Warum hast Du das getan? Zur moralischen Begründung von deviantem Verhalten bei Heimkindern, oder wie Sozialarbeiter sie besser verstehen können.


Diploma Thesis, 2002

80 Pages, Grade: 2


Excerpt


Gliederung

0 Einleitung

1 Begriffsklärungen
1.1 Heimkinder
1.2 Jugend
1.3 Moral
1.3.1 Normen
1.3.2 Werte
1.3.3 Konventionen
1.4 Devianz

2 Heimkinder
2.1 Institution Heim
2.2 Zielgruppe: Heimkind
2.3 Gefährdungslagen
2.3.1 Der Leidensweg
2.3.2 Fallbezug

3 Die Entwicklung zur individuellen Persönlichkeit
3.1 Entwicklungsphasen
3.1.1 Jugendalter/Heranwachsen
3.1.2 Adoleszenz
3.2 Entwicklungsaufgaben
3.2.1 Der Überbegriff: Jugend
3.2.2 Der Weg zur Selbstständigkeit
3.2.3 Das biologische Reifen
3.2.3.1 Pubertätswachstumsschub
3.2.3.2 Geschlechtsreifung
3.2.4 Die Entwicklung von Beziehungen
3.2.4.1 Endogen-organismische Modell
3.2.4.2 Exogen-kontextuelles Modell
3.2.4.3 Handlungstheoretisch- konstruktivistische Modell
3.2.4.4 Peergroups-Elternbeziehungsmodell
3.2.5 Die Entwicklung von Identität
3.2.5.1 Identitätstheorie nach Erikson
3.2.5.2 Berufliche Identität/ ein Problem für Heimkinder
3.3 Entwicklungsaufgaben und Krisen des Adoleszenten
3.4 Belastungsfaktoren
3.4.1 DSM-III R
3.4.2 MAS

4 Moralische Entwicklung
4.1 Entwicklung eines moralischen Urteils
4.1.1 Klugheit
4.1.2 Moral
4.1.3 Abwehrstrategie oder um Lösung bemühen
4.1.4 Das Kind ist kein schlechter Erwachsener
4.2 Entwicklungstheorie
4.2.1 Stufen der Entwicklung
4.2.3 Zwischenstufen
4.2.4 Entwicklungsfaktoren
4.3 Vergleich zwischen Moral, Kognition und Perspektivenübernahme

5 Devianz
5.1 Erklärungsmodelle von Devianz
5.1.1 Die Anomietheorie
5.1.2 Theorie der Ziel-Mittel Diskrepanz
5.1.3 Die Subkulturtheorie
5.1.4 Die Theorie des differentiellen Lernens
5.1.5 Die Zuschreibungsansätze
5.1.6 Das Teufelskreismodell

6 Prävention- oder Handlungsansätze
6.1 Gefährdungslagen
6.2 Deviantes Verhalten moralisch begründen
6.2.1 Fallbeispiel Daniela
6.2.2 Fallbeispiel Marijan
6.3 Pädagogische Grundmodelle der moralischen Erziehung
6.3.1 Die romantische Erziehungsphilosophie
6.3.2 Der werteübermittlungs oder technologische Ansatz
6.3.3 Der progressive Ansatz
6.3.4 Der Disskursansatz
6.4 Prävention durch Sozialarbeiter oder Betreuer
6.4.1 Stimulierung der moralischen Entwicklung/ Nachholtheorie
6.4.2 Messen der moralischen Urteilsfähigkeit
6.4.3 Entwicklungsförderung betreiben
6.5 Prävention von Seiten des Staates
6.5.1 Die Polizei
6.5.2 Das Gesetz
6.5.3 Die Schule

