Das Rotwelsch. Ein Überblick über die deutsche Gaunersprache


Dossier / Travail, 2007

17 Pages, Note: bestanden

Anonyme


Extrait


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Zur Definition des 'Gauners'

2. Das Vokabular des Gauners
2.1 Geographisches Vokabular
2.2 Berufliches Vokabular
2.3 Das Wortfeld 'Tiere' im Rotwelschen
2.4 Volksetymologisches

3. Probe aus dem Rotwelschen
3.1 Textauszug
3.2 Nhd. Übersetzung
3.3. Wortregister (in alphabetischer Reihenfolge)

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Zoof gannew lithlio - „Das Ende des Diebes ist der Galgen[1]

Das Rotwelsch nimmt unter den Sondersprachen einen besonderen Platz ein. Als Geheimsprache, deren Anfänge im 13. Jahrhundert, also in der Vor-Luther-Sprache[2] liegen, einer Gruppe der gesellschaftlich Geächteten, ist sie ein Symbol für die Solidarität und zeichnet sich besonders durch ihren speziellen Wortschatz aus, der hauptsächlich Substantive betrifft, die nach bestimmten Wortbildungsmustern entstanden sind. In dieser Sprache der Gauner und Diebe finden sich Einflüsse aus dem Deutschen, Jiddischen (besonders zahlreich nach Ende des Dreißigjährigen Krieges vertreten), Tschechischen und Zigeunerischen (Einflüsse aus dem Zigeunerischen sind ca. ab 1417 nachweisbar). Einige Wörter sind Hybride, das heißt, sie sind aus Wortteilen verschiedener Sprachen zusammengesetzt. Das Rotwelsch unterscheidet sich hauptsächlich lexikalisch vom Deutschen und ist deshalb als Sonderwortschatz und nicht als eigenständige Sprache.

Selbst die lexikalischen Fremdstämme werden nach deutschen Wortbildungsmustern eingebaut und nach deutschem Vorbild flektiert.[3] Durch das Fehlen einer landschaftlichen Gebundenheit, ist das Rotwelsch nicht als Dialekt anzusehen, ebenso wegen seiner ausschließlichen Verwendung im intimen Gruppenleben.[4] Es stellt statt einer Fachsprache vielmehr eine Standessprache dar und durch ihre soziale Funktionsbestimmung zugleich eine Geheimsprache, die, nach Spangenberg, ursprünglich als mündliches Kommunikationsmittel gedacht war.

Die folgende Arbeit soll einen Einblick in das Vokabular des Rotwelschen und seine Herleitung und Bildung geben und anhand eines Textbeispiels und dessen Übersetzung ins Neuhochdeutsche, eine Einführung in diese Sprache ermöglichen. Da einige Bereiche des täglichen Lebens besonders stark als Wortfelder im Rotwelschen vorkommen, werde ich die Vokabeln einiger dieser Gebiete herausstellen und erklären, wie es zur Bildung des rotwelschen Vokabulars gekommen ist (siehe 2. - „Das Vokabular des Gauners“).

Die Wichtigkeit des Rotwelschen zeigt sich besonders darin, dass bis heute rotwelsche Begriffe in unserem aktiven Sprachgebrauch vorkommen, deren Herkunft und ursprüngliche Bedeutung wir uns größtenteils gar nicht bewusst sind.

1.1 Zur Definition des 'Gauners'

Wichtig ist einmal den Begriff „Gauner“ zu definieren:

„zur Gaunerzunft gehören nämlich nur die Berufsverbrecher, deren – nach bestimmten Kunstregeln ausgeübte – Tätigkeit sich auf die Schädigung des Eigentums ihrer Mitmenschen richtet zu dem Zwecke, sich selbst in gewinnsüchtiger Weise zu bereichern, was freilich nicht ausschließt, dass auch von Gaunern einmal ein Verbrechen andrer Art [...] begangen werden kann“.

