„Das Leben ist ein einzig ewiger Kreislauf – Wir werden geboren, um wieder zu sterben“. Dieses kleine Zitat macht den Wandel des Lebens deutlich. Das Leben entwickelt sich weiter und wir werden immer älter. Und wir alle gehören irgendwann einmal zu den älteren Menschen der Gesellschaft.
Wie in allen westlichen Industriestaaten verändert der demographische Wandel auch unsere Gesellschaft. So wird die Bevölkerung in D. von rund 82,5 Mio. Menschen im Jahr 2003 Prognosen zufolge um gut 10 % auf rund 74,1 Mio. im Jahr 2050 zurückgehen. Selbst wenn der Rückgang durch Zuwanderung und eine steigende Lebenserwartung geringer ausfallen sollte, wird sich auf jeden Fall die Bevölkerung auch in ihrer Struktur nachhaltig verändern: Der Anteil der unter 20-Jährigen wird (laut erstelltem Szenario) bis 2050 von gegenwärtig 20,6 % auf 15,7 % sinken.
Dagegen wird der Anteil der 65-Jährigen und Älteren von 17,7 % auf 30,8 % ansteigen. Der Anteil der 80-Jährigen wird sich sogar mehr als verdreifachen. Der Altersquotient, das Verhältnis von 65-Jährigen und Älteren zu den 20-Jährigen bis 64-Jährigen, wird sich von de facto 28,8 % bis etwa 2040 auf rund 57 % fast verdoppeln und bis 2050 in etwa auf diesem Niveau verharren .
Ein weites Feld tut sich hier auf. Es geht darum, die Seniorenpolitik sowie die soziale Lage älterer Menschen in Deutschland zu beleuchten.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Frühere und heutige Lebenslage älterer Menschen
1.1 Das Altern auf dem Land am Anfang des 19. Jahrhunderts
1.2 Das Altern im handwerklichen, städtischen Bereich
1.3 Das Altern im Industriezeitalter
1.4 Das heutige Altern der deutschen Gesellschaft (Einkommensverhältnisse, Wohn- und Gesundheitsbedingungen)
2. Demographischer Wandel in Deutschland
2.1 Gegenstand und Ziel der Demographie
2.2 Lebenserwartung
2.3 Regionale Unterschiede in der Lebenserwartung
2.4 Altersstrukturverschiebung
2.5 Familienstrukturen und Entwicklung der Haushalte
2.6 Strukturwandel des Alters und seine Auswirkungen
2.7 Demographische Vergleichszahlen aus dem Ausland
2.8 Gerontologie, Demographie und Altenpolitik
3. Gesellschaftliche Einflussnahme Älterer und Produktivität im Alter
3.1 Zwei gegensätzliche Theorien aus den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts und die wichtigsten produktiven Tätigkeiten im dritten Lebensalter bzw. der zweiten Lebenshälfte
3.2 Politische Einflussnahme alter und älterer Menschen - Seniorenvertretungen
4. Konzepte zu stationären Wohn-, Pflege- und Betreuungsformen
4.1 Konzepte zur Verbesserung der Betreuung und Versorgung im häuslichen Bereich und im Wohnfeld
Schlusswort
Fremdwörterverzeichnis
Literaturverzeichnis
Einleitung
„Das Leben ist ein einzig ewiger Kreislauf – Wir werden geboren, um wieder zu sterben“. Dieses kleine Sprichwort macht den Wandel des Lebens deutlich. Das Leben entwickelt sich weiter und wir werden immer älter. Und wir alle gehören irgendwann einmal zu den älteren Menschen der Gesellschaft.
