Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
I. Einleitung
II. Der internationale Erbfall
1. Erbschaftsteuer und Doppelbesteuerung
2. Subj ektive Steuerpfli cht gem. ErbStG
3. Arten internationaler Erbfälle
4. Doppelbesteuerungsursachen
III. Ökonomische Konsequenzen der Doppelbesteuerung
IV. Strategien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
1. Unilaterale Maßnahmen
2. Bilaterale Maßnahmen
V. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
I. Einleitung
In den kommenden Jahren werden in der Bundesrepublik Deutschland große Vermögen der wohlhabenden Nachkriegsgeneration vererbt. Haben diese Vermögen bzw. die an dem Erbfall beteiligten Personen keinen Auslandsbezug, unterliegt der gesamt Erwerb dem deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht.
Inzwischen ist es keine Seltenheit mehr, wenn das übertragene Vermögen oder die Steuerpflichtigen selbst eine Beziehung zum Ausland aufweisen, was der steuerlichen Behandlung solcher Erbschaften bzw. Schenkungen eine steigende Bedeutung zukommen lässt. Die zunehmende Globalisierung führt zu einer wachsenden Internationalisierung der Vermögen. Zu dieser Verschiebung der Vermögen tragen insbesondere die europarechtlichen Grundfreiheiten, wie die Kapitalverkehrsfreiheit bei. So beinhalten Vermögen immer häufiger im Ausland belegene Vermögensteile, wie etwa ein Ferienhaus in Spanien oder eine Ferienwohnung in der Schweiz. Diese stellen einen Anknüpfungspunkt für die ausländische Steuer dar und verhindern die ausschließliche Anwendung des deutschen Erbschaft-oder Schenkungsteuerrechts. Allerdings kann auch der Steuerpflichtige selbst zum Anknüpfungspunkt der ausländischen Steuer werden. Hier bildet z.B. die Niederlassungsfreiheit den Grundstein für die unproblematische Gründung eines Wohnsitzes im europäischen Ausland. Ist die Steuerhoheit von mehreren Staaten durch einen Erbfall oder eine Schenkung berührt, unabhängig ob dies durch das Steuerobjekt oder das Steuersubjekt ausgelöst wird, spricht man von einem internationalen Erbfall.1
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der erbschaftsteuerlichen Behandlung eben dieser internationalen Erbfälle und der dabei entstehenden Doppelbesteuerungsproblematik. Ziel der Arbeit ist es, die Problematik der Doppelbesteuerung in der Entstehung aufzuzeigen und zu erläutern, welche Möglichkeiten zur Vermeidung einer solchen Doppelbesteuerung auf nationaler wie auf internationaler Ebene bestehen.
Zunächst wird definiert, worum es sich bei der Erbschaftsteuer handelt und was Doppelbesteuerung bedeutet. Sodann wird in Grundzügen erläutert, welche Tatbestandsvoraussetzungen aus deutscher Sicht erfüllt sein müssen, damit der Steuerfall überhaupt der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterworfen werden kann und wie es zu Doppelbesteuerung des Erbfalls kommen kann. Zudem wird ein Überblick über die ökonomischen Folgen einer Doppelbesteuerung gegeben. Kern der Arbeit ist dann, Maßnahmen darzustellen, welche zu einer Minderung bzw. Vermeidung der Doppelbesteuerung führen.
