Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Fragestellung
2. Forschungsstand
3. Vorgehen und Methode
4. Problemstellung
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung und Fragestellung
Der spanische Maler Francisco de Goya (30.03.1746 - 16.04.1828) repräsentiert bis in unsere Zeit die Moderne und gilt unter Kunstexperten als Begründer des Expressionismus.
Neben zahlreichen Portraits und Zeichnungen reihen sich auch die pinturas negras, Goyas viel diskutierte schwarze Gemälde, in die Riege seiner Meisterwerke ein.
Die schwarzen Gemälde zeichnen sich durch einen extensiven Hang zum Phantastischen aus. Sie stellen Düsternis und unheimliche Szenen dar, die oftmals als Ausdruck von Krisen und Konflikten im Innenleben der Menschen, aber auch des Landes Spanien gedeutet werden. Doch die schwarzen Gemälde geben der Forschung bis heute mehr Rätsel auf, als dass sie Goyas künstlerische Motivation preisgeben. Ihre exakte Deutung ist unter Fachleuten umstritten.1 Oftmals legte er in seinen Werken das Wesen, die Schwächen und die Laster der Menschen dar. So ist es nicht verwunderlich, dass es auch heute noch zu der einhelligen Meinung unter Kunsthistorikern kommt, Goya habe auch in den schwarzen Gemälden soziale, kirchliche und politische Missstände durch Darstellung des Phantastischen aufzeigen wollen.2 Wenn Goya aber wirklich die Gesellschaft und das politische System Spaniens kritisierte, warum malte er die schwarze Gemälde dann im Heimlichen an die Wand seines Hauses, der Quinta del Sordo und sperrte die Außenwelt, Ziel seiner Kritik, bewusst davon aus? Warum sollte er diese Kritik verschlüsselt darstellen, immerhin zeugen andere Werke - wie die Escena de Inquisición (Abb. 1) - offen von Goyas antiklerikaler Haltung und seiner Verachtung für die Heilspraktiken der katholischen Kirche.3 Auf folgende Forschungsfrage soll am Ende der Seminararbeit eine Antwort gegeben werden:
Äußert sich Goya durch die Darstellung phantastischer Momente in denschwarzen Gemälden wirklich gesellschaftskritisch?
Ziel der Seminararbeit ist es, im Fazit der Arbeit eine Antwort auf die Forschungsfrage geben zu können, indem vor allem auf Goyas Darstellung des Phantastischen eingegangen und der Wandel seiner Darstellungsweise berücksichtigt wird.
2. Forschungsstand
Seit dem 20. Jahrhundert befasst sich die Goya Forschung vermehrt mit der kunsthistorischen Einordnung seiner Werke. Mit Aufkommen des Expressionismus wurde die künstlerische Subjektivität neu untersucht, bei Goya wird dies vor allem im Hinblick auf die schwarzen Gemälde durch zahlreiche Analysen deutlich:
Der Kunsthistoriker Valerian von Loga bewunderte 1903 in der ersten Goya- Monografie in deutscher Sprache die Technik der schwarzen Gemälde, gleichzeitig fühlte er sich aber von ihren Themen zutiefst irritiert und abgestoßen.
Im Gegensatz dazu bewertete Richard Muther, ebenfalls Kunsthistoriker, Goya 1904 als Revolutionär und Nihilist. Er war der Erste, der die These aufstellte, dass Goyas Charakter und seine künstlerische Intention zwiespältig waren: zum einen ist er der allen sozialen Regeln unterworfene Höfling, zum anderen nutzt er seine Stellung als Hofmaler, um seine antimonarchische und antiklerikale Haltung heimlich auszudrücken.
Der deutsche Kunsthistoriker und seinerzeit führende Experte der spanischen Kunst, August L. Mayer schätzte 1923 als Erster den künstlerischen Wert der schwarzen Gemälde als großartiges malerisches Werk ein. Mayer brachte mit seinem Standpunkt, in ihnen das Kunstideal der Altersjahre Goyas zu sehen, eine tiefgreifende Wende in die Goya-Forschung.4
Der Brite Francis Donald Klingender trieb die Goyaforschung in den 40er Jahren nachhaltig weiter. Er setzte Goyas Werk mit der Geschichte Spaniens in direkte Verbindung und bezeichnete die schwarzen Gemälde als Ausdruck des Phantastischen.
Der Kunsthistoriker Martin S. Soria sah in den schwarzen Gemälden zudem eine Reihe von Allegorien, die ikonographische Anweisungen aufnahmen, wie sie ein Handbuch von Cesare Ripa aus dem Jahr 1603 empfahl. Seiner Meinung nach orientierte sich Goya noch im 19. Jahrhundert an diesen traditionellen Anweisungen.