Wie in allen westlichen Industriestaaten verändert der demographische Wandel auch unsere Gesellschaft. So wird die Bevölkerung in D. von rund 82,5 Mio. Menschen im Jahr 2003 Prognosen zufolge um gut 10 % auf rund 74,1 Mio. im Jahr 2050 zurückgehen. Selbst wenn der Rückgang durch Zuwanderung und eine steigende Lebenserwartung geringer ausfallen sollte, wird sich auf jeden Fall die Bevölkerung auch in ihrer Struktur nachhaltig verändern: Der Anteil der unter 20-Jährigen wird (laut erstelltem Szenario) bis 2050 von gegenwärtig 20,6 % auf 15,7 % sinken.
Dagegen wird der Anteil der 65-Jährigen und Älteren von 17,7 % auf 30,8 % ansteigen. Der Anteil der 80-Jährigen wird sich sogar mehr als verdreifachen. Der Altersquotient, das Verhältnis von 65-Jährigen und Älteren zu den 20-Jährigen bis 64-Jährigen, wird sich von de facto 28,8 % bis etwa 2040 auf rund 57 % fast verdoppeln und bis 2050 in etwa auf diesem Niveau verharren[1].
Nachdem das Rentenalter mit 65 erreicht ist, gehen wir sogleich ins „dritte Lebensalter“, der Spanne des rüstigen Rentenalters bis Beginn des Alters der Pflege. Das dritte Lebensalter gilt als historisch relativ neu und beinhaltet, die erste Phase nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben. In dieser Phase erfreuen sich die meisten Menschen durchaus guter Gesundheit, sie sind mobil, aufgeschlossen und leistungsfähig: Sie reisen viel, gehen alle vier Jahre zur Bundestagswahl und alle fünf zur Landtagswahl, engagieren sich im Seniorenstift, gehen mit ihren Enkeln auf den Spielplatz und arbeiten womöglich weiterhin ehrenamtlich in einem Verein. Sie gehören also noch lange nicht zum „alten Eisen“ und bis zum „vierten Alter“, der Pflegebedürftigkeit, ist es noch ein langer Weg. Mit dem „vierten Alter“ ist die Hochaltrigkeit gemeint. Dieser Lebensabschnitt beginnt mit etwa 80 Jahren.
Der Strukturwandel der Bevölkerung mit einem deutlich steigenden Anteil älterer, v. a. hochbetagter Menschen wirft zwei wesentliche Fragen auf: Inwiefern kann die Gesellschaft und der Staat den Anforderungen nach sozialer Sicherung und medizinischer Versorgung gerecht werden? Welche möglichen Gewinne ergeben sich für die Gesellschaft aus den immer älter werdenen Menschen.?
Ein weites Feld tut sich hier auf. Es geht darum, die Seniorenpolitik sowie die soziale Lage älterer Menschen in Deutschland zu beleuchten.
Mit der vorliegenden Hausarbeit möchte ich sozialpolitische Schlaglichter aufzeigen. Aufgrund der Weitläufigkeit der Thematik weise ich darauf hin, dass durch die Begrenzung auf einzelne Aspekte in der Hausarbeit, ich nicht in der vielleicht dafür notwendigerweise vorgesehenen Tiefe eingehen konnte.
1. Frühere und heutige Lebenslage älterer Menschen
Die Geschichte des Alltags der Älteren teilt man in zwei Epochen auf. Die erste Epoche geht bis zum Ersten Weltkrieg und die zweite Epoche umfasst die Zeitspanne danach. Diese Epochen galten für den europäischen Lebensraum und zeigen grundlegende Verschiedenheiten über das Altern auf. Dazwischen kann man einen längeren Übergangsprozess erkennen.
Man kann in den verschiedenen Berufsschichten soziale Unterschiede erkennen, in dem sich z.B. höhere Staatsbedienstete zum beginnenden 19. Jahrhundert bereits einen „geruhsamen“ Lebensabend leisten konnten. Dies war für die Arbeiter und Bauern nicht möglich. Das damalige Lebensalter betrug ca. 60 – 70 Jahre. Die Arbeiter und Bauern mussten bis zum Ende ihres Lebens arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Arbeiten war somit ein wichtiger lebensnotwendiger immer währender Prozess bis ins hohe Alter.
