Varietäten des Deutschen. Dialekt in der Schule. Sprachbarriere oder Chance?

Die Folgen für einen muttersprachlichen Deutschunterricht


Hausarbeit, 2017

21 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Varietät – Dialekt und Standardsprache
2.1. Begriffsbestimmung: Dialekt
2.2. Abgrenzung von Dialekt und Hoch- bzw. Standardsprache

3. Dialekt und Schule
3.1. Dialekt und Standardsprache in der Geschichte des Deutschunterrichts
3.2. Dialekt als Sprachbarriere – eine Fehleranalyse

4. Dialekt in der Sprachdidaktik
4.1. Dialekt in Lehrplan und Bildungsstandards
4.2. Lehrwerksanalyse
4.3. Ein Unterrichtsvorschlag zum Thema Dialekt

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit den 1970er Jahren wird das Thema Dialekt innerhalb der Linguistik immer wieder diskutiert. In der Fachdidaktik Deutsch wird Dialekt meist als „Sprachbarriere“ wahrgenommen. Kritisiert wird die immer schlechter werdende Rechtschreibung und das mangelnde Ausdrucksvermögen der Schülerinnen und Schüler[1], welches vermeintlich in Verbindung mit dem Sprechen von Dialekten steht. Obwohl die Zahlen der „reinen“ Dialektsprecher rückläufig sind und überregionale Sprachformen kleinräumige Varietäten ersetzen, ist der Deutschunterricht nach wie vor mit regionalsprachlichen Varietäten konfrontiert.[2] So sind Sprachvarietäten, Sprachnormen und Sprachwandel nicht nur Gegenstandsfelder der germanistischen Linguistik und Soziolinguistik, sondern auch der Sprachdidaktik. Vor allem aber das Verhältnis von Ausgangs- und Zielsprachen im Sprachunterricht, welches auf die zum Teil unterschiedlichen dialektalen, soziolektalen und ideolektalen sprachlichen Vorerfahrungen der SuS vor Schulbeginn abzielt und das Erreichen der Standardsprache als Zielsprache erleichtern oder auch erschweren können, ist davon betroffen. Ebenso die Beziehung zwischen außerschulischen und schulischen Sprachpraxen sowie die einschlägigen Gegenstandfelder unterrichtlicher Sprachlehr- und Lernprozesse.[3] Im muttersprachlichen Deutschunterricht sollen die SuS, nach den Bildungsstandards des Faches Deutsch, im Laufe ihres Schriftspracherwerbs allerdings zu einem überregionalen Standard hingeführt werden.[4] Gerade bei Kindern, deren Sprache stark dialektbedingt ist, kann es in Folge des standarisierten Schriftspracherwerbs zu dialektalen Folgefehlern kommen. Welche Fehler dies sind und wie die Sprachdidaktik mit dem Phänomen der inneren Mehrsprachigkeit des Deutschen umgeht, soll Gegenstand dieser Arbeit sein. Als theoretische Grundlage erfolgt hierzu eine Begriffsbestimmung von Dialekt, weiter wird der Begriff von der Standardsprache abgegrenzt. In einem nächsten Schritt wird dann geklärt, inwieweit Dialekt und Schule miteinander vereinbar sind. Um abschließend die Frage zu klären, ob Dialekt als Sprachbarriere oder als Chance für den muttersprachlichen Deutschunterricht gewertet werden kann. Um den Rahmen dieser Arbeit einzuhalten beschränkt sich die Untersuchung des Lehrplans und Schulbuchs lediglich auf das Land Rheinland-Pfalz.

2. Varietät – Dialekt und Standardsprache

Die deutsche Sprache ist eine Weltsprache, die in gesprochener und geschriebener Form vorkommt und transregional sowie transsozial gebraucht wird.[5] Im Alltag wird die deutsche Sprache häufig als Vielfalt erlebt, die innere Mehrsprachigkeit wird dabei durch die äußere ergänzt.[6] Hier sind Dialekt und Standardsprache die beiden herausragenden Varietäten des Deutschen.

