Flüchtlinge sehen mit anderen Augen. Die Rolle von SozialarbeiterInnen bei der Betreuung von Flüchtlingen


Diplomarbeit, 2001

134 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Einleitung

3. Begriffsbestimmung
3.1 Was heißt Kultur?
3.2 Was heißt Integration?
3.3 Wer ist ein Flüchtling?
3.4 Was heißt Asyl?
3.5 Internationale Normen und neue Ansätze im Flüchtlingsrecht

4. Flüchtlingsstatistik

5. Trennung vom Herkunftsland
5.1 Verlauf des Trennungsprozesses
5.2 Ressourcen der Sozialarbeit

6. Der Weg zum anerkannten Flüchtling
6.1 Notunterkünfte
6.1.1 Zentrale Probleme der Menschen in den Notunterkünften
6.1.2 Wichtige Aufgaben für professionelle Sozialarbeit
6.1.3 Die ersten Tage aus dem Blickwinkel eines Flüchtlings
6.1.4 Die Suche nach neuen Wegen
6.2 Bundesbetreuung
6.2.1 Welche Unterstützungen bietet die Bundesbetreuung an?
6.2.2 Vor- und Nachteile der Unterbringung in Gasthöfen
6.2.3 Wann endet die Bundesbetreuung?
6.2.4 Betreuungseinrichtungen des Bundes
6.2.5 Bericht eines iranischen Flüchtlings
6.2.6 Situation der Flüchtlinge die nicht vom Bund betreut werden
6.2.7 Probleme von Menschen in Bundesbetreuung
6.2.8 Ansatzpunkte für Sozialarbeit
6.3 Das Asylverfahren
6.3.1 Wie muss ein Asylantrag aussehen?
6.3.2 Der Ablauf des Asylverfahrens
6.3.3 Besondere Gruppen von Flüchtlingen

7. Integration in die Gesellschaft
7.1 Gefahren durch fehlende Integrationsmaßnahmen
7.2 Staatliche Integrationsmaßnahmen
7.3 Einrichtungen zur Unterstützung von Flüchtlingen
7.3.1 Das Kardinal DDr. Franz König Integrationswohnhaus
7.3.2 Das Wiener Integrationshaus
7.3.3 ZARA - Beratung für ZeugInnen und Opfer von Rassismus
7.3.4 Verein "Helping Hands"
7.3.5 Asyl in Not
7.3.6 Beratungszentrum für Migrantinnen und Migranten
7.3.7. AHDA - Association for Human Rights and Democracy in Africa
7.3.8 Caritas - AusländerInnenberatung
7.3.9 Wiener Integrationsfonds
7.3.10 Deserteurs- und Flüchtlingsberatungsstelle
7.3.11 Evangelischer Flüchtlingsdienst (efdö)

8. Probleme im Integrationsprozess
8.1. Erlernen der Deutschen Sprache
8.1.1 Beschreibung der Ausgangssituation
8.1.2 Möglichkeiten für die Zukunft
8.1.3 Spezifische Probleme von Männern und Frauen
8.2 Probleme am Arbeitsmarkt
8.2.1 Die häufigsten Berufe von AusländerInnen
8.2.2 Die Bedeutung des Herkunftslandes
8.2.3 AsylwerberInnen und Arbeit
8.3 Wohnungsproblematik
8.3.1 Wohnungssituation in Wien
8.3.2 Die Wohnverhältnisse von AusländerInnen in Österreich
8.3.3 AusländerInnen in der Nachbarschaft
8.4 Religion und ihre Bedeutung für die Integration
8.4.1 Religion, ein fundamentaler Wert
8.4.2 Bedeutung der Religion im Integrationsprozess
8.4.3 Religion als Ansatzpunkt für Sozialarbeit
8.5 Probleme bei der Erziehung
8.5.1 Kinder im Kindergartenalter
8.5.2 Kinder im Volksschulalter
8.5.3 Kinder im Mittelschulalter
8.6 Spezifische Probleme verschiedener Gruppen
8.6.1 Probleme von Familienvätern
8.6.2 Probleme von Ehefrauen und Müttern
8.6.3 Probleme alleinerziehender Mütter und Väter
8.6.4 Probleme und Chancen von Frauen im Asylland
8.6.5 Die zweite Generation
8.7 Zerissene Familien
8.8 Kulturelle Unterschiede und ihre Auswirkung

9. Einstellung der Aufnahmegesellschaft
9.1. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Österreich
9.2 Vorurteile gegenüber AusländerInnen

10. Medienberichte über Traiskirchen

11. Neue Konzepte für Minderjährige
11.1 Schaffung von Clearingstellen
11.1.1 Zielsetzung der Clearingstellen
11.1.2 Aufgaben der Beratungsstelle im Clearingverfahren
11.1.3 Was wird ein Clearingplatz kosten?
11.2 Erstbetreuung minderjähriger AsylwerberInnen

12. Ansatzpunkte für Sozialarbeit
12.1 Aufbau eines sozialen Netzwerkes
12.1.1 Rechtsberatung
12.1.2 Gemeinwesenarbeit
12.1.3 Soziale Betreuung

13. Schlussbetrachtung

14. Quellen
14.1. Bücher
14.2. Zeitungsartikeln
14.3 Internetadressen
14.4 Sonstiges

15. Anhang
15.1 Die wichtigsten Adressen für Niederösterreich
15.2 Adressbuch der Integration

1. Vorwort

Die Arbeit mit MigrantInnen zählt für mich zu einem der spannendsten Gebiete im weiten Spektrum der Sozialarbeit. Durch eine Exkursion in der Mittelschule bin ich erstmals so richtig auf das Leid, mit dem Flüchtlinge zu kämpfen haben, aufmerksam geworden.

Da ich mehr über die Arbeit im Fremdenbereich wissen wollte, habe ich mich dann entschieden, meinen Zivildienst in der Betreuungsstelle Traiskirchen abzuleisten. Die Eindrücke, die ich in den zwölf Monaten meines Dienstes gesammelt habe, werde ich wohl nie vergessen. Vor allem der enge Kontakt mit Menschen aus verschiedenen Kulturen und mit unterschiedlichen Weltanschauungen hat mich fasziniert.