Der Anstieg der Lebenserwartung war dadurch in den Sozialschichten und Berufsgruppen unterschiedlich. Er setzte dann früher oder später ein. Erst am Ende des 19. Jahrhunderts und im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden die verschiedenen Gruppen der Älteren durch eingesetzte Pensionssysteme und durch die fortschreitende Medizin nach und nach abgesichert. Dadurch erhöhte sich die Lebenserwartung und das Sterberisiko sank. Dies betraf alle Altersschichten. Der Anteil der höheren Lebenserwartung bezieht sich heute vorwiegend auf Frauen. Baltes und Mittelstraß (1992) sprechen hier von einem Alter, welches heute wie noch nie in der Geschichte weiblich ist. Die im 20. Jahrhundert einsetzende „Normalität“ des Ruhestandes und der stetige Anstieg der Lebenserwartung machte es notwendig Einrichtungen zu schaffen, die die alten Menschen auffingen und materiell absicherten. Hier wurde die gesamte Gesellschaft mit in die Absicherung einbezogen.
In diesem Teil der Hausarbeit soll es darum gehen die frühere und heutige Lebenslage älterer Menschen im Bereich der Bundesrepublik darzustellen. Die früheren Zeiten, die dargelegt werden sollen, sind das Altern auf dem Land am Anfang des 19. Jahrhunderts, das Altern im handwerklichen, städtischen Bereich, das Altern im Industriezeitalter, das Altern ab dem 20. Jahrhundert. Das heutige Altern der deutschen Gesellschaft unter den Gesichtspunkten der Einkommensverhältnisse, Wohn- und Gesundheits-bedingungen.
1.1 Das Altern auf dem Land am Anfang des 19. Jahrhunderts
Im vorindustriellen Deutschland, war die Gesellschaft vorwiegend ländlich geprägt. Die Menschen lebten von und mit der Landwirtschaft. Viele hatten auch eine eigene Wirtschaft zu Hause, die ihnen die Nahrung für die eigene Familie absicherte. Insgesamt lebten in dieser Zeit ca. 80 % der Menschen auf dem Land. „Mehr als vier Fünftel der Menschen lebten direkt von der Landwirtschaft, wobei die Mehrzahl tagtäglich einen harten Kampf gegen eine unzerbrechliche Natur führen musste und der »Tyrannei des Getreides« ausgeliefert war. Dieser Kampf ums Überleben prägte die Lebensordnung. Vom Besitz von Boden, von der Bearbeitung des Bodens und von der Fruchtbarkeit des Bodens hing das Überleben in erster Linie ab. Leben hieß für den Bauern Arbeit und nochmals Arbeit, den Boden immer wieder bebauen, um nicht zu verhungern. […] Darum kreiste das ganze Denken und Handeln der bäuerlichen Gesellschaft um den Besitz von Boden und die optimale Gestaltung der Familie.“2
Damit waren die Menschen und Familien auf dem Land am Anfang des 19. Jahrhunderts direkt oder indirekt abhängig von der Landwirtschaft und hatten tagtäglich einen Kampf mit der „unzerbrechlichen“ Natur zu bestehen. Alle Mitglieder der Familie, auch die Kinder, hatten bei diesem Kampf mitzuarbeiten um den Lebensunterhalt zu sichern. Dabei wurde die Arbeit in den unterschiedlichen Arbeitsfeldern auf dem Land, im Stall und in der Küche etc. aufgeteilt. Alles drehte sich darum und jeder der Familie hatte sich dem unterzuordnen. Boden zu besitzen und ihn mit seiner Familie bearbeiten zu können, bedeutete auch Sicherheit im Alltag und später auch im Alter. Ohne Boden war man nichts.