II. Der internationale Erbfall
1. Erbschaftsteuer und Doppelbesteuerung
Die Erbschaftsteuer ist eine Steuer auf das Einkommen i.S. eines Reinvermögensvergleiches. Sie rechtfertigt sich als Bereicherungssteuer und knüpft an die Vermögensmehrung des Empfängers und somit an seine gesteigerte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit an.2 Bei der Erbschaftsteuer handelt es sich um eine Erbanfallsteuer. Sie besteuert nicht die Nachlassmasse als solch, sondern die Bereicherung bei Erben. Im Gegensatz zur Nachlasssteuer ist die Erbanfallssteuer weder Objektsteuer noch letzte Vermögenssteuer des Erblassers, sondern sie erfasst als Subjektsteuer Einkommen beim Bereicherten. Die Erbschaftsteuer unterscheidet sich allerdings von der Einkommensteuer dadurch, dass sie nicht eine am Markt gebildete Wertschöpfung oder das Markteinkommen besteuert, sondern den Vermögenstransfer. Daher wird die Erbschaftsteuer vom BFH als Verkehrssteuer eingeordnet.3
Der Tatbestand der Doppelbesteuerung ist dann erfüllt, wenn derselbe Steuerpflichtige mit denselben Einkünften oder Vermögenswerten gleichzeitig in zwei oder mehreren Staaten mit gleichen oder vergleichbaren Steuern besteuert wird.4 Die Ursache dieser Problematik liegt im Prinzip der weltweiten Besteuerung i.S.d. Welteinkommen- bzw. Weltvermögensprinzips. Dieses wird an den Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz (§§ 8-11 AO) geknüpft. Hieraus resultiert die Befähigung des entsprechenden Staates, die steuerliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen umfassend zu besteuern (unbeschränkte Steuerpflicht). Demgegenüber reduziert sich der Zugriff auf das inländische Vermögen, wenn der Steuerpflichtige im Ausland wohnt. Die Besteuerung erfolgt dann nach dem Quellenprinzip, auch Ursprungs- oder Territorialitätsprinzip genannt. Die Kollision dieser beiden Prinzipen kann somit zur Doppelbesteuerung führen.5
2. Subjektive Steuerpflicht gem. ErbStG
Die unbeschränkte Steuerpflicht knüpft im deutschen Erbschaftsteuerrecht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an die Inländereigenschaft der am Erwerbsvorgang beteiligten Personen an, wobei sich die Inländereigenschaft nach den Regeln der AO bestimmt. Erbschaftsteuerliche Inländer sind demnach alle Personen, die gem. AO einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Existiert ein inländischer Wohnsitz, ist die natürliche Person unabhängig von ihrem tatsächlichen Aufenthalt, einem weiteren Wohnsitz oder Ihrer Staatsangehörigkeit unbeschränkt steuerpflichtig. Die Verhältnisse zum Todeszeitpunkt sind hier ausschlaggebend.6 7 Kennzeichen der unbeschränkten Steuerpflicht ist, dass sie das gesamte Weltvermögen, also sämtlichen steuerpflichtigen Erwerb, unabhängig von dessen Belegenheit im Inland oder Ausland, erfasst.
Die erweitert unbeschränkte Steuerpflicht fasst in den Kreis der Steuerinländer auch deutsche Staatsangehörige ein, welche, ohne einen Wohnsitz im Inland zu unterhalten, sich nicht länger als fünf Jahre im Ausland aufgehalten haben. Diese Regelung behandelt ausgewanderte deutsche Staatsangehörige wie unbeschränkt steuerpflichtige Inländer. Voraussetzung ist allerdings, dass die betroffene Person früher einen Wohnsitz im Inland hatte. Ein gewöhnlicher Aufenthalt genügt nicht.8 Das Erbschaftsteuerrecht knüpft in solch einem Fall ausnahmsweise an der Staatsangehörigkeit und nicht mehr an der Ansässigkeit des Steuerpflichtigen an.9
Die beschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG liegt vor, wenn weder Erblasser oder Schenker noch Erwerber zum Zeitpunkt des Vermögensübergangs Steuerinländer sind. Die beschränkte Steuerpflicht bezieht sich ausschließlich auf inländisches Vermögen, welches aufgrund des Territorialitätsprinzips der deutschen Erbschaftsteuer unterworfen werden. § 121 BewG enthält eine abschließende Auflistung des inländischen Vermögens. Primär gehört zum Inlandsvermögen Grundvermögen oder inländisches Betriebsvermögen.10
Neben den drei vorgenannten Steuerpflichten kennt das deutsche Erbschaftsteuerrecht auch die erweitert beschränkte Steuerpflicht. Die erweitert beschränkte Steuerpflicht, die auf Rechtsgrundlage des § 4 AStG i.V.m. § 2 Abs. 1 AStG die beschränkte Steuerpflicht über en § 121 BewG hinaus auf alle Wirtschaftsgüter des Erwerbs erweitert, deren Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht keine ausländischen Einkünfte i.S.d. § 34c Abs. 1 EStG wären.11 12 13 Ebenso wie die erweitert unbeschränkte Steuerpflicht dient auch die erweitert beschränkte Steuerpflicht dazu, einer Umgehung der deutschen Erbschaftsteuerpflicht durch Auswanderung zu entgehen.