→ „Gauner sind die gewerbsmäßigen Diebe Räuber und Betrüger aller Art, mit Einschluss auch zum Beispiel der betrügerischen Bettler und Falschspieler.“[5]

Avé-Lallement glaubte Gauner leitet sich von Zigeuner/Zigauner ab. Günther sagt, dass heute davon ausgegangen werden kann, dass der Ausdruck sich vom hebräischen jânâ(h) („übervorteilen“) ableitet, das in den angedeutschten Formen junen, jonen, Joner vorkommt, ursprünglich für den gewerbsmäßigen Betrüger im Karten und Würfelspiel. Im Laufe der Zeit entwickelte es sich weiter zu Jauner (so von Schiller verwendet, der sich vom Rotwelschen zu seinem Werk „Die Räuber“ inspirieren ließ) hin zum Gauner.

Das Ziel der Gauner selbst, war ihre Sprache so weit vom Deutschen zu entfernen, dass „kein teutsch-lautendes Wort mehr unter ihrer Sprache seyn mögt.“[6]

2. Das Vokabular des Gauners

2.1 Geographisches Vokabular

Das Gaunertum hat in den letzten hundert Jahren einen deutlich zu erkennenden Wandel vollzogen.[7] Zwar stimmt die Definition des Gauners als Dieb, Räuber und Betrüger noch vollkommen mit der damaligen überein, die Art und Weise in der dieser „Berufszweig“ agiert, hat sich aber in mehreren Punkten stark verändert. War früher das zigeunerartige Herumziehen in Banden charakteristisch für das Gaunertum, hat sich das in der heutigen Zeit fast ins Gegenteil gewandelt. Johann Ulrich Schöll beschrieb die Gauner als Leute, „die vom Stehlen Profession machen, [...] dabei Landstreicher sind und in gesellschaftlicher Verbindung mit anderen ihresgleichen leben“[8]. Einen Gauner „mit eigenem Herde“[9] hält A.F. Thiele seiner Zeit gar nicht für möglich. Der Gauner von heute hat in den meisten Fällen einen festen Wohnsitz und scheut das alleinige Arbeiten auch nicht, das es ihm 100% des Gewinnes sichert. Weiterhin hat sich der Arbeitsplatz des Gauners von den Wäldern und Landstraßen in die Städte selber verlegt. Durch den Umzug in die Städte, erklärt sich auch der Rückgang des geographischen Vokabulars im Laufe der Zeit. Durch das Umherziehen des Gauners erklären sich einige Städtenamen des Rotwelschen, die aus Wortteilen bestehen können, die aus anderen Regionen stammen und durch das umherziehen mitgebracht und in die Sprache eingegliedert wurden.

Geographische Begrifflichkeiten spielen im Rotwelschen eine eher kleine Rolle und verschwinden mit der Zeit immer mehr. Größere Mengen dieser Vokabeln treten gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf und finden ihr Vorbild im Jüdisch-Deutschen[10]. Im Gegensatz zum restlichen Vokabular des Rotwelschen findet sich in den geographischen Ausdrücken eine systematische Ordnung, auf die, so Avé-Lallement, beim restlichen Wortmaterial weitgehend verzichtet wurde, um eine Entschlüsselung der Geheimnisse zu vermeiden.

Am schnellsten lassen sich die Ausdrücke für Flüsse und Gebirge erklären, da sie nur selten auftauchen. Am häufigsten findet der Rhein Erwähnung, der bekannteste Schauplatz vieler Räuberbanden um das 18. Jahrhundert. Er wird als Flossert oder Majum (vom hebräischen majîm) bezeichnet, was so viel heißt, wie „Wasser“ oder „Fluss“[11]. Manchmal auch mit dem Zusatz gâdôl („groß“).

Vereinzelt finden sich Gebirgsbezeichnungen im Rotwelschen wieder. Als Beispiele wären der Vogelsberg - Vogelsgörg, oder (das etymologisch unklare) Nachums-Gehain oder der Schwarzwald - schwarzer Kracher[t] zu nennen.

Die Gruppe der Ländernamen ist schon ausführlicher vertreten, deswegen werde ich nur einige Beispiele nennen. Hier lässt sich eine erstes System erkennen, nämlich das die Namen - bis auf wenige Ausnahmen - auf bestimmte Stellen des alten Testaments zurückgehen, die dann auf europäische Länder übertragen worden sind. Die Gründe, warum ein Land gerade dem einem biblischen Begriff zugeordnet worden ist, sind unklar. Beispiele sind Aschkenas für Deutschland, Zarfes/ves oder Ferfes/ves für Frankreich und Sefard für Spanien[12]. Aschkenas bezeichnet in der Bibel ein nordasiatisches Königreich, Zarfes geht auf das hebräische Wort Zarpâth zurück, eine phönizische Stadt im ersten Buch der Könige, während Sefard eine Gegend in Kleinasien darstellt, in der nach der Bibel, israelitische Verbannte lebten. Einige Ländernamen stellen sich als Übersetzung heraus, wie zum Beispiel Jowen Malchus für Russland. Diese Art der Ländernamen bildet die Regel.

Eine dritte Bildungsart entstand durch Wortspielerei, indem man den ersten Bestandteil des deutschen Namens eines Landes in einem von der gewöhnlichen Bedeutung abweichenden Sinn fasste und für diesen wieder eine andere, ungefähr gleichwertige Vokabel setzte. Oft flossen auch die Landesfarben in die Namensgebung ein; „ weiße Märtine “ für Sachsen, mit seiner weiß-grünen Landesfarbe, die auch im Militär vorkommt. So gehört zu dieser Gruppe auch Hannover (Rot-Martine), dessen Militär rote Kleidung trug (vorwiegend die zur Uniform gehörenden Röcke).

Eine weitere Gruppe ist die, deren Namen sich auf die für die Region typischen Erzeugnisse beziehen, wie zum Beispiel das Königreich Bayern (Chasser-Matine, übersetzt „Schweineland“), mit seiner weit bekannten und teils verspotteten Schweinezucht.

Statt der Endung Medine wird auch, aber sehr selten, die Endung Land verwendet, ersichtlich in folgenden Beispielen; Plattland für Hannover oder blaues Ländle für Bayern.

Die letzte Gruppe der als systematisch angesehenen Ländernamen ist die der Erhebung von Eigenschaftswörtern zu Hauptwörtern (weiße Märtinedas Weiße, Weißerische). Die Bezeichnung für Völker und Stämme, sind meistens Abwandlungen der Bezeichnungen der Länder oder Spitznamen, die sich von für diese Region typischen Vornamen ableiten lassen, wie zum Beispiel Seppel, eine Abkürzung von Joseph, die den Bayern meint oder Fritzchen (=„Friedrich“) für den Preußen.