7 Schlußbetrachtung

Literatur

0 Einleitung

Daniela ist 18 Jahre alt und wohnt in einem Sozial-Therapeutischen Jugendwohnhaus. Sie konnte bei ihrer medikamenten-abhängigen Mutter und ihrem Stiefvater nicht mehr wohnen. Die Mutter hat sie Medikamente besorgen geschickt und den Besuch der Schule verboten. Daniela erreichte nach langem ringen beim Jugendamt, dass sie von ihrer Mutter weg konnte. Daniela und ihrer kleinen Schwester wurde vom Jugendamt eine Wohnung vermittelt. Da Daniela schon siebzehn Jahre alt war glaubte das Jugendamt sie könne sich um ihre Schwester kümmern. Daniela wollte sich jetzt auf den Hauptschulabschluss konzentrieren, da ihr die Wichtigkeit eines Schulabschlusses bewusst war. Sie besuchte die Schule sehr unregelmäßig und musste sie wegen zu viel Fehlzeiten verlassen. Das Jugendamt erkannte die Notwendigkeit einer Betreuung. Auf dem Hintergrund der Vorgeschichte und durch Gespräche mit Daniela erwog das Jugendamt die Finanzierung eines Platzes im Sozial-Therapeutischen-Jugendwohnhaus(JWH). Sie zog ins JWH ein. Mit der Selbstständigkeit im eigenen Zuhause war sie überfordert. Die Finanzierung des Wohnhausplatzes war an den Besuch der Schule gekoppelt. Daniela ist 18Jahre alt und hat die Schulpflicht erfüllt. Bei Schwänzen der Schule droht ihr der Rausschmiß aus Schule, dem JWH und der Abrutsch in die Sozialhilfe. Nach zwei Monaten im JWH begann sie die Schule zu schwänzen und die Maßnahme wurde nach Verwarnungen durch das Jugendamt beendet.

Die Frage der Betreuer und mir als Praktikanten war: „Warum hast du das getan?“

Während meiner Studienpraktika und danach folgenden Urlaubsvertretungen konnte ich die Arbeit in dem Sozial-Therapeutischen-Jugendwohnhaus kennen lernen. Hierbei konnte ich verschiedene Schicksale von Jugendlichen erleben, die alle schlechte Erlebnisse in der Familie gemeinsam hatten. In den meisten der Fälle musste auch mit deviantem Verhalten gerechnet werden. Durch den Kontakt zum Jugendwohnhaus der nun drei Jahre besteht, konnte ich die Entwicklungen in der Betreuung der Jugendlichen mit verfolg-

gen. Ich musste hierbei feststellen, dass drei-viertel der Fälle in die Sozialhilfe abrutschen und die Hilfe in bezug auf die Entwicklung einer neuen Rollenperspektive als Auszubildender nicht erfolgreich war. Deviantes Verhalten war hierbei der Grund für das Scheitern.

Daniela ist ein Beispiel für deviantes Verhalten welches nicht als delinquent zu bezeichnen ist. Ein weiterer Jugendlicher den ich im Wohnhaus kennen lernen konnte ist Marian. Das Verhalten von Marian zeichnet sich durch Kriminalität aus. Marian möchte ich als zweiten Fall in die Arbeit einbeziehen weil er die andere Seite der Devianz darstellt, die Kriminelle.

Die Entwicklung des Menschen vom Kind zum Jugendlichen und im Abschluss zum Erwachsenen ist ein schwieriger Prozess. Während dieser Zeit steht dem Individuum seine Familie liebevoll mit Rat und Tat zur Seite. So wäre es wünschenswert für jeden Menschen in der Entwicklung zum Erwachsenen. Leider wollen oder können die Eltern sich dieser Verantwortung aber nicht immer stellen oder ihr gerecht werden. Deshalb kann die Folge der Aufenthalt in einem Heim sein. Dort soll dem Kind Hilfe bei seiner Entwicklung hin zum selbstständigen Individuum gegeben werden. Das Personal trifft bei der Arbeit immer wieder auf deviantes Verhalten. Ein Verhalten, dass von der Norm unserer Gesellschaft abweicht.

Wie dem Handeln von Daniela geht bei jedem Handeln ein Urteil voraus. Im laufe der Arbeit wollen wir ein Verständnis für Danielas Handeln entwickeln und aufzeigen, wie dem Handeln hätte vorgebeugt werden könnte.