In dieser bäuerlichen Gesellschaft wurde erst spät geheiratet (hohes Heiratsalter). Auch gab es eine hohe Ledigenquote, was damit zu tun hatte, dass die Nachfolger (die Kinder des Besitzers) eines Hofes so lange warten mussten bis sie den Hof übernehmen und eine eigene Familie gründen konnten. Auch die Neugründung des eigenen Haushalts gestaltete sich meist schwierig, da es in den Städten bis dahin auch noch keine Arbeit gab.[2] Dies bedeutete für den Nachfolger des Bauernhofs solange warten zu müssen, bis der Besitzer des Hofes verstorben war.
Ein ehemaliger Hofbesitzer hatte auch im Alter viel zu sagen. Auch wenn er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr die harten Arbeiten übernehmen konnte, so kümmerte er sich doch weiterhin eventuell um die Kinder seiner Kinder. In seinem Dorf war er bei allen beliebt und genoss viel Ansehen.
Alle schweren Arbeiten wurden jetzt durch die nachfolgende Generation übernommen. Dieser Gegensatz führte natürlich zu Streit und Konflikten zwischen den Generationen. Aber den Jüngeren blieb meist keine andere Wahl. Sie mussten auf dem Hof bleiben und sich unterordnen.
Diese Situation für die Jüngeren änderte sich erst mit der Industrialisierung in Deutschland; sie begann um 1840. Nun konnten sie aus dem Dorf auswandern und in die Städte gehen um dort ihr Glück zu suchen. Trotzdem
blieben die Jüngeren noch bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der schlechteren Position gegenüber den Älteren und mussten sich ihrem Willen beugen.
Grundsätzlich gab es keine Vorschrift für den Rückzug aus dem Arbeitsleben. Grundsätzlich arbeitete man so lange, bis die Kräfte nachließen. Die Bauern wählten meist den fließenden Übergang in den Ruhestand. Umso mehr die Kräfte nachließen, umso mehr zogen sie sich aus dem Arbeitsleben zurück. Eine Möglichkeit den Hof rechtlich zu übergeben und sich gleichzeitig abzusichern war, einen mündlichen oder schriftlichen Vertrag (Übergabevertrag) zwischen dem ehemaligen Besitzer des Hofes und dem übernehmenden Kind zu schließen. In ihm wurden Abmachungen verschiedenster Art festgehalten.
Individuell verschiedene Gründe führten zu einem Ausscheiden der Bauern aus dem Arbeitsleben. Diese bezogen sich meist auf Krankheiten, die durch das Alter hervorgerufen wurden. Ein Ausscheiden ging also mit altersbedingten Krankheiten einher. Das Übergeben des Hofes an den Nachfolger zog sich oft hin, da manche Hofherren nicht loslassen konnten. Dies geschah oft auf Druck der Nachrückergeneration dann doch.
Die ältere Generation versuchte sich auf für das Alter so gut wie möglich abzusichern, um auch nach der Übergabe des Hofes an die nachfolgende Generation eine Lebensgrundlage zu behalten. So wurden teilweise sämtliche Rechte und Pflichten für den Nachfolger vertraglich im Übergabevertrag festgehalten. Durch diesen „Tauschhandel“ waren die Älteren materiell abgesichert. Dadurch übte der ehemaligen Hofbesitzer durch diesen Vertrag Einfluss gegenüber seinen Kindern aus.
Nach 1830 stieg, auf Grund der steigenden Gewinne in der Landwirtschaft, die Anzahl der Ruheständler. Die Struktur des Lebenslaufs änderte sich von der sehr kurzen Kinder- und Jugendphase mit darauf folgenden Erwerbsphasen bis zum Ende des Lebens. Ein Lebenslaufideal war eine verlängerte Kinder- und Jugendphase, eine dadurch kürzere Arbeitsphase und ein arbeitsfreier Lebensabend. Nur reichere Menschen konnten sich so einen verfrühten Lebensabend leisten, wobei dies für ärmere Bauern weiterhin graue Theorie blieb. Arbeiten bis ins Grab blieb für sie weiterhin überlebensnotwendig. Am Anfang des 19. Jahrhunderts, der vorindustriellen Zeit, lebte man vorrangig für die Arbeit und die Familie.