2.1. Begriffsbestimmung: Dialekt

Die hier vorgenommene Definition ist keineswegs als eine umfassende Definition von Dialekt zu verstehen, vielmehr soll aufgezeigt werden, dass neben den dialektologischen, soziolinguistischen und sprachdidaktischen Ansätzen auch die alltagsweltlichen Auffassungen eine Rolle spielen.[7] Der Begriff Dialekt stammt aus dem Griechischen und bedeutet die Unterredung, von, sich unterhalten oder die Art des Redens, die Redeweise. Das Wort wurde dann auch in gleicher Form ins Lateinische übernommen.[8] Während die Wortbedeutung und Wortgeschichte von Dialekt klar zu bestimmen ist, erweist sich die Dialektdefinition als schwieriger.

Die Frage nach einer Definition des Begriffes Dialekt, eröffnet gleichzeitig eines der Hauptprobleme der Dialektforschung. In den meisten Arbeiten der sprachwissenschaftlichen Literatur werden statt einer allgemeingültigen Definition des Begriffes Erscheinungsformen aufgezählt und Beispiele angebracht.[9] Doch der Mangel an präziser begrifflicher Abgrenzung ist kein Versäumnis der Dialektologie, vielmehr ist der Versuch einer Definition des Begriffes mit der Frage: Was ist Sprache? oder: Was ist ein Satz? gleichzusetzen.[10] Da aber eine weitere Auseinandersetzung mit dem Definitionsproblem den Rahmen dieser Arbeit sprengen würden, entfällt in diesem Fall eine weitere Auseinandersetzung mit dieser Problematik. Vielmehr erfolgt nun der Versuch einer Minimaldefinition des Begriffes:

Beim Dialekt ist die Rede von einer besonderen Sprechweise innerhalb einer Standardsprache[11], die einen begrenzten räumlichen Geltungsbereich hat.[12] Die Besonderheiten liegen in allen Sprachebenen vor (Lautebene, Phonologie, Morphologie, usw.), stark ausgeprägt sind die Unterschiede vor allem in der Lautung des Wortschatzes zu erkennen.[13] Zu beachten ist, dass der Dialekt ein gewisses Maß an Ähnlichkeit zur Standardsprache aufweisen muss, um eine gewisse Verstehbarkeit zu ermöglichen. Im Gegensatz zur Standardsprache gibt es für Dialekte keine Schriftlichkeit bzw. keine Standardisierung von offiziell normierten orthographischen und grammatischen Regeln. Häufig allerdings spielen bei Dialekten nicht nur Raumbindungen eine Rolle, ebenso muss man die soziale Schichtung innerhalb eines Dialektraums betrachten, die wiederum unterschiedliche Dialektniveaus zulassen. Die traditionelle Auffassung eines „Ortsdialekts“ hingegen orientiert sich an der älteren Sprechweise der bäuerlichen Schicht.[14]

2.2. Abgrenzung von Dialekt und Hoch- bzw. Standardsprache

Um sich der Problematik weiterhin zu nähern, bedarf es Abgrenzungsversuche, die die Unterschiede zwischen Dialekt und Standardsprache deutlich machen. Dabei kann die Ab- und Ausgrenzung von Dialekt und Hoch- bzw. Standardsprache[15] gemäß Löffler nach mehreren Gesichtspunkten erfolgen:[16]