Danielas Verhalten hätte durch das Verhalten ihrer Betreuer vorgebeugt werden können. Hierbei befinden wir uns schon im Bereich der Moral, nähergesagt der Moralerziehung. Um Danielas Handeln zu verstehen müssen wir wissen wie Daniela ihr Urteil fällt. Hierfür muss sie in eine Stufe der moralischen Entwicklung eingeordnet werden. Anhand ihrer Lebensgeschichte müssen wir versuchen ihre Identität zu beschreiben. Im Abschluss können wir schauen was für Fehler hätten vermieden werden können, damit ihr deviantes Verhalten nicht so passiert wäre.

Wie sich bei Daniela schon zeigt ist nicht die Heimunterbringung, sondern die Erlebnisse vor der Heimunterbringung für ihr Handeln verantwortlich. Wir werden also die Auswirkungen der Erlebnisse vor der Heimunterbringung betrachten. Das Heim befindet sich im Titel der Diplomarbeit weil es einen Ort zur Intervention für uns als Sozialarbeiter bietet. Es wird auch ein Blick auf die Schule geworfen. Die Schule ist der Ort wo Entwicklung und Lernen stattfindet, auch das moralische Lernen. Es ist ein fester Bestandteil im Rahmenlehrplan. Wir könnten uns fragen: „Was wurde bei Daniela übersehen?“ Nach ein paar Begriffsklärungen wird ein Blick auf das Heim und die Gründe für den Aufenthalt geworfen. Im Anschluss werden wir uns mit den Entwicklungsaufgaben und den Belastungsfaktoren in der Adoleszenz beschäftigen und die moralische Entwicklung des Kindes zum Erwachsenen betrachten. Es erfolgt die Überleitung zur Klärung abweichenden Verhaltens mit seinen vielen Fassetten.

Zum Ende betrachten wir Präventionstheorien zum abweichendem Verhalten und hierbei auch Präventionsmodelle des Staates zur Delinquenz.

In der Schlussbetrachtung möchte ich die Arbeit reflektieren.

Da ich versuchen möchte die theoretischen Erklärungen durch Fallbeispiele praktisch zu hinterlegen folgt nun das zweite Fallbeispiel. Neben Daniela benutzte ich hierbei das Fallbeispiel von Marian.

Der Fall Marian

Marian lernte ich im gleichen Wohnhaus wie Daniela kennen. Während meines Praktikums zog er in das Wohnhaus ein. Er war auf Bewährung aus der JVA-Hameln entlassen worden. Seine Delikte waren Diebstahl, Raub und Körperverletzung. Der Verlust der Bewährung schwebte wie ein Damokles Schwert über seinem Kopf. Er wurde bewusst in einer neuen Stadt untergebracht um ihn von seinem schädlichen sozialen Umfeld zu distanzieren. Er bekam noch eine Chance. Er wurde von seinen Betreuern in eine Maßnahme vermittelt, bei der er seinen Hauptschulabschluss nachmachen konnte. Diese einjährige Maßnahme absolvierte er auch erfolgreich. Nach dieser Maßnahme bewarb er sich für verschiedene Praktika, wobei er beim Extramarkt

durch ein erfolgreiches Praktikum einen Ausbildungsplatz bekam. Während der ganzen Zeit

kursierten im Heim die Gerüchte das Marian wieder Kontakt zu seinen alten Kreisen aufgenommen hätte. Niemand wusste aber etwas Genaues. Marian dementierte diese Vermutungen bis zuletzt. Ihm wurde der Ausbildungsplatz gekündigt weil er zu viel fehlte. Die Bewährung wurde aufgehoben, weil er die Auflagen nicht erfüllt hatte. Zum einen der Verlust des Ausbildungsplatzes und zum anderen die nicht eingehaltenen Termine mit seinem Bewährungshelfer waren für das Aufheben seiner Bewährung verantwortlich. Marian musste wieder in die JVA-Hameln.

1 Begriffsklärungen

1.1 Heimkinder

Ein Heim bietet Hilfe für Kinder. Kinder, die Aufgrund des Todes der Eltern in ein Heim kommen, da sie bei Verwandten kein Zuhause finden können, Kinder die dem Zugriff der Eltern entzogen werden mussten oder Kinder, auf die ihre Eltern keinen Zugriff mehr haben.