Zusammenfassend lässt sich für diese Zeit sagen, dass sie geprägt war von permanentem Misstrauen unter den Mitgliedern der Familie. Wahrscheinlich war deshalb eine Achtung und Würdigung gegenüber alt gewordenen Familienmitglieder und auch Mitmenschen oft nicht gegeben. War der Altbauer mit seiner Familie nicht allzu reich, musste er sich nach seinem Ruhestand in eine karge Ecke des Hauses zurückziehen und dort leben. Dies waren meist Behelfslösungen. Die Generationen lebten so über längere Zeit zusammen und standen sich regelrecht auf den Füßen, was zu Konflikten und Kleinkriegen führte. Konflikte zwischen Jung und Alt waren keine Seltenheit und kamen oft Tag für Tag vor. Trotz geringerer Lebenserwartung der Älteren, mussten sie noch eine Weile mit der jüngeren
Generation zusammenleben. Das Verhältnis zwischen Jung und Alt besserte sich erst mit der beginnenden Industrialisierung und später dann mit der Einführung der Rentenversicherung.
1.2 Das Altern im handwerklichen, städtischen Bereich
Im handwerklichen, städtischen Bereich lebten die Generationen ähnlich eng zusammen wie auf dem Land. Das Leben der Handwerker spielte sich natürlich vor allem in der Stadt ab. Es herrschte eine gleiche Abhängigkeit vom Wetter, wie auf dem Lande. Wenn die Preise der Lebensmittel durch das schlechte Wetter anstiegen, so konnten kaum noch Aufträge im Gewerbe der Handwerker vergeben werden, da die Menschen weniger Geld zur Verfügung, um es auszugeben. Nahrung kaufen und die Familie versorgen hatte in diesem Falle Priorität. Die damals häufig vorkommenden Berufszweige waren Weber, Schneider, Tuchmacher oder Schuhmacher. Diese starben mit der beginnenden Industrialisierung nach und nach aus.
Vor allem die ältere Generation der Handwerker war davon abhängig, dass das Geschäft lief. Es gab nur wenig wirklich reiche und wohlhabende Handwerker, die Rücklagen hatten und so bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf diese zurückgreifen konnten.
„Wie auch den meisten Bauern, so stand auch dem Gros der Handwerker im Alter nur eine Lösung offen. Sie mussten weiterhin auf die eigene Arbeitskraft vertrauen, mussten sich dabei zum Teil nach anderen Einnahmen umsehen und die Kosten der Haushaltsführung senken. Eine Fortführung der beruflichen Tätigkeit war aufgrund der im Vergleich zur Landwirtschaft geringeren körperlichen Belastung meist problemlos möglich.“[3]
Andere Einnahmen konnten die Handwerker dann durch andere Tätigkeiten, wie z. B. niedere Hilfsarbeiten als Tagelöhner, erhalten. Die im Zitat angesprochenen Einsparungen konnten die Handwerker dadurch erreichen, dass sie Arbeitskräfte (z. B. Dienstboten oder Mägde) einsparten oder einfach keine Gesellen oder Lehrlinge mehr einstellten. Ähnlich wie die Bauern mussten die Handwerker also auch bis an ihr Lebensende arbeiten, was sich auf Grund der Möglichkeiten in der Stadt wohl etwas leichter gestaltete. Trotzdem war es auch für die Handwerker oft so, dass sie bis an das Ende ihrer Tage arbeiten mussten. Sie wohnten in der Stadt meistens mit mehreren Familien zusammen. Eine Übergabe des Betriebes an die Nachfolgegeneration war solange ausgeschlossen, bis der Betrieb zwei Familien tragen konnte. Dies galt vor allem für die zuvor genannten aussterbenden Berufe. Für sie war die Situation am schwierigsten.