Die Literaturwissenschaftlerin Edith Helman setzte die schwarzen Gemälde in Kontext zur Literatur der Aufklärung und schaffte ein neues Problembewusstsein in der gängigen Goya-Forschung: seinen Konflikt zwischen rationaler Einsicht und der biographischen Bindung. Sie stellt zentral die Frage nach Goyas innerer Identität: durch seinen Intellekt verpflichtet er sich zum einen zwar der aufgeklärten Reform und richtet sich dabei gegen moralische Verhaltensnormen. Diesen Verhaltensnormen ist Goya wiederum aber durch seine Sozialisation eng verbunden.5
Die Forschung der deutschen Kunsthistorikerin Jutta Held zu Beginn der 90er Jahre bezog sich auf die sozialen und politischen Kontexte in Goyas Werken. Erstmals wurden nun auch erotische Anspielungen in den schwarzen Gemälden, z. B. in der Figur des Saturns, thematisiert und hinterfragt.6
Die Kunsthistorikerin Gerlinde Volland untersuchte Goyas Werke im Gegensatz dazu aus feministischer Sicht und befasste sich mit der Sexualität und den Gewaltszenen in seinen Werken.7
Eine völlig andere Richtung schlug der Kunsthistoriker Jörg Traeger ein: er stellte im Jahr 2000 die Frage nach den liberalen Ansätzen in Goyas Werken. Gerade durch den Ausschluss der Öffentlichkeit sprach er der Obszönität in Goyas schwarzen Gemälden einen neuen Geist der Liberalität zu.8 Ein wichtiger Goya-Pionier, der sich intensiv mit den schwarzen Gemälden auseinandersetzte, war Professor Nigel Glendinning. Er stellte wichtige Theorien zu den schwarzen Gemälden hinsichtlich ihrer Anordnung in der Quinta del Sordo auf: Seiner Meinung nach sind die Gemälde voneinander abhängig und greifen die Thematik der Räume auf, in denen sie angefertigt wurden. Eine weitere Theorie ist, dass sie Goyas Angst vor dem Verlust sexueller Potenz symbolisieren und insgesamt einen Kontrast von Freude und Traurigkeit darstellen. Des Weiteren teilt er die Gemälde in zwei Gruppen ein, die verschiedene Raumsphären versinnbildlichen sollen: das Maskuline und das Feminine.9
Als bedeutendster noch lebender Goya-Forscher unserer Zeit ist mit Sicherheit Werner Hofmann mit zahlreichen Publikationen über die schwarzen Gemälde zu nennen. Er ist einer der wenigen, der die Gemälde im Kontext der historischen Ereignisse und Goyas Lebensumstände einzubetten und zu deuten versucht. Ganz anders als Glendinning spricht Hofmann den Werken ein systematisches oder in sich schlüssiges Programm kategorisch ab. Er sieht in ihnen vielmehr einen gesellschaftskritischen Spiegel, den Goya seinen Zeitgenossen entgegenstreckt, aber auch eine zeitlose Darstellung der menschlichen Abgründe und inneren Schwächen einer Gesellschaft.10
Juan José Junquera vertritt seit 2003 die bisherige, nicht widerlegte und polarisierende Theorie, dass Goya die schwarzen Gemälde nicht selbst gemalt hat, sondern sein Sohn Javier eigentlicher Schöpfer der schwarzen Gemälde ist. Er argumentiert, dass die schwarzen Gemälde nicht nur in einer für Goya sehr untypischen Weise gemalt wurden, sondern auch, dass die Gemälde erst Jahrzehnte nach Goyas Tod der Öffentlichkeit preisgegeben und zu Lebzeiten von keinem Künstlerkollegen erwähnt wurden.11
3. Vorgehen und Methode
Im Verlauf der Arbeit werden zwei der schwarzen Gemälde, la romería de SanIsidro (Abb. 2) und Saturno devorando a sus hijos (Abb. 3) im Zusammenhang mit Goyas Darstellung des Phantastischen näher betrachtet.
Geplant ist eine zweigliedrige Strukturierung der Arbeit. Ich möchte mit einem theoretischen Teil, auf dessen Grundlage zunächst die These der gesellschaftskritischen Haltung Goyas aus dem sozio-politischen Blickwinkel untersucht wird, beginnen: Zunächst möchte ich den historischen Kontext der schwarzen Gemälde beleuchten. Dafür werde ich einen kurzen Einblick in Goyas Leben und die zwei folgenschweren Ereignisse - seine Krankheit die zum Verlust des Gehörs führte sowie die Invasion Spaniens durch Napoleon - eingehen, die seine Weltsicht und damit auch sein späteres künstlerisches Schaffen maßgeblich beeinflussten.
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1 Münch, Birgit Ulrike: Wo seyd ihr Kinder, wo? Spielarten des Kinderfresser-Motivs zwischen Mythologie, schwarzer Pädagogik und unerfüllter Mutterschaft. Großmann, Ulrich M. u.a. (Hrsg.): Monster. Fantastische Bilderwelten zwischen Grauen und Komik. Nürnberg 2015. S. 284-304.
2 Hofmann, Werner: Goya. Vom Himmel durch die Welt zur Hölle. München 2003. S. 233 ff.
3 Hagen, Rainer u. Hagen Rose-Marie: Goya. Am Aufbruch der Moderne. Köln 2012. S. 65.
4 Marques, Manuela B. Mena: Goya-Mensch seiner Zeit und Prophet der Moderne. In: Schuster, PeterKlaus/Seipel, Wilfried(Hrsg.): Goya. Prophet der Moderne. Köln 2005. S 11-22.
5 Hofmann, Werner/Helman, Edith/Warnke, Martin: Goya. Alle werden fallen. Frankfurt a.M. 1987.
6 Hermand, Jost: Privileg als Verpflichtung. Feuchtwangers Goya. In: Held, Jutta: Neue Forschungen. Das internationale Symposium 1991 in Osnabrück. Berlin 1994. S. 227-238.
7 Volland, Gerlinde: Männermacht und Frauenopfer: Sexualität und Gewalt bei Goya. Berlin 1993. S. 3 ff.
8 Traeger, Jörg: Goya. Die Kunst der Freiheit. München 2000. S. 75.
9 Glendinning, Nigel: The interpretation of Goya´s black paintings. London 1977. S. 10 ff.
10 Hofmann, Werner: Die Moderne im Rückspiegel. Hauptwege der Kunstgeschichte. München 1998. S 160 ff.
11 Juan José Junquera: The black paintings of Goya. London 2003. S. 38.