Die Darstellung der männlichen Figuren in Federico García Lorcas ländlichen Tragödien "La casa de Bernarda Alba" und "Yerma"


Examensarbeit, 2016

49 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Autor Federico García Lorca
2.1. Leben und Werk
2.2. Die Rolle des Mannes im sozial-historischen Kontext des 20 Jahrhunderts

3. Das Drama La casa de Bernarda Alba
3.1. Hintergrund
3.2. Die zentralen Themen
3.3. Die Darstellung der männlichen Figuren

4. Das Drama Yerma
4.1. Hintergrund
4.2. Die zentralen Themen
4.3. Die Darstellung der männlichen Figuren

5. Resümee

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Federico García Lorca (1898-1936) ist vor allem durch seine sogenannte ״Bauerntriologie"[1] zu einem der bedeutendsten spanischen Dramatiker geworden.

Weltweit fasziniert er Millionen Leser mit seinem für die damalige Zeit außerordentlich modernen und avantgardistischen Gedankengut, welches sein gesamtes Werk prägt.

In besonderem Maße bringt er seine Kritik am traditionellen, spanischen Geschlechterrollenkonzept zum Ausdruck, welches den Frauen eine stark untergeordnete Rolle zuschreibt und diesen sogar bis in die 1980er Jahre einige Bürgerrechte versagt.

Die Strahlkraft, die von Federico García Lorca und dessen Schaffen ausgeht, hat mich bereits im ersten Semester fasziniert und spiegelt sich für mich in besonderer Weise in seinem berühmtesten Werk La casa de Bernarda Alba wider.

Es ist bemerkenswert, welch thematische Vielschichtigkeit Lorca in diesem Drama mit einer nicht zu komplexen und konservativen Sprache vereint. Das macht es nicht nur für Muttersprachler, sondern auch für Lernende des Spanischen mit einer durchschnittlichen Sprachkompetenz attraktiv, sich diesem Klassiker der jüngeren spanischen Literatur zu widmen. Speziell interessant und bisher kaum untersucht sind im Gegensatz zur gesellschaftlichen Rolle der Frau im Spanien des frühen 20. Jahrhunderts die Rolle der männlichen Figuren in den Dramen von Lorca sowie deren charakteristische Repräsentation.

Da dieser Untersuchungsgegenstand in der Literaturwissenschaft bisher kaum Beachtung gefunden hat, wird in dieser Arbeit weitgehend auf die Verwendung von Sekundärliteratur verzichtet.

Auf diesen besonderen Aspekt bin ich nach Rücksprache mit meinem betreuenden Professor Dr. Joan Pere i Tous, dem mein besonderer Dank für seine Betreuung dieser Arbeit gilt, aufmerksam geworden.

Spannend erscheint mir der Vergleich mit Yerma, dem zweiten Drama in der Chronologie der ״ländlichen Tragödien"[2], da die männlichen Akteure in diesem Werk, anders als in La casa de Bernarda Alba, Sprechrollen haben und in Dialoge involviert sind.

Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Darstellung der bedeutenden männlichen Figuren Pepe el Romano (La casa de Bernarda Alba) und Juan (Yerma), in den Tragödien herauszuarbeiten und diese im Kontext der gesellschaftlichen Normen des frühen 20. Jahrhunderts miteinander zu vergleichen.

Zunächst möchte ich kurz das Leben und Werk des Autors betrachten. Hierbei befasse ich mich insbesondere mit der Frage, wie sich Federico García Lorca zu diesem herausragenden Schriftsteller entwickelt hat?

Für ein besseres Verständnis der gesellschaftlichen Konventionen, mit denen der junge Granadino konfrontiert war, soll daraufhin ein Überblick über das sozial-historische Geschlechterrollenverständnis zu Lebzeiten Lorcas gegeben werden.

Schließlich werde ich im Hauptteil der Arbeit die beiden Tragödien La casa de Bernarda Alba und Yerma zuerst rudimentär auf ihre Ursprünge und Entstehungsgeschichten untersuchen. Anschließend erfolgt eine kurze, allgemeine Analyse, um dann den Fokus auf die Rolle und Darstellung der männlichen Figuren zu legen.

In einem Resümee soll abschließend ein Vergleich zwischen den Repräsentationen der männlichen Protagonisten in den Dramen gezogen werden.