Im Zuge meiner Ausbildung an der Bundesakademie für Sozialarbeit in St. Pölten habe ich mich dann entschlossen, auch mein Langzeitpraktikum in der Betreuungsstelle Traiskirchen zu absolvieren. Der Fokus lag diesmal am genauen kennenlernen der Verfahrensabläufe und rechtlichen Strukturen, die für eine professionelle Ausführung der sozialen Arbeit unumgänglich sind.

An dieser Stelle möchte ich auch dem Leiter der Abteilung III/14 MinRat. Dr. Viktor Demel, und dem Leiter der Betreuungsstelle Traiskirchen RR. ADir. Wilhelm Hutterer danken. Durch deren Erlaubnis war es erst möglich, dieses Praktikum durchzuführen. Mein Dank gilt natürlich auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und besonders meinem Praktikumsanleiter ADir. Christian Poeffel, die mir in kollegialer Weise Einblicke in ihre Tätigkeitsbereiche boten. Nicht zuletzt sei an dieser Stelle auch Frau Dr. Gertrude Hennefeld, der Leiterin des Beratungssektors beim Evangelischen Flüchtlingsdienst, meine Bewunderung für ihren unermüdlichen Einsatz in der Arbeit mit AsylwerberInnen auszusprechen.

Im Verlaufe dieses Praktikums ist auch die Idee für meine Diplomarbeit "Flüchtlinge sehen mit anderen Augen" entstanden, bei der ich den Schwerpunkt auf die Problematik eines Lebens zwischen zwei Kulturen und die Schwierigkeiten während des Integrationsprozesses legen möchte. Wie der Titel bereits verrät, soll die Thematik besonders aus dem Blickwinkel der Flüchtlinge betrachtet werden.

An Hand der Problemfelder werde ich weiters auch versuchen, Ansatzpunkte für zukünftige Sozialarbeitsprojekte aufzuzeigen und der Frage nachgehen, welche Rolle die Sozialarbeit in der Betreuung von Flüchtlingen spielt.

Viele der in der Arbeit skizzierten Probleme treffen gewiss auf alle Gruppen von MigrantInnen zu. Der Fokus dieser Diplomarbeit liegt allerdings auf dem Flüchtlingssektor.

Grundsätzlich baut meine Diplomarbeit auf vier Säulen auf:

- Analyse der Ausgangssituation

In diesem Abschnitt soll zuerst die Dimension des Flüchtlingsproblems in Österreich und Europa analysiert werden. Weitere Punkte in diesem Kapitel sind die Einstellung der Aufnahmegesellschaft und die Probleme im Alltag einer Asylwerberin bzw. eines Asylwerbers.

- Umfassender Überblick über die bestehenden Angebote

Ein zentraler Punkt für vernetztes Arbeiten ist es, sich einen Überblick über die bestehenden Angebote zu verschaffen. Wie ich selbst erfahren konnte, fehlt es sowohl bei staatlichen als auch privaten Einrichtungen aber oft an dieser Grundvoraussetzung. In diesem Kapitel sollen nun einerseits alle wesentlichen Stellen aufgelistet (Adressensammlung im Anhang) und andererseits die Tätigkeiten ausgewählter Einrichtungen genauer beschrieben werden.

- Zentrale Problemfelder im Integrationsprozess

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den zentralen Problemen, welche AsylwerberInnen während des Integrationsprozesses bewältigen müssen. Insbesondere soll hier auf die Problemfelder Arbeitsmarkt, Sprache, Wohnen, Religion, Kultur, Erziehung und Familie eingegangen werden.

-Ansatzpunkte und Möglichkeiten für die Sozialarbeit

Generell geht es darum, in allen Kapiteln der Bezug zur Sozialarbeit herzustellen sowie die Aufgaben und Ziele einer Sozialarbeiterin bzw. eines Sozialarbeiters im betreffenden Bereich zu skizzieren. Weiters umfasst die Arbeit auch zwei eigene Punkte, die sich mit der Konzeptentwicklung für zukünftige Projekte befassen.

Ziel meiner Diplomarbeit ist es, Ihnen werte Leserinnen und Leser, ein differenzierteres Bild über die Situation von Flüchtlingen in Österreich zu vermitteln.

2. Einleitung

"Es gibt kein größeres Leid auf Erden als den Verlust der Heimat", meinte Euripides bereits 431 v. Chr. (http://www.unhcr.de)

Mit dem Verlassen der Heimat und der Entscheidung, sein Leben in einem anderen Land weiterzuführen, ist auch unwillkürlich ein Integrationsprozess verbunden. Erst in der Fremde merken wir, wie wichtig uns eigentlich die Heimat ist, und was wir mit "zu Hause sein" verbinden.

So schön es auch sein mag, im Urlaub andere Länder und Kulturen kennenzulernen, so gehen uns auf Reisen meist auch einige Dinge ab. Wir fühlen uns "fremd". Wir sind "Ausländer". Es sind nicht nur Sprache und Kultur, die uns fremd erscheinen, auch ganz kleine und unscheinbare Dinge des täglichen Lebens gehen einem plötzlich ab oder sie sind anders als gewohnt.

Nur ein Beispiel sei hier angeführt:

Viele von uns freuen sich nach dem Urlaub im Süden schon wieder auf die erste Scheibe Schwarzbrot.

Besonders tragisch ist es, wenn man seine Heimat plötzlich und ungewollt verlassen muss, weil man um Leben und Freiheit fürchtet.

Flüchtlinge gibt es unabhängig von Rasse, Religion und Weltanschauung. Es gibt sie in jedem Land dieser Erde. Da sie gezwungen wurden zu fliehen, geben sie meistens alles auf - ihr Zuhause, ihre Besitztümer, ihre Familien und ihr Land - für eine unbestimmte Zukunft in einem fremden Staat.