Das heißt, dass Jugendamt und das Familiengericht sind verpflichtet, dass Kindeswohl bei einer Gefährdung im familiären Kontext zu sichern.

Die Gefahrenlage wird durch die Einweisung in ein Heim abgewendet.

(vgl.: Dölling(2000), S.67)

1.2 Jugend

Die Jugend ist in der heutigen Zeit ein Begriff der sehr weitgehend gebraucht wird. Mein Vater sagt, er habe sich sein Jugendliches-Denken bewahrt. Die Jugend bezeichnet aber den Bereich der Pubertät. In dieser Phase entwickelt der Körper seinen Reifezustand. Der Mensch entwickelt eine Identität und die

wichtigste Entwicklung in der Jugend findet von der Fremd- zur Selbstbestimmung statt.

Anhand des Gesetzes lässt sich der Begriff Jugend besser definieren.

Nach dem §1Abs.2JGG(Jugendgerichtsgesetz) ist ein Jugendlicher zwischen vierzehn und achtzehn Jahre alt, ein Heranwachsender ist zwischen achtzehn und einundzwanzig Jahre alt. Diese strickte Festlegung findet ihre Erweiterung aber im §3JGG. Ein Jugendlicher muss von seiner sittlichen und geistigen Entwicklung her die Verantwortung seiner Tat ersehen können. Hierbei wird die geistige von der körperlichen Entwicklung gesondert betrachtet.

(vgl.: Jugendgerichtsgesetz(1999), S.212, im Strafvollzugsgesetz(1999))

Den Wandel der Jugend vom Beginn einer aufkommenden Bewegung hin zur Erlebnisjugend möchte ich an einer Tabelle verdeutlichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Witterstätter, K.(1994), S.129)

1.3 Moral

Das Urteil eines Menschen in einem Konflikt beruht auf einer Moral. Die Moral setzt sich zum einen durch Normen, Werte und Konventionen einer Gesellschaft zusammen und zum anderen, in der höheren Stufe der Entwicklung mit der Einbeziehung von Prinzipien in das Urteil. Moral findet Anwendung, wenn bei einem Urteil die Folgen für andere Personen mitbedacht werden und die beste Lösung für alle gesucht wird.

(vgl.: Oser/Althof(1994), S.35-39)

1.3.1 Normen

Die Individuen einer Gesellschaft bewegen sich in ihrem Mikrosystem der Familie und in einem Makrosystem in dem sie in Kontakt mit Behörden oder Arbeitgebern stehen . Die Regeln, die in diesen Bereichen unausgesprochen gelten, sind die Normen. „Soziale Normen sind Verhaltenserwartungen, welche die Mitglieder der Gesellschaft wechselseitig aneinander hegen, und die von ihnen für verbindlich gehalten werden.“(Witterstätter, K.(1994), S.33)

Ein gutes Beispiel für die Normen bietet die Sprache. Durch sie ist ein aufeinander bezogenes Miteinander von Familie, Verwaltung, Schule, Wirtschaft, Kulturbetrieb, Freizeiteinrichtungen usw. möglich.

Normen engen jedoch nicht ein.

- Sie nehmen den Entscheidungsdruck, denn jeder weiß, dass er pünktlich zur Arbeit kommen muss.
- Sie geben Erwartungssicherheit, denn ich weiß, dass mein Kollege mit dem Frühstückmesser nur sein Brot schmiert. Die Verhaltensweisen unserer Mitmenschen werden vorherseh- und berechenbar.
- Sie sind verantwortlich für die Verhaltenskoordination, denn sie koordinieren das Handeln verschiedener Menschen miteinander und machen es dadurch effektiv.
- Sie sind verantwortlich für die Integrationsfunktion, denn sie integrieren die Mitglieder einer Gesellschaft untereinander und sorgen so für den Zusammenhalt von Menschengruppen.