Nach dem linguistischen Kriterium handelt es sich beim Dialekt demnach um ein Subsystem das einem übergreifenden Sprachsystem gegenübersteht. Die Teildeckung oder Abweichung des Subsystems und des übergreifenden Sprachsystems darf dabei auf allen grammatischen Ebenen nur soweit gehen, dass eine gegenseitige Verstehbarkeit gewährt bleibt. Während die Hochsprache eine optimale Besetzung aller grammatischen Ebenen besitzt, sind dieses im Dialekt nur dürftig besetzt. So fehlen im Dialekt beispielsweise ganze Kategorien wie das Präteritum der Verben, der Wortschatz ist reduzierter und es finden sich weniger Möglichkeiten zur logischen Strukturierung.[17] Weiter finden sich Dialekt und Hochsprache auch in unterschiedlichen Verwendungsbereich wieder. So wird der Dialekt meistens nur im familiären, privaten Bereich in mündlicher Form genutzt, die Hochsprache hingegen im öffentlichen Bereich sowohl mündlich als auch schriftlich.[18] Eine weitere Abgrenzung erfolgt durch den Personenkreis. Während Dialekt meist von der ‚Unterschicht‘ genutzt wird, sind die Anwender der Hochsprache die ‚Mittel- und Oberschicht‘. Hierbei muss jedoch von Region zu Region unterschieden werden. Südwärts, jenseits der Mainlinie, findet auch in der ‚Mittel- und Oberschicht‘ durchaus die Verwendung des Dialekts als erste Verständigungssprache im öffentlichen Leben statt. Dialekt als ‚Bauern- und Arbeitersprache‘ kann daher auch nur als ein zufälliges Merkmal genannt werde.[19] Das wohl weitverbreitetste Abgrenzungskriterium zwischen Dialekt und Hochsprache liegt in der räumlichen Erstreckung. Während der Dialekt einen räumlichen begrenzten Geltungsbereich hat und meist nur landschaftsspezifisch gebraucht wird, ist die Standardsprache räumlich nicht begrenzt. Die kommunikative Reichweite ist ein weiteres Kriterium, welches eng verbunden mit dem Kriterium der räumlichen Erstreckung ist. Danach hat der Dialekt durch seine begrenzte Verwendung auch eine geringere kommunikative Reichweite und einen geringeren Verständigungsradius.[20]

3. Dialekt und Schule

„Die Mundart […] unterliegt keinen offiziell normierten orthographischen und grammatischen Regeln. Entsprechend ist sie auch nicht Gegenstand sprachdidaktischen Unterrichts.“[21] Die hier von Bergmann, Pauly und Stricker vertretene Meinung, dass Dialekt nicht Gegenstand des Deutschunterrichts sein könne, ist aus heutiger sprachdidaktischer Sicht nicht haltbar. Die Annahme einer variationslosen und einheitlichen deutschen Standardsprache, die den muttersprachlichen wie auch fremdsprachlichen Deutschunterricht lange Zeit geprägt hat, änderte sich jüngst durch die Diskussion der sprachlichen Auswirkungen von Migration und Multikulturalität in den Klassenzimmern. Während dem Erwerb der äußeren Mehrsprachigkeit in der Medienöffentlichkeit und Bildungspolitik ein großer Stellenwert eingeräumt wird, findet die innere Mehrsprachigkeit kaum Beachtung. Im Deutschunterricht werden die Ressourcen der inneren Mehrsprachigkeit nicht hinreichend genutzt, um eine rezeptive, wenn nicht sogar produktive kommunikative Kompetenz zu fördern und den SuS die Möglichkeit zu gewähren, zwischen den verschiedenen Varietäten der deutschen Sprache wechseln zu können.[22]

3.1. Dialekt und Standardsprache in der Geschichte des Deutschunterrichts

Im 17. und 18. Jahrhundert wurde das Lateinische vom Deutschen als Schul- und Unterrichtssprache abgelöst. Eine einheitlich normierte Standardsprache gab es noch nicht und trotz einiger Forderungen, nach einer solchen, blieb der Dialekt über Jahrhunderte hinweg das wichtigste Kommunikationsmittel in Schule und Gesellschaft.[23] Die nationalen Vereinheitlichungsbestrebungen des 18. und 19. Jahrhunderts förderten den Wunsch nach einer normierten, einheitlichen deutschen Sprache in der Schule. Die Verwendung der Standardsprache in Mündlichkeit und Schriftlichkeit sollte durch die Einführung von Sprachratgebern, Wörterbüchern und normativen Grammatiken sichergestellt werden. Gegen diese allgemeine Dominanz der Standardsprache innerhalb der Schulen gab es jedoch schon früh Kritik. Rudolf Hildebrand bemängelte 1867, dass das neue Standarddeutsch von den Lehrern gelobt, den Schülern aber fremd sei. Im Bereich der mündlichen Sprachbeherrschung etablierte sich das Standarddeutsch hingegen erst durch den schulischen Sprachunterricht im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts, wobei hier zwischen den Schulformen, vor allem Volksschule und Gymnasium, unterschieden werden muss. Ebenso muss die regionale Differenzierung, vor allem das Nord-Süd-Gefälle im deutschen Raum beachtet werden, dass für das Verhältnis von Standardsprache, Dialekt und Schule entscheidend ist. So findet im Norden Deutschlands ein nahezu ‚dialektfreier‘ Sprachunterricht statt, während im südlichen Sprachraum für die oberdeutschen Dialekte andere Gebrauchsfrequenzen galten.[24] Die Deutschdidaktik der 50er und 60er ging von einer Homogenität der deutschen Sprache und der Sprachgemeinschaft als ihrer Trägerin aus und schrieb der Hochsprache einen hohen Prestige- und Bildungswert zu. Dabei wurde die deskriptive Dichotomie der Sprachwissenschaft im Rahmen der Deutschdidaktik zu einer Stilpyramide umgeformt. Die Hochsprache stand als Zielform an der Spitze, während die Dialekte als historische Sprachformen die Basis bildeten. Entsprechend auch die Lernzielformulierung der verschiedenen Lernbereiche, wie z.B. grammatische Korrektheit, grammatisch richtiges, lautreines Sprechen und orthographisch richtiges Schreiben.[25] Die Entwicklungen von Pragmalinguistik und Soziolinguistik wie auch der Bildungsreform führten in den 70er Jahren zu einem Umbruch in der bildungsorientierten Sprachdidaktik. Die Problematisierung und Relativierung standardsprachlicher Normen als Lernziele sowie die Auseinandersetzung mit der sozialen Ungleichheit in Verbindung mit der Sprachbarriere standen im Fokus unterrichtlicher Aufmerksamkeit. Erst mit der kommunikativen Sprachdidaktik der 80er Jahre wurde ein breiteres Varietätsspektrum als Lernziel für die kommunikative Kompetenz mit einbezogen. Die Beurteilung von kommunikativer Angemessenheit und grammatischer Richtigkeit stand hierbei im Fokus. Insbesondere den Stellenwert von situativer Sprachvarietäten und das Verhältnis von gesprochener gegenüber geschriebener Sprache galt es hervorzuheben.[26]

3.2. Dialekt als Sprachbarriere – eine Fehleranalyse

In Folge der Bildungsreform der 70er Jahre rückte der Gebrauch von Dialekt und die Auswirkung auf die schulischen Leistungen immer mehr in den Fokus. Der Begriff der ‚Sprachbarriere‘ stand im Mittelpunkt der sprachwissenschaftlichen Untersuchungen. Mehrere empirische Studien belegten einen Zusammenhang von Dialektgebrauch und schulischen Erfolg, vor allem im Fach Deutsch. So haben dialektsprechende Schulanfänger beim Lesen- und Schreibenlernen, ebenso in der Rechtschreibung Schwierigkeiten. Die Orthographie, stellt dabei für dialektsprechenden SuS eine doppelte Hürde dar. Bei der Umsetzung von gesprochener in geschriebener Sprache werden sie mit zahlreichen Interferenzen konfrontiert, die dem Kontrast zwischen Dialekt und Hochsprache entwachsen.[27] Hinzu kommt, dass eine primäre dialektale Kompetenz die Wahrnehmung gesprochenen und geschriebenen Hochdeutschs filtert, so dass es nicht nur zu Problemen des Schreibens sondern auch des Lesens kommt. Fehlerschwerpunkte in der Orthographie lassen sich primär im Vokalbereich der Entrundung/Rundung, der ä-e-Verwechslung, der Längen-Korrelation und im Konsonantenbereich bei den Plosiven und der r-Vokalisierung erkennen. Im Grammatikbereich begrenzen sich die Fehlerquellen verstärkt auf die Kasuswahl, die Nominalflexion sowie das Präteritum.[28] Interferenzprobleme im Bereich der Morphologie und Syntax führen häufig zur allgemeinen Unsicherheit im Gebrauch des hochdeutschen Standards, was besonders im Schreiben von freien Texten zu erkennen ist und seitens der Lehrer als schlechter Stil oder Ausdruck bemängelt wird. Problematischer gestaltet sich hingegen die Fehlerquellenanalyse, da es sich als schwierig erweist, ob die Fehler dialektaler oder umgangssprachlicher Herkunft sind.[29] Ammon (1978) bemerkte, dass Dialektsprecher häufig auch Schwierigkeiten im formalen Sprachgebrauch haben und unbekannte Wörter und Strukturen vermeiden[30], was dazu führt, dass sie viele Wortwiederholungen, Anakoluthe und weniger wohlgeformte Sätze formulieren.[31] So sind Aufsätze von Dialektsprechern häufig kürzer und eingeschränkter in ihrer Wortwahl.[32] Neben den Unterschieden im Schriftlichen, beeinflusst Dialekt auch die mündliche Mitarbeit. Wegera (1983) stellte fest, dass dialektale Lexik zur falschen oder inadäquaten Wortwahl im Gebrauch der Standardvariante führt und sich daher in Form von sprachlicher Unsicherheit äußert.[33] Verschiedenen empirischen Studien stellten fest, dass Dialektsprecher gegenüber Standardsprechern gerade im Fach Deutsch schlechtere Schulnoten aufweisen.[34] Dialektsprecher, die über ein standardnahes Register verfügen, gehören hingegen zu den besten Schülern. Also liegt das Problem nicht darin, ob man Dialekt spricht, sondern ob man nur Dialekt spricht. Vielmehr sollte man sich die Varietät des Dialekts von Nutzen machen und das Variationsspektrum erweitern und nicht versuchen den Dialekt durch die Standardsprache zu ersetzen.[35]

4. Dialekt in der Sprachdidaktik

4.1. Dialekt in Lehrplan und Bildungsstandards

Das Ziel des Deutschunterrichts ist die Vermittlung der kodifizierten Standardsprache. Da die Unterrichtssprache in der Regel die Standardsprache ist, hat die Vermittlung dieser einen praktischen Hintergrund.

Der Teilrahmenplan Deutsch entspricht im Grundsatz und seinen Kompetenzen den „Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Primarbereich“.[36] In den Vorbemerkungen zum Rahmenplan wird zunächst auf die unterschiedlichen Sprach- und Sprechniveaus der Schulanfänger verwiesen. So verfügt jedes Kind schon vor Eintritt in die Grundschule in seiner Weise über einen eigenen Wortschatz, grammatische Strukturen, sowie über eigene Sprechhandlungsstrategien, Fragetechniken und Erzählmuster. Diese vielfältigen und individuellen Sprachleistungen der SuS werden in der Grundschule respektiert und sollen im Unterricht erweitert und strukturiert werden.[37] Um diese Ansprüche erfüllen zu können, sollen die SuS bis zum Ende der Grundschulzeit Lernleistungen erbringen, die im Rahmenplan unter dem Leistungsprofil Deutsch festgehalten sind:

Der Deutschunterricht soll die SuS unter anderem dazu befähigen sich verständlich und angemessen auszudrücken. Zudem sollen […] sie ihre jeweiligen Spracherfahrungen erweitern, korrigieren, flexibilisieren und reflektieren können, indem sie sich zunehmend bewusst mit grammatischen Gesetzmäßigkeiten und Begriffen in operativer, funktionsbezogener und pragmatischer Weise auseinandersetzen.[38]

Einer der Kernbereiche des Faches Deutsch ist unter anderem der Themenbereich Sprache und Sprachgebrauch, der sich in semantische, syntaktische und phonologische Betrachtungsweise untergliedert. Sprache soll dabei als ein durchgängiges Medium in allen Lebens- und Lernbereichen verstanden werden. Die SuS sollen lernen bewusst mit der eigenen Sprache umzugehen und ihr eigenes Sprachgefühl weiter zu entwickeln.[39] Dem Prinzip des Rahmenplans und dem Leistungsprofil Deutsch folgend, werden im Orientierungsrahmen die einzelnen Teilbereiche des Faches bestimmt, unterliegen aber keiner zeitlichen Reihenfolge. Das Fach Deutsch gliedert sich demnach in die Teilbereiche (1) Sprechen und Zuhören, (2) Lesen, Umgang mit Texten und Medien, (3) Schreiben und (4) Sprache und Sprachgebrauch. Gerade den Teilbereich Sprache und Sprachgebrauch untersuchen eignet sich besonders, um mit den SuS Dialekt als Varietät des Deutschen zu behandeln. So sollen die SuS in diesem Teilbereich unter anderem die sprachliche Verständigung untersuchen und die Unterschiede von gesprochener und geschriebener Sprache kennen lernen (u.a. Dialekt in der Lautsprache) ebenso sollen Verstehens- und Verständigungsprobleme (Gespräche mit Großeltern, deren Sprache meist noch dialektal geprägt ist) thematisiert werden.[40]

Der Lehrplan Deutsch für die 7.-10. Klasse der Hauptschule, Realschule und Gymnasium gliedert sich ebenfalls in vier Lernbereiche: Sprechen und Schreiben, Lesen/Umgang mit Texten/Medien, Sprachbetrachtung und Grammatik sowie Rechtschreibung und Zeichensetzung. Im Deutschunterricht der Sekundarstufe I soll Sprache in ihrer Vielfalt erfahren und verwendet werden, dazu sollen die SuS diese in ihren normativen Regelungen erfassen, anwenden sowie die kreativen und spielerischen Möglichkeiten dieser nutzen.[41] Im Rechtschreiben gilt es individuelle Schwierigkeiten, teilweise dialektbedingt, festzustellen und diese individuell zu fördern. Der Unterricht sollte zunehmend um das Themenfeld Reflexion über Sprache ergänzt werden, um Einsichten in Struktur, Funktion und Wirkung von Sprache anzubahnen und dies auch für das eigene Sprechen und Schreiben nutzen zu können.[42] Im Teilbereich Sprachbetrachtung und Grammatik sollen die SuS grundlegende Einsichten in die Bauformen der Sprache gewinnen und ihren eigenen Sprachgebrauch dadurch verbessern. Dazu trägt auch der Themenbereich Sprachliche Variation innerhalb dieses Teilbereiches bei, mit dem Ziel, dass die SuS Varianten (besonders geographische) der deutschen Sprache erkennen. Der Lehrplan weist zudem darauf hin, dass je nach Text- und Materialangebot Einzelaspekte der Teildisziplin Sprachgeographie behandelt werden können. Der Lehrplan empfiehlt von einem verfrühten sprachgeographischen Schwerpunkt abzusehen, solange nicht eine ausreichende Sicherheit im Umgang mit der Norm der Standardsprache erreicht ist.[43] Dieser Hinweis gilt für die 5. und 6. Klasse aller Schulformen. In den weiteren Klassenstufen unterscheidet sich vor allem die Hauptschule von Realschule und Gymnasium. In der 7. und 8. Klasse der Hauptschule lernen die SuS neben geographischen auch lexikalische Varianten kennen, hierzu sollen lediglich Einzelbeispiel, die mit den behandelten Texten zusammenhängen genügen.[44] In Realschule und Gymnasium findet die Beschäftigung mit der Sprachlichen Variation mehr Berücksichtigung. Die SuS lernen in der 7. und 8. Klasse geographische, soziale und historische Varianten, ebenso wie lexikalische Varianten der deutschen Sprache kennen.[45] In der 10. Klasse der Haupt- und Realschule sollen anhand von Einzelbeispielen Normen und Normabweichungen in Schrift, Rechtschreibung, Aussprache, Lexik und Syntax unterschieden werden.[46] Im Lehrplan des Gymnasiums wird dieser Punkt um weitere Schwerpunkte ergänzt, so ist neben den Normabweichungen auch ein Überblickt über die Bedingtheit, wie auch Stabilität und der Wandel von Normen zu erarbeiten.[47] In der Oberstufe erfolgt dann im Lernbereich Reflexion über Sprache eine Vertiefung des bisher erworbenen Wissens. So bieten sich die Themenbereiche Sprache und Sozialisation und historische Dimension von Sprache an, um das Themenfeld Dialekt als sprachliche Varietät des Deutschen zu behandeln.[48] Aus dem Überblick über den Rahmenplan der Grundschule, wie aus den Lehrplänen für die Sekundarstufe I und II in Rheinland-Pfalz geht hervor, dass die Vermittlung der Standardsprache und ihren Regeln in allen Klassenstufen im Vordergrund steht. Erst ab der Oberstufe ist eine intensivere Auseinandersetzung und Vertiefung mit den Varietäten des Deutschen vorgesehen.

[...]


[1] Aus Platzgründen wird im fortlaufenden Text Schülerinnen und Schüler als SuS abgekürzt.

[2] Neuland, Eva/ Hochholzer, Rupert: Regionale Sprachvarietäten im muttersprachlichen Deutschunterricht. In: Eva Neuland (Hrsg.) (2006): Variation im heutigen Deutsch: Perspektiven für den Sprachunterricht, Frankfurt am Main: Peter Lang. Seite 175.

[3] Neuland, Eva: Sprachvarietäten-Sprachnormen-Sprachwandel. In: Ursula Bredel u.a. (Hrsg.) (2006): Didaktik der deutschen Sprache. Ein Handbuch. 1. Teilband. 2., durchgesehene Auflage, Paderborn: Ferdinand Schöningh. Seite 52.

[4] Neuland/Hochholzer: Regionale Sprachvarietäten im muttersprachlichen Deutschunterricht. Seite 175.

[5] Klotz, Peter/ Sieber, Peter: Zur Einführung. Sprachliche Vielfalt und Einheitssprache. In: Klotz, Peter/ Sieber, Peter (Hrsg.) (1994): Vielerlei Deutsch: Umgang mit Sprachvarietäten in der Schule. 1. Auflage, Stuttgart: Klett. Seite 5.

[6] Ebd. Seite 6.

[7] Hochholzer, Rupert (2004): Konfliktfeld Dialekt. Das Verhältnis von Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern zu Sprache und ihren regionalen Varietäten. Regensburg: edition vulpes. Seite 30.

[8] Löffler, Heinrich (2003): Dialektologie. Eine Einführung. Tübingen: Gunter Narr Verlag. Seite 2.

[9] Zur Schwierigkeit einer Dialektdefinition vgl. Löffler 1982, Seite 441f.; Barbour/Stevenson 1998, Seite 61f.

[10] Löffler, Heinrich (2003): Dialektologie. Eine Einführung. Tübingen: Gunter Narr Verlag, Seite 1f.

[11] Dialekt. In: Glück, Helmut (Hrsg.) (2010): Metzler Lexikon Sprache. 4. Auflage. Stuttgart u.a.: Metzler. Seite 144.

[12] Dialekt. In: Bußmann, Hadumod (Hrsg.) (2002): Lexikon der Sprachwissenschaft.3. Auflage. Stuttgart: Kröner. Seite 162.

[13] Dialekt. In: Metzler Lexikon Sprache. Seite 145.

[14] Dialekt. In: Lexikon der Sprachwissenschaft. Seite 162.

[15] Hochsprache und Standardsprache werden in diesem Fall synonym verwendet.

[16] Vgl. Löffler 2003. Seite 3ff.

