Theater und Katechese in Mexiko


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

29 Seiten, Note: 2


Leseprobe


INHALT

0. Inhalt, Methoden und Ziel der Arbeit

1. Geschichtlicher Hintergrund

2. Vorkoloniale Theaterformen

3. Die Theatersituation in Spanien

4. Das evangelisierende Theater

5. El lucero de nuestra salvación / Holy Wednesday

6. Der Verfall des evangelisierenden Theaters

7. Zusammenfassung und Schlussgedanken

8. Bibliographie

0. Inhalt, Methoden und Ziel der Arbeit

Außerhalb der spanischsprachigen Welt ist nur wenig über die Katechese Lateinamerikas bekannt. Es herrscht die plakative Vorstellung von geplagten Missionaren vor, welche sich zu den Indio-Dörfern durchkämpfen, und dort das Wort Gottes vorleben und predigen. Diese Vorstellung ist teilweise auch richtig, doch werden dabei viele Probleme des 16. Jahrhunderts ausgeblendet und wesentliche Faktoren nicht berücksichtigt. Die bestehende Sprachbarriere, die Gewaltherrschaft der Kolonialherren, die Entwicklungsstufe der Indios und die damalige politische Situation beeinflussten unter anderem die Katechese Lateinamerikas entscheidend. Am Beispiel Mexikos und der dort ansässigen Nahuas wird in der vorliegenden Arbeit dargestellt, wie speziell Theateraufführungen zum Zweck der Evangelisierung genutzt wurden.

Im Folgenden wird zunächst einmal kurz auf den geschichtlichen Hintergrund, die vorkoloniale Theaterform der Nahuas und die Theatersituation in Spanien eingegangen, bevor das evangelisierende Theater erläutert und anhand eines Textbeispieles die spezifischen Charakteristika analysiert werden. Abschließend wird der Verfall des evangelisierenden Theaters skizziert.

In meiner Arbeit beziehe ich mich überwiegend auf Literatur von Horcasitas, (1974), Burkhart (1996) und Williams (1992).

1. Geschichtlicher Hintergrund

1524, fünf Jahre nach der Eroberung Mexikos durch Hernán Cortés wurden erstmals zwölf Missionare entsandt um die Nahuas zu evangelisieren. Den ersten Franziskanermönchen folgten in den Jahren darauf Dominikaner, Augustiner und Jesuiten. Doch die Evangelisierung der Nahua-Volksstämme war nicht einfach, da diese alles andere als eine homogene Gruppe waren. Die Eroberung Mexikos war Hernán Cortés vor allem durch das geschickte Lancieren und Dirigieren kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Nahua-Volksstämmen gelungen. Die Tatsache, dass den Nahuas wichtige Elemente des zivilen europäischen Lebens wie das Alphabet, eine gemeinsame Religion, eine organisierte Regierung, Waffen und Metalle unbekannt waren, erschwerten die Hispanisierungsversuche der Mönche. Dazu kam, dass innerhalb der Nahuas selbst unterschiedliche Entwicklungsstufen vorlagen, die einzelnen Volksstämme in Oberschicht und Unterschicht unterteilt und auch sonst streng organisiert waren, was sich allein schon an der strikten geometrischen Anordnung der Stadtzentren und der komplexen Errichtung und Ausrichtung verschiedener Heiligtümer aufeinander ablesen lässt.

Anfangs tauften die Mönche die Nahuas massenweise mit einem Minimum an religiöser Unterweisung. Um ungeachtet der Sprachbarriere möglichst schnell mit der Katechese beginnen zu können, entwickelten die Mönche daraufhin verschiedene Methoden. So unterrichteten sie die christliche Doktrin mittels Bildern oder Zeichnungen, die dem ikonographischen Schriftsystem der Nahuas am nächsten kamen. Daneben griffen sie auf die graphische Einbettung von Buchstaben in allgemeine Objekte zurück, um die Form einprägsamer zu gestalten. Oder sie stellten das Phoneminventar des Spanischen graphisch mit Objekten dar, deren Initiallaut dem jeweiligen spanischen Laut glich. Auch sind Dokumente belegt, in welchen Hieroglyphen, Zeichnungen und lateinische Schrift alternieren.