3. Arten internationaler Erbfälle
Ein internationaler Erbfall liegt vor, Erbschaftsteuergesetze verschiedener Staaten Anwendung finden der ein nationales Erbschaftsteuerecht von einem Erbschaftsteueranfall mit Auslandsbezug ausgeht. Dies sind liegt meiste vor, wenn die am Erbfall beteiligten Personen ausländische Staatsangehörige oder deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland sind. Ebenso wenn das von Todes wegen übergehende Vermögen im Ausland belegen ist.14 Es handelt sich demnach um Erb- oder Schenkungsfälle, bei denen Steuerobjekt oder Steuersubjekt eine Auslandsbeziehung aufweisen, bei denen eine Anknüpfung an das ausländischen Recht zusätzlich zum inländischen Recht möglich ist. Grundsätzlich lassen sich internationale Erbfälle grob in drei Fälle untergliedern:15
1. Erblasser oder Erbe haben eine fremde Staatsangehörigkeit.
2. Erblasser oder Erbe sind zwar deutsche Staatsangehörige, haben jedoch ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland.
3. Das Vermögen, welches übertragen wird, ist im Ausland belegen.
Staaten, welche eine Besteuerung unentgeltlicher Vermögenszuflüsse von Todes wegen oder unter Lebenden vornehmen, haben auch Regelungen für die steuerliche Behandlung grenzüberschreitender Vorgänge dieser Art normiert. Allerdings sind diese Regelungen der einzelnen Staaten nicht harmonisiert. Jeder Staat entscheidet aufgrund seiner Steuerhoheit, ob und inwieweit internationale Erbfälle mit einer Erbschaftsteuer belegt werden.16
4. Doppelbesteuerungsursachen
In der Praxis werden Doppelbesteuerungen meist durch unterschiedlichste nationale wie internationale Maßnahmen vermieden, daher handelt es sich bei den nachstehenden Doppelbesteuerungen um virtuelle Doppelbesteuerungen, denen der Steuerpflichtige theoretisch zwar unterliegt, sich aber praktisch nur selten auswirkt.17
Die häufigste Form der Doppelbesteuerung tritt bei der Kollision von Besteuerungsansprüchen aufgrund sich unterscheidender subjektiver und objektiver Anknüpfungspunkte auf.18 In einem solchen Fall wird der Steuertatbestand auf dem Gebiet des Quellenstaates erfüllt, zugleich knüpft die persönliche Steuerplicht an seinen Wohnsitz in einem anderen Staat, dem Wohnsitzstaat, an. Dieser löst die Steuerpflicht durch die Inländereigenschaft des Erblassers bzw. Schenkers oder des Empfängers aus. Der gesamte Vermögensanfall wird im Wohnsitzstaat der unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen, wohingegen der Quellenstaat den Teil des Vermögens, der auf seinem Territorium belegen ist, als Inlandsvermögen qualifiziert und einer beschränkten Steuerpflicht unterwirft.19 Hier kommt es zu einer Kollision zwischen Welteinkommens- und Territorialprinzip und somit zu einer Doppelbesteuerung.20
Beispiel:
Ein in Göttingen lebender Student erbt ein Strandhaus in Schweden. Der Student ist deutscher Steuerinländer und unterliegt daher mit dem gesamten Vermögensübergang der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht in Deutschland (Welteinkommensprinzip). Aus schwedischer Sicht wird das Strandhaus als Inlandsvermögen qualifiziert und in Schweden einer beschränkt Steuerpflicht unterworfen (Territorialitätsprinzip). Die Besteuerung des Erbfalls durch beide Staaten führt zu einer Doppelbesteuerung.
„Seltener, aber dafür in seinen Auswirkungen wesentlich gravierender ist der Fall der unbeschränkten Steuerpflicht in mehr als einem Staat.“21 Dieser Fall kann auftreten, wenn Erblasser und Erwerber in unterschiedlichen Staaten ansässig sind und in beiden Staaten aufgrund ihrer Inländereigenschaft der unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen werden. Der gesamte Vermögensübergang wird somit in beiden Staaten voll steuerpflichtig.
Beispiel:
Ein in den Niederlanden lebender Erblasser vermacht einem deutschen Erben ein Geldvermögen. Da der Erblasser niederländischer Steuerinländer ist, unterliegt der gesamte Vermögensübergang der niederländischen unbeschränkten Steuerpflicht. Ebenso unterliegt das gesamte Geldvermögen jedoch auch der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht, da der Erbe deutscher Steuerinländer ist.