(vgl.: Witterstätter, K.(1994), S.32)

1.3.2 Werte

Als Werte eines Menschen ist seine Familie zu nennen. Bei der Familie können wir unmittelbar auf den Werte-Wandel zu sprechen kommen. Galten vor einigen Jahren die Kinder noch als beste Altersvorsorge, so haben sich heute die Werte gewandelt. Die Eltern sehen sich in der Situation selbst vorzusorgen um das Alter finanzieren zu können. Die Eltern haben keinen Platz mehr im Haus der Kinder. Diesem Wertewandel folgt auch der frühere Schritt

in die Selbstständigkeit. Die Kinder bekommen schon früh die Verantwortung für sich selbst.

Die neuen Werte der Gesellschaft sind eine hohe Lebensqualität(guter Beruf, Wohnverhältnisse, Freizeit), eine gute Beziehung zur Natur und Umwelt, und neue Innerlichkeit(gegen Veräußerung und Entfremdung, ganz heitliches Leben).

Früher waren die Werte das materielle Wohlergehen, physische Sicherheit, das Wirtschaftswachstum, unbeschränkte Nutzung der Natur und die technologische Entfremdung.

Die neuen Werte verdeutlichen das Unbehagen in der hochkomplexen modernen Welt.

(vgl.: http://www.socio.ch/movpar/t_rsonder1.htm, Datum:04.02.02)

1.3.3 Konventionen

Konventionen beziehen sich auf Begriffe der sozialen Ordnung, z.B. „Kleiderordnung, Anredeformen, Geschlechtsrollen, Manieren und Aspekte der Sexualmoral“(Nunner-Winkler(1993), S.71) Konventionen sind Erwartungen anderer an die eigene Person und regeln das soziale Miteinander.

1.4 Devianz

„Von abweichenden Verhalten spricht man dann, wenn die von der Gesellschaft per Norm erhobene Verhaltensanforderung, und das tatsächliche Verhalten nicht übereinstimmen und für diesen Vorgang negative Sanktionen innerhalb des gesellschaftlichen Systems der sozialen Kontrolle vorgesehen sind.“(Witterstätter, K.(1994), S.151)

Im Fall von Daniela wird das normwidrige Verhalten nicht von der Justiz bestraft, sondern von anderen gesellschaftlichen Sanktionen. Sie wird es schwer haben einen Ausbildungsplatz oder eine Wohnung zu bekommen, und dadurch werden ihre Lebensgrundlagen sehr beeinträchtigt werden. Im

Fall von Danielas abweichendem Verhalten wird nicht in die Rechte Anderer

eingegriffen. Sie schadet nur sich selbst und vielleicht der Gesellschaft der Steuerzahler.

Die typischen Formen von Devianz die in der Adoleszenz vorkommen

- Suizid und Suizidversuch
- Konsum und Beschaffung von Drogen oder Alkohol
- Rauchen
- Psychische Verhaltensauffälligkeiten
- Zugehörigkeit zu einer extremen Orientierung
- Verwahrlosung, Trebegang, Vandalismus
- Depression – Aggression
- Sexuelles Fehlverhalten und Prostitution
- Kriminalität, Delinquenz, Gewalt

(vgl.: Witterstätter, K.(1994), S.151)

2 Heimkinder

Gerade die Jugendlichen spüren die sozialen Schichten heute mehr als je zuvor, z.B. durch die Kleidung. Die Kleidung als Synonym für die Dazugehörigkeit zu einer Gruppe. Schnell bekommt der Jugendliche eine Außenseiterrolle aufgrund der Markenabweichung. Die Jugendlichen im Heim haben keine Eltern denen sie das Geld abschwatzen können. Ihre Toleranz gegenüber den gesellschaftlichen Normen kann aufgrund der Leiden in ihrer Identität nicht sehr hoch sein. Die sozialen Unterschiede durch deviantes Verhalten auszugleichen liegt nahe. Deviantes Verhalten als Grund für den Heimaufenthalt, „ein dazu gehören wollen

Gründe für den Aufenthalt und einen Blick auf die gefährdeten Altersgruppen soll in diesem Punkt geworfen werden. Das Heim stellt in vielen Fällen die letzte Chance dar. Die erste Chance, die Vermittlung in eine Pflegefamilie ist schnell getan. Fast kein Kleinkind muss im Heim aufwachsen.

