Louis Henry Sullivan


Dossier / Travail de Séminaire, 2005

40 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1.0 Sullivans Biographie

2.0 Sullivans Architekturtheorie

3.0 Sullivan und die Chicago School

4.0 Sullivans Hochhäuser
4.1 Das große Bürogebäude, künstlerisch betrachtet
4.2 Das Auditorium Building
4.3 Das Wainwright Building
4.4 Das Schlesinger & Mayer Department Store (heute Carson Pirie Scott Store)

Resümee

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Einleitung

Louis Henry Sullivan prägte den Satz „Form follows Function“, der heutzutage wahrscheinlich bekannter ist als der Architekt selbst. Doch was verbirgt sich hinter diesem Lehrsatz? Der Brockhaus weist unter dem Begriff „Funktion“ die Synonyme „Aufgabe, Tätigkeit, Stellung“ auf[1], des weiteren divergiert die Bedeutung des Begriffs im Zusammenhang mit verschiedenen Wissenschaften, wie der Mathematik, der Philosophie, der Medizin und der Sprache. Die Aufgabe die das Gebäude erfüllt, also seine Nutzung, sollte aus der Form, aus seinem äußeren Erscheinungsbild hervorgehen. In verschiedenen Lexika wird außerdem auf den Funktionalismus hingewiesen, der sich um 1920 in der Architektur etablierte. Dort heißt es, dass diese Kunstrichtung dem Objekt „Zwecke und Aufgaben zuweist“ und deshalb „der Gebrauchszweck [...] über die Form entscheiden [soll].“[2] Als Vertreter wird das Bauhaus genannt, deren Umgang mit dem Objekt sich jedoch, trotz der vergleichbaren Intention, von Sullivans unterscheidet.

Wie Sullivan „Form follows Function“ umsetzte, wie seine weitere Architekturtheorie aussah und wie er diese in seinen Gebäuden verwirklichte, ist Thema dieser Hausarbeit. Da Sullivans Kindheit ihn in seiner Theorie beeinflusste, die in seiner Biographie „The Autobiography of an Idea“[3] aus dem Jahr 1924 nachzuvollziehen ist, wird das erste Kapitel das sein Leben beleuchten, um darauf aufbauend seine Architekturtheorie und auf ihn einwirkende und von ihm ausgehende Einflüsse zu erörtern. Den Abschluss der Arbeit bilden drei seiner Gebäude, das Auditorium, das Wainwright Building und das Schlesinger & Mayer Department Store, die als Beispiele vorgestellt werden. An ihnen wird versucht, die Umsetzung seiner Architekturtheorie zu hinterfragen.

1.0 Sullivans Biographie

Louis Henry Sullivan wurde am 3. September 1856 in Bosten, als der jüngere zweier Brüder geboren. Seine Eltern, sie kamen beide aus Europa, führten eine Tanzschule, so dass Louis oft bei seinen Großeltern auf dem Land in South Reading lebte und aufwuchs. Im Alter von acht Jahren wurde er in Bosten eingeschult, jedoch empfand er die Lehranstalt immer als Gefängnis, welches „dulled his faculties, slackened his frank eagerness, ignored his abundant imagination, his native sympathy[4]. Bei seinen Großeltern auf dem Land hatte er die Möglichkeit die Natur zu beobachten und begann sich für sie zu interessieren und von ihr zu lernen. Die Schule unterstützte ihn dabei keineswegs. Trotzdem erschuf sich Sullivan eine eigenständige „Religion“ aus seiner Umgebung, die ihn bis ins Erwachsenendasein begleitete und ihn in seiner Architekturtheorie beeinflusste.[5]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sullivan beschreibt in seiner „Autobiography“ zwei Schlüsselerlebnisse, die ihn in seiner Wahl den Beruf des Architekten zu ergreifen beeindruckten und beeinflussten:

Der erste Vorfall ereignete sich bei einem Picknick mit seiner Familie in Newburyport, wo sie den Sommer 1863 verbrachten. Louis hatte sich von dem Picknicksplatz entfernt und war den naheliegenden Fluss stromabwärts entlanggelaufen, bis sich, hinter einer Biegung „an enormous terrifying mass, that overhung the broad river from bank to bank[6] auftat. Erst hatte er Angst, vor den in der Luft schwebenden Ketten und den riesigen Steintürmen, zwischen denen das Eisen schwerelos zu sein schien. Verängstigt von dieser enormen Kraft rief er nach seinem Vater, der ihn beruhigte und ihm erklärte, dass dies eine Brücke sei, wie sie funktioniere und welchen Zweck sie habe. Louis Angst verwandelte sich daraufhin in Ehrfurcht und Bewunderung, denjenigen Menschen gegenüber, die ein solches Bauwerk errichten konnten.[7]

„There, again, it hung in air – beautiful in power. The sweep of the chains so lovely, the roadway barely touching the banks. And to think it was made by men! How great must men be, how wonderful; how powerful, that they could make such a bridge; and again he worshipped the worker.”[8]

Seine zweite Begegnung mit dem Beruf des Architekten fand in Bosten statt, wo die Sullivans seit 1870 lebten. Beim Schlendern durch die Stadt viel ihm ein Mann auf, der ein Gebäude verließ, sich in seinen Wagen setzte und dem Fahrer das Zeichen zum losfahren gab. An dieser alltäglichen Situation beeindruckte Louis Sullivan die Erhabenheit und Würde, die der Mann ausstrahlte. Er wollte wissen wer dieser Mann war und fragte einen Arbeiter. Er erklärte ihm, dass der Mann der Architekt des Gebäudes gewesen sei, derjenige, der die Pläne für den Bau aufsetze, die Räume ausrichte, die Front zeichne und jedermanns Chef sei. Das Aussehen des Gebäudes entwerfe er dabei aus dem Kopf.[9] Dies beeindruckte Louis so sehr, dass er sich für den Beruf des Architekten entschied:

„How could a man make so beautiful a building out of his head? What a great man he must be; what a wonderful man. Then and there Louis made up his mind to become an architect and make beautiful buildings ‘out of his head.’”[10]

Sein Vater war mit seiner Entscheidung einverstanden und so begann Louis Sullivan 1872 seine Ausbildung zum Architekten. Er wurde an einer der bedeutsamsten Architekturschulen, am „MIT“, dem „ Massachusetts Institute of Technology“ in Boston angenommen. Dort lernte er die Lehre der École des Beaux Arts kennen und entscheid sich daraufhin, da er die Praxis erfahren wollte und er der Ansicht war, ihn bringe die Theorie nicht weiter, das MIT nach einem Jahr abzubrechen, um nach Paris zu gehen.[11] Sullivan reiste jedoch zuerst über New York und Philadelphia nach Chicago, wohin seine Eltern gezogen waren. In Philadelphia arbeitete er kurzfristig für Furness & Hewitt. In dessen Büro lernte er auch Frank Furness’ Freund, den Transzendentalisten Ralph Waldo Emerson kennen, der Sullivan wesentlich durch seine naturbezogenen Philosophie in seiner Architekturtheorie beeinflussen sollte.[12]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Als Sullivan in Chicago bei seinen Eltern ankam war zwei Jahre zuvor (1871) annähernd das gesamte Stadtzentrum bei einem Brand zerstört worden. Daraus resultierend war die Aussicht auf Arbeit für einen Architekten sehr gut. Dies hielt Sullivan bis 1874 in Chicago. Er arbeitete im Büro von William Le Baron Jenny, bei dem er viele Vertreter der späteren „Chicago School of Architecture“ kennen lernte.

Achtzehnjährig trat Sullivan endlich seine Reise über England nach Paris an, wo er die École des Beaux-Arts besuchen wollte. Nach der bestandenen Aufnahmeprüfung schrieb er sich im freien Atelier von Emile Vaudremer ein und besuchte die Vorlesung von Hippolyte Taine. Dieser beeindruckte Sullivan mit seiner Ansicht, dass jedes große Kunstwerk Ausdruck einer bestimmten Kultur sei, da bei jedem neuen Problem die Menschen einen eigenen Stil und eine eigene Form finden müssten es zu lösen, so dass die Kunst das Leben eines Volkes widerspiegele.[13] Doch nicht nur dessen Einfluss sog Sullivan in sich auf. An der École des Beaux-Arts war Kritik am Klassizismus lautgeworden. Die romantische Schule stellte sich gegen die klassische Architektur. Es wurden neue Vorbilder bei den Griechen und in der Gotik gesucht. Vorreiter hierbei waren Henri Labrouste, sowie Viollet-le-Duc, die sich innerhalb der École des Beaux-Arts nicht hatten durchsetzen können. Doch auch nach ihnen hatten sich Gruppen formiert, die ihre Theorien lebendig hielten. Vaudremer, bei dem Sullivan arbeitete, war einer dieser Anhänger Violllet-le-Ducs.[14]

Schon wenige Monate später reiste Sullivan nach Rom. Dort blieb er 3 Tage, um die Fresken Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle zu studieren. Nach einem weiteren sechswöchigen Aufenthalt in Florenz kehrte er nach Paris zurück, nahm dort jedoch nicht wieder seine Studien auf, sondern trat den Heimweg nach Chicago an.

Die größte Wende in Sullivans Leben setzte mit der Bekanntschaft von Dankmar Adler, einem deutschen Architekten, der 1854 nach Armerika immigriert war, ein. 1880 wurde Sullivan in seinem Büro eingestellt. Innerhalb eines Jahres arbeitete er sich dort erst zum Juniorpartner und schließlich 1883 zum gleichberechtigten Partner von „Adler und Sullivan“ hinauf. Adler übernahm in dieser Gemeinschaft den geschäftlichen und technischen Bereich, während Sullivan für die gestalterischen, künstlerischen Aufgaben zuständig war. Die Auftragslage war gut, viele Wohnbauten, aber auch Fabriken, Lagerhallen, Geschäftshäuser und Theater wurden von ihnen entworfen und gebaut. Bis zu 50 Mitarbeiter beschäftigten „Adler und Sullivan“ zwischenzeitlich, darunter Frank Lloyd Wright, der ab 1888 eng mit Sullivan zusammenarbeitete und oft als seine rechte Hand beschrieben wird.[15]

Ab 1892 verschlechtere sich die Auftragslage. Sullivans „Autobiography“ bricht er an dieser Stelle ab. Die weitere Zeit war vom Abstieg bestimmt und von ihm nicht als würdig angesehen worden in seiner Biographie verewigt zu werden. Die finanziellen Schwierigkeiten zwangen Dankmar Adler 1895 dazu aus der Firma auszusteigen und sich um eine Anstellung als Ingenieur zu bemühen. Sullivan machte die Weltausstellung von 1893 für den Rückgang an Aufträgen verantwortlich. Der Historismus hatte die Ausstellung beherrscht und erfuhr daher erneut einen Aufschwung. Sullivans Auffassung von Architektur war jedoch gegen den Historismus gerichtet. Er strebte eine völlig neue amerikanische Architektur an.

Sullivans finanzielle Lage verschlechterte sich immens, so dass er gezwungen war seine Kunstsammlung, seine Bibliothek und sein Ferienhaus in Ocean Springs zu verkaufen. Sein Lebensstandard nahm rapide ab. Selbst aus dem Büro, in dem von „Adler und Sullivan“ gebauten Auditorium Building, wurde er ausgewiesen. Seine letzten Projekte entstanden in seinem neuen Büro an der Prairie Avenue, bis er schließlich 67jährig am 14. April 1924 verstarb.

2.0 Sullivans Architekturtheorie

Sullivans Architekturtheorie wird beherrscht von verschiedenen Themen beherrscht. Schlüsselwörter dabei sind das Ornament, die Erziehung, die Natur, und die Kräfte. Dies alles kann nicht in dem einen Statement „Form follows Function“ zusammengefasst werden kann. Sein oberstes Ziel war, sich von der bestehenden Architektur abzuwenden, nicht mehr zu rezitieren, sondern einen neuen, amerikanischen Stil entstehen zu lassen. Auffällig ist hierbei die Verbindung zu seiner Kindheit.

Die Natur, von der er als Kind so fasziniert war, die er bei seinen Großeltern auf dem Land auskundschaftete, findet sich wieder im Ornament. Dieses hat die Aufgabe das Gebäude zu erheben und Würde zu vermitteln. Nach Sullivan ist es ein Luxusartikel, welcher es möglich macht, ein Gefühl am Baukörper auszudrücken.[16] Um die richtige Harmonie zwischen Baukörper und Ornament zu schaffen und nicht aufgeklebt zu erscheinen, muss es aus dem Gebäude erwachsen und mit ihm eine Symbiose eingehen.[17] Die Natur wurde für ihn zur „Religion“ und kann daher nicht genug in seiner Architekturtheorie hervorgehoben werden. Auch wenn Sullivan nicht an Gott glaubte, sah er diesen „Infinite Creative Spirit“[18] in allem was die Natur hervorbrachte.[19]

Die zweite Verbindung von seiner Architekturtheorie zur Kindheit ist die Erziehung. Sullivan hatte die Schule als Gefängnis gesehen, in dem das Lernen nicht gefördert, sondern im Gegenteil gehemmt wurde.[20] Nach seiner Auffassung ist es dem Kind in der Zeit vor der Schule möglich, die Natur mit allen Sinne wahrzunehmen und so eine Verbindung zur Natur einzugehen.[21] Erst durch die Schule wird diese Fähigkeit der Intuition „Schönes“ zu erschaffen unterbrochen.[22] Denn die Schule unterbindet diese natürliche Kreativität, die nicht erlernbar ist, sondern aus dem Erleben der Natur hervorgeht. Um etwas, ein Gebäude oder auch andere Dinge „aus dem Kopf zu erschaffen“, um die objektive Erfahrung in eine subjektive, sichtbare zu wandeln, müssen jedoch drei Kräfte zusammenarbeiten, die nur von der Natur erlernt werden können: die Vorstellungskraft, der Gedanke und der Ausdruck.

Die Vorstellungskraft übernimmt in diesem Zusammenhang die Aufgabe des Bindegliedes zwischen Natur und Kunst. Sie ist der Anfang des kreativen Schaffens, die Inspiration, ohne die ein Ergebnis nicht möglich wäre.[23]

Die zweite Kraft, ist die des Gedankens. Er bringt die Rationalität in den Erschaffungsprozess. Der Gedanke zweifelt und fragt, er erkennt die Grenzen, arbeitet, überprüft und festigt sich dadurch selbst.[24]

[...]


[1] Brockhaus, Die Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden, Bd. 8 ( (Frit-Goti): „Funktion“. Leipzig/Mannheim 1996, S.61-62.

[2] Knaurs Lexikon in zwanzig Bänden, Bd. 6 (Fe-Ge): „Funktion“. Stuttgart 1974, S. 2019-2020.

[3] Sullivan, Louis Henry: The Autobiography of an Idea (1924). Hrsg.: Ralph Marlowe Line, New York 1956.

[4] Sullivan: Autobiography, 1924, S. 24.

[5] Sullivan: Autobiography, 1924, S. 38-71.

[6] Sullivan: Autobiography, 1924, S. 82.

[7] Sullivan: Autobiography, 1924, S. 82-85.

[8] Sullivan: Autobiography, 1924, S. 85.

[9] Sullivan: Autobiography, 1924, S. 118-119.

[10] Sullivan: Autobiography, 1924, S. 119.

[11] Sullivan: Autobiography, 1924, S. 177-190.

[12] Weingarten, Lauren S.: Louis H. Sullivans Ornament und die Poetik der Architektur. In: Chicago Architektur 1872-1922, Die Entstehung des kosmopolitischen Architektur der 20. Jahrhunderts. Hrsg.: John Zukowsky, München 1987, S. 231.

[13] Sullivan: Autobiography, 1924, S. 223.

[14] Frei, Hans: Louis Henry Sullivan. Zürich 1992, S. 16-19.

[15] O’Gorman, James F.: Three American Architects, Richardson, Sullivan, and Wright, 1865-1915. Chicago 1991, S. 115-116.

[16] Sullivan, Louis Henry: Das Ornament in der Architektur (1892). In: Paul Sherman: Louis H. Sullivan, Ein amerikanischer Architekt und Denker. Bauwelt Fundamente 5, Berlin 1963, S. 130.

[17] Sullivan: Ornament, 1892, S. 133.

[18] Sullivan, Louis Henry: Kindergarten Chats (revised 1918) and other writings. New york 1976, S. 99.

[19] Morrison, Hugh: Louis Sullivan, Prophet of Modern Architecture. New York/London 1998, S. 206.

[20] Sullivan: Autobiography, 1924, S. 24.

[21] Sullivan, Louis Henry: Vergleich zwischen emotionaler und intellektueller Architektur, Eine Studie über das Objektive und das Subjektive (1894). In: Paul Sherman: Louis H. Sullivan, Ein amerikanischer Architekt und Denker. Bauwelt Fundamente 5, Berlin 1963, S. 135.

[22] Sullivan: Vergleich zwischen emotionaler und intellektueller Architektur, 1894, S. 136.

[23] Sullivan: Vergleich zwischen emotionaler und intellektueller Architektur, 1894, S. 136.

[24] Sullivan: Vergleich zwischen emotionaler und intellektueller Architektur, 1894, S. 136-137.

Fin de l'extrait de 40 pages

Résumé des informations

Titre
Louis Henry Sullivan
Université
RWTH Aachen University  (Kunsthistorisches Institut)
Cours
Form follows Function
Note
1,3
Auteur
Année
2005
Pages
40
N° de catalogue
V41174
ISBN (ebook)
9783638394949
Taille d'un fichier
1742 KB
Langue
allemand
Mots clés
Louis, Henry, Sullivan, Form, Function
Citation du texte
Patricia Weckauf (Auteur), 2005, Louis Henry Sullivan, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41174

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