Eine unbeschränkte Steuerpflicht in mehr als einem Staat kann auch durch einen oder mehrere Nebenwohnsitze oder einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Land ausgelöst werden. Auch hier ist die Inländereigenschaft Ausgangspunkt für die unbeschränkte Steuerpflicht.22 23
Ebenso kann die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht zu einer Doppelbesteuerung führen. Hierbei liegt zwar die Inländereigenschaft nicht mehr vor, hat aber innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Vermögensübertragung vorgelegen. Fällt nun ein Steuerpflichtiger zum Zeitpunkt des Erbanfalls aufgrund seiner Ansässigkeit im Ausland dort ebenfalls unter die unbeschränkte Steuerpflicht, kommt es zu einer Doppelbe- steuerung.
Beispiel:
Ein deutscher Staatsbürger aus Niedersachsen entscheidet sich, aufgrund seiner Weinkenntnis, seinen eigenen Wein in Frankreich anzubauen. Er verkauft daraufhin sein Haus in Deutschland und zieht mit seiner Frau nach Frankreich, wo er drei Jahre später verstirbt. Aufgrund seines Wohnsitzes in Frankreich ist der Erblasser französischer Steuerinländer und dort unbeschränkt steuerpflichtig. Da der Wegzug des Erblassers aus Deutschland jedoch noch keine fünf Jahre her ist und dieser dort vor der Auswanderung aufgrund seines Wohnsitzes Steuerinländer war, fällt er auch unter die erweitert unbeschränkte Steuerpflicht Deutschlands.
[...]
1 Vgl.: Arlt, in: Internationale Erbschaft- und Schenkungsteuerplanung, 2001, S. 1
2 Vgl.: Seer, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, 2015, S. 813
3 Vgl.: Seer, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, 2015, S. 814
4 Vgl.: Jacobs, in: Internationale Unternehmensbesteuerung , 2007, S. 3
5 Vgl.: Seer, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, 2015, S. 28 ff.
6 Vgl.: Arlt, in: Internationale Erbschaft- und Schenkungsteuerplanung, 2001, S. 48
7 Vgl.: Wassermeyer, in: Flick/ Piltz, Der internationale Erbfall, 2008, S. 355
8 Vgl.: Arlt, in: Internationale Erbschaft- und Schenkungsteuerplanung, 2001, S.53
9 Vgl.: Seer, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, 2015, S. 815
10 Vgl.: Arlt, in: Internationale Erbschaft- und Schenkungsteuerplanung, 2001, S. 56 f.
11 Vgl.: Seer, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, 2015, S. 820
12 Vgl.: Schlüter, in: Erbrecht, 2007, S. 416
13 Vgl. Schindhelm, Grundfragen des internationalen Erbschaftsteuerrechts, 1997, ZEV S. 8
14 Vgl.: Flick, in: Flick/ Piltz, Der internationale Erbfall, 2008, S. 1
15 Vgl.: Flick, in: Flick/ Piltz, Der internationale Erbfall, 2008, S. 1
16 Vgl.: Wassermeyer, in: Flick/ Piltz, Der internationale Erbfall, 2008, S. 33ff.
17 Vgl. : Cichos, Vermeidung der Doppelbesteuerung im internationalen Erbfall, 2009, S. 23
18 Vgl.: Arlt, in: Internationale Erbschaft- und Schenkungsteuerplanung, 2001, S. 97
19 Vgl.: Wassermeyer, in: Flick/ Piltz, Der internationale Erbfall, 2008, S. 388
20 Vgl.: Arlt, in: Internationale Erbschaft- und Schenkungsteuerplanung, 2001, S. 97
21 Vgl.: Wassermeyer, in: Flick/ Piltz, Der internationale Erbfall, 2008, S. 389
22 Vgl.: Wassermeyer, in: Flick/ Piltz, Der internationale Erbfall, 2008, S. 389
23 Vgl.: Arlt, in: Internationale Erbschaft- und Schenkungsteuerplanung, 2001, S. 99
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- Alexander Roß (Autor:in), 2017, Doppelbesteuerung im Erbschaftsteuerrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/416399
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