Im Alter wohnten die Handwerker oft mit ihren eigenen Kindern zusammen. Dies lag daran, dass die Frauen noch bis Mitte des 40. Lebensjahres Kinder bekamen und somit noch bis ins 60. Lebensjahr hinein die Kinder im eigenen Haushalt lebten (Anmerkung: 65 Jahre galt im 18. und 19. Jahrhundert als hohes Alter). Umso älter sie dann wurden, desto mehr nahm zwar die Anzahl
der Kinder ab, die bei ihren Eltern wohnten, aber die Pflegebedürftigkeit der Eltern zu. Dadurch traten dann meist neue Bewohner an die Stelle der Kinder (Vermietung von Teilbereichen der Wohnung).
1.3 Das Altern im Industriezeitalter
Noch lange blieb es den Menschen - ob auf dem Land oder in der Stadt - nicht vergönnt, einen würdevollen und „geruhsamen“ Lebensabend zu erhalten. Sie waren darauf angewiesen bis ins hohe Alter hinein zu arbeiten. Ein arbeitsfreier Lebensabend wurde auch ideologisch im 19. Jahrhundert nicht angestrebt. Meist mussten für die Alterssicherung verschiedene Lösungen herhalten, die aber natürlich nur Notlösungen sein konnten. Zum Beispiel war es damals wichtig, ein dichtes humanes Netzwerk aufzubauen. Dieses Netzwerk bestand vor allem aus Mitgliedern der eigenen Familie, Bekannten oder auch ehemaligen Arbeitskollegen. Nur so konnte man sich geringfügig absichern.
Heute gibt es ein Renten- und Pensionssystem, das die älteren und alten Menschen finanziell absichert. Im Industriezeitalter war das noch nicht ganz so der Fall. Erst 1889, also fast 50 Jahre nach dem Beginn des Industriezeitalters in Deutschland, führte Bismarck als erster Reichskanzler die Rentenversicherung ein. Ab dem 70. Lebensjahr wurden dann feste Beträge ausgezahlt. Wenn man bedenkt, dass damals die durchschnittliche Lebenserwartung immer noch so zwischen 62 und 65 Jahren lag, erreichte kaum jemand die Rente bzw. Pension. Wer also nicht durch irgendwelche Jobs im Alter sein Einkommen aufbesserte, wie z. B. als Nachtwächter oder Totengräber, der fand sich schnell im Armenhaus wieder. Wer erst einmal dort war, hatte einen äußerst kargen Lebensabend und eine geringe Chance es wieder zu verlassen. „Hier mussten die Alten ihre gesellschaftliche Mitgliedschaft gegen Unterkunft und Verpflegung eintauschen; sie mussten den »sozialen Tod« akzeptieren. Die Armen verlebten in diesen Häusern einen kargen, inhaltsleeren und freudlosen Lebensabend und wurden durch eine rigide Anstaltsordnung in ihren Freiheiten stark beschnitten.“[4]
Durch die heutige hohe Lebenserwartung ist es heute wahrscheinlicher, im hohen Alter durch die eigenen Kinder versorgt zu werden
Und wie sah es für die im Industriezeitalter vielen alten ledigen Menschen aus? Ihnen ging es deutlich schlechter, als den mit einem dichten Netzwerk ausgestatteten Menschen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, hatten die alten Ledigen viele große wirtschaftliche Probleme, was auch ein bedeutender Grund für ihr eheloses Leben war. Diese äußerst unbefriedigende Situation änderte sich auch mit der Industrialisierung nicht. Auch wenn sie jetzt oft die neue Möglichkeit des Auswanderns in eine andere Stadt oder sogar in ein anderes Land nutzten, um dort zu arbeiten, taten sich deswegen eher neue Probleme auf. Dadurch, dass sie arm waren, wurden sie dort, wo sie nun waren, abgeschoben. Als Zugewanderte bekamen sie bis ca. 1850 keine Unterstützung, da sich das Unterstützungsprinzip auf den
Geburtsort beschränkte. Erst nach 1850 wurde dieses Prinzip abgeändert und sie durch ihre neue Heimat unterstützt. Viele Menschen, die vom Land in die Stadt gezogen waren, um dort Arbeit zu finden und eine Familie zu gründen, arbeiteten meist als Fabrikarbeiter oder Bergmann, wodurch sich neue Probleme auftaten.
