Hexerei und ihr Weg in die Moderne


Dossier / Travail, 2000

22 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was ist Hexerei ?
2.1. Hexerei bei den Efik
2.1.1. Traditionelle Methoden der Divination und Heilung bei den Efik
2.2. Hexerei bei den Zande
2.2.1. Traditionelle Methoden der Divination bei den Zande

3. Was kann Hexerei auslösen ?
3.1. Beziehungen zwischen Opfer und Täter

4. Der Einfluß der Kolonialisten auf Konflikte und Spannungen
4.1. Die neuen ökonomischen Kräfte

5: Verwandtschaft und Hexerei

6. Umgang des Staates mit Hexerei
6.1. Warum interveniert der Staat so begierig ?
6.2. Hexerei in der Politik

7. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wenn man heutzutage, im europäischen Raum, noch etwas über Hexerei hört, dann sind das fast ausschliesslich Geschichten aus alten, vergangenen Tagen. Damals, seit dem Ende des 15. Jahrhunderts, herrschte ein Bild von Hexen, daß sich auf körperliche und Merkmale im Verhalten begründete. Hexen, die in der Nacht auf ihren Besen ritten, brachten Unglück oder den Tod. Ihre körperlichen Merkmale waren meisstens die einer jungen oder auch alten Frau, deren Aussehen etwas Unnatürliches offenbarte ( ein Buckel, rote Haare, Warzen, eine lange Nase etc. ). Da jedoch allein ihr Aussehen nicht unbedingt der Beweis für ihre teuflischen Kräfte war, schob man ihnen noch bestimmte, „unnormale“ Verhaltensmuster in die Schuhe, wie z.B.: Selbstgespräche bzw. wirres Plaudern mit unsichtbaren Personen, Nachtaktivität, sexuelle Promiskuität, Teufelsanbetung, Verfluchen der christlichen Religion u.v.a., um ihre Unterdrückung zu legitimieren und um sie als „ Ketzer “ in der Öffentlichkeit darzustellen. Man warf ihnen vor, durch das Abhalten schwarzer Messen, das Begehen ritueller Morde, Hexensabatte und Kannibalismus, mit dem Teufel im Bunde zu sein. Die Konsequenzen, die daraus gezogen worden, waren Exorzismus oder Tod auf dem Scheiterhaufen. Heute wird der Glaube an Hexen, vor allem aber der Glaube an ihre Kräfte, jedoch eher belächelt und ihre Geschichte als Märchen betrachtet, die keinen Zugang mehr zur Realität und demzufolge in die Moderne hat.

Betrachtet man allerdings den afrikanischen Kontinent, wird man feststellen, daß der Glaube an Hexerei, der auch dort schon immer vertreten war, überraschenderweise nie an Bedeutung oder Popularität verloren hat. So trifft man heute, in einem modernen Staat, auf Personen, die der Hexerei beschuldigt werden, welche aber zu ihrem traditionellen Bild neue Formen angenommen haben und somit auch in neuen Bereichen wirken können. Die hier vorliegende Arbeit will sich nicht nur mit den neuen Bereichen beschäftigen, sondern eher den Übergang markieren, der es möglich machte, dass diese neuen Formen in der Gesellschaft Fuss fassen konnten. Sie zeigt, anhand von Beispielen einiger Kulturen, wie das traditionelle Bild einer solchen Person aussah und wie sie bekämpft oder gestoppt wurden, betrachtet weiterhin die politischen und ökonomischen Veränderungen, die durch den Kolonialismus eintraten und beschreibt den Umgang des modernen Staates mit der neuen Art der Hexerei.

2. Was ist Hexerei ?

Wenn man von Hexerei spricht, darf man den Hexer nicht mit dem Zauberer gleichstellen. Bei Zauberei und Hexerei handelt es sich zwar um zwei grundverschiedene Dinge, jedoch können beide zu den ähnlichsten Ergebnissen führen.

Nach Evans-Pritchard[1] besitzt ein Hexer angeborene, magische Kräfte mit denen er, durch seelische Vorgänge, anderen, bestimmten Personen Schaden zufügen kann, der sich in Unglück, Krankheit oder Tod äußert. Dazu benutzt er weder böse Medizinen, noch unglückbringende Sprüche während magischer Riten. Ihm wurden diese Kräfte, sozusagen, vom Vater oder der Mutter vererbt. Ein Zauberer hingegen muß sich diverser Medizinen nutzbar machen, Sprüche bei magischen Riten gebrauchen, da er ohne sie keinerlei Kräfte besitzt und nur mit ihnen anderen Menschen Schaden zufügen kann. Ein weiterer Unterschied zwischen diesen beiden Personen ist, dass die Opfer von Hexerei meisstens eigene Familienmitglieder, d.h. Blutsverwandte des Hexers oder der Hexe sind. Der Zauberer hingegen versucht sich, mit Hilfe seiner Ausstattung gegen persönliche Feind zu wehren oder er will sich an Personen rächen, die ihm etwas Negatives zugeführt haben.