Während der Messen, welche manchmal vor tausenden von Nahuas in offenen Kapellen gehalten wurden, behalfen sie sich einer Umsetzung ihrer Predigten mit Hilfe von Gemälden und Bildern: bei der Kreuzigungsszene, so McAndrew (1965, 215) stachen sie mit einer Lanze in den auf einer Leinwand dargestellten Körper Jesus Christus und simulierten das austretende Blut mit Hilfe von rot gefärbtem Wasser. Oder es wurde zur Symbolisierung von Christi Himmelfahrt ein Bild von Jesus Christus mit Seilen Richtung Himmel gezogen.

Der Einfallsreichtum der Mönche schien unbegrenzt zu sein, doch es war offensichtlich, dass eine weitergehende Evangelisierung nur mit Hilfe von Sprachkenntnissen möglich war. Da das Primärziel der Orden nicht so sehr die Konvertierung der Massen als die Rettung der Seele war, gründeten die Mönche in den Konventen zunächst provisorische Schulen für die Söhne der indigenen Oberschicht. Die Erwachsenen wurden an Sonn- und Feiertagen unterwiesen. 1536 wurde dann das Colegio de Santa Cruz in Tlatelolco, (Mexiko-Stadt) gegründet. Dort lernten die jungen Nahuas mit großem Erfolg das Lesen und Schreiben in den drei Sprachen: Nahuatl, Latein und Spanisch, wobei auf letztere weniger Wert gelegt wurde. Die Symbiose ist offensichtlich: der Sprachkontakt mit den heranwachsenden Nahuas half auch den Mönchen, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, und die Novizen dienten später als kulturelle Mittler und Vorbilder.

Bereits ab 1530 war es mit Hilfe der Nahua Novizen möglich, dass ein neues Medium zur Katechese eingesetzt wurde: die Aufführung von Theaterstücken mit christlicher Botschaft. Erzählungen aus dem Alten Testament, Geschichten aus dem Leben Jesus Christus und der Heiligen, Parabeln, allegorische Erläuterungen der Sakramente und Interpretationen der Passion wurden an kirchlichen Feiertagen oder Sonntagen aufgeführt. Schauplatz waren offene Kapellen oder der Patio der Kirche, welche oftmals an derselben Stelle errichtet worden waren, wie die ursprünglich heidnischen Tempel.

Das Theater als Mittel der Katechese setzte sich allmählich gegen das reine Predigen durch und wurde zum stärksten Kommunikationsmittel. Nur wenige Textstellen beziehen sich überhaupt auf diese Tatsache, und geben Gründe für die Wahl dieses Mediums an. So zum Beispiel Pater Vetancurt (1871, III. 131):

“Esto (el teatro) instituyeron los primitivos padres, porque como los naturales no tienen más entendimiento que los ojos, les ponen a la vista los misterios para que queden en la fe más firmes.”

Kritisch anzumerken ist hier allerdings, dass diese Meinung zeitlich um etwa 100 Jahre versetzt ist, und somit nicht unbedingt die Motive der frühen Missionare tatsächlich trifft.

Aus didaktischer Sicht der Mönche musste eine audiovisuelle Darstellung gut zur Übermittlung der neuen Religion, des neuen Moralkodexes und der neuen kulturellen Gegebenheiten geeignet sein. Zum einen waren Theatervorstellungen sehr beliebt und wandten sich an ein größeres Publikum, das auch heterogener zusammengesetzt war. Zu den Aufführungen, die im Vorfeld durch das Verteilen von Almosen, Kleidungsstücken und Essen beworben wurden, kamen Indios, Kreolen und Spanier, manche Aufführungen hatten bis zu 800 Mitwirkende und zwischen 20.000 und 30.000 Zuschauer.

Zum anderen konnten das Wort Gottes und die christlichen Pflichten eindrucksvoll und nachhaltig auf der Bühne dargestellt werden. Die Beteiligung von Nahuas als Schauspieler bot zudem den Vorteil, dass sich das Publikum mit dem Dargebotenen leichter identifizieren konnte, und sich die Botschaft so besser einprägte. Den Nahuas dienten die Theateraufführungen als Ersatz der heidnischen Rituale. Die beteiligten Nahuas, welche aus der Oberschicht stammten, festigten so ihre Rolle als Mittler zwischen den spanischen Herrschern und den Nahuas und konnten so Privilegien und Ansprüche weiterhin durchsetzen. Außerdem hatte das Theater auch eine Funktion der Selbstlegitimation: sie stellten sich selbst als gläubige Christen dar, welche das Christentum verstehen und leben.