Im weiteren Verlauf des Industriezeitalters erhöhte sich für viele alte Menschen die Arbeitsbelastung und führte so zu einem Ausschluss aus dem Arbeitsprozess. Infolge dessen wurden die freigesetzten Arbeitsplätze im zunehmenden Maße durch jüngere und kräftigere Menschen ersetzt. Nur diese hielten einer solchen Mehrbelastung stand. Die Folge waren gesundheitliche (durch die harte Arbeit) und wirtschaftliche (durch den Verlust der Arbeit) Probleme der alten Menschen. „Solange die Fabrikarbeit lediglich eine Passage im Leben des Arbeiters blieb, änderte sich für den alternden Arbeiter gegenüber den Verhältnissen der Agrargesellschaft kaum etwas.“[5]
Erst im Verlauf der Industriegesellschaft, nach der Einführung von Unfall-, Kranken- und Rentenversicherung änderte sich auch langsam etwas an den Verhältnissen der Menschen. Durch diese staatlichen Versicherungen, die Bismarck Ende des 19. Jahrhunderts einführte, wurde versucht die alten Arbeiter wieder auf das Land zu locken, da es dort billiger war als in der Stadt. Auch sollten durch die Rückkehr aus der Stadt, die wenigen auf dem Land arbeitenden Menschen unterstützt werden. Neue Beziehungsnetzwerke konnten dadurch allerdings nicht so einfach wieder aufgebaut werden. Die alten Menschen hatten auf dem Land einen schweren Stand. Durch den Weggang aus dem Familienbund und dem gewohnten Umfeld lösten sich auch die Verwandtschaftsbeziehungen auf, was zu erhöhter Altersarmut führte. Eine Folge war, dass die Armenfürsorge stark belastet wurde. Auch konnten die Versprechungen, die durch das neue Rentensystem gemacht wurden, im Verlauf des beginnenden 20. Jahrhunderts nicht eingehalten werden. Schon mit dem ersten Weltkrieg wurde die Rentenkasse „geplündert“ und so standen die meisten alten Arbeiter, die die Rente erwarteten, wieder auf der Straße.
[...]
[1] Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand 2000; Rürup-Kommission
[2] Quelle: Jansen/Karl/Radebold/Schmitz-Scherzer, Soziale Gerontologie, Ein Handbuch für . Lehre und Praxis, Beltz Handbuch, Weinheim u. Basel 1999, S. 127
[3] Quelle: Jansen/Karl/Radebold/Schmitz-Scherzer, Soziale Gerontologie, Ein Handbuch für . Lehre und Praxis, Beltz Handbuch, Weinheim u. Basel 1999, S. 132
[4] Quelle: Jansen/Karl/Radebold/Schmitz-Scherzer, Soziale Gerontologie, Ein Handbuch für. Lehre und Praxis, Beltz Handbuch, Weinheim u. Basel 1999, S. 135
[5] Quelle: Jansen/Karl/Radebold/Schmitz-Scherzer, Soziale Gerontologie, Ein Handbuch für. Lehre und Praxis, Beltz Handbuch, Weinheim u. Basel 1999, S. 137
- Arbeit zitieren
- Konstantin Bodach (Autor:in), 2005, Seniorenpolitik und soziale Lage älterer Menschen in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41031
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