"Flucht und Vertreibung existieren in der Menschheitsgeschichte seit sich Menschen in Gesellschaften organisieren, Herrschaftssysteme etablieren, Kriege um Vorherrschaft und Territorien austragen und Kolonialisierung betreiben."

(Nuscheler, 1995, 44)

Flüchtlinge waren also immer schon eine Begleiterscheinung in der Menschheitsgeschichte.

"Heute wird das Flüchtlingsproblem als begrenztes Problem der Gesellschaft gesehen, doch laut Ashkenasi sind Flucht, Exil und Flüchtlinge universale Phänomene, die vor allem im Umfeld verschiedener Konfliktsituationen auftreten."

(Ashkenasi, 1988, 10)

Das 20. Jahrhundert war von Flüchtlingsbewegungen gekennzeichnet, die ein noch nie zuvor da gewesenes Ausmaß erreicht hatten, weshalb schon früh der Begriff "Das Jahrhundert der Flüchtlinge"(Opitz, 1988, 15) aufkam. "Seit den 80er Jahren wurde jedoch zunehmend ersichtlich, dass Fluchtbewegungen nur ein Teil eines Phänomens sind, nämlich der weltweit zunehmenden Migrationsbewegungen."(Opitz, 1997, 15)

"Solange es Krieg, Verfolgung, Diskriminierung und Intoleranz gibt, wird es Flüchtlinge geben. Ihr Leid gehört zu den großen Tragödien unserer Zeit und ihr Schicksal ist eng verbunden mit der Frage nach den grundlegenden Menschenrechten. Fragen, die jeden einzelnen von uns beschäftigen sollten."(http://www.unhcr.de)

3. Begriffsbestimmung

3.1 Was heißt Kultur?

"Kultur ist die Gesamtheit der typischen Lebensformen größerer Gruppen einschließlich ihrer geistigen Aktivitäten."(Brockhaus Band 3, 1985, 281)

"Kultur (lateinisch): Bezeichnung für die Gesamtheit aller gesunden Lebensäußerungen eines Volkes in Lebenshaltung, Gesittung, Wissenschaft, Kunst und Religion."(Beckmann, 1941, 1494)

"Kultur oder Gesittung: Die Veredelung des Menschen und der Völker durch Ausbildung des Geistes und Entwicklung aller Anlagen und durch die Schöpfung von Einrichtungen, die Ausdruck einer veredelten Geistesgesinnung sind."(Volks-Brockhaus, 1959, 448)

"Kultur sind sämtliche von einem Volk geschaffenen Werke und Werte."

(Universallexikon, 1999 ,470)

3.2 Was heißt Integration?

"Integration ist die Verbindung einer Vielzahl von Einzelnen oder von Gruppen zu einer gesellschaftlichen Einheit, die sich in der Annahme der kulturspezifischen Wertvorstellungen und sozialen Normen durch die Einzelnen oder die Gruppe äußert."(Brockhaus, Band 2, 1985, 665)

"Integration (lateinisch), bedeutet Zusammenschluss und Bildung übergeordneter Ganzheiten."(Volks-Brockhaus, 1959, 365)

"Integration heißt Eingliederung von Teilgruppen in das große Ganze."

(Universallexikon, 1999 ,392)

3.3 Wer ist ein Flüchtling?

"Flüchtling ist ein Sammelbegriff für alle Personen, die durch Krieg und politische Maßnahmen veranlasst wurden, ihre Heimat zu verlassen."

(Brockhaus Band 2, 1985, 194)

"Allgemein gilt als Flüchtling, wer seinen gewohnheitsmäßigen Wohnsitz verlassen musste. Bei dieser allgemeinen Definition wird kein Bezug auf die Fluchtursachen genommen, d.h. unabhängig davon, ob Menschen vor Verfolgung, politischer Gewalt, Konflikten zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen, Armut oder Umweltkatastrophen fliehen, sie sind Flüchtlinge. Es findet auch keine Unterscheidung statt, zwischen Menschen, die innerhalb ihres Herkunftslandes vertrieben wurden und denjenigen, die über die Landesgrenzen hinaus fliehen mussten."(UNHCR, 1997, 55)

Diese Flüchtlingsdefinition erfasst somit alle Menschen, die von Flucht und Vertreibung im weitesten Sinne betroffen sind. Für die rechtliche Anerkennung als Flüchtling hat die Definition allerdings keine Relevanz, sehr wohl sollte sie jedoch aus humanitärer Sicht Gewicht haben.

Das wichtigste internationale Abkommen zum internationalen Flüchtlingsrecht ist die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und ihr Zusatzprotokoll von 1967. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Flüchtling eine Person, die: "...aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtung nicht in Anspruch nehmen will."

(Quelle: Genfer Flüchtlingskonvention, Kap. 1, Art. 1 Abschnitt A)

Seit der Vertragsunterzeichnung haben sich die Fluchtursachen aber stark verändert. In den vergangenen Jahren führten vorrangig:

- Bürgerkriege
- ethnische und stammesbezogene Konflikte
- religiös motivierte Gewalttaten

zu diversen Fluchtbewegungen.

Zahlreiche internationale Hilfsorganisationen, darunter auch UNHCR, sind daher der Auffassung, dass Menschen, die vor Krieg oder kriegsbedingten Konflikten fliehen, und deren Staat nicht in der Lage bzw. nicht willens ist, sie zu schützen, internationalen Schutz benötigen.

Einige regionale Vertragswerke greifen diesen Punkt bereits auf. Sowohl die OAU- Konvention in Afrika als auch die Flüchtlingsdeklaration von Cartagena in Zentralamerika billigen gerade auch jenen Personen einen Flüchtlingsstatus zu, die vor Kriegen fliehen.

Die Genfer Flüchtlingskonvention hingegen bezieht sich nicht direkt auf Kriegsflüchtlinge, wenngleich unbestritten ist, dass viele der Kriegsflüchtlinge auch vor Verfolgungen fliehen, die in der Flüchtlingskonvention aufgelistet sind. Zahlreiche Länder, insbesondere in West-Europa, vertreten nach wie vor die Ansicht, dass nicht alle Menschen, die sich auf der Flucht befinden, einen offiziellen Flüchtlingsstatus erhalten sollen.