Die Städte- und Ortsbezeichnungen machen den mit Abstand größten Teil des geographischen Vokabulars aus. Besonders im 19. Jahrhundert nimmt die Anzahl der gaunersprachlichen Begriffe zu. Der Hauptteil besteht aus Zusammensetzungen mit dem aus dem hebräischen Abgeleiteten Wort Mokum (= mâqôm =„Ort“, später auch „Strafanstalt“). Aus jüdischer Tradition übernommen, wurden die Anfangsbuchstaben deutscher Städte mit Mokum kombiniert, wobei der der Anfangsbuchstabe hebräisch ausgesprochen und das Wort Mokum vorangestellt wurde. Solche Städtenamen sind beispielsweise Mokum Beiß für Berlin, Mokum Lam(m)et für Leipzig oder auch Mokum Schin für Stuttgart oder Spandau. Möglich waren auch statt des Anfangsbuchstaben, die erste Silbe zu nehmen und Mokum anzuschließen. Dazu gehören Frey-Mokum für Freiburg oder Stroh-Mokum für Straßburg (Abwandlungen wie hier zwischen Straß- und Stroh - liegen an der „schlechten (mundartlichen) Aussprache“[13] ). Weiterhin gibt es vereinzelt alle bereits oben angeführten Möglichkeiten der Namensgebung (geographischer Wörter) auch in Verbindung mit einem voran- oder nachgestellten Mokum. Das in Zusammensetzungen gefundene Wort Kühle stammt nicht aus dem Deutschen, sondern von dem hebräischen Wort qehillâh (=„Gemeinde“, „Versammlung“) und gibt dem Gaunertum Aufschluss darüber, dass sich in dem genannten Ort eine größere Judengemeinde aufhält. Ein Beispiel dafür ist s`Hickels-Kühle für Fürth. Häufig werden größere Städte als Steinhaufen (mit vorangestellten Zusätzen, wie grandigen =„groß“), bezeichnet. Es kann soviel wie „Haus“ bedeuten, ist aber als eher als humoristisch gedachter Einfallsreichtum auszulegen, da es keine Quellen gibt, die genauere Auskünfte über die Bedeutung oder den Grund dieser Namensgebung geben (Rollsteinhaufen für Klagenfurt). Bestimmte Wallfahrtsorte, vorwiegend in Österreich, sind mit dem Wortteil Thuma (=„Kirche“) bezeichnet, so z. B. Alsingthuma für Maria Taferl oder Verlanggoithuma für Maria Zell. Es gibt auch Beispiele, die zeigen, dass bestimmte Städtenamen des Rotwelschen an den ursprünglichen Namen der Stadt erinnern oder er sogar mit ihm identisch sind, wenn dieser sich verändert hat (Kalmich für Kalbach, aus KaltenbachKaltembachKaltemechKalemechKalmich [14] ). Weitere Bezeichnungen sind Apokopen, so zum Beispiel Sonne für Sonnenburg oder Brand für Brandenburg. Verlängerungen wie Steinhausen, für das an der Donau gelegene Stein sind seltener.

[...]


[1] Günther, L.: „Die deutsche Gaunersprache“. Seite 93

[2] http://www.vhs-kamen-boenen.de/Download/das_Juedische_im_Deutschen.pdf

[3] Spangenberg, Karl. Seite 25

[4] Spangenberg, Karl. Seite 21

[5] Günther, L. „Rotwelsch des deutschen Gauners“. Seite 4

[6] Vernehmungsprotokoll v. 26. 4. 1745, abgedruckt bei Kluge, S.225

[7] Sämtliche aufgeführte Beispiele, wenn nicht anders gekennzeichnet stammen aus: Günther, L.: „Die deutsche Gaunersprache“

[8] Schöll, Ulrich

[9] Thiele, A. F.

[10] Siehe hierzu: Stuhlmüller, Karl

[11] Günther, L.: „Die deutsche Gaunersprache“. Seite 21

[12] Günther, L.: „Die deutsche Gaunersprache“. Seite 23

[13] Günther, L.: „Die deutsche Gaunersprache“. Erftstadt Seite 32

[14] Günther, L.: „Die deutsche Gaunersprache“. Erftstadt Seite 38

Fin de l'extrait de 17 pages

Résumé des informations

Titre
Das Rotwelsch. Ein Überblick über die deutsche Gaunersprache
Université
Ruhr-University of Bochum  (Germanistik)
Cours
Frühneuhochdeutsch
Note
bestanden
Année
2007
Pages
17
N° de catalogue
V414055
ISBN (ebook)
9783668647343
ISBN (Livre)
9783668647350
Taille d'un fichier
460 KB
Langue
allemand
Mots clés
Frühneuhochdeutsch, Rotwelsch, Gaunersprache, Deutsch, Dialektik, Gauner, Vokabular, Volksetymologie
Citation du texte
Anonyme, 2007, Das Rotwelsch. Ein Überblick über die deutsche Gaunersprache, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/414055

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