Die Vorstellungen über das Wesen und Bild einer Hexe sind sich in vielen afrikanischen Kulturen sehr ähnlich. Als Hexen werden oft nur Frauen bezeichnet, männliche Hexer stellen nur eine Minorität dar, die aber als gefährlicher bewertet wird, da sie ihre Kräfte unter Kontrolle bringen, oder sogar umkehren können, um sich dann als Hexenjäger (Divinant) zu betätigen.

Man spricht von Hexen wie von zwei Naturen in einem Menschen – gut und böse- welcher am Tage als ein normales Mitglied der Gesellschaft seinen Tätigkeiten nachgeht und, falls er nicht gerade durch untypische körperliche Merkmale geprägt oder geistig verwirrt ist - weshalb man ihm schon einen Aussenseiterstatus zuspricht - in der Nacht sich sein Geist vom Körper trennt, durch die Gegend irrt und im Dunkeln sein Unwesen treibt. In solchen Nächten fliegt die Hexe zu ihrem schlafenden Opfer und bemächtigt sich seiner Seele. Das Opfer kann schon am nächsten Tag tot im Bett liegen oder auch nur krank sein. Wenn Krankheit der Fall ist dauern die nächtlichen Besuche der Hexe weiter an, bis sie entweder gestoppt, enttarnt oder das Opfer geheilt oder verstorben ist. Wenn eine Person mit solchen Kräften ausgestattet ist, muß sie nicht gleichzeitig eine Ahnung ihrer Fähigkeiten besitzen, da man grundlegend davon ausgehen kann, dass sich in jedem menschlichen Körper eine gute und eine schlechte Seele befindet, was das Ausfindigmachen der Hexe erschwert. Diese beiden Seelen sind die Schatten – und Lebensseele ( bzw Vitalseele ).

Die Taten von Hexen stehen im Widerspruch zu allen geschätzten Werten, die eine Gesellschaft vorgibt. So gelten Hexen als Urheber von Krankheiten, wie Lepra, Ebola, Blindheit, Impotenz, Lähmung u.a., sowie Tod und jedem anderen unerklärlichen, persönlichen Unglück, wie materielle Einbußen. Auch kann Hexerei zu Trunksucht, Diebstahl und Verschwendung verführen.

Diese nahezu generellen Angaben über das Bild einer Hexe sind weit verbreitet, jedoch existieren viele kleinere Unterschiede über die Auffassung und Aktivitäten von Hexen in verschiedenen Kulturen. Da es jedoch unmöglich ist den Gegenstand der Hexerei in einer Kultur umfassend zu betrachten, da er fast unerschöpflich auf einem breiten Feld der Gesellschaft wirkt, möchte ich nunmehr versuchen einen groben Umriss über das Bild der Hexerei, in ihrem Auftreten und Wirken auf ihre Opfer und in ihrer Bekämpfung, in einigen Kulturen Afrikas darzustellen.

2.1. Hexerei bei den Efik

Die Efik bewohnen die Region Calabar im Südosten Nigerias. Sie bezeichnen die Kraft die sich hinter der Hexerei verbirgt als ifot . Im Gegensatz zu Evans-Pritchards Meinung, dass die Kraft, die eine Hexe ausmacht, nur vererbt werden kann, gibt es bei den Efik verschiedene Meinungen und Ideen über das Empfangen dieser Kräfte[2]. Eine Meinung geht davon aus, daß ifot durch eine schleimige Substanz in Mahlzeiten, aus Öl zubereitet, übertragen werden kann. Somit könnte jeder vermeintliche Feind seinem Gegner bewusst diese Fähigkeiten einflössen, da auch diese Art der Mahlzeit ein sehr bevorzugtes Gericht der Efik ist. Es ist auch möglich, dass Eltern ihren Kinder diese Substanz in ihr Essen beimischen, was eine bewusste, aber nicht genetische Vererbung von Hexenkräften darstellt. Darüber wird aber oft geschwiegen und es ist auch nur eine vage Vermutung, dass Eltern ihren Kindern dies antun. Eine dritte Vermutung entspräche auch der Evans-Pritchards ( 1937: 40 ), dass die Kraft von den Eltern auf ihre Kinder vererbt werden kann.

Die Efik bezeichnen Hexen als mbon okon eyo – Menschen der Nacht - da auch sie in der Nacht ihren physischen Körper verlassen und ihre Seele durch die Luft fliegt.