2. Der Autor Federico García Lorca

2.1. Leben und Werk

Geboren wird Federico García Lorca im Jahr 1898 in Fuente Vaqueros, einem kleinen andalusischen Dorf in der Nähe von Granada.[3]

Sein Vater Federico García Rodríguez, ein wohlhabender Großgrundbesitzer und seine Mutter Vicenta Lorca Romero ermöglichen ihm eine sorgenfreie Kindheit, in der der kleine Federico eine gute Schulbildung genießt und seine Leidenschaft für die Musik entdeckt. Nachdem er schon als Jugendlicher anfängt Gedichte zu schreiben und diese öffentlich vorzutragen, entscheidet er sich nach dem Abschluss an der höheren Schule von Granada für ein Studium der Rechtswissenschaften und der Literatur in der andalusischen Stadt.

Als er nach kurzer Zeit das Jurastudium wieder aufgibt, fokussiert er sich voll und ganz auf die Literatur, das Theater und die Kunst. Er verkehrt in künstlerisch-intellektuellen Kreisen und publiziert bereits 1918 seinen ersten Prosaband Impresiones y paisajes.

Im darauffolgenden Jahr entschließt er sich sein Studium in Madrid fortzusetzen und knüpft auch dort Kontakte zu ambitionierten jungen Schriftstellern wie Salvador Dali oder Luis Bunuel, die sein Schaffen nachhaltig prägen und ihn auf moderne Kunstströmungen wie den Surrealismus, den Dadaismus und den Ultraismus aufmerksam machen. Lorca wird Mitglied der berühmten Generación del 27, einer Dichtergruppe zwischen Symbolismus und Surrealismus.

Nach einigen Veröffentlichungen und Uraufführungen von Theaterstücken nimmt die Bekanntheit von Lorca immer weiter zu.

Im Anschluss an Auslandsaufenthalte in New York und Kuba, bei denen er Lesungen und Vorträge seiner Werke hält, kehrt er Mitte des Jahres 1930 nach Granada zurück, jedoch nicht ohne von der spanischen Presse wegen seines Erfolges auf dem amerikanischen Kontinent zelebriert zu werden.

1932 wird Lorca zum Leiter des Studententheaters La Barraca ernannt, welches über ein klassisches, spanisch-sprachiges Repertoire verfügt (unter anderem die Klassiker des Siglo de Oro) und Auftritte in ganz Spanien hat.

Später werden von eben diesem Theater seine Frauendramen Bodas de sangre (1933) und Yerma (1934) aufgeführt.

Das dritte Theaterstück der Triologie, La casa de Bernarda Alba, welches 1936 als letztes seiner Werke entsteht, wird erst 1945, also mehrere Jahre nach Lorcas Tod in Buenos Aires uraufgeführt.

In bürgerlich-konservativen Kreisen wird der granadinische Autor aufgrund seiner beinahe revolutionären gesellschaftlichen Ansichten heftig kritisiert.

״Als Republikaner, Homosexueller und Autor <subversiver> Werke"[4] wird er 1936 von der faschistischen Falange verhaftet und in der Nähe von Granada erschossen.

Darüber hinaus erfolgt eine öffentliche Verbrennung seiner Werke in seiner andalusischen Fleimatstadt.

2.2. Die Rolle des Mannes im sozial-historischen Kontext des 20. Jahrhunderts

Im folgenden Abschnitt möchte ich die Geschlechterrolle des Mannes im Spanien des frühen 20. Jahrhunderts[5] untersuchen, um hiermit eine theoretische Grundlage für die in dieser Arbeit untersuchten Thematik zu schaffen.

Dabei soll der Fokus weitestgehend auf die Perspektive des Mannes gerichtet werden, auch wenn eine solche Betrachtung, von sich gegenseitig bedingenden bilateralen Polen, wie sie sich in besonderem Maße in der Beziehungsebene zwischen Mann und Frau widerspiegeln, nicht ohne die Berücksichtigung des weiblichen Geschlechts gelingen kann.

Im 20. Jahrhundert gilt der Mann als unanfechtbares Oberhaupt einer jeden spanischen Familie.

Der Mann geht einer ernsthaften Arbeit nach und sorgt so für das finanzielle Auskommen der Familie.

Die Frau ist in der patriarchischen Gesellschaftsordnung eine Art ״Untertan" des Mannes.

Allein der Mann trifft wichtige Alltagsentscheidungen und gibt seiner Gattin sein Einverständnis für jedwedes Vorhaben.

So wacht er über das Vermögen der Familie und erteilt die Erlaubnis, ob seine Ehefrau einer Arbeit nachgehen darf.

Die Frau ist derart abhängig von ihrem Mann, dass sie ohne sein Zugeständnis nicht über einen eigenen Reisepass verfügen darf und in extremen Fällen nicht einmal ohne Begleitung das Flaus verlassen darf.

Im Falle einer unverheirateten Frau fungieren zunächst die engsten männlichen Verwandten, wie der Vater oder der Bruder, als eine Art Vormund.

Diese extrem ungleichen Verhältnisse, die im heutigen Spanien etwas in Vergessenheit geraten sind[6], da dieses sormalzustand.

Um von der Geselozialpolitische Thema innerhalb der Gesellschaft kaum thematisiert wurde, sind für die damalige Zeit der Nlschaft akzeptiert und integriert zu werden, mussten beide Geschlechter ihre Rollen annehmen und auch ausführen.

Das Bild eines Mannes lehnt sich stark an die Repräsentation der literarischen Figur Don Juan, der als Eroberer, Frauenheld und ״Macho", dem weiblichen Geschlecht machtvoll, stark und zugleich grausam entgegentritt.

Ausschlaggebend für die traditionellen Geschlechterrollen In Spanien Ist zudem die prägende soziale Dominanz der katholischen Kirche, der arabische Einfluss[7] und bis vor wenigen Jahrzenten die Franco-Dlktatur. Sowohl In den Lehren der katholischen Kirche, als auch Im Islam nehmen Frauen eine eher untergeordnete Rolle ein.

Francos Konventionen zufolge Ist die Frau eine Dienerin der Lust des Mannes und die Mutter ״seiner" Kinder.

Im besonders stark vom machismo[8] geprägten Andalusien kann der Mann seinen sexuellen Lüsten und Trieben nachgehen, ohne dafür moralisch oder gesellschaftlich geächtet zu werden.

Ein weiterer zentraler Punkt für die Inferiorität der Frau, Ist ein Blldungssystem, das ausschließlich dem Mann Zugang gewährt. Im öffentlichen Bewusstsein Ist nur der Mann In der Lage, höhere geistige Leistungen zu vollbringen, was Ihn allein für all die wichtigen Aufgaben Innerhalb des Staates prädestiniert.

Selbst wenn Frauen die Erlaubnis erhalten, einer Arbeit nachzugehen, Ist diese In der Regel so schlecht vergütet, dass es sich Im Grunde nicht lohnt, der Beschäftigung nachzugehen.

Das Vorenthalten von wesentlichen Bürgerrechten reicht bis Ins Jahr 1975, ungefähr ein halbes Jahr vor Francos Tod[9].

Erst nach der sogenannten Transición[10] Im Jahre 1978, mit der Einkehr der Demokratie In dem Iberischen Land, besitzen die Frauen annähernd die gleichen Rechte wie die Männer.

3. Das Drama La casa de Bernarda Alba

3.1. Hintergrund

Das letzte Werk des granadinischen Autors gilt zugleich als sein ״Meisterwerk"[11].

Um Lorcas Motive und Anregungen zum Verfassen der Tragödie besser nachvollziehen zu können, Ist es durchaus lohnenswert, einen Blick auf die geschichtliche Entwicklung der damaligen Zelt zu werfen.

Wie aus privaten Notizen von Lorca bekannt wurde, stellt er das Drama La casa de Bernarda Alba am 19. Juni 1936[12], also nur einen Monat vor dem Beginn des spanischen Bürgerkrieges am 17./18. Jul¡[13] desselben Jahres, fertig.

Mit dem Golpe de estado, dem Putsch gegen die Segunda República, bricht der spanische Bürgerkrieg aus und beschert dem Iberischen Land In den darauffolgenden drei Jahren unsagbares Leid.

Dem aufmerksamen Lorca Ist die zunehmende Unzufriedenheit In der Bevölkerung, vor allem Im Hinblick auf die Reformen der Zweiten Republik, nicht entgangen.

Somit spiegelt seine ״Bauerntriologie" die Polarisierung der damaligen spanischen Gesellschaft wider.

Speziell In den agrarwirtschaftlich geprägten Gebieten Spaniens, In der Bourgeoisie und Im Klerus Ist man verbittert über die Reformen der Segunda República[14].

Im Guerra Civil prallen die Verfechter einer zentralistischen und vom Katholizismus geprägten staatlichen Organisationsform auf die Befürworter eines modernen Staates, der sich über eine liberalsozialistischen Ausrichtung definiert[15].

Eben diese beiden gegensätzlichen Ansätze werden auch Im Stück La casa de Bernarda Alba repräsentiert.

Das letzte Werk Lorcas kann demnach auch als eine Antizipation der franquistischen Diktatur und der damit einhergehenden Zensur gelesen werden.

Es findet zudem ״eine dramatische Auseinandersetzung mit dem spanischen Ehrenkodex, der <<honra pública>>"[16], statt.

Der Ehrbegriff ist ein von Lorca stark thematisiertes Konstrukt, das neben weiteren zentralen Themen im Folgenden Beachtung finden wird.

3.2. Die zentralen Themen

Lorca thematisiert in seinem Meisterwerk eine große Anzahl von Aspekten, welche sich für eine vertiefende Analyse eignen.

An dieser stelle sollen aus der Vielfalt an Themen, die das Werk bietet, nur kurz die meines Erachtens wichtigsten Aspekte angesprochen werden, bevor daraufhin der Kernpunkt der Arbeit behandelt wird.

Das ständig durchdringende Thema ist die Gesellschaftskritik Lorcas.

Es ist unbestritten, dass Bernarda als Repräsentantin des "viejo autoritarismo hispánico"[17] gesehen werden kann. Ihre fehlende Bereitschaft, begangene Fehler einzugestehen, tritt als charakteristisch spanische Eigenschaft zutage:

"[...] ese concepto funcional y subjetivo de la verdad, tan radicalmente hispánico, que hace que Bernarda no sólo no reconozca haber cometido error alguno [...]."[18]

Mit einfachsten Mitteln kreiert Lorca ein unglaublich facettenreiches Drama ״[...] in dem nichts so eindeutig ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag"[19]. Vor allem die ausgeprägte Symbolik, wie beispielsweise die Farbund Raumsymbollk, auf allen Ebenen der Tragödie bietet einen schier endlosen Interpretationsstoff.

Selbst mit den Namen der Figuren transportiert Lorca eine Nachricht. Dies zeigt sich zum Beispiel am Namen von Bernardas Mutter , dass selbst kleinste Details und Sinnstrukturen Im Werk vom Autor durchdacht und bewusst gewählt sind. Lorca vMaria Josefa, was eine Anspielung auf die Eltern Jesu Ist[20].

Es zeigt sich alsoerwendet eine ״poetische, das heißt vieldeutige und zum Dechiffrieren auffordernde Sprache"[21].

Die strukturelle Ebene des Dramas Ist ebenso wie die symbolische Ebene von vielen Kontrasten geprägt[22].

Am prägnantesten Ist hier der Kontrast zwischen der Gemütslage Im Inneren des Flauses von Bernarda und der Außenwelt. Dies zeigt sich besonders In der Szene der Schnitter, die für den Zuschauer unsichtbar, singend am Flaus vorbeiziehen, während die Mädchen Im Inneren des Flauses ein trostloses Dasein pflegen (S. 159).

Bernarda, die vermeintliche Protagonistin, steht für ein strenges, von Männern dominiertes System gesellschaftlicher Normen[23].

Lorca kritisiert deutlich die diktatorische Mutterfigur, die ״mit einer moralisch drückenden Atmosphäre [...] über den männerlosen Haushalt [...] herrscht [...]"[24], um mit aller Macht das Ansehen der Familie Im Dorf zu wahren, sowie die Tatsache, dass die Gesellschaft seiner Zelt ״Charaktere von unmenschlicher Rigidität geformt hatte"[25].

Die Konsequenzen der unterdrückenden Autorität von Bernarda sind In Folge des Todes der freiheitsstrebenden Adela äußerst tragisch und spiegeln die abgeneigte Flaltung des Autors gegenüber der vorherrschenden Gesellschaftsform wider.

Während Adelas Schwestern die Beschneidung ihrer Freiheit hinnehmen und sich der Herrschaft der Mutter unterordnen, flüchtet sich die ebenfalls unterdrückte und eingesperrte Maria Josefa in eine von ihrem Wahnsinn erschaffene Traumwelt, in der sie, zumindest gedanklich der Oppression durch ihre Tochter entfliehen und so im Geiste ihren größten Sehnsüchten nachgehen kann[26].

Der Untertitel des Stückes "Drama de mujeres en los pueblos de España" deutet bereits auf das dramatische Ende hin. Mit der Wahl dieses Untertitels weist der Autor auf eine seiner Intentionen hin, nämlich in einer durchaus realistischen Darstellung den Problemen der Frau Gehör zu verschaffen.

3.3. Die Darstellung der männlichen Figuren

Obwohl im physischen Sinne kein einziger Mann im Stück auftritt, bestimmen und beeinflussen die männlichen Figuren maßgeblich die Handlung der Akteurinnen im Drama.

Im Folgenden werde ich das Stück chronologisch nach stellen untersuchen, in denen Erkenntnisse über die männlichen Figuren gewonnen werden können.

Die Charakterisierung sowie der Versuch der Rollenzuweisung müssen anhand einer Interpretation der Dialoge zwischen den einzelnen Frauen erfolgen.

Der erste Mann, der im Drama erwähnt wird, ist Bernardas soeben beerdigter Gatte Antonio Maria Benavides. Die Strenge Familientradition verlangt eine Trauerzeit von acht Jahren, in der die Familie das Haus nicht verlässt und die Töchter ihre Zeit damit verbringen, an ihrer Aussteuer zu nähen.

In der damaligen Zeit nicht ungewöhnlich, so ist es aus heutiger Sicht unvorstellbar, nach dem Tode des Vaters die kommenden acht Jahre trauernd und abgeschottet Zuhause zu verbringen, um diesem die gebührende Ehre zu erweisen.

Diese Tradition zeigt einmal häufiger die enorme Stellung, die der Mann als das Familienoberhaupt hat.

Das Eingesperrtsein der Töchter stellt einen zentralen Aspekt für den Fortlauf des Stücks und die dramatische Entwicklung der Ereignisse an dessen Ende dar.

Im Gespräch zwischen La Poncia und der Criada erfährt der Leser von der harten und autoritären Art Benavides, wodurch der Autor das stereotype Bild der spanischen Vaterfigur bestätigt (S. 118)[27].

Der herrische und Strenge Vater wird außer von Magdalena, zu der er ein gutes Verhältnis hatte, nicht geliebt.

Lorca kritisiert hier offensichtlich die typisch maskuline Art, indem er den Vater als einen nicht liebenswürdigen Menschen darstellt.

Benavides erfüllt als ״Schürzenjäger" noch ein weiteres stereotypes Merkmal des Mannes.

Anscheinend haben zwischen dem Vater und der Criada, mehr oder weniger einvernehmlich, sexuelle Flandlungen im Stall stattgefunden (S. 123).

In Anwesenheit der Trauergesellschaft wird Benavides jedoch standesgemäß verehrt und sein Tod stark betrauert (ebd.).

Der Respekt vor dem Verstorbenen geht sogar soweit, dass Bernarda in Anwesenheit der Trauerfrauen ihre Tochter Adela keinen blumigen Fächer benutzen lässt (S. 128).

Selbst wenn der Vater Benavides nur zu Beginn des Stückes thematisiert wird, so sind sein Tod und die damit verbundene Ausgangssperre für die Töchter doch die Grundlage für den Fortlauf der Tragödie.

Dem Vater kommt demnach auch durch seine Abwesenheit, eine gewichtige Rolle im Gesamten zu.

Beleuchtet werden sein Charakter und einige seiner Handlungen zu Lebzeiten von den beiden Bediensteten des Hauses, Criada und La Poncia. Diese beschreiben ihn als Prototyp des spanischen Ehemanns und Vater, der diktatorisch die Kontrolle über die Familie hat und die Frauen im Stile eines Machos gelegentlich zur Befriedigung seiner natürlichen Bedürfnisse benutzt.

Zwischen Bernarda und Benavides herrschte wohl ein ähnliches Verhältnis wie zwischen ihm und den Töchtern (außer zu Magdalena), jedoch äußert sie sich niemals negativ über ihren verstorbenen Mann, um die Familienehre zu wahren.