2. Vorkoloniale Theaterformen

Um den Erfolg des evangelisierenden Theaters nachvollziehen zu können, muss man die vorkolonialen Theaterformen betrachten. Obwohl den Nahuas die europäische Form des Theaters mit Skripten, vorgegebenen, schriftlich fixierten Sprechrollen und Regieanweisungen vollkommen fremd war, inszenierten sie in vorspanischer Zeit selbst auch Tänze, kurze Dramen, Zwiegesänge, und pantomimische Szenen mit soviel Pomp und Dramaturgie, dass diese die europäische Theaterform bei weitem übertrafen. 20 Tage ohne Pause dauerten die Aufführungen während religiöser Zeremonien, deren Ziel es war, dass sich das Publikum intensiv als Kreatur erlebte, und seines Schicksals und seiner Vergänglichkeit bewusst wurde. Daneben suchten die Nahuas in ihren Theaterriten auch eine Annäherung an ihre Götter, um zu verstehen, wie das menschliche Schicksal vom Kosmos beeinflusst wird. Nach Williams (1992, 32) finden sich auch sozialkritische und didaktische Elemente im Nahua-Theater wieder.

Belege dafür finden sich bei Tovar, (1878, 119-120) der die Aufführung im Haupttempel zu Ehren der Blumengöttin Xochiquetzalli beschreibt:

“Este templo tenía un patio mediano, donde el día de su fiesta se hacían grandes bailes, regocijos y muy graciosos entremeses, para lo cual había en medio de este patio un pequeño teatro. Salían los representantes donde hacían entremeses, fingiendo sordos, arromadizos, cojos, ciegos y mancos, viniendo a pedir sanidad al ídolo, los sordos respondiéndole adefecios, y los arromadizados tosiendo y sonándose, y los cojos cojeando decían sus miserias y quejas que hacían reír grandementa a los de pueblo. [...]”

Die Reaktion des Publikums, so Williams, zeige dass die Moral der Aufführung, sich nicht ähnlich lächerlich zu benehmen, verstanden worden sei. Wie an obigem Textbeispiel bereits zu sehen war, gab es bestimmte Aufführungsorte, an welchen die Dramen, Tänze und Gesänge inszeniert und auch geprobt wurden. Als Requisiten dienten Gegenstände aus der Natur wie Steine, Zweige oder Blumen. Nachlesen kann man dies unter anderem auch in der Überlieferung des Dominikanermönches Diego Duran, (1537-1588)[1].

„El baile de que ellos más gustaban era el que, con aderezos de rosas, se hacía, con las cuales se coronaban y cercaban. Para el cual baile, en el momoztli principal del templo de su gran dios Huitzilopochtli hacían una casa de rosas, y hacían unos árboles a mano, muy llenos de flores olorosas, adonde hacían sentar a la diosa Xochiquetzalli. Mientras bailaban, descendían unos muchachos vestidos todos como pájaros, y otros como mariposas; muy bien aderezados de plumas muy ricas, verdes y azules y coloradas y amarillas, y subíanse por estos árboles y andaban de rama en rama, chupando del rocío de aquellas rosas. Luego salían los dioses, vestidos cada uno con sus aderezos, como en los altares estaban, vistiendo indios a la mesma manera, y con sus cerbatanas en las manos andaban a tirar a los pajaritos fingidos que andaban por los árboles. De donde salía la diosa de las rosas, que era Xochiquetzalli, a recibirlos, y los tomaba de las manos y los hacía sentar junto de sí, haciéndoles mucha honra y acatamiento, como a tales dioses merecían. Allí les daba rosas y humazos [...] y hacía venir a sus representantes y hacíales dar solaz.”

[...]


[1] hier zitiert nach Rojas (1973, S. 18)

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Theater und Katechese in Mexiko
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Romanische Philologie)
Veranstaltung
Amerikanische Katechese: Bild und Text
Note
2
Autor
Jahr
2004
Seiten
29
Katalognummer
V41169
ISBN (eBook)
9783638394918
Dateigröße
616 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theater, Katechese, Mexiko, Amerikanische, Katechese, Bild, Text
Arbeit zitieren
Stephanie Helmer (Autor:in), 2004, Theater und Katechese in Mexiko, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41169

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Theater und Katechese in Mexiko



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden