Ein Bildungsroman schildert die individuelle Entwicklung einer zentralen Figur durch Krisen bis hin zur Integration in die Gesellschaft und zu einem harmonischen Ende. Mit der Tendenz zu diesem harmonischem Ende unterscheidet sich der Bildungsroman vom 'Desillusionsroman', der eine scheiternde Bildungsgeschichte erzählt, und vom 'Erziehungsroman',
der sich auf pädagogische Probleme einer durch Erziehung gesteuerten Bildungsgeschichte konzentriert.
Karl Philipp Moritz' Roman Anton Reiser erscheint mit dem Zusatz „psychologischer Roman“ und ist, wie Schrimpf prägnant formuliert, „der Rechenschaftsbericht eines scharfsichtigen Diagnostikers, eine in pädagogisch-therapeutischer Absicht geschriebene, sozialpsychologisch orientierte „Anamnese“: Autobiographie als Pathographie“. Mit einer an eine psychologische Fallgeschichte erinnernde Genauigkeit analysiert der Erzähler die Entwicklung des jungen Anton Reisers und sieht dessen Probleme in seiner Kindheit verankert: Anton wird „von Kindheit auf, aus der wirklichen Welt verdrängt“. Diese Verdrängung aus der Wirklichkeit führt bei Anton dazu, dass kein Ausgleich zwischen Innen und Außen, zwischen Fantasie und Realität stattfinden kann.
Die Ursachen der Probleme in Antons Kindheit sind in seiner Familienkonstellation zu suchen. Das Ziel dieser Arbeit ist es, festzustellen, inwieweit Antons Kindheit als Ursache für das spätere Scheitern seines Versuches, sich in die Gesellschaft zu integrieren, anzusehen ist. Hierzu wird zunächst der Begriff 'Bildungsroman' näher erläutert, um anschließend Anton Reiser in diese Gattung einzuordnen. Eine Darstellung der Familienkonstellation ist notwendig, um die Ursachen der gescheiterten Sozialisierung Antons herauszustellen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Bildungsroman
- Anton Reiser als Bildungsroman
- Anton und seine Familie
- Inkonsistente Familienpädagogik als Auslöser für die Flucht in die Fantasie
- Vernachlässigung in Zeiten der Krankheit
- Religiöse Einflüsse in die Erziehung
- Antons Beziehung zu seiner Mutter
- Antons Geschwister
- Zusammenfassung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Rolle der Familie im Bildungsroman am Beispiel von Karl Philipp Moritz' „Anton Reiser“. Ziel ist es zu analysieren, inwieweit Antons Kindheit als Ursache für sein späteres Scheitern bei der Integration in die Gesellschaft angesehen werden kann. Der Fokus liegt auf der Darstellung der Familienkonstellation und der Herausarbeitung der Ursachen für Antons gescheiterte Sozialisierung.
- Die Bedeutung der Familie im Bildungsroman
- Inkonsistente Erziehung und ihre Auswirkungen auf Antons Entwicklung
- Die Rolle der Fantasie als Flucht vor der Realität
- Der Einfluss religiöser Erziehung auf Antons Leben
- Die Beziehung zwischen Anton und seiner Mutter
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt den Leser in das Thema der Arbeit ein und erläutert den Begriff des Bildungsromans im Allgemeinen. Sie definiert den Bildungsroman als eine Gattung, die die individuelle Entwicklung einer Figur von Krisen bis hin zur Integration in die Gesellschaft schildert. Im Anschluss wird Anton Reiser als ein "psychologischer Roman" vorgestellt, der die innere Geschichte des Menschen im Fokus hat. Die Einleitung unterstreicht die pädagogische Absicht des Romans und legt den Schwerpunkt auf die präzise Darstellung der Entwicklung Antons.
Das zweite Kapitel widmet sich dem Bildungsroman als literarischer Gattung. Es beleuchtet die wesentlichen Merkmale des Bildungsromans und befasst sich mit der Entwicklung des Begriffs seit seiner ersten Nennung. Hierbei werden auch die Unterschiede zwischen dem Bildungsroman, dem Desillusionsroman und dem Erziehungsroman beleuchtet, die im Falle von Anton Reiser besonders relevant sind.
Im dritten Kapitel erfolgt die Einordnung von Anton Reiser in die Gattung des Bildungsromans. Hier wird die "psychologische" Natur des Romans betont, die die innere Welt des Protagonisten in den Vordergrund stellt und seine Entwicklung in all ihren Nuancen aufzeigt. Weiterhin werden die pädagogischen und erzieherischen Absichten des Romans herausgestellt und die Bedeutung von Antons Flucht in die Fantasie als Folge seiner Erfahrungen in der realen Welt untersucht.
Das vierte Kapitel analysiert die Familienkonstellation in Anton Reisers Leben und beleuchtet den Einfluss der Familie auf seine Entwicklung. Es werden verschiedene Aspekte der Familienpädagogik, wie die Inkonsistenz der Erziehung, die Vernachlässigung Antons während seiner Krankheit sowie die religiösen Einflüsse, untersucht. Des Weiteren wird die Beziehung Antons zu seiner Mutter und zu seinen Geschwistern analysiert und deren Bedeutung für sein späteres Scheitern in der Gesellschaft beleuchtet.
Schlüsselwörter
Bildungsroman, Anton Reiser, Karl Philipp Moritz, Familie, Erziehung, Sozialisation, Fantasie, Realität, Religion, Psychologischer Roman, Scheitern, Integration, Pathographie, Familienpädagogik.
- Arbeit zitieren
- Lisa Bläse (Autor:in), 2014, Die Rolle der Familie im Bildungsroman am Beispiel des "Anton Reiser" von Karl Philipp Moritz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/413573