Das Hauptaugenmerk richtet sich auf Kinder,

- die schon selbst entscheiden können, ob sie in eine Familie vermittelt werden wollen oder nicht.
- die aufgrund ihres Verhaltens nicht bei der Verwandtschaft erwünscht sind und in keine Pflegefamilie vermittelt werden können.
- die von schlechten Erfahrungen in der Familie geprägt wurden oder die ihre Eltern geprägt haben.

2.1 Institution Heim

Das Heim bietet einen Auffangort für Kinder und Jugendliche, denen es nicht mehr möglich ist in ihrer Familie zu leben. Es soll den Kinder helfen sich zu entwickeln. Das heißt Verantwortung für sich selbst zu tragen und einen Schulabschluss und schließlich einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Heime bieten sowohl einen Platz für die Kinder und Jugendlichen im Heim, als auch ambulante Betreuung für Jugendliche, die den Schritt in die eigene Wohnung machen. Heime bieten Hilfe beim Erlernen einer sinnvollen Ernährung, beim verantwortlichen Umgang mit Geld, beim Gestalten der Freizeit oder beim Einüben von Grundfertigkeiten wie Sauberkeit und Pünktlichkeit.

2.2 Zielgruppe: Heimkind

Die Einweisung in ein Heim erfolgt durch den gesetzlichen Auftrag des Jugendamtes. Nach § 50 Abs. 3 KJHG ist das Jugendamt verpflichtet zur Abwendung einer Gefährdung des Wohls des Kindes oder des Jugendlichen das Gericht anzurufen und zu informieren. Hierbei kann das Gericht sich veranlasst sehen das Wohl des Kindes nur erhalten zu können, indem das Kind oder der Jugendliche die Familie verlässt. Der neue Wohnort wird ein Verwandter oder in der Regel das Heim sein.

(vgl.: Dölling(2000), S.67)

Ich möchte jetzt anhand von Daten zeigen welche Altersgruppen der Kinder und Jugendlichen gefährdet sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Dölling(2000), S.69)

Es handelt sich hierbei um 318 Fälle, die in einer Umfrage bei Jugendämtern gesammelt und ausgewertet wurden. Aus der Tabelle geht hervor, dass ca.43% der betroffenen Kinder unter sechs Jahren alt sind. Diese 43% sind für unser Thema aber nicht so interessant, da die Vermittlung in eine Pflegefamilie oder zu Verwandten relativ problemlos erfolgt. Die restlichen 57 % verteilen sich relativ gleichmäßig auf die anderen Altersgruppen.

In diesen Altersgruppen können die Kinder und Jugendlichen in einer Form beeinflusst worden sein, dass die Vermittlung in Pflegefamilien schwer fällt, oder die Jugendlichen für sich entscheiden im Heim leben zu wollen, da sie vielleicht auch bald in einer eigenen Wohnung ziehen können. Damit sind wir bei einer ambulanten Betreuung. Hierbei gilt es Kinderheime, in denen die Kinder und Jugendlichen aufwachsen und die Jugendwohnhäuser zu unterscheiden. In den Jugendwohnhäusern leben Jugendliche, denen bei der Findung einer neuen Rollendefinition z.B. als Schüler(Festigung der Rolle), oder als Auszubildender geholfen werden soll. Aber gerade diese neuen Lebenserfahrungen in den neuen Rollen bieten, wie wir später sehen werden einen Ansatz um das bisherige Weltbild zu überdenken und sich in eine höhere

Moralstufe zu begeben. In Jugendwohnhäusern können nur Jugendliche oder Heranwachsende einziehen.

(vgl.: Dölling(2000), S.69)

2.3 Gefährdungslagen

In der folgenden Tabelle wird angeführt unter welchen Gefährdungslagen das Gericht vom Jugendamt informiert wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Dölling(2000), S.70)

Anhand der 318 Fälle der Umfrage lässt sich ersehen, dass es viele Mehrfachnennungen gibt, also die verschiedenen Gefährdungslagen gekoppelt vorkommen.

Ganz oben bei den Gefährdungslagen steht mit Abstand(65,1%) die Vernachlässigung. Vernachlässigung durch Karriere der Eltern oder hervorgerufen durch den Wertewandel habe ich bei meinen Erfahrungen im Heim ganz besonders kennen gelernt. Allerdings tritt diese Gefährdungslage meist gekoppelt mit der seelischen und körperlichen Misshandlung und den Elternkonflikten um das Kind auf.

Die Gefährdungslagen werden in Punkt 6 „Prävention- oder Handlungsansätze“ näher ausgeführt. Ich möchte sie an dieser Stelle näher ausführen da direkt der Übergang zur Prävention stattfinden kann.

2.3.1 Der Leidensweg

Anhand dieser Gefährdungslagen lässt sich für unser Thema auf den ersten Blick folgendes feststellen. In allen Fällen wird die Freiheit der Kinder und Jugendlichen eingeengt und die Entwicklung negativ beeinflusst. Die Kinder und Jugendlichen haben keinen Nährboden auf dem sie wachsen können. In den meisten Fällen handelt es sich nicht um einen einmaligen Übergriff auf die Rechte der Kinder oder des Jugendlichen. Hinter den verschiedenen Gefährdungslagen steht eine Leidens-Geschichte bis hin zur Meldung des Jugendamtes bei Gericht. Zwei Drittel der Familien in dieser Umfrage waren dem Jugendamt schon länger als ein Jahr bekannt, knapp ein viertel sogar länger als fünf Jahre. Nur bei einem drittel ist die Familie erst weniger als ein Jahr bekannt. 2% sind Ausnahmefälle in denen das Gericht durch Dritte von der Gefährdung informiert wird. Diese Leidens-Geschichte lässt vermuten, dass die Gefährdungslagen sich negativ auf die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen ausgewirkt hat.

(vgl.: Dölling(2000), S.76)

2.3.2 Fallbezug

Hierbei ließe sich der Fall Marian ebenso wie der Fall Daniela anführen. Marian hatte keinen Vater und seine Mutter ist Immobilienmaklerin. Sie hatte sehr wenig Zeit für ihn und hat ihn vernachlässigt. Sie bot ihm keine Bezugsperson.

Im Fall Daniela sind verschiedene Gefährdungslagen gekoppelt. Sie wurde durch ihre Mutter und dem Lebensgefährten vernachlässigt, seelisch und körperlich misshandelt. Sie musste immer um sechs aufstehen und sich um ihre kleine Schwester kümmern und für die Eltern das Frühstück machen. Als einen Fall der körperlichen und seelischen Mißhandlung möchte ich hier einen sehr schlimmen Vorfall anführen. Während ihre Eltern einkaufen waren

hat Daniela einen Joghurt gegessen. Als ihre Eltern wiederkamen und sahen das sie den letzten Joghurt gegessen hat musste sie die neue Palette Joghurt essen. Ihre Eltern ließen sie sich dabei in einen Kochtopf übergeben

und ihr erbrochenes wieder essen. Eine weitere schlimme Folter der Eltern war Daniela unter die kalte Dusche zu stellen und sie dann den Flur auf und

ab gehen zu lassen. Sie musste dies so lange tun bis sie vor Erschöpfung zusammen brach.

3 Die Entwicklung zur individuellen Persönlichkeit

Die Kinder werden als die Zukunft unserer Gesellschaft angesehen. Wie sie sich in ihrer Zukunft in die Gesellschaft eingliedern, hängt von der Erziehung und den gesellschaftlichen Einflüssen ab. Die Gesellschaft ist durch den Reichtum in verschiedene Schichten aufgeteilt. Die Unterschicht, die Mittelschicht und die Oberschicht. Die Schichten wohnen in verschiedenen Wohnvierteln unter ihres Gleichen. Die Reichen wollen es so und die Armen können sich keine andere Wohngegend leisten. In Großstädten treffen diese Kinder in Kindergärten und Schulen nicht aufeinander, da die Schulen den Stadtbereichen angegliedert sind. Aber in der Regel ist das nicht so. Die Kinder merken schon im Kindergarten und erst recht in der Grundschule, dass es Unterschiede gibt. „Der Papa fährt ein tolles Auto und meiner ein ganz altes und kaputtes“. Die Kinder wachsen heute in einer Konsumgesellschaft auf, und die Eltern versuchen, sich und ihre Kinder von der Gesellschaft zu unterscheiden, indem sie materiell versuchen, ihren Wohlstand zu zeigen. Dieser Wohlstand, der sich in der Schule durch die neusten Klamotten und die neusten Handys auszeichnet, ist für Kinder der unteren Schichten nicht erreichbar. Sie können sich derartige Statussymbole nicht leisten. An diesem Punkt tritt ein moralisches Urteil ein, „Was soll ich tun?“. „Meine Eltern haben mir das Stehlen verboten, sie geben mir aber auch kein Geld. Finde ich mich damit ab das ich nicht so sein kann. Suche ich mir einen Nebenjob, z.B. Zeitung austragen, oder noch einen zweiten Nebenjob, vernachlässige ich dadurch die Schule“. Es droht die Gefahr, dass die Schule nicht mehr Ort des Lernens sondern Ort zur Selbstdarstellung ist. Nach der Orientierungsstufe trennen sich die Wege wieder, die Reichen gehen auf das Gymnasium, aber das Konsumverhalten bleibt. Natürlich haben auch Kinder ärmerer Eltern die Möglichkeit ein Gymnasium zu besuchen, dass soll hiermit nicht bestritten werden

3.1 Die Entwicklungsphasen

3.1.1 Jugendalter/ Heranwachsen

Die Jugend lässt sich am besten als Phase der Entwicklung vom fremd- zum selbstbestimmten Handeln bezeichnen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.1.2 Die Adoleszenz

Im psycho-analytischen Modell der Adoleszenz lässt sich am besten die zeitliche Entwicklung ablesen. Die Stufen bauen aufeinander auf und die Höhere geht aus der vorangegangenen Stufe hervor. In diesem Modell steht die Triebstruktur im Vordergrund, welche in der Adoleszenz grosse Veränderungen erfährt. Nach diesem Modell endet die Adoleszenz mit der Formung des Ich-Ideals.

Die Latenzzeit

In dieser Phase ist die Triebstruktur an viele Außenaktivitäten gebunden. Verhaltensregulierungen stabilisieren sich, das Ich kann sich entfalten und differenzieren. Dies ermöglicht die Identifikation mit den Eltern. Ein intensives Durchleben dieser Phase ist von Vorteil für die weitere Entwicklung. Ein zu kurzes oder zu langes Verweilen in dieser Phase ist problematisch. In der Schule und im Elternhaus schaffen Erfahrungen des eigenen Könnens eine gute Grundlage, um die neuen Konflikte der Adoleszenz produktiv zu verarbeiten.

[...]

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Details

Title
Warum hast Du das getan? Zur moralischen Begründung von deviantem Verhalten bei Heimkindern, oder wie Sozialarbeiter sie besser verstehen können.
College
University of Applied Sciences Hanover  (Sozialwesen)
Grade
2
Author
Year
2002
Pages
80
Catalog Number
V4121
ISBN (eBook)
9783638125543
ISBN (Book)
9783656208471
File size
692 KB
Language
German
Notes
Diese Diplomarbeit ist als Anleitung zur moralischen Erziehung als Mittel zur Devianzverhütung zu sehen. Anwendbar für Erzieher, Pädagogen oder auch Privatpersonen.
Keywords
Warum, Begründung, Verhalten, Heimkindern, Sozialarbeiter
Quote paper
Andreas Fechner (Author), 2002, Warum hast Du das getan? Zur moralischen Begründung von deviantem Verhalten bei Heimkindern, oder wie Sozialarbeiter sie besser verstehen können., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4121

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