Hierzu zählen sie Personen, die vor Krieg oder genereller Verfolgung bzw. aus Furcht vor Verfolgung durch Milizen, Rebellen oder anderen Menschen, die nicht in Diensten einzelner Regierungen stehen, flüchten. UNHCR vertritt hingegen die Meinung, dass ein Flüchtling auch bereits dann auf internationalen Schutz angewiesen sein kann, wenn er nicht direkt und namentlich von staatlichen Stellen bedroht und verfolgt wird.

3.4 Was heißt Asyl?

"Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist Asyl das dauernde Einreise- und Aufenthaltsrecht, das Österreich Fremden nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt."(AsylG, 1997, §1 Z2)

3.5 Internationale Normen und neue Ansätze im Flüchtlingsrecht

Neben den fixen Normen der Genfer Konvention gibt es in einzelnen Staaten auch zahlreiche Bestimmungen, die den oben beschriebenen neuen Fluchtgründen Rechnung tragen. Die im folgenden Abschnitt ausgewählten Beispiele sollen Grundsätze aufzeigen und neue Trends umreißen.

Kriegsverbrecher: Personen, die an Kriegsverbrechen teilgenommen und sich der Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben (einschließlich des Völkermords) sind explizit von dem Schutz und der Hilfestellung ausgeschlossen, die für Flüchtlinge vorgesehen sind.

Straftäter: Ein Straftäter, der in einem fairen Gerichtsverfahren wegen eines allgemeinen Vergehens rechtskräftig verurteilt worden ist, und der daraufhin sein Land verlässt, um einer Gefängnisstrafe zu entgehen, ist nicht zwangsläufig ein Flüchtling. Es kann jedoch vorkommen, dass eine Person, die wegen allgemeiner oder anderer nicht politisch motivierter Vergehen angeklagt bzw. verurteilt worden ist, sich darüber hinaus auch politischer Verfolgung ausgesetzt sieht. In diesem Fall kann der Flüchtlingsstatus durchaus zuerkannt werden. Menschen, die wegen eines "politischen" Verbrechens verurteilt worden sind, können ebenfalls Flüchtlinge sein.

Kriegsdienstverweigerer: Jedes Land hat das Recht, seine BürgerInnen zu den Waffen zu rufen, wenn die nationale Sicherheit bedroht ist. Jede Bürgerin / jeder Bürger sollte aber gleichermaßen das Recht haben, sich aus Gewissensgründen solch einer Einberufung zu verweigern. In Fällen, wo die Möglichkeit einer Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen nicht gegeben ist, oder wo der aktuelle Konflikt augenscheinlich gegen internationale Normen verstößt, können Kriegsdienstverweigerer, die eine direkte Verfolgung ihrer Person befürchten müssen, als Flüchtlinge anerkannt werden. Dies gilt auch dann, wenn eine Person aufgrund ihrer politischen oder anderweitigen Überzeugung bzw. wegen ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit innerhalb der Armee mit Benachteiligung oder Verfolgung zu rechnen hat.

Soldaten: Flüchtlinge sind Zivilisten. Eine Person, die vom Asylland aus weiterhin militärische Aktionen gegen das Land ihrer Herkunft unternimmt, kann nicht als Flüchtling betrachtet werden.

Diskriminierung und Sexuelle Gewalt: Eine Frau, die befürchtet angegriffen zu werden, weil sie sich weigert einen Chador oder andere Kleidungsvorschriften zu befolgen, oder weil sie den Wunsch hat, sich den Ehepartner selbst auszuwählen und ein unabhängiges Leben zu führen, kann durchaus als Flüchtling anerkannt werden. Sexuelle Gewalt, wie etwa Vergewaltigungen, kann als Fluchtgrund eingestuft werden.

Das Europäische Parlament beschloss im Jahr 1984 eine Resolution, nach der Frauen, die verfolgt oder menschenunwürdig behandelt werden, weil sie sich moralischen Verhaltensnormen nicht untergeordnet haben, eine besondere Gruppe darstellen, für die der Status als Flüchtling in Frage kommt. Die USA und Kanada haben umfassende Richtlinien erlassen, die sich auf geschlechtsspezifische Verfolgung beziehen. Ähnliche Ansätze gibt es in der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz.

Frauen, die genitale Verstümmelung befürchten: In Frankreich, Kanada und den USA ist die genitale Verstümmelung offiziell als eine Form der Verfolgung anerkannt. Betroffene Frauen haben einen Anspruch auf den Flüchtlingsstatus. In einem konkreten Fall ist eine Frau kürzlich als Flüchtling anerkannt worden, weil sie sich in ihrem Heimatland geweigert hat, der genitalen Verstümmelung ihrer minderjährigen Tochter zuzustimmen.

Homosexuelle: Homosexuelle können einen Anspruch auf die Anerkennung als Flüchtling haben, wenn sie wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt werden.

4. Flüchtlingsstatistik

"Zu Beginn des neuen Jahrtausends betrug die Zahl der Flüchtlinge, Asylsuchenden, RückkehrerInnen und Binnenvertriebenen weltweit rund 22,3 Millionen."

(Quelle: http://www.unhcr.de)

In Österreich ist die Zahl der AsylwerberInnen im Jahr 2000 gegenüber 1999 um 9,1 Prozent zurückgegangen. Hatten 1999 noch 20129 Personen einen Asylantrag in Österreich gestellt, so waren es im Jahr darauf nur noch 18280 Personen. 2001 scheint sich der Trend aber wieder umzukehren. Die Zahl der AsylwerberInnen ist im ersten Halbjahr dieses Jahres nämlich stark gestiegen. Nach Angabe des Innenministeriums (Quelle: Telefonat mit BMI Abteilung III/14) wurden von Jänner bis Ende Juni 14.995 Anträge registriert.

Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es lediglich 8.031 Anträge. "Diese beinahe Verdoppelung bei den Anträgen ist vor allem auf den Zuwachs bei den afghanischen AsylwerberInnen zurückzuführen", heißt es von Seiten des Ministeriums.