Das andere Geschlecht hat auf die im Haus eingesperrten Töchter eine enorme Anziehungskraft.

Die Männer, vor allem Pepe el Romano, sind für die Töchter etwas Fernes und Unerreichbares, für das zumindest manche von ihnen die Hausregeln und den Ehrenkodex ohne nachzudenken brechen würden.

Bernarda weiß um die magische Kraft, die von den Männern auf ihre Töchter ausgeht genau Bescheid und wendet körperliche Gewalt gegenüber Angustias an, um vorerst die Kontrolle über das Geschehen zu behalten (S. 131).

Die Rollen im konservativen Andalusien des frühen 20. Jahrhunderts beschreibt Bernarda wie folgt:

"Hilo y aguja para las hembras. Látigo y mula para el varón" (S. 129)

Ein Werkzeug, das die Männer vor allem für das Vieh benutzen, ist die Peitsche. Diese steht für Kontrolle, Weisungsbefugnis und Macht. Dabei kontrolliert der Mann nicht nur seine Tiere in der Landwirtschaft. Diese hierarchische Stellung bezieht sich auch auf die Beziehung zwischen Mann und Frau.

[...]


[1] Vgl. Völpel (2004), s. 87.: Nach Völpel besteht diese aus den Werken Bodas de sangre (fertiggestellt 1933), Yerma (1934) und La casa de Bernarda Alba (1936). Jedoch teilen nicht alle Autoren diese Ansicht.

[2] Vgl. Völpel (2004), s. 87.

[3] Vgl. Völpel (2004), s. 85.

[4] Vgl. Völpel (2009), s. 103.

[5] Vgl. Haller (1991).

[6] Unterdrückte Frauen und ihre Töchter haben sich mit der Website www.mujerymemoria.org eine Plattform geschaffen, auf der sie ihre Erlebnisse kommunizieren und gegen das Vergessen ihres Schicksals ankämpfen.

[7] Vom Jahr 711 bis zur Reconquista 1492 war die iberische Halbinsel von den Mauren besetzt. In diesen fast 800 Jahren hat die muslimische Kultur mit ihrem Geschlechterrollenverständnis auch das spanische Bild mitgeprägt.

[8] Steht hier für die in allen Lebensbereichen überlegene Stellung des Mannes.

[9] Vgl. Alonso, Blasco (2007), s. 8.

[10] So wird die Übergangszeit vom Tode Francos im Jahr 1975 bis zum Eintritt der demokratischen Verfassung im Jahr 1978.

[11] Vgl. Völpel (2004), s. 89.

[12] Vgl. Völpel (2009), s. 95.

[13] Vgl. ebd.

[14] Vgl. ebd.

[15] Vgl. ebd.

[16] Vgl. Völpel (2009), s. 89.

[17] Vgl. García Posada (1979), s. 149.

[18] Vgl. Rubia Barcia (1980), s. 402.

[19] Vgl. Mai (2014), s. 38.

[20] Vgl. Domenech (1985), s. 200.

[21] Vgl. Floeck (Flrsg.) (1990), s. 135.

[22] Vgl. Mai (2014), s. 92.

[23] Vgl. Völpel (2004), s. 91.

[24] Vgl. Kreutzer (1982), s. 151.

[25] Vgl. ebd.

[26] Vgl. Völpel (2004), s. 93.

[27] Seitenangaben im Fließtext beziehen sich auf die kommentierte Ausgabe von Allen Josephs und Juan Caballero: Lorca, Federico García: La casa de Bernarda Alba. Edición de Allen Josephs y Juan Caballero, Madrid: Catedra Letras Flispánicas 1996.

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Die Darstellung der männlichen Figuren in Federico García Lorcas ländlichen Tragödien "La casa de Bernarda Alba" und "Yerma"
Hochschule
Universität Konstanz
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
49
Katalognummer
V414023
ISBN (eBook)
9783668652880
ISBN (Buch)
9783668652897
Dateigröße
569 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lorca, Bernarda Alba, Yerma
Arbeit zitieren
Alexander Welte (Autor:in), 2016, Die Darstellung der männlichen Figuren in Federico García Lorcas ländlichen Tragödien "La casa de Bernarda Alba" und "Yerma", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/414023

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