Demokratie?
Diese Arbeit soll dem Leser Aufschluss über die Zusammensetzung der Nichtwählerschaft, ihre soziologischen Merkmale und mögliche Ursachen und Gründe ihrer Wahlabstinenz geben. Darüber hinaus sollen die steigenden Nichtwähleranteile aus demokratietheoretischem Blickwinkel beurteilt werden.
1. Typologie der Nichtwähler
Anhand von Ergebnissen der Wahlforschung, lässt sich die Gruppe der Nichtwähler grob in drei Typen einteilen: den technischen, den grundsätzlichen und den konjunkturellen Nichtwähler. Weil das Lager der Nichtwähler heterogen ist, liegen oftmals unterschiedliche Beweggründe für eine Wahlenthaltung vor.[4]
Deswegen ergeben sich für die Wahlforschung Probleme bezüglich der Allgemeingültigkeit ihrer Ergebnissen über das Nichtwählerverhalten.
1.1 Der technische Nichtwähler
Unter die Gruppe der technischen oder unechten Nichtwähler fallen Personen, die fälschlicherweise noch im Wahlverzeichnis geführt werden, aber aus „technischen“ Gründen, wie Tod, Unfall oder Umzug in eine andere Gemeinde ohne ordnungsgemäße Abmeldung zur Wahlenthaltung „gezwungen“ sind. Außerdem kann es zu Komplikationen bei der Briefwahl kommen, wenn das Kuvert mit den Wahlunterlagen zu spät zurückkommt, oder wenn der Briefwähler vergessen hat den Wahlschein mitzuschicken. Die Wahlforschung geht davon aus, dass die Gruppe der technischen Nichtwähler ungefähr 4-5% der Gesamtwählerschaft ausmacht[5] und „(...)selbst bei einer quasi-totalen Mobilisierung maximal eine Wahlbeteiligung von ungefähr 95% erreichbar scheint.“[6]
Dennoch hat diese Gruppe an Bedeutung nicht weiter zugenommen, weil die Wahlämter heute durch den Einsatz von Computern professioneller ausgestattet und somit die Wahlverzeichnisse präziser sind. Andererseits betreffen die technischen Nichtwähler mit großer Wahrscheinlichkeit alle Wählerschichten und Parteien gleich.[7]
1.2 Der grundsätzliche Nichtwähler
Ein weiterer Typ in der Gruppe der Nichtwähler sind die diejenigen, „die bei drei oder mehr aufeinanderfolgenden Wahlgängen der Urne fernbleiben“[8]. Darunter fallen Angehörige von Randgruppen, Sekten oder religiösen Minderheiten. Als Beispiel für eine Sekte eignen sich die Zeugen Jehovas, die gemäß ihrer eigenen Satzung zwar wählen dürfen, aber die Partizipation am politischen Prozeß traditionell ablehnen. Ferner finden sich in dieser Gruppe der grundsätzlichen Nichtwähler Gegner des parlamentarischen Systems. Diese verweigern die Wahl aus ideologischen Grundsätzen, nach dem Motto „Parlamentarismus: Schweine regieren, Esel wählen“.
Die grundsätzlichen Nichtwähler machen eine relativ kleine Gruppe aus - die Wahlforschung geht hier von 3-4 % der Wahlberechtigten aus. Diese Gruppe wirkt sich wegen ihrer grundsätzlichen und dauerhaften Nichtwahl nicht auf das Ergebnis von aufeinanderfolgenden Wahlen aus.[9]
1.3 Der konjunkturelle Nichtwähler
Das Hauptinteresse der Wahlforschung gilt der größten und wichtigsten Gruppe innerhalb der Nichtwählerschaft: der konjunkturelle Nichtwähler. Mitglieder dieser Gruppe sind trotz ihrer Wahlabstinenz meist politisch interessiert und überwiegend mit dem politischen System zufrieden. Sie entscheiden bewusst über ihre Beteiligung oder Nichtbeteiligung nach der „(...) bei einer bestimmten Wahl vorherrschenden politischen ‚Konjunktur‘, also den Rahmenbedingungen der Wahl“.[10] Man vermutet, dass die konjunkturellen Nichtwähler die Bedeutung einer Wahl abwägen. So registriert man stets „(...)hohe Wahlbeteiligungen bei Bundestagswahlen, niedrigere bei Landtags-und Kommunalwahlen und sehr niedrige bei Europawahlen (...).“[11]
Ein weiterer Faktor, der eine Rolle im Wahlverhalten dieser Gruppe spielt, ist der Einfluss auf den Wahlausgang sowie die Knappheit des Wahlausgangs: viele tendieren zur Stimmenthaltung wenn die Wahl ihrer Meinung nach schon entschieden ist.[12]
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Lager der konjunkturellen Nichtwähler das Wahlergebnis, wie auch das politische System stark beeinflusst. Diese Gruppe stellt nicht nur den Sinn einer Wahl in Frage, sondern „[nimmt auch] den gesamten Zustand der politischen Kultur heute und (...) die Leistungsfähigkeit des politischen Systems unter die Lupe (...)“.[13] ?
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[1] Grundgesetz Art. 22 Abs.2
[2] Michael, Eilfort, Die Nichtwähler. Wahlenthaltung als Form des Wahlverhaltens, Paderborn, Schönigh, 1994,
[3] Michael, Eilfort, Die Nichtwähler, (Anm.2), S.337
[4] Ebd., S.54
[5] vgl. Michael, Eilfort, Die Nichtwähler, in: Wehling, Hans-Georg, mit Beiträgen von Rainer-Olaf
Schultze ..., Wahlverhalten, Stuttgart, Kohlhammer, 1991, S.226
[6] Ebd., S.226
[7] vgl. Thomas, Kleinhenz, Die Nichtwähler, Ursachen der sinkenden Wahlbeteiligung in Deutschland,
Opladen, Westdeutscher Verlag, 1995, S.74
[8] Michael, Eilfort, Die Nichtwähler, in: Wahlverhalten, (Anm. 5), S.227
[9] vgl. Ebd., S.227
[10] Ebd., S.227
[11] Dieter, Roth, Sinkende Wahlbeteiligung – eher Normalisierung als Krisensymptom, in: Starzacher Karl
(Hrsg.), Protestwähler und Wahlverweigerer – Krise der Demokratie?, Köln, Bund-Verlag, 1992, S.63
[12] vgl. Dieter Roth, Sinkende Wahlbeteiligung - ..., in: Protestwähler und Wahlverweigerer, (Anm. 11),
S.64
[13] Ursula, Feist, Die Macht der Nichtwähler. Wie die Wähler den Volksparteien davonlaufen, München
Knaur, 1994, S.29
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