Von den 14.995 Asylanträgen wurden 5.104 in österreichischen Botschaften im Ausland gestellt. Der Großteil dieser Auslandsanträge entfiel mit 4.975 auf afghanische Staatsangehörige, die wegen der politischen Unruhen in ihrer Heimat nach Europa zu fliehen versuchen.

Die AsylwerberInnenstatistik sagt aber noch nichts über die Anzahl aus, wie vielen Personen tatsächlich der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. So erhielten etwa im Jahr 2000 lediglich 1002 Personen Asyl. Im ersten Halbjahr 2001 wurden bisher 517 Asylanträge rechtskräftig positiv abgeschlossen.

(Quellen: http://www.bmi.gv.at und Telefonat mit BMI Abteilung III/14)

Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Asylanträge und Asylanerkennungen in den letzten Jahren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Rückgang der AsylwerberInnen in Österreich (von 1999 auf 2000) war gegenläufig zum EU-Trend. In den EU-Staaten zusammengenommen ist die Zahl der AsylwerberInnen nämlich von 387.330 (1999) auf 389.590 (2000) um 0,6 Prozent leicht gestiegen. Im Jahr 2000 wurden in allen 25 von UNHCR untersuchten europäischen Staaten (darunter auch nicht EU-Staaten) 452.350 AsylwerberInnen registriert. Das sind um vier Prozent weniger als im Jahr 1999.

Im gesamteuropäischen Vergleich nahm Österreich (2000) jede/n 25. AsylwerberIn oder rund vier Prozent aller Asylsuchenden auf und steht damit an sechster Stelle der europäischen Aufnahmestaaten hinter Großbritannien (97.860), Deutschland (78.760), den Niederlanden (43.890), Belgien (42.690) und Frankreich (38.590).

Gemessen an der Bevölkerungszahl liegt Österreich bei der Flüchtlingsaufnahme in Europa an siebenter Stelle. In Österreich kommen auf 100.000 EinwohnerInnen 223 AsylwerberInnen. Im an der Einwohnerzahl gemessenen stärksten Aufnahmeland, Slowenien, waren es pro 100.000 EinwohnerInnen mehr als doppelt so viele, nämlich 465 Asylsuchende. (Quelle: UNHCR-Pressemitteilung 30. Jänner 2001)

Die folgende Tabelle zeigt alle 25 von UNHCR untersuchten europäischen Staaten im Überblick. Neben der Gesamtzahl der Asylanträge zeigt die Grafik zum besseren Vergleich auch die Anzahl der AsylwerberInnen pro 100.000 EinwohnerInnen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: UNHCR Medienservice

Die Menschen, die 1999 in Österreich um Asyl ansuchten, stammten aus 89 Ländern. Derzeit (erstes Halbjahr 2001) kommen die meisten Menschen, die in Österreich um Asyl ansuchen, aus Afghanistan, Jugoslawien, dem Iran, und dem Irak. (Quelle Telefonat BMFI Abteilung III/14)

Ähnlich stellt sich auch die Situation in Europa dar. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die 20 häufigsten Herkunftsländer der AsylwerberInnen und zeigt die Unterschiede zwischen 1999 und 2000 auf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: UNHCR Medienservice

5. Trennung vom Herkunftsland

Bei der Flucht aus ihrer Heimat müssen die Menschen meist alles zurücklassen. Familien werden getrennt, Menschen verletzt, Kinder getötet. Mit den schrecklichen Bildern aus ihrer Heimat und zahlreichen unvorstellbaren Erlebnissen während der Flucht im Kopf ist es für die Menschen nicht leicht, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Erst müssen die Erlebnisse verarbeitet werden.

Kernpunkt aller Bemühungen, Interventionen, Gespräche und Unterstützungen ist es, den Flüchtlingen zu helfen, ihr Leben im transkulturellen Spannungsfeld zu meistern. Es gilt dabei zu helfen, dass die Flüchtlinge den Verlust ihrer Heimat besser akzeptieren und im Zufluchtsland einen neuen Selbst- und Weltbezug herstellen können.

In diesem Zusammenhang darf man aber nicht vergessen, dass die Trennung in Schritten abläuft. Das Einstellen auf die neue Situation erfordert also Zeit.

5.1 Verlauf des Trennungsprozesses

Verena Kast unterteilt den Trennungsprozess in vier Phasen:

- Nicht-Wahrhaben-Wollen
- Aufbrechende Emotionen
- Suchen, Finden, Sich Trennen
- Neuer Selbst- und Weltbezug

(Kast, 1994, 16)

Um den neuen Selbst- und Weltbezug herstellen zu können, müssen die Flüchtlinge also die ersten drei Punkte (mehr oder weniger intensiv) durchlaufen. Professionelle Unterstützung ist hierfür unumgänglich.

Hauptaufgabe der Betreuerinnen und Betreuer ist es, den Flüchtlingen zu helfen, die Rahmenbedingungen für den Aufbau einer neuen Identität zu schaffen.

Neben der persönlichen Begleitung steht hierbei vor allem die Informationsebene im Vordergrund.

Nach dem Modell von Dr. Anton Leitner baut die Identität auf fünf Segmenten auf.

Besonders schwierig gestaltet sich die Situation, wenn gleich alle fünf Säulen der Identität "beschädigt" sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Leitner, 2001, 5)

Leiblichkeit

Der Körper ist der Ursprung der Gefühle und Gedanken. Ist die körperliche Gesundheit nicht gegeben, fällt den Flüchtlingen die Integration in die Aufnahmegesellschaft noch schwerer, da durch die Verletzung der Leiblichkeit auch andere Säulen in Mitleidenschaft gezogen werden.

Soziales Netzwerk

Durch die Flucht in ein anderes Land verlieren die Menschen nicht nur die gewohnte Rolle in der Gesellschaft (Arbeit, Zugehörigkeit zu Vereinen,...), sondern auch das System der Familie wird meist einem starken Veränderungsprozess unterzogen. Kernpunkt für den Aufbau eines neuen sozialen Netzwerkes, ist das Erlernen der deutschen Sprache.