[17] Löffler (2003): Dialektologie. Eine Einführung. Seite 5.

[18] Ebd.

[19] Löffler (2003): Dialektologie. Eine Einführung. Seite 6.

[20] Ebd. Seite 7.

[21] Bergmann, Rolf/ Pauly, Peter/ Stricker, Stefanie (2001): Einführung in die deutsche Sprachwissenschaft. Mit Beiträgen von Götz, Ursula (u.a.). 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Heidelberg: Winter. Seite 130f.

[22] Neuland/Hochholzer: Regionale Sprachvarietäten im muttersprachlichen Deutschunterricht. Seite 175.

[23] Mattheier, Klaus J. (1980): Pragmatik und Soziologie der Dialekte. Einführung in die kommunikative Dialektologie des Deutschen. Heidelberg: Quelle & Meyer. Seite 111f.

[24] Neuland/Hochholzer: Regionale Sprachvarietäten im muttersprachlichen Deutschunterricht. Seite 176f.

[25] Neuland: Sprachvarietäten-Sprachnormen-Sprachwandel. Seite 52f.

[26] Ebd. Seite 53ff.

[27] Neuland/Hochholzer: Regionale Sprachvarietäten im muttersprachlichen Deutschunterricht. Seite 179.

[28] Rosenberg, Peter: Dialekt und Schule: Bilanz und Aufgaben eines Forschungsgebiets. In: Klotz, Peter/ Sieber, Peter (Hrsg.) (1994): Vielerlei Deutsch. Umgang mit Sprachvarietäten in der Schule.1. Auflage, Stuttgart: Klett. Seite 18.

[29] Ebd., Seite 21.

[30] Ammon, Ulrich (Hrsg.) (1989): Dialekt und Schule in den europäischen Ländern = Dialect and school in the European countries. Tübingen: Niemeyer. Seite 14.

[31] Rosenberg, Peter: Dialekt und Schule. Seite 23.

[32] Ammon, Ulrich: Dialekt und Schule in den europäischen Ländern. Seite 14.

[33] Rosenberg, Peter: Dialekt und Schule. Seite 21f.

[34] Ammon, Ulrich:, Dialekt und Schule in den europäischen Ländern. Seite 16.

[35] Rosenberg, Peter: Dialekt und Schule. Seite 24.

[36] Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2005): Weiterentwicklung der Grundschule. Rahmenplan Grundschule. Teilrahmenplan Deutsch. Grünstadt: Sommer Druck und Verlag. Seite 4.

[37] Ebd. Seite 6.

[38] Ebd. Seite 10

[39] Ebd. Seite 15

[40] Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend: Rahmenplan Grundschule. Seite 28.

[41] Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (1998): Lehrplan Deutsch Sekundarstufe I. Grünstadt: Sommer Druck und Verlag. Seite 11f.

[42] Ebd. Seite 14

[43] Ebd. Seite 80.

[44] Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung: Lehrplan Deutsch Sekundarstufe I. Seite 102.

[45] Ebd. Seite 160 und 204.

[46] Ebd. Seite 132 und 177.

[47] Ebd. Seite 221.

[48] Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (1998): Lehrplan Deutsch. Grund- und Leistungsfach Jahrgangsstufen 11 bis 13 der gymnasialen Oberstufe (Mainzer Studienstufe). Grünstadt: Sommer Druck und Verlag. Seite 15f.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Varietäten des Deutschen. Dialekt in der Schule. Sprachbarriere oder Chance?
Untertitel
Die Folgen für einen muttersprachlichen Deutschunterricht
Hochschule
Universität Trier
Note
2,0
Jahr
2017
Seiten
21
Katalognummer
V413460
ISBN (eBook)
9783668644267
ISBN (Buch)
9783668644274
Dateigröße
607 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
varietäten, deutschen, dialekt, schule, sprachbarriere, chance, folgen, deutschunterricht
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Varietäten des Deutschen. Dialekt in der Schule. Sprachbarriere oder Chance?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/413460

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