Ihnen werden Tiere der Nacht, wie zum Beispiel die Fledermaus, die Eule oder die Feuerfliege als Symbole gegenübergestellt und es existiert der Glaube an eine Transformation der Menschen der Nacht in eines dieser Tiere. Nachdem sich die Schattenseele von der Lebensseele getrennt hat und die Hexe durch die Nacht irrt, wird vermutet, dass sich ganze Gruppen von Gleichgesinnten in hohen, eigenartig geformten Bäumen versammelt um dort einen Sabatt abzuhalten und um ihre Opfer zu verzehren.

Wenn eine neue Hexe in solch einer Gruppe Mitglied werden möchte, muss sie, als Preis für ihre Initiation, ein Opfer präsentieren. Über die Art des Opfers, ob es ein Familienangehöriger der Initiierten ist, ein Kind oder andere spezielle Personen, werden keine Vorschriften gemacht.

Bei den Efik gibt es eine Reihe von Anzeichen, die darauf zurückgeführt werden, dass man in der Nacht von einer Hexe belästigt worden ist. Hat die Person Alpträume oder Druck auf der Brust und damit verbundene Erstickungsgefahr in der Nacht, wacht diese Person morgens im Bett auf und ist plötzlich krank oder entdeckt mutmassliche Kratzer am Körper, sind dieses Anzeichen dafür, dass sie in der Nacht von einer Hexe belästigt worden ist. Bleiben diese Alpträume konstant oder kehren längst verschwundene, eiternde Knochengeschwüre wieder, wird vermutet, dass man dem Hexenzauber schon verfallen ist und man weiterhin von dieser Macht heimgesucht wird bis man ein Opfer von ifot wird, wenn nicht die Hexe gestoppt wird. Wenn man ein Opfer von ifot wird, bezeichnen die Efik dieses als ndita owo ifot – jemanden durch Hexerei aufessen – was nicht bedeuten soll, dass Hexen ihre Opfer rein physisch verzehren sondern, dass sie die geistige Kraft, d.h. Lebenskraft, verschlingen, so dass sie sterben.

2.1.1. Traditionelle Methoden der Divination und Heilung bei den Efik

Wenn jemandem ein persönliches Unglück widerfährt und diese den Urheber seines Unglückes oder seiner Krankheit ausfindig machen will, stehen dem Opfer, durch traditionelle Spezialisten für solche Fälle, einige Möglichkeiten für seine Aktivitäten im Kampf dagegen bereit, die in drei Kategorien eingeteilt sind ( Ludwar-Ene 1986: 561-62 ).

1: abia ibok ( lit. einer der durch Medizinen heilt )
2: abia idiong ( lit. spiritueller Heiler )
3: awa idiong ( lit. jemand der den Geistern opfern tut )

Abia ibok: Die Bezeichnung ibok steht bei den Efik für Medizin, worunter heilende Substanzen, wie pflanzliche Drogen, verstanden werden, die zur therapeutischen Behandlung benutzt werden, desweiteren für Fetische, Zaubersprüche oder magische Amulette deren Gesamtbezeichnung als juju bekannt ist. Weiterhin bezeichnet ibok die aussergewöhnliche magische Kraft einiger Personen, z.B. bei sehr erfolgreichen Geschäftsmenschen oder bei hohen Akademikern, und es kennzeichnet die negative Kraft in einer Person, in Verbindung mit okkulten Kräften, um anderen Mitmenschen Schaden zuzufügen.

abia idiong: Der Heiler, der hinter dieser Bezeichnung steht, tritt mit Geistern (idiong) in Kontakt, stellt durch sie den Grund des Unglücks fest und gibt danach vor, welche Art von Therapie zur Bekämpfung des Bösen anzuwenden ist.

[...]


[1] Evans-Pritchard, E. E., 1937 : Witchcraft, oracles and magic among the Azande. Oxford: Clarendon Press

[2] Ludwar-Ene, Gudrun , 1986 :Explanatory and Remedial Modalities for personal Misfortune in a West African Society with Special Reference to Witchcraft. Anthropos 81.1986: pp.555-565

Fin de l'extrait de 22 pages

Résumé des informations

Titre
Hexerei und ihr Weg in die Moderne
Université
University of Leipzig  (Afrikanistik)
Cours
Einführung in die Kulturen Afrikas
Auteur
Année
2000
Pages
22
N° de catalogue
V41416
ISBN (ebook)
9783638396820
ISBN (Livre)
9783638717885
Taille d'un fichier
569 KB
Langue
allemand
Mots clés
Hexerei, Moderne, Einführung, Kulturen, Afrikas
Citation du texte
Thorsten Doß (Auteur), 2000, Hexerei und ihr Weg in die Moderne, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41416

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