Arbeit und Leistung

Der Mensch verwirklicht sich vor allem in seinem Tun. Es kann unter Umständen Jahre dauern, bis den Flüchtlingen die Möglichkeit gegeben wird einer Arbeit nachzugehen. Während Frauen sich verstärkt in Hausarbeit und Kindererziehung zurückziehen, leiden besonders die Männer darunter, dass sie keine Arbeitsleistung erbringen können.

Werte

In einem fremden Land kommt den moralischen, ethischen und kulturellen Vorstellungen der Flüchtlinge eine besondere Rolle zu. Zentrale Werte, wie etwa die Religion, können den Menschen auch während der Flucht nicht genommen werden.

Materielle Sicherheit

Der materiellen und ökonomischen Sicherheit kommt im Leben jedes Menschen eine zentrale Rolle zu. Flüchtlinge haben meist nur wenige materielle Ressourcen. Nur all zu oft haben die Menschen ihre sämtlichen Ersparnisse für die Flucht aufgewendet.

Die Aufgabe der Betreuungspersonen ist es, die intakten Säulen herauszufinden und auf diesen die primäre Arbeit aufzubauen. In weiterer Folge muss dann auch an den restlichen Säulen gearbeitet werden, um den Aufbau einer neuen Identität zu ermöglichen.

5.2 Ressourcen der Sozialarbeit

An dieser Stelle möchte ich auch noch eine ganz andere Problematik hervorheben. Zu den wichtigsten "Werkzeugen" einer Sozialrabeiterin / eines Sozialarbeiters zählen bekanntlich:

- Sprache
- Wissen
- Kontakte (zu anderen Organisationen)
- Wertfreiheit
- Vertraulichkeit zum Schutz des KlientInnen

In der Sozialarbeit mit AusländerInnen ist die Sprachebene oft ein Problem. In vielen Fällen benötigt man eine Dolmetscherin / einen Dolmetscher. Durch die Zuziehung einer dritten Person, entsteht aber plötzlich eine ganz andere Gesprächssituation. Das Vertrauen und die Abgeschlossenheit eines zwei Personen Gespräches geht verloren. Gerade in Gesprächen mit Flüchtlingen ist es daher unbedingt erforderlich, die Körpersprache gezielt einzusetzen und damit dem Gegenüber sein Wohlwollen zu vermitteln.

6. Der Weg zum anerkannten Flüchtling

6.1 Notunterkünfte

Der Integrationsweg beginnt wegen der Überlastung der Bundesasylämter (erste Instanz im Asylverfahren) meist in Notunterkünften. Die Verweildauer in diesem Status ist je nach Bundesland unterschiedlich (da die Aufnahme in Bundesbetreuung aus räumlichen Gegebenheiten unterschiedlich rasch erfolgt) und schwankt natürlich auch mit der Zahl an zu bearbeitenden Asylanträgen. In Traiskirchen, der größten Betreuungsstelle, verbleiben die Flüchtlinge derzeit durchschnittlich drei bis sechs Monate in dieser ersten Aufnahmephase. "Zu diesen langen Wartefristen ist es erst in den letzten Jahren gekommen. Grund dafür sind das neue Asylgesetz und die steigende Zahl an AsylwerberInnen", erklärt RR. ADir. Wilhelm Hutterer, Leiter der Betreuungstelle Traiskirchen.

In dieser Zeit werden die Flüchtlinge mit dem Nötigsten versorgt. Neu ist, dass Personen mit diesem Status seit letztem Jahr auch krankenversichert sind. Weil die Unterbringung und Krankenversicherung auch zum Kreis der Bundesbetreuungs-Leistungen zählen (dazu später mehr), verwendet man neuerdings auch den Ausdruck "Bundesbetreuung Light".

(Von dieser staatlichen Betreuung sind nur wenige Personen ausgeschlossen.)

Was sehr stark fehlt, ist die persönliche Betreuung der Neuankömmlinge. Gerade in der ersten Zeit ist aber die Zahl der Probleme besonders groß.

6.1.1 Zentrale Probleme der Menschen in den Notunterkünften

- Die Fluchtgeschichte muss verarbeitet werden (was besonders schlimm ist, wenn die Menschen neben ihrer Heimat auch Angehörige verloren haben)
- Die neue Umgebung ist fremd. (Es fehlt die Orientierung)
- Sprachprobleme
- Probleme bei der Unterbringung
- Plötzliche Umstellung auf eine andere Kultur (Essen,...)
- Zerrissene Familien
- Unbegleitete Minderjährige
- Fehlende Beschäftigung während des Tages
- Kein Geld (Besonders problematisch z.B. bei starken Rauchern => Schwarzarbeit)
- Fehlende Privatsphäre
- Gestörte Sexualität
- Keine Möglichkeit seine Religion auszuüben
- Keine adäquate Bekleidung
- Trennung von der Heimat

Die aufgezählten Punkte sind die häufigsten Probleme, mit denen Flüchtlinge während ihrer Unterbringung in den Notunterkünften bei mir vorgesprochen haben.

Den Satz "Please, I have a problem", werde ich daher nicht so bald vergessen...

"Das schlimmste an allem ist das lange Warten auf das Interview", meinte ein Flüchtling aus Somalia.

"Neben den Fixpunkten: Frühstück, Mittagessen und Abendessen hat man ganzen Tag nichts zu tun", klagt ein Flüchtling aus dem Irak.

"Wochenlanges Warten auf die erste Einvernahme ohne jegliche sinnvolle Beschäftigung macht das Lagerleben für viele AsylantInnen zur Nervenprobe."

(Christoph Matzl, Kronen Zeitung, 30. August 2001, 11)

Besonders dramatisch ist die Situation in Traiskirchen, wo die Menschen am längsten auf ihre Einvernahme warten. Einzig einige kirchliche und kirchennahe Gruppierungen, bieten hier (überwiegend für die Angehörigen ihrer Religionsgruppe) Freizeitangebote an.

In der Betreuungsstelle selbst werden für die Personen aus dem Notquartier (außer einem Ballspielplatz, einem beaufsichtigten Spielraum für Kinder und Jugendliche und Gottesdiensten für christliche Flüchtlinge) keine Möglichkeiten zur "Freizeitgestaltung" geboten.

6.1.2 Wichtige Aufgaben für professionelle Sozialarbeit

Professionelle Sozialarbeit wäre gerade in der ersten Zeit besonders wichtig. Wie fast überall fehlt aber derzeit (noch) das liebe Geld. Nach meiner persönlichen Erfahrung würde der Aufgabenbereich einer Sozialarbeiterin / eines Sozialarbeiters in der Betreuungsstelle Traiskirchen bei der Arbeit mit Leuten aus dem Notquartier folgende Punkte umfassen:

- Vordringlichstes Ziel wäre es gewiss, die unbegleiteten Minderjährigen besser zu betreuen. Besonders in Traiskirchen scheint der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger (Jugendamt der Bezirkshauptmannschaft Baden) nämlich auf Grund der großen Zahl der zu betreuenden Flüchtlinge überfordert.

Außer für die Rechtsbegleitung im Asylverfahren bleibt den SozialarbeiterInnen nur für wenige Betreuungsmaßnahmen Zeit. (Für nähere Informationen zum Thema unbegleitete minderjährige Flüchtlinge möchte ich auf zwei Arbeiten von Heinz Fronek verweisen. Die "Studie über die Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Österreich" (Wien, 1998) und der Länderbericht Österreich "Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge" (Wien, 1999) geben einen genauen Überblick über die Problemfelder, mit denen minderjährige Flüchtlinge in Österreich zu kämpfen haben.

Erwähnt werden soll hier auch, dass es für diesen Punkt bereits erste Lösungsansätze gibt. Durch die Schaffung von sogenannten "Clearingstellen" sowie durch ein vom evangelischen Flüchtlingsdienst eingereichtes Projekt (noch nicht genehmigt) zur Erstbetreuung, soll ab Jänner 2002 ein Netzwerk zur Betreuung minderjähriger Flüchtlinge aufgebaut werden. (Nähere Informationen zu diesem Thema finden Sie auch unter dem Punkt "Konzepte für die Betreuung minderjähriger Flüchtlinge".

- Anlauf- und Informationsstelle für jene Menschen leisten, die entweder räumlich oder im Verfahrensablauf nicht mehr weiterwissen.
- In Verbindung mit den KollegInnen versuchen, Probleme bei der Unterbringung zu lösen. (Dieser Aspekt ist besonders in Traiskirchen wichtig, wo manche Zimmer für 20 Personen vorgesehen sind.)
- Gerade in der ersten Zeit besinnen sich die Menschen auf ihnen vertraute Werte. Besonders die Religion spielt hier eine zentrale Rolle. Neben den Messen für christliche Gläubige sollten daher auch für andere Glaubensrichtungen Angebote gesetzt werden. Auch einfache und nur mit geringen Kosten behaftete Maßnahmen, wie beispielsweise die Ausgabe einer zweiten Decke als Gebetsdecke, könnten bereits Verbesserungen bewirken. Aufgabe der Sozialarbeiterin / des Sozialarbeiters wäre dabei vor allem die Koordination.
- Persönliche Betreuung der Flüchtlinge. Oft benötigen Flüchtlinge einfach jemanden, bei dem sie sich aussprechen können. (In diesem Punkt wäre auch eine Kooperation mit PsychotherapeutInnen und PsychologInnen wünschenswert.)
- Neue Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung schaffen. Diesbezüglich ist es besonders wichtig, das Angebot mit den Hilfsorganisationen im Umfeld abzusprechen.
- Rechtliche Beratung bzw. Vermittlung der AsylwerberInnen zu Stellen, die mit der rechtlichen Beratung befasst sind.
- Koordination der Bekleidungsausgabe
- Flüchtlinge bei der Trennung von ihrer alten Heimat helfen und Möglichkeiten für die Zukunft aufzeigen.

6.1.3 Die ersten Tage aus dem Blickwinkel eines Flüchtlings

Im folgenden Bericht erzählt ein iranischer Flüchtling, wie er die erste Zeit in Österreich erlebt hat:

Zuerst bekommt man eine Decke, die normalerweise alt ist und nach Lager riecht; daneben auch Bettwäsche, Besteck und eine Schüssel, die zum Glück nicht verbogen ist. Ich glaube kein Flüchtling vergisst die ersten Tage seines Aufenthaltes im Flüchtlingslager Traiskirchen. In diesen Tagen sah ich, dass alle bereuten, nach Österreich gekommen zu sein. Sie aßen wenig und wirkten völlig verstört. Manche rauchten und tranken viel.

Einige Zimmerkollegen habe ich vor ein paar Tagen im Haus der Caritas oder, wie es Flüchtlinge nennen "Bettlerhaus" kennengelernt. Wir haben uns bald angefreundet und einander die üblichen Fragen gestellt: Wie lange bist du schon da, wie bist du gekommen - mit Schleppern - über Jugoslawien - mit dem Zug - ich wurde dreimal abgeschoben - ich wurde von der jugoslawischen Polizei gründlich verprügelt - ich wurde im Wald verhaftet - ich war zwei Wochen in Maribor im Gefängnis...

Wenn man das Schicksal jedes dieser Menschen hätte hören wollen, hätte man für jeden Einzelnen Stunden gebraucht, obwohl sie versuchten, sich kurz zu fassen.

Es war interessant zu hören, aber manchmal fiel es nicht leicht zu glauben. Manchmal schien es sogar äußerst merkwürdig. Für mich war es nur zu wirklich und schmerzvoll und brachte mich den anderen näher. Aus diesem Grund war jeder bereit, alles Mögliche für die anderen zu tun. Die Tage vergingen und die Unzufriedenheit wuchs ständig. Beschränkte Möglichkeiten, schlechtes Verhalten der Polizei, schlechtes Essen, schlechte Hygiene, viel Bürokratie und Unsicherheit. Dies war für viele Flüchtlinge ein Grund, Österreich zu verlassen. Aber man weiß nicht, wohin sie gingen. Ich weiß nur, dass sich solche Flüchtlinge Doppelfluchtversucher nennen.

Es ist Morgen, ich öffne meine Augen und sehe wieder die leeren Betten vor mir, die mich stören. Ich muss noch heute von hier flüchten, hier ist es nicht zum Aushalten. (Kurosh, 1995, 167)

6.1.4 Die Suche nach neuen Wegen

Um die langen Wartezeiten bis zur ersten Einvernahme für AsylwerberInnen zu verkürzen, überlegt man im Innenministerium derzeit neue Strategien für die Zukunft. Derzeit scheint eine ähnliche Lösung wie in England denkbar. Folgender Bericht von Christoph Matzl in der "Kronen Zeitung" analysiert die Situation und skizziert mögliche Wege für die Zukunft.

Lage im Flüchtlingslager wird entschärft!

Minister Strasser startet Initiative, damit Illegale nicht wochenlang auf Einvernahme warten müssen.

Da der Zustrom in das Flüchtlingslager Traiskirchen (NÖ) nicht abreißt und es zu endlosen Wartezeiten bis zur Ersteinvernahme der AsylantInnen kommt, hat Minister Strasser ein neues Projekt initiiert: Durch Bürokratieabbau soll die Dauer der Erstverfahren auf drei Tage verkürzt werden.

Nahezu täglich werden von der Gendarmerie Dutzende illegale GrenzgängerInnen nach Traiskirchen gebracht. Doch infolge von bürokratischen Hürden und auf Grund von Personalmangel müssen viele der AsylantInnen oft Wochen - ja sogar Monate - warten, bis sie zur Ersteinvernahme kommen. In dieser Zeit des Hoffens und Bangens bleibt den Illegalen nichts anderes übrig, als die Zeit tot zu schlagen. Da sie während dieser Wartefrist auch nicht so wie jene, die bereits Asylanträge gestellt haben betreut werden, tauchen jede Woche rund 100 Illegale wieder unter. Und leben - wie berichtet - als "U-Boote" im Land.

Ein Zustand, den auch Caritas-Direktor Michael Landau für nicht tragbar hält. "Diese Situation ist sowohl für die Betroffenen als auch für die AnrainerInnen überaus schwierig", appelliert Landau deshalb an das Innenministerium, die überlangen Wartezeiten doch zu verkürzen.

Ein Appell, der bei Innenminister Strasser auf großes Verständnis stößt, da er selbst schon eine Initiative zur Beschleunigung der Erstverfahren gestartet hat. "Im Ministerium arbeitet bereits eine Gruppe daran, die Verfahren zu beschleunigen", so Ministersprecher Karner. Konkret sollen die Flüchtlinge in "Asylstationen" ähnlich wie in England einvernommen, medizinisch untersucht und registriert werden, damit die Ersteinvernahme nur noch maximal drei Tage dauert. (Christoph Matzl, Kronen Zeitung, 30. August 2001, 11)

Für eine derartige Form der Einvernahme gibt es aber nicht nur Befürworter. "Nach den Strapazen der Flucht, käme auf die Menschen so ein 24-Stunden Einvernahmemarathon (Einvernahmen würden auch am Abend und am frühen Morgen stattfinden) zu. In einer solchen Situation ist es für die Menschen schwierig, sich an jedes Detail zu erinnern. Somit wäre der Wahrheitsgehalt der Aussagen zweifelhaft", ist man Seitens der Hilfsorganisationen zwar für eine Verkürzung der Wartezeiten aber nicht um jeden Preis. (Quelle: Telefonat mit der Wiener Caritas)

6.2 Bundesbetreuung

Nach der ersten Einvernahme durch das Bundesasylamt wird die Aufnahme der AsylwerberInnen in Bundesbetreuung entschieden. Über die Aufnahme in die Bundesbetreuung entscheidet die Abteilung III/14 des Bundesministeriums für Inneres. Die Entscheidungskriterien bzw. welche Unterstützungen den AsylwerberInnen zustehen, sind in der Bundesbetreuungsverordnung (BBetrVO) festgehalten. Um der aktuellen Situation gerecht zu werden, wird diese Verordnung durch Weisungen ergänzt. Das Hauptkriterium für die Entscheidung über die Aufnahme in Bundesbetreuung ist die Hilfsbedürftigkeit.

6.2.1 Welche Unterstützungen bietet die Bundesbetreuung an?

Unter Bundesbetreuung fallen:

- Unterkunft
- Verpflegung (Verpflegskostenbeitrag)
- Taschengeld
- Krankenversicherung
- Bekleidung
- Schulbedarf
- Fahrtbeihilfen
- Soziale Betreuung
- Bestattungskosten
- Rückkehrhilfe

(Quelle: BBetrVO §3)

- Weiters bietet sich AsylwerberInnen im Bundesbetreuten-Status auch die Möglichkeit, in Betreuungsstellen als "RemunerantInnen" zu arbeiten und sich damit zusätzlich zum Taschengeld, Geld zu verdienen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 134 Seiten

Details

Titel
Flüchtlinge sehen mit anderen Augen. Die Rolle von SozialarbeiterInnen bei der Betreuung von Flüchtlingen
Hochschule
Fachhochschule St. Pölten
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
134
Katalognummer
V41498
ISBN (eBook)
9783638397438
ISBN (Buch)
9783638717892
Dateigröße
1114 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Rolle des Sozialarbeiters bei der Betreuung von Flüchtlingen steht im Mittelpunkt der Arbeit. Anhand verschiedener Problemfelder werden verschiedene Handlungsoptionen für die Sozialarbeit aufgezählt und kritisch hinterfragt.
Schlagworte
Flüchtlinge, Augen
Arbeit zitieren
DSA Mag. (FH) MSc Markus Neuwirth (Autor:in), 2001, Flüchtlinge sehen mit anderen Augen. Die Rolle von SozialarbeiterInnen bei der Betreuung von Flüchtlingen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41498

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